Ina Brandt

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Leni und der Wunderfaden

Mit Illustrationen von
Isabelle Metzen

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Weitere Bücher von Ina Brandt im Arena Verlag:
Eulenzauber. Ein goldenes Geheimnis (Band 1)
Eulenzauber. Rettung für Silberpfote (Band 2)
Eulenzauber. Eine wunderbare Freundschaft (Band 3)
Eulenzauber. Magie im Glitzerwald (Band 4)
Eulenzauber. Rätsel um die Goldfeder (Band 5)
Eulenzauber. Hilfe für das kleine Fohlen (Band 6)
Eulenzauber. Geheimnisvoller Edelstein (Band 7)
Eulenzauber. Flora und das Weihnachtswunder

 

 

 

Ina Brandt arbeitete nach dem Germanistikstudium
einige Jahre als Lektorin, bevor sie sich als Autorin selbstständig
machte. Seitdem hat sie zahlreiche Kinderbücher veröffentlicht.
Mit ihrer Buchreihe »Eulenzauber« konnte sie auf Anhieb einen
großen Erfolg erzielen. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und
ihren beiden Töchtern in der Nähe von Stuttgart.

Isabelle Metzen zeichnet, seit sie einen Stift in der Hand halten
kann – also eigentlich schon immer. Nach ihrem Diplom in Design
an der FH Münster hat sie sich selbstständig gemacht und illustriert
jetzt leidenschaftlich Kinder- und Jugendbücher. Neben dem
Zeichnen bastelt und handarbeitet sie liebend gerne.

 

 

 

 

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1. Auflage 2017
© 2017 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag- und Innenillustration: Isabelle Metzen
Nähanleitungen und Schnittmuster: Tante Ema® Mustersalon
ISBN 978-3-401-80736-2

www.arena-verlag.de
www.die-zauberschneiderei.de
www.tanteema.com

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Ein Fund im Briefkasten

Ja, spinnt der denn???«, rief Lenis Mutter und bremste scharf. Der rote Sportwagen, der sie eben überholt hatte, war ganz knapp vor ihnen rübergezogen und hatte ihnen eine Ladung Wasser auf die Windschutzscheibe geknallt. Hektisch betätigte Frau Loos den Hebel für den Scheibenwischer, um wieder freie Sicht zu haben.

»Also manche Leute glauben echt, sie sind allein auf der Welt«, meinte sie kopfschüttelnd. »Zum Glück haben wir es jetzt geschafft.« Sie steuerte den Wagen in die letzte Parklücke, die es in der stark befahrenen Straße gab.

Lenis Schwester Valentina, die vorne neben ihrer Mutter saß, brummelte etwas Unverständliches vor sich hin und tippte weiter auf ihrem Handy herum.

Leni starrte durch das Fenster auf der Rückbank, an dem der Regen in dünnen Linien herunterlief. Vier Stunden waren sie nun unterwegs gewesen, doch Leni kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Sie hasste lange Autofahrten. Und jetzt mussten sie auch noch all die Taschen und Kartons ausladen, mit denen das Auto vollgestopft war.

Der Rest ihres alten Zuhauses war in Umzugskisten verpackt. Morgen würde das Möbelunternehmen alles einladen und ihr Vater den neuen Besitzern ihres kleinen Häuschens die Schlüssel übergeben. Wenigstens blieb Leni damit ein weiteres Zusammentreffen mit dieser Horror-Familie erspart. Die siebenjährigen Zwillingsmädchen Anastasia und Annabelle – die hießen wirklich so! – hatte Leni einfach nur schrecklich gefunden. Sie hatten sofort lautstark verkündet, dass sie ihre Zimmer unbedingt in Hellrosa haben wollten. Wahrscheinlich noch am besten mit Glitzerstreifen. Das würde dann perfekt zu ihren pinkfarbenen Hosen und den weißen Pullovern mit Glitzerschneekugeln drauf passen. Wie man nur so rumlaufen konnte!

Leni hasste Rosa. Ihr waren Rot, Grün oder Blau lieber. Sie hatte zum Glück auch nie mit rosa Tutu ins Ballett gehen oder Geige spielen müssen, wobei ihr Vater sich vermutlich schon freuen würde, wenn sie sich für ein Musikinstrument interessierte. Schließlich spielte er selbst leidenschaftlich gern E-Gitarre und am liebsten richtig laut, was Leni ziemlich cool fand. Aber Leni war eben lieber draußen unterwegs und wäre deswegen auch gern in dem kleinen, alten Häuschen wohnen geblieben. Mit dem verwilderten Garten, ihren besten Freundinnen Mathilda und Lotte gleich nebenan, den vielen Wiesen, dem Bach, in dem man super Staudämme bauen konnte …

Auf ihren nachmittäglichen Streifzügen mit Mati und Lotte hatte Leni immer spannende Dinge entdeckt und sich damit tolle Ideen ausgedacht. Sie hatte Vögel gemalt und ihnen richtige Federn angeklebt, hatte schöne Steine gesammelt und kleine Blumentöpfe aus Ton damit verziert. Wo sollte sie denn all das nun hernehmen, wenn es in der großen Stadt, in die sie jetzt zogen, nur Häuser und Autos gab?

»Das ist ja der reinste Wolkenbruch«, hörte sie ihre Mutter vom Vordersitz aus sagen. »Wir warten lieber noch einen Moment.« Sie warf einen genervten Blick auf Lenis Schwester. »Valentina, kannst du jetzt nicht endlich dieses Ding weglegen?«

Tini, die bloß ihre Eltern Valentina nannten, seufzte. »Nur noch kurz«, murmelte sie, ohne dass ihre Daumen die wilde Tipperei auf dem Handy auch nur für eine Sekunde unterbrachen. Leni kannte dieses Spielchen schon. Das würde nun noch ein paar Mal so hin und her gehen, bis ihre Mutter wirklich sauer wurde. Erst dann, und keine Minute früher, würde Tini aufhören.

Ganz anders als Leni freute sie sich auf ihr neues Zuhause. Sie war froh, aus dem »verschnarchten« Grüningen wegzukommen, obwohl es dort auch ein Kino, eine Fußgängerzone mit Imbissbude und sogar einen kleinen Tierpark gegeben hatte. Aber eben keine coolen Bars und Discos, die Tini nun alle kennenlernen wollte. Dabei musste sie mit ihren 15 Jahren doch sowieso um 22 Uhr zu Hause sein.

Zu Hause – das bedeutete nun eine Vier-Zimmer-Altbauwohnung mit gemeinsamer Gartennutzung. Ganz toll! Leni wandte sich wieder der Schablone mit Lochmuster zu, auf die sie ein Herz stickte. Sie spürte, wie ihre Brust schmerzte vor Wut über diesen Umzug und ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie schluckte ein paar Mal und versuchte, sich auf ihre Stickerei zu konzentrieren. Bevor ihre Mutter noch in den Rückspiegel schaute und mitbekam, was mit ihr los war.

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Autsch! Jetzt hatte sie sich auch noch gestochen. Ein kleiner Blutstropfen quoll aus ihrem Finger und Leni steckte ihn rasch in den Mund. Sie saugte daran und sofort ließ der Schmerz nach. Warum konnte das mit dem Schmerz in ihrer Brust nicht auch so gehen?

Wenn sie nur an den mürrischen Herrn Maier dachte, der ihnen im Treppenhaus begegnet war, als Lenis Eltern den Kindern die neue Wohnung gezeigt hatten. Gleich als Erstes hatte er sie darauf hingewiesen, dass die Haustür spätestens um 22 Uhr abgeschlossen sein musste und die Mülltonnen immer am Abend vorher rauszustellen waren.

Und ob Leni tatsächlich mit Paul, der mit seinem Vater im zweiten Stock wohnte, spielen würde, wie sich ihre Eltern das vorstellten, wusste sie auch nicht. Nur weil er wie sie elf Jahre war, hieß das ja noch lange nicht, dass sie ihn nett fand. Er gehörte vermutlich zu der Sorte Jungs, die Mädchen sowieso langweilig fanden. Zumindest hatte er kaum ein »Hallo« herausgebracht, als sie ihn damals vor der Haustür getroffen hatten.

Wenigstens gab es ihre beiden Zwergkaninchen Hoppel und Moppel. Mit ihnen würde Leni sich in der neuen Wohnung vielleicht nicht ganz so einsam fühlen. Hoffentlich ging es ihnen im Kofferraum auch gut?

»Leni, jetzt verrenk dir doch nicht zum hundertsten Mal den Hals. Bei den beiden ist sicher alles okay«, beruhigte ihre Mutter sie. »Bestimmt freuen sie sich auch schon auf ihr neues Zuhause. So wie wir, stimmt’s?« Ihre Mutter zwinkerte ihr im Rückspiegel zu, doch Leni brachte nur ein mühsames Lächeln zustande. Das konnte sie nun nicht gerade behaupten.

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Als der Regen endlich nachließ, kletterte Leni mit steifen Beinen aus dem Wagen und streckte sich. Auf dem Gehweg hatten sich kleine Pfützen gebildet, in denen sich die Lichter ihres neuen Zuhauses spiegelten. Drei Stockwerke hoch erhob es sich in den grauen Nachmittagshimmel. Ganz oben, wo sich der Dachboden befand, hatte es zwei kleine, mandelförmige Fenster, die Leni an Katzenaugen erinnerten. Solche Fenster gab es heute gar nicht mehr, aber das Haus war ja auch fast hundert Jahre alt.

»Könnt ihr zusammen den Käfig tragen?«, fragte Lenis Mutter, die mit gerunzelter Stirn in den Kofferraum starrte. »Dann nehme ich unsere Übernachtungssachen.« Sie warf sich eine große schwarze Tasche über die Schulter, nahm noch zwei Schlafsäcke in die Hand und hastete durch den Regen zur Haustür. Leni und Tini folgten ihr mit dem Käfig.

Leni war froh, als sie das Trockene erreichten, weil sie nicht wollte, dass Hoppel und Moppel nass wurden. Der Mosaikboden mit seinen vielen bunten Steinchen brachte etwas Farbe in das düstere Treppenhaus, in dem es nach ekligem Putzmittel roch. Sie trugen den Käfig an Briefkästen vorbei, ein paar Stufen hoch und dann ums Eck in den dritten Stock. Die ausgetretenen Holzdielen knarrten bei jedem Schritt und Leni versuchte, sich vorzustellen, wie viele Menschen da im Laufe der Jahre schon hochgegangen waren. Leni und Tini taten sich schwer mit ihrer Last. Hoppel und Moppel hüpften vor lauter Aufregung dauernd von einem Eck ins andere, was jedes Mal eine Schieflage zur Folge hatte. Doch schließlich hatten es die Schwestern geschafft. Vorsichtig stellten sie den Käfig in Lenis neuem Zimmer ab.

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»Puh, die sind ja ganz schön schwer«, stöhnte Tini. »Ich hoffe, wir ziehen so schnell nicht wieder um.«

»Von mir aus hätten wir in Grüningen bleiben können«, grummelte Leni.

»Ach komm, dafür hast du jetzt ein größeres Zimmer. Ist doch auch nicht schlecht«, meinte Tini. »Ich schau mir mal meins an.«

Sie ließ Leni allein und ihre Schritte hallten von den hohen Wänden wider. Sie strahlten ganz weiß und es roch noch ein bisschen nach frischer Farbe. Das Zimmer war wirklich geräumig und dank der beiden großen Fenster auch sehr hell. Von dem einen konnte Leni sogar in den Garten schauen. Dort breitete eine alte Kastanie ihre Zweige über die nasse Wiese, die ringsum von wild wuchernden Büschen eingesäumt war.

»Leni, kannst du bitte mal den Briefkasten leeren?«, erklang da die Stimme ihrer Mutter. »Ich hab gesehen, der quillt über vor Werbung.«

Leni ging auf den breiten Flur, von dem aus die Zimmer abzweigten. Ihre Mutter drückte ihr einen kleinen Schlüssel in die Hand. »Schau mal durch, ob was Wichtiges dabei ist. Den Rest kannst du gleich in die Papiertonne unter der Treppe werfen.«

Leni nickte und ging nach unten. Als sie den vollgestopften Briefkasten öffnete, fiel ihr tatsächlich gleich eine Ladung mit Prospekten entgegen. Sie wollte den ganzen Haufen gerade mit beiden Händen zusammenschieben, als ihre Augen an einer knallroten Postkarte hängen blieben.

»Die Zauberschneiderei – bald in Ihrer Nähe«, stand darauf. Von den goldenen Buchstaben flatterten Stoffe in den verschiedensten Farben und Mustern, als ob sie an einer Wäscheleine aufgehängt wären. Dazwischen stand noch »Stoffe«, »Zubehör« und »Nähkurse«. Ganz klein unten waren Straße, Hausnummer und der Name der Ladeninhaberin angegeben. »Ariane Arruga«, sprach Leni leise vor sich hin. Wie schön das klang! Sie beschloss, die Karte zu behalten, denn diesen Laden wollte sie sich unbedingt einmal ansehen. Leni liebte es, mit Stoffen herumzuwerkeln und sich irgendwelche Sachen damit auszudenken. Erst vor Kurzem hatte sie zwei verschiedenfarbige Streifen aufeinandergenäht und einen schönen Aufhänger drangeklebt. Das Ganze hatte sie dann in ihrem Zimmer neben dem großen Spiegel befestigt. Damit hatte sie jetzt endlich einen Platz, wo sie die vielen Haarspangen festklipsen konnte, die sie für ihre geliebten Flechtfrisuren brauchte. Ihre Mutter staunte immer wieder, wie geschickt Leni mit Stoffen umging. Vor allem, weil Frau Loos damit selbst überhaupt nichts am Hut hatte.

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Träumerisch fuhr Leni mit dem Finger über die glänzenden Buchstaben der »Zauberschneiderei«. Was für ein toller Name, dachte sie. Irgendwie so geheimnisvoll. Als ob man sich dort wunderschöne Taschen, Kissen und wer weiß was noch hervorzaubern konnte. Ob die Nähkurse auch für Kinder waren? Sie musste sofort ihre Mutter fragen, ob sie dort mit ihr mal hinging. Vielleicht konnte sie ja bald schon richtig nähen lernen?

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So viel Neues!

Als sie oben ankam, war ihre Mutter gerade dabei, im Bad ein paar Sachen einzuräumen.

»Mama, sieh mal hier, können wir uns diesen Laden mal anschauen?«, fragte Leni und hielt ihr die Karte unter die Nase.

Frau Loos musterte sie kurz. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Der Name klingt natürlich super«, meinte sie und zwinkerte Leni zu.

Leni nickte. »Ja genau! Und vielleicht sind die Nähkurse auch für Kinder?«

»Ach, Leni«, meinte ihre Mutter nur und stellte ein paar Zahnpastatuben ans Waschbecken. »Ich weiß ja, dass du gern was mit Stoffen machst, aber der Laden ist doch noch nicht mal auf. Und wir müssen erst mal richtig ankommen. In der neuen Wohnung, ihr in der Schule und Papa und ich bei der Arbeit.«

Sie sah Lenis enttäuschtes Gesicht. »Wir schauen da schon irgendwann vorbei«, versprach sie. »Nur nicht gleich morgen.«

»Dann vielleicht übermorgen?«, fragte Leni erwartungsvoll.

Frau Loos lachte. »So bald wie möglich«, erwiderte sie. »Aber jetzt gibt es hier noch einiges zu tun.«

Den Rest des Nachmittags verbrachten sie damit, die Küche zu putzen, damit Lenis Mutter am nächsten Tag alles einräumen konnte. Zum Abendessen gab es ein Picknick auf dem Wohnzimmerboden, weil der Tisch auch noch fehlte. Das fand Leni lustig. Eigentlich könnte man das viel häufiger machen, dachte sie.

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Abends auf der Luftmatratze neben ihrer Mutter zu liegen, war allerdings weniger lustig. Die Matratze war unbequem und der Schlafsack roch muffig. Leni hatte nicht allein in ihrem neuen Zimmer schlafen wollen, dort war alles noch so leer. Zum Glück hatte sie morgen ihr Bett wieder. Zum x-ten Mal drehte sie sich auf die andere Seite, während ihre Mutter schon tief und fest schlief. Sie schien der Lärm der vorbeifahrenden Autos nicht zu stören. Irgendwo weiter weg heulte eine Polizeisirene. Was da wohl los war? All das war ungewohnt für Leni. Zu Hause hatte nachts höchstens mal eine Katze miaut. Aber Katzen würde sie hier nicht hören, denn an so einer befahrenen Straße konnte man kein Tier rauslassen. Leni dachte an ihre Streifzüge mit Mati und Lotte. An den Bach, wo es im Frühjahr kleine Frösche gab, an die Pferde, denen sie so gern auf der Koppel zugeschaut hatten, an ihr Geheimversteck hinter der Brombeerhecke … Und dann endlich schlief sie ein.

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Am nächsten Morgen ging Frau Loos mit den Kindern zum Frühstücken ins Café, denn selbst die Kaffeemaschine steckte noch in irgendeiner Umzugskiste. Und ohne Kaffee ging bei Frau Loos morgens gar nichts. Da war sie auch nicht sonderlich gesprächig. So gingen die drei schweigend die Straße entlang, bogen zweimal ab und dann waren sie schon da. Das Café hatten Lenis Eltern entdeckt, als sie sich die neue Wohnung zum ersten Mal alleine angeschaut hatten. Es hieß »Blume und Brötchen«. Leni dachte zuerst, sie seien falsch, als sie in einem kleinen Blumenladen standen, doch von dort ging es durch einen Vorhang aus Glitzerschnüren ins Café. Hier hingen lauter junge Leute auf abgewetzten Oma-Sofas herum und hielten riesige Tassen in der Hand. Oder sie angelten sich von dreistöckigen Tellertürmchen belegte Brötchen und Mini-Hörnchen.

»Cooler Laden«, stellte Tini fest und nickte zufrieden.

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»Dachte ich mir, dass euch der gefällt«, erwiderte ihre Mutter und steuerte ein Sofa mit zwei Stühlen an, das gerade frei wurde.

Leni fühlte sich ziemlich fehl am Platz. Sie war das einzige Kind hier. Tini warf sich sofort aufs Sofa und griff nach einem handbeschriebenem Blatt, das wohl die Speisekarte war. Leni fiel auf, wie ein junger Typ vom Nachbartisch ihre Schwester musterte. Leni war das schon gewöhnt, denn Tini fiel mit ihren langen braunen Haaren und den knallblauen Augen einfach auf. Seit einiger Zeit tuschte sie sich die Wimpern ganz dick schwarz, sodass ihre Augen noch größer wirkten. Tini sah ihrer Mutter sehr ähnlich, von ihr hatte sie auch die vielen Locken. Leni dagegen hatte wie ihr Vater glatte, dunkelbraune Haare und auch seine nussbraunen Augen. Ihre Mutter nannte sie manchmal »meine kleine Südländerin«, weil Lenis Haut auch im Winter immer leicht braun war.

»Und was darf’s bei euch sein?«, hörte sie da eine Stimme hinter sich. Leni drehte sich um und da stand eine junge Frau mit lila gefärbten Rastazöpfen. Sie hielt einen kleinen Block mit Stift in der Hand und schaute erwartungsvoll in die Runde. Die drei gaben ihre Bestellung auf und die Bedienung fragte Leni: »Soll der Kakao laktosefrei sein?«

Leni schaute ihre Mutter verwirrt an. Was sollte das denn heißen?

»Einfach ganz normale Milch«, erwiderte Frau Loos und die Bedienung verschwand.

»Laktosefreie Milch braucht man nur, wenn man eine Allergie gegen Milcheiweiß hat«, erklärte Lenis Mutter.