Stefan Arend und Thomas Klie

Wer pflegt Deutschland

Transnationale Pflegekräfte – Analysen, Erfahrungen,
Konzepte

Stefan Arend und Thomas Klie

Wer pflegt Deutschland

Transnationale Pflegekräfte – Analysen, Erfahrungen,
Konzepte

Inhalt

Vorwort der Herausgeber

Sorge(n)volle Zustände | Stefan Arend

Osteuropäische Pflegekräfte in Privathaushalten

Die Engel aus dem Osten | Thomas Klie

Vermittlung von Haushaltshilfen aus Mittel- und Osteuropa | Alexander Kostrzewski

CariFair: Qualitätsgesicherter Einsatz mittel- und osteuropäischer Haushalts- und Betreuungskräfte in deutschen Familien mit pflegebedürftigen Personen | Claudia Menebröcker

Die „24-Stunden-Betreuung“ in Österreich | Walter Marschitz

Transnationale Pflegekräfte

Ohne Fachkräfte aus Fernost geht es nicht? | Thomas Klie

Fachkräftesicherung im deutschen Pflegesektor aus international vergleichender Perspektive | Grit Braeseke

Erfahrungen mit der Rekrutierung von Pflegekräften in Spanien | Axel Klopprogge, Eva Ariño Mateo, Christiane Heimann

Migrationsgeschichten von Pflegekräften | Sieglinde Hankele

Transnationale Pflege –
eine Art Gebrauchsanweisung als Resümee | Stefan Arend

Autoren

Ihr exklusiver Bonus an Informationen!

Ergänzend zu diesem Buch bietet Ihnen Altenheim Bonus-Material zum Download an.

Besuchen Sie uns unter www.altenheim.net/bonus ein und erhalten Sie Zugang zu Ihren persönlichen kostenfreien Materialien!

Buch-Code: AH1004

Vorwort der Herausgeber

Das vorliegende Buch behandelt ein Thema, das in ein Dunkelfeld führt, das ungern politisch thematisiert wird, das auch viele private Haushalte in Deutschland als delikat empfinden. In einer alternden Gesellschaft benötigen wir immer mehr sorgende Menschen, die pflegen, betreuen und begleiten. Doch das Humankapital für Sorgeaufgaben ist ein knappes Gut. Ohne die professionellen, aber auch die nichtausgebildeten helfenden Hände aus dem Ausland würde Pflege hierzulande (schon lange) nicht mehr funktionieren.

Kliniken und Pflegeheime werben weltweit um gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Bundesregierung setzt spezielle Arbeitsmarktprogramme zur Rekrutierung von Pflegemitarbeitern aus dem Ausland in Gang, und in deutschen Privathaushalten sorgen – neben den Zugehfrauen und Putzkräften – Hunderttausende von Pflegekräften (vornehmlich aus Mittel- und Osteuropa) dafür, dass ambulant vor stationär funktioniert.

So unterschiedlich sich die Themenkreise der pflegerischen Haushaltshilfen und die Rekrutierung von Pflegefachkräften aus dem Ausland auch darstellen, es sind doch zwei Seiten derselben Medaille: Mit den derzeitigen Strukturen gelingt es uns nicht, die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben in Sachen Pflege und Sorge befriedigend und dauerhaft zu lösen. Das weiß auch die Politik, doch die Herausforderungen beim Namen zu nennen und Probleme anzugehen, dazu fehlt bisher der Mut oder die Kraft oder beides zusammen. Auch die Politik nimmt die Vorteile grauer Arbeitsmärkte in der Pflege stillschweigend an.

Dies gilt insbesondere für die Pflegemitarbeiter in den deutschen Privathaushaltungen. Weitestgehend ohne rechtliche Absicherung hat sich ein eher prekärer, milliardenschwerer Pflegemarkt entwickelt. Schwarzarbeit gilt als Kavaliersdelikt – oftmals zu Lasten der in den Privathaushalten Arbeitenden, die allein auf das Wohlwollen ihrer Arbeitgeber angewiesen sind und auf die Zuverlässigkeit und Seriosität der sie vermittelnden Agenturen und Entsendeunternehmen vertrauen müssen. Eine an sich untragbare Situation, doch scheint dies der Politik und weiten Teilen der Bevölkerung „egal“ zu sein, so lange das System funktioniert. „Egal und illegal“ titelte daher unlängst Thomas Öchsner recht treffend seinen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, in dem er über die Situationen der Haushaltshilfen in Deutschland raisonnierte.1

Natürlich sind auch schon jetzt in Deutschland legale Gestaltungsmöglichkeiten für die Sorgearbeiten in Privathaushaltungen gegeben, und einige Träger und Organisationen bieten diese Dienstleistungen auch an. Aber im Vergleich zum Grau- und Schwarzmarkt sind diese Initiativen fast nicht wahrnehmbar. Man scheut die mit der legalen Gestaltung verbundenen höheren Kosten oder den Verwaltungsaufwand, wenn man als offizieller Arbeitgeber im eigenen Privathaushalt auftritt. Vielleicht erscheint es dringend angebracht, über andere, neue Gestaltungsmöglichkeiten nachzudenken. In Frankreich hat sich ein unkompliziertes Arbeitsmodell per Haushaltscheck2 für Haushaltshilfen (so genannter Borloo-Plan3) bewährt, und in Österreich ist seit 2007 die 24-Stunden-Betreuung zu Hause durch das Hausbetreuungsgesetz umfassend geregelt – allerdings erst, als hohe Staatsrepräsentanten mit illegal beschäftigten Haushaltshilfen aufgeflogen waren. Hoffen wir, dass nicht erst ein solcher „Skandal“ in Deutschland zum Aufwachen und Handeln der Politik führt.

„Aufwachen“ werden auch die Träger von Kliniken und Pflegeeinrichtungen, wenn sie auf die Suche nach Fachkräften im Ausland gehen. Denn die immer noch weit verbreiteten Vorstellungen, im Ausland warten gut ausgebildete Fachkräfte allein oder vor allem auf Offerten aus Deutschland, erweisen sich schnell als Mythos. Deutsche Arbeitgeber müssen sich, insbesondere wenn es um Gesundheitsberufe geht, einem internationalen Wettbewerb um diese guten Köpfe stellen. Denn nicht nur deutsche Träger sind auf der Suche nach Pflegekräften, dieser Markt ist ein weltweiter. Fachkräfte können zwischen vielen Angeboten ihre Wahl treffen. Deutsche Arbeitgeber müssen nicht nur mit einem guten Gehalt locken, es geht vielmehr auch darum, den Bewerbern ein interessantes Beschäftigungsprofil zu bieten. Unterstützung bei der Wohnungssuche, Begleitung vor und nach der Ankunft in Deutschland sowie eine gute Einarbeitung gehören zu den Pflichtaufgaben.

Mit allen diesen Themen beschäftigen sich die Aufsätze in diesem Buch, das die Beiträge des KWA Symposiums Transnationale Pflegekräfte, das im Frühjahr 2016 im KWA Georg-Brauchle-Haus in München stattfand, vereinigt. Das Symposium wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege unterstützt, die Bank für Sozialwirtschaft (BfS) ermöglichte es, dass auf Teilnahmegebühren verzichtet werden konnte. Die Referenten und Diskutanten haben ihre Ausführungen für die Buchveröffentlichung noch einmal überarbeitet, aktualisiert und ergänzt. Es finden sich aber auch Originalarbeiten, die hier erstmals veröffentlicht werden.

Der Dank gilt den Autoren und den Förderern des Symposiums. Frau Monika Döbl erledigte dankenswerter Weise alle Koordinationsaufgaben zur Realisierung des Bandes und sorgte für die professionelle Endredaktion der Beiträge. Danken möchten wir aber auch dem Verlag Vincentz-Network Hannover, der den Band in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat und so die wichtige Thematik einer weiteren Verbreitung zuführt und auf diese Weise ebenso hoffentlich für weitergehende Diskussionen sorgt. Es ist dringend geboten, dass sich Verbände und Politik mit dem Thema weiter und folgenreich befassen – das ist auch eine der Schlussfolgerungen des 7. Altenberichts der Bundesregierung, der dankenswerterweise an dem Thema nicht vorbeigegangen ist. Diese Veröffentlichung versteht sich auch als (weiterer) Beitrag, das Thema aus dem Schatten öffentlicher Wahrnehmung und politischer Befassung zu holen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im gesamten Text auf die Nennung von weiblichen und männlichen Schreibform verzichtet!

Freiburg i.Br. und München im Herbst 2016

Prof. Dr. Thomas Klie und Dr. Stefan Arend

1    Öchsner, Thomas: Haushaltshilfen. Egal und illegal. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 177 vom 2.8.2016, S. 4. Vgl. auch von Bullion, Constanze: Drei Millionen Illegale. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 177 vom 2.8.2016, S. 6.

2    CESU: Chèque emploi service universel.

3    Benannt nach dem französischen Politiker Jean-Louis Borloo: Verbesserung der Vergütungsbedingungen, der sozialen Rechte und der Qualifizierung von Haushaltshilfen. Pole d´Excellence Nationale dans le Secteur des Serveces à la Personne.