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Deutsche Erstausgabe (ePub) Januar 2017

 

Für die Originalausgabe:

© 2012 by Andrew Grey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»A Helping of Love«

 

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2017 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN ePub: 978-3-95823-623-3

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen
von Bettina Spallek


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem den Autor des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber seiner Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane des Autors und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Wenn Restaurantausstatter Peter Christopoulos eines durch seine drei Jahre im Rollstuhl gelernt hat, dann, dass Menschen Schwierigkeiten haben, über seine körperliche Behinderung hinauszusehen. Als er den Koch Russ Baker um ein Date bittet, ist er deshalb nicht überrascht, abgewiesen zu werden. Was er nicht weiß: Russ wird von seinem Freund misshandelt und kann seine Beziehung nur mit größter Mühe beenden. Doch als Russ und Peter einander schließlich näherkommen, muss Russ erkennen, dass sein Ex ihn nicht so einfach aufgibt...

 


 

Für Amy Lane, Mary Calmes, Connie Bailey, Ariel Tachna,

Madeleine Urban, Rhianne Aile und so viele andere Autoren,

die mir alle eine Inspiration waren.

Danke schön.


 

Kapitel 1

 

 

»Glaubst du, du hast heute Zeit, einen potenziellen neuen Kunden anzurufen?«, fragte Annette über die Freisprechfunktion, während Peter sein Müsli aß.

»Jerry versucht nun schon seit fast einem Jahr, das Café Belgie fürs Geschäft zu gewinnen, und jetzt haben sie ihn endlich angerufen. Er denkt, dass er nur diese eine Chance bekommt, und es würde ihn glücklich machen, wenn wir sie als Kunden bekämen. Er würde vielleicht sogar einen Bonus berappen.«

Peter hustete und spuckte beinahe seine halb gekauten Haferflocken quer über den Tisch, bevor er es schaffte zu schlucken.

»Schweine können nicht fliegen«, antwortete Peter lachend und vernahm Annettes verschlagenes Gelächter durch den Lautsprecher.

»Er ist der geizigste Mistkerl, den ich kenne, und genau deshalb hat er vermutlich schon mehr Geld, als ich jemals in meinem Leben zu Gesicht bekommen werde.«

»Geht mir genauso«, stimmte Annette zu. Auf Jerry herumzuhacken war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen und er machte es ihnen manchmal echt leicht.

»Also, kann ich Jerry sagen, dass du es machst?«

»Sicher. Kannst du einige meiner Termine von heute Morgen anrufen und verschieben? Sag Jerry, dass ich am späten Vormittag beim Café Belgie vorbeischauen werde, und erinnere ihn daran, dass er mir was schuldet. Und du übrigens auch.«

»Ich werde ihn daran erinnern«, gab Annette zurück und Peter zweifelte nicht daran, dass sie Jerry diesen Gefallen nicht vergessen lassen würde, bis er etwas herausgerückt hatte, womöglich sogar seine Lunge.

Soweit es Peter anging, war diese Frau im bestmöglichen Sinne hartnäckig.

»Ich wünsche dir einen schönen Tag. Pass auf dich auf. Sie haben heftigen Regen angekündigt.« Annette legte auf und Peter drückte die Auflegen-Taste am Telefon. Er beendete sein Frühstück und legte sein Besteck und sein Glas in die Schüssel, bevor er es in seinen Schoß stellte und damit zum Spülbecken fuhr. Nachdem er die Sachen kurz abgespült hatte, stellte er sie in die Spülmaschine und sah sich im Zimmer um, um sicherzugehen, dass alles sauber war. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass er nichts vergessen hatte, rollte er sich in sein Schlafzimmer zum Kleiderschrank, wo er ein Oberhemd und eine Krawatte heraussuchte. Peter hatte bereits vor langer Zeit gelernt, sein Hemd nicht vor dem Frühstück anzuziehen. Er hatte die Angewohnheit, zu kleckern oder es nass zu machen, wenn er sich über die Spüle beugte.

Da es Sommer war und die Luftfeuchtigkeit ziemlich hoch, beschloss er, auf ein Jackett zu verzichten, und verließ nach einem kurzen Blick in den Spiegel sein Schlafzimmer.

Peter überprüfte ein weiteres Mal, dass er alle Informationen über seine Kunden in seiner Tasche hatte, und befestigte sie an seinem Stuhl. Dann glitt er noch einmal durch das Haus im Ranchstil, um sicherzugehen, dass alles verschlossen war, bevor er sich selbst zur Hintertür hinaus in seine Garage schob. Nachdem er die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, rollte er vorsichtig die kurze Rampe zu der Fahrerseite seines Autos hinunter.

Peter öffnete die Autotür und positionierte seinen Rollstuhl so, dass er in den Fahrersitz rutschen konnte. Über die Jahre war er sehr gut darin geworden, sich um sich selbst zu kümmern, und als er richtig saß, faltete er seinen Rollstuhl zusammen und manövrierte ihn hinter seinen Sitz. Er drückte einen Knopf und die hintere Tür schloss sich. Dann zog Peter seine eigene Tür zu, bevor er einen weiteren Knopf drückte, um das Garagentor zu öffnen, damit er mit dem Auto zurücksetzen konnte.

Kaum hatte er die Garage verlassen, prasselte Regen auf seine Windschutzscheibe, und Peter stöhnte bei dem Gedanken, sich in diesem Regenguss fortbewegen zu müssen. Aber es half nichts. Er griff zur Sonnenblende und drückte den Knopf, um das Garagentor zu schließen, dann machte er sich auf den Weg zu seinem ersten Termin.

Glücklicherweise gab es ein Vordach am Vordereingang und so schaffte es Peter nach drinnen, ohne allzu nass zu werden. Nachdem er den Restauranteigentümer getroffen hatte, verließ Peter ihn mit einer größeren Bestellung über eine komplett neue Ausstattung an feinem Geschirr und Besteck.

»Vielen Dank«, sagte Peter am Ausgang des Restaurants, während er die Hand des Gastronoms schüttelte. »Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie noch etwas brauchen. Ansonsten schaue ich in ein paar Monaten wieder vorbei.«

»Natürlich«, erwiderte Ian mit einem Lächeln und glänzenden Augen. Peter wusste, dass Ian schwul war, und versuchte, nicht allzu viel in seinen Ausdruck hineinzuinterpretieren. Der Mann war umwerfend. Ians Pastiche-Restaurant war ein guter Kunde von ihm, seit Peter diesen Job vor drei Jahren bekommen hatte, und, um ehrlich zu sein, hatte sich Peter seit dem ersten Treffen in ihn verguckt. Dennoch war ihre Beziehung rein geschäftlich. Peter hatte vor knapp einem Jahr versucht, ihre Beziehung persönlicher zu gestalten, doch Ian hatte keinerlei Interesse daran gezeigt.

Mittlerweile war er es gewohnt. Aber nur, weil er in einem Rollstuhl saß, bedeutete das nicht, dass ab der Hüfte abwärts nichts mehr funktionierte. Peter hatte nach seinem Unfall schnell herausgefunden, dass nur sehr wenige Leute über seinen Rollstuhl hinwegsehen und ihn selbst wahrnehmen konnten. Und die, die es taten, sahen ihn nicht auf sexuelle Art an oder zogen gar eine Beziehung mit ihm in Betracht. Peter konnte ihnen da nicht unbedingt einen Vorwurf machen. Sich ein Leben mit jemandem aufzubauen, der nicht laufen konnte, war für die meisten Leute ein schwieriges Unterfangen.

Zum Teufel, es war auch ein schwieriges Unterfangen für Peter selbst gewesen, als er herausgefunden hatte, dass er nie mehr würde laufen können. Aber er war ein Überlebenskünstler und machte das Beste aus seiner Situation.

Ian hielt die Vordertür des Restaurants auf und Peter schob sich hinaus, dankbar dafür, dass der Regen beinahe aufgehört hatte und dass dort keine Stufen waren, mit denen er hätte kämpfen müssen. Peter packte sich ins Auto und startete seine zehn Meilen Fahrt von Mechanicsburg nach Carlisle und zum Café Belgie.

Der Regen setzte wieder ein, als er sich der historischen Stadt näherte, und bis er vor dem belgischen Restaurant parkte, goss es in Strömen. Peter entschied sich dafür, es auszusitzen. Er griff um den Sitz herum, zog sich die Tasche auf seinen Schoß und erledigte Papierkram, bis die Luft im Auto so stickig wurde, dass er es nicht mehr aushielt. Glücklicherweise ließ der Regen nach und Peter nutzte die wohl nur vorübergehende Atempause, um sich aus dem Auto zur Straßenecke zu begeben, wo es eine Rampe gab, die ihn auf den Fußweg brachte. Der Himmel öffnete erneut seine Schleusen, als Peter den unebenen Fußweg entlangfuhr. Er beschleunigte, um nicht total durchnässt zu werden. Als er aufblickte, sah er einen Mann mit einem großen Regenschirm in seine Richtung laufen. Zu Peters Erleichterung hielt er neben ihm an.

»Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte der Mann und zu Peters Überraschung versuchte er nicht, die Kontrolle über den Rollstuhl zu erlangen, wie es die meisten Leute taten. Stattdessen stellte er sich neben Peter und hielt den Schirm über sie beide.

»Sind Sie Peter von Gold Restaurant Supply? Darryl sagte, dass Sie kommen würden, und hat mich gebeten, nach Ihnen Ausschau zu halten, weil Sie im Rollstuhl sitzen.« Der Mann schnappte nach Luft und schlug sich die Hand vor den Mund.

»Entschuldigung.«

»Warum?« Peter zuckte mit den Schultern. »Ich sitze in einem Rollstuhl.«

»Das ist nicht sehr höflich«, antwortete der Mann verlegen und Peter erhaschte einen Blick in sein Gesicht, das rot anlief.

»Die meisten Menschen reden nicht über meinen Stuhl. Aber dann ignorieren sie mich mitsamt dem Rollstuhl. Also brauchen Sie nicht verlegen zu sein. Sie waren nicht unhöflich.« Peter lächelte, bevor er sich weiter Richtung Vordereingang des Restaurants bewegte. Der Mann öffnete die Tür und Peter schob sich ins Innere des Restaurants, froh darüber, dem Regen entkommen zu sein. Wie immer, wenn er ein neues Restaurant betrat, nahm Peter die Umgebung in sich auf, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was der Kunde brauchen könnte. Aber das Café Belgie verblüffte ihn. Jeder Tisch war makellos mit hellen, sauberen Tischtüchern versehen. Das Geschirr, das er erkennen konnte, sah fast neu aus, und selbst der Boden war so sauber, dass man davon hätte essen können.

»Sind Sie Peter?« Ein großer Mann in Kochmontur trat aus der Küche und durchquerte den Speisesaal mit großen Schritten.

»Ich bin Darryl Hansen.«

»Peter Christopoulos«, antwortete Peter und sie schüttelten einander die Hände.

»Das ist ein schöner Speisesaal«, lobte er, während er sich erneut umsah.

»Danke«, sagte Darryl mit einem Lächeln. »Sie wundern sich jetzt sicher, wieso wir Sie haben kommen lassen.« Darryl führte Peter zu einem Tisch im hinteren Bereich des Restaurants und er bemerkte, dass ein Stuhl fehlte. Peter nahm den leeren Platz ein und Darryl einen der anderen, während sich der Mann, der ihm mit dem Regenschirm geholfen hatte, ihm gegenübersetzte.

»Bevor ich es vergesse: Das ist Russell Baker. Er wird der Küchenchef unseres neuen Restaurants sein.«

»Bitte nennen Sie mich Russ«, ergänzte eine sanfte Stimme und Peter schenkte ihm ein Lächeln, bevor er sich wieder Darryl zuwandte.

»Ich habe nur eine halbe Stunde, bevor wir zur Mittagszeit öffnen. Also, wenn es okay ist, würde ich gerne gleich zur Sache kommen«, legte Darryl los. »Ich habe Sie kommen lassen, weil Jerry mich seit einem Jahr damit nervt, seiner Firma eine Chance zu geben. Wir eröffnen ein neues Restaurant an der Pomfret Straße hier in der Stadt und das Angebot, das ich von meinem üblichen Lieferanten bekommen habe, ist astronomisch. Also habe ich mich entschieden zu schauen, ob Sie mir ein besseres machen können.«

»Das werde ich natürlich versuchen«, sagte Peter und wandte sich um, um sich seine Tasche von den Handgriffen des Rollstuhls zu holen.

»Welche Art von Restaurant eröffnen Sie? Benötigen Sie die Standardausstattung oder etwas Besonderes?«

»Mein Partner Billy und ich waren vor ein paar Monaten in Chicago und haben dort lauter kleine Lokale und Stände gesehen, die Gyros und andere griechische Gerichte verkauft haben. Das fanden wir toll und als wir zurückgekommen sind, hat Billy versucht, hier so ein Restaurant zu finden. Aber alle hier machen ihr Gyros mit vorgeformten Pastetchen, die widerlich schmecken. Also haben wir beschlossen, ein griechisches Restaurant zu eröffnen, und Russ wird der Küchenchef und Geschäftsführer sein.«

»Ich weiß genau, was Sie meinen«, sagte Peter begeistert. »Sie rösten das Fleisch an vertikalen Grillspießen und daran wird es gebraten, solange es nötig ist.«

»Genau. Wir werden außerdem griechische Salate, Souvlaki, Spanakopita, Moussaka und natürlich Baklava anbieten. Wir haben das Menü hier mit unseren Stammkunden entwickelt und getestet und wir denken, dass die Rezepte mittlerweile passen. Jetzt brauchen wir nur noch eine Einschätzung zur Ausstattung und der Montage«, erklärte Darryl.

»Das Problem ist, dass wir nicht viel Platz haben«, erläuterte Russ und seine Stimme schaffte es kaum über den Tisch zu Peter, der nicht umhin kam, sich zu wundern, wie dieser Mann in einer Küche überleben und über den Lärm gehört werden konnte.

»Daher haben wir, um den Mehraufwand einzudämmen, nur ein knappes Budget für die Einrichtung des Restaurants.« Russ erhob sich und setzte sich auf den Stuhl neben Peter, während er ein kleines Notizbuch aus seiner Tasche zog.

»Hier ist eine Liste der Dinge, die wir unserer Meinung nach benötigen werden. Zusammen mit einer ungefähren Kosteneinschätzung und dem vorhandenen Platz in der Küche.«

Peter sah sich die Liste und ihr Budget an und dachte kurz nach.

»Wollen Sie typische Pommes Frites aus der Tiefkühltruhe machen?«

Sowohl Darryl als auch Russ blickten entsetzt drein.

»Natürlich nicht. Die Pommes werden frisch gemacht«, antwortete Darryl. »Sie werden eine Rezeptvariante von denen sein, die wir hier servieren. Mit leichten saisonalen Gewürzen, die ihnen den Kick geben.«

Peter nickte und sah weiter über die Liste.

»Ich denke, ich habe ein paar Ideen für Sie. Ich gehe davon aus, dass Sie nichts gegen gebrauchte Geräte haben, solange sie in gutem Zustand und sauber sind. Die vertikalen Gyrosgrills werden neu sein müssen. Aber ich denke, ich kann die anderen Geräte zu einem guten Preis für Sie organisieren.« Peter sah zuerst zu Darryl und dann zu Russ. Beide Männer schienen zufrieden.

»Ich muss mich für den Mittagsservice fertigmachen«, sagte Darryl, als er aufstand. »Sie können mit Russ die Details ausarbeiten und sobald Sie beide einen Vorschlag haben, holen Sie sich bei mir die Genehmigung dafür ein.« Darryl schüttelte seine Hand und verließ den Speiseraum.

»Ich denke, das kann ich mit Ihrem Budget möglich machen«, pflichtete Peter ihm bei.

»Cool.« Russ' Gesicht begann vor Aufregung zu strahlen und Peter musste zurücklächeln.

»Ich bin selbst ziemlich aufgeregt. Mit einem Nachnamen wie Christopoulos wäre es schön, endlich ein Restaurant zu kennen, wo es gutes griechisches Essen gibt. Seit meine Mutter vor ein paar Jahren verstorben ist, hatte ich kaum noch gute Hausmannskost. Vielleicht könnten Sie Ihre Rezepte an mir ausprobieren?« Wo kam das denn her? Gott, flirte ich gerade wirklich mit Russ?

Russ lächelte und für einige Sekunden sah Peter Lust und Interesse in seinen Augen. Etwas, das er lange nicht mehr gesehen hatte, das aber auch schnell wieder verschwand, und Russ' Ausdruck wurde wachsam und ängstlich.

»Normalerweise probiere ich meine Rezepte immer an meinem Partner Barry aus«, erklärte Russ zaghaft lächelnd.

Peter fühlte sich ein bisschen wie ein Idiot und versuchte, es sich nicht ansehen zu lassen. Für einen kurzen Augenblick hatte er gedacht, dass das Lächeln von Russ für ihn bestimmt gewesen war, aber es war nur Russ' allgemeine Aufregung über das Restaurant gewesen. Er hätte es besser wissen sollen. Niemand hatte ihn je in dieser Hinsicht gesehen.

»Wollen Sie das Restaurant sehen?«, fragte Russ und holte ihn aus seinen Gedanken zurück.

»Es hat aufgehört zu regnen und auf diese Weise können Sie auch die Räumlichkeiten begutachten.«

Russ klang so begeistert, dass Peter sein Unbehagen gelassen nahm.

»Sicher. Das wäre hilfreich. Ist der Standort barrierefrei?« In so alten Städten wie Carlisle hatten viele der Läden Treppen und während neue Unternehmen barrierefrei sein mussten, waren einige der älteren Gebäude noch nicht umgerüstet worden.

»Da gibt es keine Treppen«, sagte Russ, bevor er Peter die Adresse mitteilte.

»Gut. Dann treffen wir uns da.« Peter fuhr zur Eingangstür, als das Restaurant öffnete, und nachdem er sich verabschiedet und dem Kellner, der ihm die Tür aufhielt, gedankt hatte, glitt er den Fußweg entlang und zurück zu seinem Auto.

Die Wolkendecke war noch immer sehr dick und hing tief, als Peter vor dem Gebäude hielt, in dem das neue Restaurant entstehen sollte. Es widerstrebte ihm regelrecht, sein Auto zu verlassen, doch er war neugierig. Und die Küche zu sehen, würde ihm helfen sicherzugehen, dass er die richtigen Geräte für seine Auftraggeber beschaffte.

Er öffnete die Autotür und wechselte so schnell wie möglich in seinen Stuhl, um zum Eingang zu kommen. Russ öffnete die Tür und Peter glitt hinein.

»Wie Sie sehen können, haben wir hier noch einiges zu tun. Aber der Speiseraum nimmt schon Form an«, erklärte Russ, als er Peter nach hinten führte.

»Darryl und Billy haben Fotos von den Lokalen gemacht, in denen sie gegessen haben, aber das waren Diners mit Formica-Tischen und alten Nischen, in denen man sitzen konnte. Wir wollen es etwas gehobener und das Essen authentischer.« Russ hielt die Tür auf und Peter rollte in den Raum, der die Küche werden sollte.

»Im Café Belgie liegen die durchschnittlichen Rechnungen ungefähr bei fünfundzwanzig bis vierzig Dollar pro Essen, während wir hier im Acropolis eine durchschnittliche Rechnung zwischen zwölf und achtzehn Dollar pro Essen erwarten. Darum müssen die Betriebskosten gering bleiben, damit wir die Qualität des Essens halten können.«

Peter lauschte Russ' Worten, während er sich im Raum umsah und sich vorstellte, wo die Geräte, die Vorbereitungstische und die Arbeitsstationen sein würden.

»Arbeiten Sie schon lange in Restaurants?«, fragte Peter, während er sich weiterhin sein Bild ausmalte.

»Seit ein paar Jahren. Ich habe als Kellner angefangen und bin dann als Koch für die Vorbereitungen in die Küche gekommen, bevor ich zum Beikoch befördert wurde. Ich kenne so ziemlich jeden Arbeitsschritt. Darryl gibt mir die Chance, das zu tun, was ich schon immer tun wollte: ein komplettes Restaurant zu führen. Ich will ihn nicht hängen lassen.«

Donnergrollen brachte Peters Gedanken zurück zu den Sorgen, die direkt vor ihm lagen.

»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir die Räume gezeigt haben, aber ich sollte in mein Auto zurück, bevor es wieder zu regnen anfängt. Ich werde sehen, was ich zusammenstellen kann, und sollte Ihnen Ende der Woche eine Einschätzung vorlegen können.« Peter glitt durch die leeren Restauranträume und Russ überholte ihn eilig, um die Vordertür für ihn aufzuhalten. Peter fuhr gerade nach draußen zur Fahrertür seines Wagens, als der Himmel seine Schleusen öffnete als hätte man einen Wasserhahn aufgedreht. Peter öffnete die Fahrertür, indem er den Knopf auf seinem Schlüssel drückte, und wollte sich beeilen, sich in den Sitz zu hieven und den Rollstuhl auf die Rückseite zu platzieren, bevor er völlig durchnässt war.

»Ich mache das mit dem Rollstuhl für Sie«, sagte Russ und Peter sah, wie er seine Tasche von den Griffen löste und auf dem Rücksitz verstaute. Er stemmte sich mit den Armen hoch und verlagerte sich auf den Fahrersitz. Blitze zuckten und Donner krachte um ihn herum. Peter versuchte, sich zu beeilen, und der Rollstuhl bewegte sich unter ihm. Er griff nach dem Lenkrad und fand Halt. Doch seine Beine, die noch aus dem Auto hingen und über die er kaum Kontrolle hatte, rutschten unter den Wagen. Er versuchte sich hochzuziehen, doch seine Beine waren zwischen dem Auto und dem Bordstein gefangen und Peter konnte sie nicht herausziehen.

»Ist schon okay. Ich hab Sie«, sagte Russ dicht an seinem Ohr und Peter wollte nur noch seine Augen schließen und vor lauter Scham sterben. Wen interessierte es jetzt noch, dass er völlig durchnässt war. Genau die Sache, die er durch seine Eile zu vermeiden versucht hatte.

Russ' Arme, die um seine Hüfte geschlungen waren, zogen ihn hoch und vom Auto weg. Mit der Hilfe seiner Arme war Peter nun in der Lage, sich klatschnass und gedemütigt, wie er war, auf den Sitz zu ziehen.

»Danke«, sagte Peter und wandte sich Russ zu, während er sein Bestes gab, freundlich zu sein anstatt das zu tun, was er eigentlich tun wollte. Was beinhaltet hätte, die Tür zu schließen, davonzufahren und Russ den Rest seines Lebens nie mehr wiederzusehen. Peter focht einen ständigen Kampf um seine Unabhängigkeit aus und diese Ereignisse führten ihm immer wieder vor Augen, dass, egal wie sehr er es versuchte, er immer von anderen abhängig sein würde.

»Sind Sie in Ordnung?«, fragte Russ. Wasser rann sein Gesicht herab und das schwarze Haar klebte an seinem Kopf.

»Ja«, antwortete Peter atemlos und wandte sich Russ zu, um ihm erneut zu danken. Er keuchte auf, bevor er es unterdrücken konnte.

»Was ist mit Ihrem Arm passiert? War ich das?« Russ' Hemdsärmel war hochgerutscht und Peter sah zahlreiche blaue Flecken über Russ' Arm verteilt, die übel und schmerzhaft aussahen. Das konnte nicht gerade eben erst passiert sein. Russ zog seinen Ärmel wieder nach unten.

»Ich bin neulich zu Hause hingefallen und habe versucht, mich abzufangen.« Russ trat vom Auto zurück.

»Wir hören uns gegen Ende der Woche.« Peter erkannte, dass Russ versuchte, locker zu klingen, um etwas zu verbergen. Er wusste es, da Russ denselben Ton anschlug, den er selbst bei der Physiotherapie verwendete, wenn es wie die Hölle schmerzte und er das nicht vor seinem Therapeuten zugeben wollte. Russ schloss Peters Autotür und winkte ihm zu, bevor er sich beeilte, ins Restaurant zu kommen. Klatschnass nutzte Peter seine Bluetooth-Verbindung im Auto, um Annette anzurufen.

»Ich fahre nach Hause«, erklärte er ihr, nachdem sie den Anruf entgegengenommen hatte. »Ich bin in den Regen gekommen und völlig durchnässt.« Dabei ließ er den absolut peinlichen Teil aus. »Kannst du bitte meine Termine anrufen und ihnen Bescheid sagen, dass es später wird?«

»Natürlich, Süßer. Wie lief es im Café Belgie

»Ich denke, ich kann den Auftrag bekommen, wenn ich mehrere gut erhaltene, gebrauchte Geräte organisieren kann. Ich weiß bereits, dass wir einige der Dinge haben, die sie brauchen.« Er rasselte mehrere Sachen herunter, an die er sich erinnerte. »Und die anderen werde ich überprüfen. Ich werde dir heute Abend einen Kostenvoranschlag schicken und du kannst deine Magie darauf wirken. Sie haben bereits ein Angebot von ihrem üblichen Lieferanten. Wenn wir das unterbieten können, gehört das Geschäft uns und Jerry wird platzen vor Freude.« Zumindest machte das die nasse Unterwäsche wieder gut.

»Ich werde es mir morgen Früh ansehen. Werd erst mal wieder trocken und ruf mich an, wenn du etwas brauchst.«

Peter versprach es und beeilte sich, nach Hause zu kommen. So schnell es das Wetter zuließ. Dort angekommen, brauchte er fast eine Stunde, um aus seinen nassen Klamotten zu kommen, sich abzutrocknen und trockene Sachen anzuziehen. Außerdem wischte er seinen nassen Stuhl ab und fuhr dann wieder los.

Glücklicherweise verlief der Rest des Tages besser und nachdem er alle Besuche erledigt hatte, klarte der Himmel auf und Peter entschied, dass er ein bisschen Bewegung gebrauchen konnte. Also schaute er zum Umziehen zu Hause vorbei und nahm einen anderen Rollstuhl mit. Er fuhr zum örtlichen Gymnasium und parkte nahe der Aschenbahn, wo er den Stuhl auspackte, der schnittig, stabil und nur für ihn gebaut worden war. Peter glitt hinein und fuhr zur Lauffläche.

Er begab sich in Position und begann, sich vorwärts zu schieben, wobei seine Arme die Räder des Rennstuhls antrieben. Als er an Fahrt gewann, kamen nun auch seine Brust, seine Schultern und sein Rücken zum Einsatz und er sauste um die Kurven. Der Stuhl war auf sein Gewicht ausgelegt und konnte schnell die Richtung wechseln. Als Peter weiterhin an Fahrt gewann, rauschte sein Blut durch seinen Körper und sein Herz pumpte das Leben durch ihn hindurch. Nach einer Weile fühlte es sich an, als würde er um die Kurven fliegen, und seine pochenden Arme und seine Brust sagten ihm, dass sie arbeiteten. Unbewusst passierte er einen Läufer und fuhr weiter, während er auf einer der mittleren Bahnen blieb, wo er niemanden störte.

Peter fuhr weiter, passierte ein paar weitere Läufer und blieb in seiner Spur. Während er durch Nase und Mund atmete, genoss er das Training und versuchte, nicht daran zu denken, wie er gewesen war, bevor ein betrunkener Autofahrer sein Leben für immer verändert hatte. Aber das war lange her und Peter schob den Gedanken beiseite. Es war nicht schwer. Nicht hier in der Abendluft, wo er an Läufern vorbeizog, die still zu stehen schienen.

Zwanzig Minuten, eine halbe Stunde, fünfundvierzig Minuten, jeder Meilenstein zog mit einem kurzen Piepen von Peters Uhr an ihm vorbei. Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, wurde er langsamer, rollte aber weiter, um sich abzukühlen.

»Hey, Kumpel. Das war cool«, rief ihm ein Läufer zu, als er zu Peter aufholte und weiterlief, während Peter mit den anderen Schritt hielt.

»Danke«, sagte Peter mit einem Lächeln.

»Trittst du bei Wettbewerben an?«, fragte eine vertraute Stimme und Peter sah zur Seite, wo er Russ zusammen mit den anderen laufen sah.

»Ich würde gerne, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich schon gut genug bin«, antwortete Peter wahrheitsgetreu.

»Ich würde sagen, das bist du. Du sahst aus, als würdest du fliegen«, erklärte ihm Russ und als Peter langsamer wurde, bemerkte er, wie auch Russ sein Tempo drosselte, während die anderen Läufer weiterliefen.

»Als ich dich gesehen habe, wollte ich sicher gehen, dass du in Ordnung bist. Ich hab deine Beine nicht verletzt, oder?«

Peter schüttelte den Kopf.

»Ich habe eine leichte Quetschung, nicht mehr. Aber die ist nicht von dir. Die verheilt mit der Zeit, auch wenn ich ein Auge drauf haben muss. Wie geht es deinem Arm? Tut er weh?« Peter bemerkte, dass Russ an jedem Arm einen Druckverband trug, um seine Handgelenke zu verbergen.

»Nein«, sagte Russ und berührte eines seiner Handgelenke. »Ich bin wohl ein bisschen ungeschickt.«

Dazu sagte Peter nichts und sie hielten an der Seite der Laufbahn an. Russ war genauso verschwitzt wie er, sein weißes T-Shirt war beinahe transparent geworden und ließ seine kleinen Brustwarzen durchscheinen.

»Russ, bist du fertig? Können wir nach Hause gehen?«, rief ein Mann, der über das Gras auf sie zuschritt und Peters Einschätzung nach einen Maßanzug trug.

»Fast«, antwortete Russ, bevor er sich wieder Peter zuwandte. »Ich werde dich Ende der Woche anrufen und ich denke du bist gut genug, um in Wettkämpfen anzutreten.« Russ lächelte, bevor er sich umdrehte und auf den Mann zueilte, den Peter für Barry hielt. Der große Mann wirkte ungeduldig und als Russ ihn erreicht hatte, scheuchte er ihn in die Richtung einer weißen Corvette, wo er ihm ein Shirt zuwarf, da er offenbar Angst hatte, der Sitz seines Ich kompensiere meinen kleinen Penis-Sportwagens könnte dreckig werden.

Neugierig beobachtete Peter, wie Russ sein Shirt auszog, und unterdrückte ein entsetztes Keuchen, als er die blauen Flecken an Russ' Schultern sah.

»Der Mann ist ein Arschloch«, sagte einer der Läufer hinter ihm. »Wenn er auch nur in meine Nähe käme, würde ich ihm seine Corvette in den Arsch schieben.«

Peter lachte über den Witz des Mannes und schaute erst weg, nachdem Russ sein frisches Shirt übergestreift hatte und eingestiegen war. Barry startete den Motor, ließ ihn so laut aufheulen, wie es ging, und fuhr dann mit quietschenden Reifen davon.

Peter hasste selten jemanden auf den ersten Blick, aber Barry fiel in diese Kategorie. Sein Auftreten schrie regelrecht nach selbstgerechtem, scheinheiligem Arschloch. Nun, das war aber nicht Peters Angelegenheit. Russ wirkte wirklich nett, aber er war vergeben. Nicht, dass er Peter eines zweiten Blickes gewürdigt hätte. Das schien niemand zu tun.

»Du magst ihn«, sagte der Jugendliche neben ihm. »Das ist okay, Kumpel. Ich steh auch auf Männer.«

Peter wandte seinen Blick von der Stelle ab, an der Russ und Barry verschwunden waren.

»Kennst du Russ gut?« Warum konnte er nicht aufhören, über Russ nachzudenken? Er hatte bereits jemanden.

»Nicht wirklich. Er läuft manchmal mit uns. Der große Typ holt ihn immer ab und führt sich wie ein überhebliches Arschloch auf. Aber Russ ist cool. Immer nett, wenn auch etwas still.« Der Jugendliche verabschiedete sich und kehrte zu seinen Freunden zurück, die sich versammelt hatten, um sich vom Laufen zu erholen. Peter hob die Hand und sie erwiderten die Geste, bevor sie sich als Gruppe umdrehten und die Lauffläche zur entgegengesetzten Seite überquerten. Peter rollte zu seinem Auto und fuhr nach Hause. Geschäftlich gesehen hatte er einen profitablen Tag gehabt, aber wieder einmal kehrte er in ein leeres Zuhause zurück.

Nach seinem Unfall hatte Peter mit seinen Eltern zusammengewohnt, aber er sah, wie sehr es seine Mutter belastete, sich um ihn zu kümmern. Und als sich ihre Gesundheit immer weiter verschlechterte, kämpfte Peter lange und hart, um mehr und mehr selbstständig zu werden. Er hatte einen Job bekommen, sich ein kleines Haus gekauft und war ausgezogen. Seine Eltern sorgten sich um ihn, doch Peter wollte unabhängig sein.

Vor seinem Unfall war Peter Athlet gewesen. Ein Laufstar mit großen Hoffnungen und Träumen. Doch all das hatte geendet, als er im Krankenhaus seine Augen geöffnet und seine Beine nicht mehr hatte bewegen können.

Peter hatte nicht aufgegeben und seine athletische Disziplin in seine Genesung gesteckt. Als es offensichtlich wurde, dass er nie mehr würde laufen können, arbeitete er daran, so unabhängig wie möglich zu werden. Diese Unabhängigkeit hatte allerdings seinen Preis. Und dieser schien die Einsamkeit zu sein.

In seinem Schlafzimmer zog sich Peter aus und fuhr nackt ins Badezimmer. Nachdem er sich auf den Sitz der Toilette gehievt hatte und aufs Klo gegangen war, fuhr er in die Dusche und zog sich mit Hilfe verschiedener Stangen auf den eingebauten Sitz.

Das Wasser fühlte sich schwer an und Peter ließ es auf sich herabregnen, bevor er sich wusch und mit der Handbrause abspülte. Eine Sache, an die er sich nur schwer gewöhnt hatte, war die Tatsache, dass er für alles viel länger brauchte. Tätigkeiten wie eine schnelle Dusche, die er für selbstverständlich gehalten hatte, raubten nun Zeit und waren mit großer Anstrengung verbunden. Aber Peter konnte sie selbstständig erledigen und erinnerte sich oft selbst daran, dass das ein Sieg war.

Peter schaltete das Wasser ab und wollte nach seinem Handtuch greifen, als er bemerkte, dass er vergessen hatte, es an den Haken zu hängen, bevor er in die Dusche gestiegen war. Er wechselte zurück in seinen Rollstuhl und öffnete die Schranktür, um zwei Handtücher herauszuholen, mit denen er sich und seinen Stuhl abtrocknete, bevor er ins Schlafzimmer fuhr, um sich anzuziehen.

Er bereitete sich selbst Abendessen zu und brachte seinen Teller und seine Utensilien auf einem Tablett, das er auf seinen Schoß gestellt hatte, zum Tisch. Während er aß, begann er die Vorschlagdetails für das Acropolis fertigzustellen. Als er fertig war, schob er seinen Teller beiseite, zog seinen Laptop heran und begann damit, die Bestellung und die Vorschlagdetails an Annette zu schicken. Er war gerade damit fertig geworden, als sein Telefon klingelte.

»Hallo, Dad«, sagte Peter fröhlich. »Wie geht es dir?«

»Ganz okay«, antwortet sein Vater niedergeschlagen. »Ich bin dabei, das Haus weiter auszuräumen, und habe dabei ein paar Sachen gefunden, von denen deine Mutter wollte, dass du sie bekommst. Ich werde sie dir geben, wenn du dieses Wochenende vorbeischaust.«

»In Ordnung«, antwortete Peter. Er machte sich Sorgen über den Tonfall seines Vaters. »Was ist los?« In letzter Zeit hatte sein Vater den Drang, das komplette Haus aufzuräumen. Peter wusste, dass das ein Stück weit daher rührte, dass sein Vater endlich weiterziehen wollte, aber er war neugierig, warum er das ausgerechnet jetzt tat.

»Ich habe ein paar Entscheidungen getroffen und will nicht, dass du sauer wirst. Ich werde das Haus verkaufen und ins betreute Wohnen ziehen. Es wird immer schwerer für mich, alles zu meistern. Einige Freunde von deiner Mutter und mir sind ins Luther Manor gezogen und es scheint ihnen dort zu gefallen.« Sein Vater klang unsicher. Peter jedoch war unglaublich erleichtert.

»Das ist gut«, erklärte Peter seinem Vater. »So musst du nicht mehr Rasen mähen und hast auch kein Haus mehr, um das du dich kümmern musst. Kannst du denn dein Auto behalten?«

»Ja, und ich habe meine eigene Ein-Zimmer-Wohnung.« Die Erleichterung in der Stimme seines Vaters war deutlich zu hören. »Ich dachte, du wärst mir böse, dass ich das Haus deiner Mutter verkaufe.« So hatte sein Vater schon immer über das Haus gedacht, in dem Peter aufgewachsen war. Sie hatten nie viel Geld gehabt, aber Peters Mutter hatte es geschafft, aus eigener Kraft und durch mütterliche Magie ein Heim zu schaffen, das mit Liebe erfüllt gewesen war. Peter vermisste sie jeden Tag aufs Neue.

»Nicht doch, Dad. Brauchst du noch Hilfe dabei, die Sachen durchzuschauen?«

»Nein. Ich habe schon fast alles durchgesehen, aber wir können am Wochenende über alles reden, wenn du magst. Das Haus wird im nächsten Monat auf dem Markt angeboten und ich kann im Oktober in mein Appartement einziehen.«

In Peters Kopf begann es sich zu drehen. Er hatte nicht erwartet, dass sein Vater schon so schnell umziehen würde und das alles angeleiert hatte, ohne vorher mit ihm darüber zu reden.

»Ist das nicht ein bisschen plötzlich?« Peter schluckte schwer, da er nicht wie ein Arsch klingen wollte.

»Irgendwie schon.« Sein Vater klang erneut unsicher und Peter zuckte zusammen. Er wusste, dass er positiv reagieren musste.

»Ich habe dort angefragt und sie hatten unerwartet etwas frei, also habe ich es genommen.«

»Gut. So bist du vor dem Winter umgezogen und musst dich nicht ums Schneeschippen und glatte Fußwege sorgen.« Ja, das kam überraschend, aber es würde seinem Vater guttun. Peter hatte ihm vorgeschlagen, bei ihm einzuziehen, aber das hatte andere Probleme aufgeworfen. Peter wusste, dass es im betreuten Wohnen Leute geben würde, die seinem Vater halfen. Und das auf eine Art, die Peter nicht bewerkstelligen konnte.

Ihre Unterhaltung wandte sich normaleren Themen zu und beide brachten sich gegenseitig auf den neusten Stand, was ihr Leben anging. Nachdem sie eine halbe Stunde telefoniert hatten, sagten sie Gute Nacht und Peter kehrte zu seiner Arbeit zurück. Nachdem er den Papierkram erledigt hatte, begab er sich ins Wohnzimmer, um für eine Stunde fernzusehen, bis es Zeit zum Schlafen war.

Peter putzte sich die Zähne und fuhr ins Schlafzimmer, wo er von seinem Stuhl ins Bett wechselte. Nachdem er sich versichert hatte, dass sein Stuhl so stand, dass er ihn bei Bedarf benutzen konnte, schaltete er das Licht aus. Doch er konnte nicht einschlafen.

Er dachte darüber nach, seinen kleinen Schlafzimmerfernseher einzuschalten und sein Lieblingsvideo anzuschauen, entschied sich jedoch dagegen und rollte sich stattdessen auf die Seite. Nur, weil seine Beine nicht mehr funktionierten, hieß das nicht, dass auch sein Herz das nicht mehr tat oder andere Teile seines Körpers nicht vital und gesund waren, wie die jedes anderen Mannes. Aber alles, was er die letzten drei Jahre gehabt hatte, war seine Hand gewesen und er wollte mehr.

»Ich bin es leid, unsichtbar zu sein.« Peter schaffte es nicht, es sich bequem zu machen, und warf sich im Bett umher. Schließlich richtete er seinen Oberkörper auf und stopfte sich Kissen in den Rücken, um aufrecht sitzen zu können. Er langte zu seinem Nachttisch und griff sich das Buch, das er gerade las. Als er es gekauft hatte, hatte er nicht bemerkt, dass es ein Liebesroman war, und das Ende machte ihn glücklich und traurig zugleich. Glücklich für die Charaktere und traurig, was ihn selbst betraf, da er gerne gehabt hätte, was sie hatten. Aber Peter war sich nicht mehr sicher, ob das für ihn überhaupt noch möglich war.