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Bibliografie
(Auswahl)

1001 Date. Roman (2017)

Körpersprache einfach nutzen. Eine Schauspielerin verrät die besten Tricks für Alltag, Flirt und Job (2014)

111 Gründe, einen Mord zu begehen. Ein Loblied auf die konsequenteste Art der Konfliktlösung (2014)

Körpersprache einfach nutzen. Eine Schauspielerin verrät …(2014)

Das Mama-Trost-Buch. Überleben mit kleinen Monstern (2013)

Mann zu verschenken. Roman (2012)

Yvonne de Bark ist Schauspielerin, Schauspieldozentin und Autorin von Sachbüchern sowie Romanen. Sie gibt Flirt- und Seminare für Körpersprache und coacht Führungskräfte.

Nach anfänglichem Lehramtsstudium genoss sie eine Schauspielausbildung in Berlin und Los Angeles.

Bekannt und beliebt wurde sie durch ihre zahlreichen TV-Serien-Rollen (u. v. a. Motorradcops, Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei, die RTL Daily-Soap Unter uns in der Rolle der Dr. Pia Lassner (2006 – 2009), Küstenwache, Ein Fall für zwei, Marienhof, Hallo Robbie!, Der Fahnder oder die Darstellung der Liane Fußmann in der Kinder- und Jugendserie Schloss Einstein 2011) und Auftritte in Kinofilmen.

Das Leben mit ihren beiden Kindern inspirierte sie zu mehreren Sachbüchern. Ihr erster Roman Mann zu verschenken war der Auftakt zu einer Trilogie, deren zweiter Band der vorliegende ist.

Die zweifache Mutter ist sportlich und hält sich fit u. a. mit Triathlon und Kinderweitwurf. Aber auch mit Ballett und Jazzdance hält sie Ihren Körper geschmeidig, so dass u. a. der Playboy zugriff und die Schauspielerin auch einmal hüllenlos zeigte. Yvonne de Bark lebt im Rheinland bei Köln.

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1. Yvonne de Bark:
Mann zu verschenken. Roman
Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2012
ISBN 978-3-932927-50-8
ISBN 978-3-932927-63-8 (eBook)

2. Yvonne de Bark:
1001 Date. Roman
Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2017
ISBN 978-3-96079-017-4
ISBN 978-3-96079-018-1 (eBook)

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ISBN 978-3-96079-018-1

1. Auflage 2017 / Originalausgabe

© SOLIBRO® Verlag, Münster 2017

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, München
Umschlagillustrationen: © plainpicture/Pierre Desrosiers
Autorenfoto S. 2: © Jona Sbrzesny

www.solibro.de

Ich brauche keine materielle Liebesbezeugung. Außer vielleicht ein kleines Schoko-Herz. Oder über ein adrettes Armband würde ich mich freuen, gut verpackt in einer Prada-Tasche, die in einem metallicblauen Cabrio neben den Karten für die Kreuz fahrt liegt. Kleine Aufmerksamkeiten eben.

Prolog

1. Ein paar Tage zuvor − Der Beginn einer wunderbaren Trennung

2. Wenn man schon Socken faltet …

3. Wie viele Frösche muss man küssen?

4. Bettina wird’s wissen

5. Trag bitte deinen Ehering

6. Jazzdance

7. Erik und Manni

8. Philipp Autohaus

9. Herbert Marketing

10. Spatzenjagd

11. Praxiseröffnung

12. Paarungszeit

13. Karneval

14. Wasserschadenentdeckung

15. Schauspieler

16. Magnus Rechtsanwalt

17. Füllkontakte

18. Herr Pikantparty

19. In Liebe eingeschlossen

20. Vor Gericht

21. Hausweglos

22. Der Handwerker im Haus ersetzt den …

23. Der reichen Frösche Laichzeit

24. Rennfahrer Dominik

25. Marc

26. Robert, der Chef

27. Der nackte alte Mann am Frühstückstisch

28. Wirtschaft

29. Golfclub

30. Vernissagetratsch

31. Mit 1.000 Dates zum Erfolg

32. Hotel Grand Lux. Hotelbar

33. Augen auf

34. Ein Ende

Prolog

Früher war alles leichter – vor allem ich.

Wobei, wenn ich mich so von oben bis unten richtig betrachte, bin ich jetzt gar nicht viel schwerer. Meine hautenge Jeans passt immer noch. Gut, sie musste inzwischen ein wenig mehr Engagement aufbringen, um meinen Hintern in der richtigen Position zu halten. Und nach dem Waschen kontrollierte ich regelmäßig ungläubig die Größe. Laut Etikett musste sie passen. Punkt. Also hinein mit dem Ü-40-Fleisch. Nur so geht Männerfang.

„Also tausend Dates?“

Bettina blickte mich kurz mit diesem „Du WILLST mich nicht verstehen“-Blick an. Dann spielte plötzlich ein Lächeln um ihre Lippen. Ihre Gesichtszüge entspannten sich und sie setzte sich herausfordernd auf: „O. k., wie viele hattest du denn schon?“

„Keine Ahnung, vielleicht so zweihundert?“

„In deinem bisherigen Leben? Na also, dann hast du noch achthundert Chancen, bis du Mister Right gefunden hast.“ Bettina zwinkerte mir zu. Wollte sie mich verarschen?

„Du denkst, ich mache Witze, oder?!“

„Nein, neeein“, schmunzelte sie, trank ihren Orangensaft aus und stellte das Glas auf den Couchtisch.

„Du, ich muss los. Stefan und ich wollen heute Essen gehen. Wir haben Einjähriges – oh Gott, wie das klingt.“

Darauf wollte ich jetzt schon gleich gar nicht eingehen. Was interessierte mich das Beziehungsglück meiner klugen, schönen Freundin.

„Weißt du was? Ich mache ein wissenschaftliches Experiment daraus.“

Bettina zog ihre kurze Jeansjacke an und ging Richtung Tür.

„Ja, mach das, du … verrücktes Huhn“, zwinkerte sie mir zu. Aus dem Mund einer Seelenklempnerin klang das aber eher wie „du saftiges Stück Rinderzunge“ aus dem Mund eines Metzgers.

Bettina und ich hatten uns durch die Paartherapie mit Marius kennengelernt. Sie war uns von Marius’ Praxiskollegen empfohlen worden. Stefan vögelte sie und fand sie umwerfend gut. Ihre fachliche Kompetenz konnte ich leider nicht überprüfen, denn Marius und ich trennten uns noch vor der zweiten Sitzung. Stattdessen schleppte Stefan sie mit zu meiner Geburtstagsparty. Ich würde mal sagen, es ist nicht einfach in meinem Alter noch einen Mann zu finden, viel schwieriger aber eine gute Freundin. Und nachdem Marius mir meine geklaut hatte, musste die Lücke gefüllt werden. Und Bettina füllte sie ausgezeichnet. Sie war attraktiv, gebildet und sie mochte mich. Das waren drei Argumente, die für eine lebenslange Freundschaft mit mir sprachen. Ich selber war ja schon ganz schön toll, aber ich mochte es auch, wenn ich tolle Leute an meiner Seite hatte. Menschen, die mich auch mal bremsen. Die mir meine Flausen ausreden. Moment mal. Hatte sie das eben schon wieder versucht?

Jetzt erst recht. Wenn ich eines hasste, dann war es manipuliert zu werden. Ich würde mich durch tausend Dates hindurcharbeiten. Ich hatte ja eh nichts zu tun und die Chance, dass da Mr. Right dabei sein würde, war groß. Tausend Männer! Na gut, achthundert vielleicht. Der Gedanke, jetzt richtig loszulegen, fraß sich wie ein hungriger Virus in mein Gehirn. Ich kannte das schon von mir. Wenn ich mich einmal festgebissen hatte, dann war ich wie ein Rottweiler, dessen Zähne sich in einem fleischigen Stück Wade verkeilt hatten. Er lässt erst wieder los, wenn man ihm den Kiefer bricht.

Mal nachdenken:

Was suche ich? Ich suche die große Liebe. Herzflattern beim Treffen und Nervosität beim ersten Kuss. Dann Hingabe. Mit Herz und Hirn.

Wie sollte er sein? Das ist mir im Moment erst mal egal. Ich habe ja genug Testdates, bevor ich mich festlegen muss.

Was habe ich zu bieten? Ich bin Anfang vierzig, je nach Alkoholpegel sehr attraktiv, bekomme einen guten Unterhalt und meine Kinder sind am Ende der Pubertät (das hoffte ich zumindest), so dass man sie bald auch mal ein Weilchen alleine lassen konnte. Schlimmstenfalls konnten sie zu Marius. Das war der Vorteil daran, alleinerziehend zu sein. Man hatte auch mal kinderfrei und das Haus ganz für sich. Juchhu.

Definition: Was ist ein Date? Wenn ich die Tausend vollkriegen wollte, dann musste ich zumindest wissen, womit. Gilt ein Date erst ab dem Geschlechtsverkehr? Kann man einem Mann sagen: „Hey, ich muss mal mit dir schlafen, um zu sehen, ob du’s draufhast.“? Ich kauf’ doch nicht die Katze im Sack! Aber ich konnte doch auch nicht aus statistischen Gründen mit tausend Männern schlafen! Gut, aus moralischen Gründen werde ich mich zurückhalten. Vielleicht weiß man es schon beim Küssen, ob es was wird oder nicht. Oder beim Blick in die Augen … oder auf den Hintern.

Mal Tante Gugl fragen.

Hilfe, wenn man „Date“ eingibt, dann kommt alles Mögliche von „Onlinedating“ auf zahlreichen Plattformen bis „Das erste Date“ und welche Fehler man machen kann bzw. wie vermeiden. Danke, solche Tipps brauchte ich nicht, hatte ich nicht nötig, das konnte ich alles selber und sollte mir ein Fehler unterlaufen, dann würde ich daraus lernen. Vielleicht würde ich sogar ein Buch darüber schreiben?

Ein Date ist eine Verabredung, ein Stelldichein, Rendezvous, Tête-à-tête. Eben irgendwas, bei dem sich zwei Menschen treffen. Mit einem bestimmten, vereinbarten Ziel. Entweder um sich kennenzulernen oder etwas zu besprechen oder zu vögeln.

Gut, also war ein Date für mich ein Treffen mit dem Ziel, sich für eine mögliche partnerschaftliche Beziehung kennenzulernen. Sex kann, muss aber nicht. Knutschen kann, muss aber nicht. Und noch etwas setzte ich fest. Ein Date musste persönlich stattfinden, nur dann zählte es als Date. Nur per Mail oder Telefon galt nicht. Das war einfach, jetzt konnte es losgehen.

Ich postete fleißig bei Facebook, ließ ab und zu mal ziemlich plump fallen, dass ich ja alleine wäre und harrte der Dinge, die da kommen würden. Ich erzählte bei jeder Gelegenheit in meinem Bekanntenkreis, dass sie ruhig an mich denken dürften, wenn ihnen ein potentieller Frosch einfiele. Ich wäre ja sooo alleine.

Allein. Allein. Ich betastete das Wort vorsichtig mit meinen Gedanken, so als wäre es der zerbrechliche Stil meines fast leeren Rotweinglases zwischen meinen Fingern. „Allein“, wie konnte es überhaupt so weit kommen?

1. Ein paar Tage zuvor − Der Beginn einer wunderbaren Trennung

Marius legte mir sanft die Hand auf die Schulter: „Du behältst das Sofa, die Schränke und die Küche.“

„Aber die Küche ist doch sowieso im Haus,“ entgegnete ich trotzig. Ich wollte das alles nicht. Aber es gab kein Zurück mehr.

„Ja, aber irgendwann wirst du vielleicht auch ausziehen und dann kannst du sie mitnehmen.“

„Wieso sollte ich denn ausziehen?“

„Weil sich vielleicht irgendwann etwas ändert in deinem Leben.“

„Was soll sich denn NOCH ändern? Wir sitzen hier und zerpflücken unser Leben, du vögelst weiter meine ehemals beste Freundin und wirfst mir weiter vor, ich sei an allem schuld gewesen, weil ich dich in ihre Arme getrieben hätte. Die einzige noch tief greifendere Veränderung wäre eine Geschlechtsumwandlung!“ Ich war stolz auf mich. Trotz des Jammertals in dem unsere Beziehung versandet war, hatte ich meinen Sarkasmus nicht verloren. Nein, ich hatte ihn sogar in einer zugespitzten Fassung für mich kultiviert.

„Marius …“, ruderte ich zurück: „… wir tun doch das Richtige?“

Anstelle eines genervten „Fang nicht wieder davon an“ schwieg er, sah mich ruhig an. Dann ließ er es einfach fallen, als wäre es ein abgetragener Schuh: „Ja.“

Es gibt im Leben einer Frau einige „Jas“, für die sie sterben würde. Nach denen sie sich verzehrt, die sie mit einer Wagenladung unermesslichen Glücks duschen. Das gehauchte, nervöse, nach Ausdünstungen des vorabendlichen Junggesellenabends stinkende „Ja“ vor dem Standesbeamten. Das freudig lächelnde „Ja“ auf den fragenden Blick der Frau mit dem positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Das „Ja“ für die Fußmassage und das „Ja“ für die Übernahme der Babyeinlullnachtschicht. Für manche ist es sogar das „Ja“, das die baldige Scheidung besiegelt, bei der die Frau Haus, Hof und die Hälfte des gesamten Vermögens behalten darf. Aber das „Ja“, das Marius mir entgegenschleuderte, war keines davon.

Mit seinem „Ja“ goss er unwiderruflich die Reste unserer Liebe in einen hässlichen Klumpen Beton, warf diesen auf offener See über die Reling unserer 16jährigen Ehe und wir konnten beide zusehen, wie unsere Beziehung in den unendlichen Tiefen des Meeres aus Hass und Enttäuschung verschwand.

Eigentlich hatten wir uns getroffen, um unseren Hausstand aufzuteilen. Wer bekommt was. Wem steht was zu. Blabla. Aber stattdessen stand ich nun vor der Kaffeemaschine und hörte zu, wie sie das heiße Wasser durch die perforierte Patrone drückte. Das war alles, was ich tat. Ich dachte nichts. Ich sagte nichts. Ich lauschte nur der Kaffeemaschine.

Marius war nun mit Marlene zusammen. Das hatte ich so gewollt. Das war mein Plan gewesen. Ich liebte es, Pläne zu machen. Das schrieb mir schon mein Sternzeichen vor: Löwe. Löwen planen gerne. Und sie behalten gerne die Kontrolle. Ich war Marius losgeworden. Endlich keine herumliegenden Socken mehr, kein Schmatzen am Tisch und niemand, mit dem ich mich um die Fernbedienung streiten müsste. Frei. Das bisschen Chaos und emotionales Desaster musste ich in Kauf nehmen. Hey, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Dass diese Späne kleine Risse in meinem Herzen zurücklassen würden, konnte ich ja nicht ahnen. Ich war ja ein Ersttäter. Ich hatte noch nie meinen eigenen Mann verschenkt. Und ich würde es auch nie wieder tun.

Klar habe ich geheult. Wie ein Schlosshund. Ich habe rollenweise Klopapier zugerotzt, mich in Selbstmitleid gesuhlt und Freundinnen, die bis dato gar keine Freundinnen waren und ab diesem Moment auch keine mehr werden würden, stundenlang am Telefon über die Ungerechtigkeit der Welt aufgeklärt. Ich war ein schreckliches, egoistisches, larmoyantes Häufchen Elend. Und ich hatte es nicht besser verdient.

Nach all dem Durcheinander war es nur logisch und nachvollziehbar, dass ich mich mit unserer Ex-Paartherapeutin angefreundet hatte, die mit Marius’ Zahnarztkollegen regelmäßig kopulierte und mir um einiges vertrauenerweckender schien als meine bis dahin beste Freundin Marlene, die sich arglistig in das Herz meines Mannes bohrte und ihre Schamlippen regelmäßig um dessen Fortpflanzungsorgan schmiegte. Zwischen Bettina, also meine Ex-Paartherapeutin und Bettgefährtin des Kompagnons meines Exmannes, und mir hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt. Ich bewunderte sie für ihre fröhliche, unbeschwerte Art und sie hörte mir zu. Rein privat natürlich.

Die Grundidee war ja eigentlich gar nicht so schlecht gewesen: Ehemann nervt Ehefrau. Ehefrau will ihn loswerden, aber sein Geld behalten. Ehefrau sucht ihm Seitensprung. Ehemann springt, Geld bleibt. Ehefrau glücklich. Na gut, dass er nun gleich ausziehen wollte, das war so nicht geplant. Aber ich wehrte mich nicht dagegen. Frei ist frei. Und im Trennungsjahr blieben immer noch die Hälfte seiner Einkünfte abzüglich Kindergeld und so Sachen.

Jetzt war erst mal Party angesagt. Freiheit genießen! Oh, aber zuerst noch Besitztümer aufteilen. Darum hatten wir uns ja getroffen. Meine Güte, war ich froh, dass Chrissy und Max in der Schule waren. Sie hatten es zwar relativ entspannt aufgenommen, aber laut Aussagen von Internet und RTL nahmen es sich Kinder besonders im Teenageralter zu Herzen, wenn die Eltern sich trennten. Wohl, weil sie dann in einer sehr fragilen Findungsphase seien, was die Beziehung zwischen Mann und Frau angeht. Gut, aber ich war eine tolle Mutter und würde das schon hinkriegen.

Nach einer kurzen Diskussion um Haus und Hof blieb mir das Haus, bis die Kinder flügge sein würden. Die Küche, das Bett, der Wohnzimmerschrank. Wir machten eine grobe Verteilung. Na ja, ich behielt alles, was in Marius’ neue Wohnung nicht hineingepasst hätte. Er wohnte in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Aber ich nahm an, er würde sowieso die meiste Zeit bei Marlene sein. Sich von ihr physisch versorgen lassen, mit Essen und anderen Dingen. Besser gesagt: es sich von ihr besorgen lassen. Ach, lassen wir das. Je weniger ich daran dachte, desto weniger konnte es mich berühren.

2. Wenn man schon Socken faltet …

Am frühen Morgen des Tages, in dessen Abendstunden sich die Wahnsinnsidee der tausend Dates manifestieren würde, kam ein LKW vorgefahren. Marius sprang vom Beifahrersitz und überreichte im Gehen eine Liste an zwei Packer:

„Nur, was auf der Liste steht. Ich geh das gleich mit euch durch … und die mit Aufkleber.“

Ich stand schon in der Haustür und winkte sie betont lässig zu mir.

„Hallo. Kommt rein.“

Marius voran, die Packer hinterher.

Geschäftig zeigte er auf die gepackten Kartons im Flur, die zur Mitnahme bereit waren. Mein zukünftiger Exehemann schloss den Karton mit ein paar Büchern mit einem Klebeband. Endlich war ich den Krempel los. Wer liest schon so einen Mist. „Götter der Antike“, „Spiritualität in der Ehe“, so ein Schmarrn. Emsig lief er nun mit grünen Aufklebern durchs Haus. Auf jedes Stück, das er mitnehmen würde, klebte er einen runden, grünen Punkt. Ja, so war er.

„Den Fernseher behältst du, habe ich überlegt. Ich brauche keinen.“

„Ja, weil Marlene einen hat.“

„Bea, bitte“ stöhnte er. „Ich tu doch alles, damit wir wie Erwachsene auseinandergehen. Kannst du nicht auch versuchen …“

„Was versuchen? Dir meinen Segen zu geben, dass du in Ruhe und Frieden dein Liebesleben ausleben kannst?“

„Na ja, Liebesleben. Ich hätte dich nie verlassen, das weißt du.“

Ja, das wusste ich. Wenn ich ihn nicht mit der Nase auf die Frauenwelt außerhalb seines heimatlichen Mikrokosmos gestoßen hätte, dann würde ich ihm jetzt noch jeden Samstagabend einen Orgasmus vortäuschen, die Wäsche, die er VOR die Waschmaschine gelegt hat, einräumen, seine Schmatzgeräusche beim Essen ertragen und blöde Actionfilme anstelle meines wohlverdienten „Bauer sucht Frau“-Fernsehevents aufarbeiten müssen.

So wie es jetzt war, war es besser, das war schon richtig. Und wenn ich mir das lange genug einredete, glaubte ich es auch irgendwann.

„Ja, ich weiß“, gab ich tonlos zu. Traurig blickte ich auf meine Socken hinab. Hässlich braune, aber unglaublich bequeme und kuschelige Kamelhaarsocken mit verstärkter Sohle, die mein zukünftiger Exmann mir noch am Abend des großen Eklats zum Geburtstag besorgt hatte. Und ich hatte ihm doch unterstellt, dass er Wäsche für seinen Seitensprung gekauft hatte. Hatte er nicht. Es waren diese wunderbaren Haussocken. Für mich.

„Also, Fernseher bleibt.“ Marius klebte geschäftig einen grünen Punkt auf die Stehlampe neben dem Sofa.

Sein Blick wanderte im Raum herum. Er schien irgendwas zu überlegen. Zeit für mich, mir meinen entsorgten Ex-Mitbewohner näher anzusehen. Er hatte sich verändert. Mein ehemals spießiger Herr Dr. Puhlmann hatte seine Cordhosen gegen gesäßbetonende Jeans ausgetauscht, seine graumelierten Haare schimmerten schwarzglänzend im Wohnzimmerlicht, sein Hemd trug er lässig aus der Hose, was seinen Bauch gut kaschierte. Apropos Bauch! War der geschrumpft? Fettabsaugung? Oder war das der regelmäßige Fremdenverkehr? Uach. Schnell wischte ich diesen herpeserregenden Gedanken weg.

In diesem Moment drückte Marius mit dem Daumen einen grünen Punkt auf unser hässliches Beistelltischchen.

„Was willst du denn damit?“ fragte ich verwundert.

Marius schreckte aus seinen Gedanken hoch.

Wie ein Kind, das man beim verbotenen Wühlen in der versteckten Süßigkeitenbox ertappt hatte, blickte er mich an.

„Also …“ zögerte er. „Bea, setz dich mal.“

„Warum?“. Anstatt mich einfach zu setzen und den emotionalen Siebeneinhalbtonner in Ruhe auf mich herabstürzen zu lassen, fragte ich nur „warum?“. Das letzte Mal, als Marius mich bat, mich zu setzen, war, als er mir mitteilte, dass sein seniler Vater seine Drohung wahrgemacht hat und ihn wegen ehelicher Untreue vorerst aus seinem Testament gestrichen hatte. Damals, also vor ca. zwei Monaten, waren wir gerade ein paar Wochen getrennt. Ich war ja der Meinung, sein Vater hatte überreagiert. Aber er mochte mich sehr gern und meine Schwiegereltern waren nun mal der Meinung, dass ich das Beste war, was ihrem Sohn hatte passieren können. Unsere Trennung verbunden mit seinem Fremdgehen hatte ihnen fast das Herz gebrochen. Ich hielt mich ja auch für einen Hauptgewinn, das ließ sich nun mal nicht abstreiten.

Das mit den Frauen aus Seitensprungagenturen, die ich für Marius unter seinem Namen angeschrieben und sie heimlich auf ihn angesetzt hatte, hatte ich meinem Schwiegervater natürlich nie erzählt, wäre ja auch ein bisschen zu privat gewesen. Fand ich.

Nach kurzem Zögern setzte ich mich auf das Sofa ohne grünen Punkt.

„Kommst du hier soweit klar?“, fragte er mich liebevoll und nahm mir gegenüber Platz, so wie man sich einem Gast gegenüber setzt um eine gewisse, respektvolle Distanz zu wahren.

Na ja, ich erstickte in Papieren auf meinem Schreibtisch, deren Bedeutung ich nicht die Bohne verstand, hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, wenn auch nur ein winziges, unbekanntes Fenster auf dem Computerbildschirm aufploppte, ich wusste nicht mal wo der Werkzeugkasten war und einen Nagel hätte ich mit meinem Schuh in die Wand geklopft, aber sonst kam ich gut klar.

„Ja natürlich, warum?“

„Ich werde in nächster Zeit viel arbeiten müssen, da kann ich dir nicht viel helfen.“

„Das ist neu“, verzog ich von Ironie gebeutelt das Gesicht.

„Hör auf, Bea, ich meine es ernst. Stefan wird die Praxis in Köln alleine weiterführen und ich baue mir eine Existenz woanders auf. Ich möchte einen Neuanfang auf der ganzen Linie.“

„Wie bitte? Das sagst du mir erst jetzt?“ verfiel ich in die alte „vorwurfsvolle Ehefraumanier“, um gleich darauf zu merken, dass ich dazu kein Recht mehr hatte.

„Also … für zwei Zahnärzte wirft die Praxis nicht mehr genug ab. Viele Patienten sind … na ja, sie haben das Vertrauen verloren. Sagt Stefan. Bettina hatte das wohl für ihn analysiert …“

„Was denn, wegen so eines Kinkerlitzchens wie arglistiges Hintergehen der Ehefrau trotz gemeinsamer Kinder?“

„Ich bin immer für meine Kinder da. Das war ich und das werde ich immer sein.“

Das glaubte ich ihm. Er hatte immer versucht ein guter Vater zu sein. Zwar zu streng und staubig antiquiert, aber der Versuch war löblich. Ich war jetzt deswegen so bescheiden, weil ich Idiot in der letzten, heißen Phase vor unserer Trennung nicht einmal mitbekommen hatte, dass meine Tochter ihre Tage bekommen hatte und dass mein Sohn regelmäßig kiffte. Also war ich ja wohl die, die die Steine liegen lassen musste, die andere aufhoben um sie auf ihre ehemännlichen Erziehungslegastheniker zu werfen.

Marius fuhr fort: „Und dir helfe ich auch, wo ich kann. Aber zuerst muss ich mich um die neue Praxis kümmern.“

„Ich komm schon klar. Wo wird das sein?“

„Hier in Ellerstadt.“

PLOINGS. Siebeneinhalbtonner gelandet. Auf meinem Ex-Ehe-Herzen. Als wir damals hierherzogen, hätte ich es so toll gefunden, wenn Marius seine Praxis in Köln aufgelöst hätte und eine kleine, schnuckelige hier im Ort aufgemacht hätte. Es gab hier in der Gegend keinen guten Zahnarzt, das hatte ich schon alles recherchiert. Und diese Fahrerei nach Köln und zurück war enervierend, weil die A 3 immer dicht war. Zeit, die er mit seiner Familie hätte verbringen können. Oder mit seiner Frau. Und jetzt? Jetzt verbrachte er die Zeit mit seiner Frau. Nur, dass ich diese Frau nicht mehr war. Autsch.

Aber ich war eine starke Persönlichkeit. Und eine gut aussehende dazu, wie ich einmal nach zwei Flaschen Sekt festzustellen gedacht hatte. Ich würde schon damit klarkommen. Irgendwie. Ich würde mein Leben in den Griff bekommen. So hatte ich es mir gewünscht. Ich würde anfangen zu leben. Ohne Ballast, ohne emotionalen Rucksack, ohne vorgespielte Orgasmen und mit heruntergeklappten Toilettendeckeln.

Stumm zog ich meine geliebten Haussocken von den Füßen. Der letzte, kümmerliche Rest unserer gemeinsamen Vergangenheit lag nach Fußschweiß stinkend in meinen Händen. Ich faltete sie langsam einmal über meine Handkante und gab sie Marius zurück. Socken falten, so was Blödes. Aber in solchen Momenten macht man eben Dinge, die man einem Zuschauer unter normalen Umständen nicht mal in der schlechtesten, geskripteten Realitydoku zumuten würde. Marius sah mich an. Er verstand. Seine Augen hatten einen seltsamen, feuchten, der Situation – meiner Meinung nach – völlig unangemessenen Glanz.

In diesem Moment schnappte sich ein geschäftiger Packer die Stehlampe hinter Marius. Saved by the Möbelpacker, die Stimmung brach auf. Puh. Marius stand auf, steckte die Socken in seine Jacke und ging zur Tür. Als sich die beiden Packer mit seinem Schreibtisch an ihm vorbei drängelten, warf ich ihm hinterher: „Vergiss nicht Chrissys Jazzdancevorführung.“

Marius nickte. „Ich weiß.“ Und ruhig fügte er hinzu: „Ich werde da sein.“

3. Wie viele Frösche muss man küssen?

Bea allein zu Haus. Allein. Aber diesmal ganz allein. Wenn nur ein Kevin auch mit „allein zu Haus“ gewesen wäre. Ein 25jähriger, knackiger Kevin mit Sixpack, Dreitagebart und markantem Kinn, mit dem ich mich auf der Couch hätte wälzen und all mein Selbstmitleid hätte wegvögeln können.

Aber stattdessen guckte ich eine Dokumentation mit Vögeln auf 3Sat. Der Dodo war ein fetter, unbeholfener, flugunfähiger Bodenbrüter, der auf Mauritius beheimatet gewesen war und keine Feinde hatte, bis der Mensch kam. Dessen eingeschleppte Schiffsratten fraßen Dodos Eier auf und zerstörten dessen Zukunft. Seltsamerweise fühlte ich mich dem Vogeltrottel auf eine irrationale Art verbunden. Wäre er nicht Ende des 17. Jahrhunderts ausgestorben, hätte ich mir sofort ein Exemplar als Haustier angeschafft. Im Austausch zu dem blöden Familienhamster.

Obwohl, was hatte ich zu jammern? Meine Zukunft sah im Prinzip passabel aus. Besser als Dodos. Ich hatte wenigstens noch meine Eier, auch wenn sie nicht mehr von Nutzen waren. Haha. Und ich bekam Unterhalt für die Kinder und mich. Ich durfte in unserem Haus wohnen bleiben, da ich die Kinderaufzucht weiterhin als Haupterziehungspersonal übernahm. Arbeiten musste ich nicht, denn mit dem, was mir im ersten Trennungsjahr zustand, konnte ich ein Leben führen, das mich von unerklärbaren Zwängen getrieben regelmäßig in Shoppingcenter und Nagelstudios führte. Und einen neuen Frisör brauchte ich auch. Meine „Ex“-Freundin Marlene fiel als Haarverkürzungsdienstleister ja aus. Ich war mir sicher, dass Marius wenigstens jetzt, nach unserer Trennung, regelmäßig einen Haarschnitt bekam. Von seiner „Neuen“.

Emotional war ich leicht angeschlagen. Ich brauchte Ablenkung. Selbstbestätigung. Ich fühlte mich schrecklich allein. Ich war eine Secondhand-Jungfrau! Attraktiv, aber eben schon Ü-40. Wenn ich früher noch Walnüsse mit meinen Pobacken knacken konnte, so konnte ich doch heute keiner Weintraube mehr was zu Leide tun, obwohl ich zweimal in der Woche ins Fitnessstudio ging. Der Erdbeershake dort ist sensationell.

Dieses Sinnieren über meine verkackte Vergangenheit und ungewisse Zukunft machte mich durstig. Jetzt brauchte ich ein Glas Wein. Nein, ich war kein Säufer. Noch nicht. Ab und zu genehmigte ich mir ein Gläschen. Aber nicht mehr so exzessiv wie in der letzten Phase der Trennung. Da war es Frustsaufen. Klar. Da hatte ich im Suff am Steuer sogar einmal die Wahnvorstellung, dass ich meinen eigenen Mann aus Versehen totgefahren hätte.

Jetzt, in diesem Moment, hatte ich einfach Lust auf ein klitzekleines Glas Wein. Damit ich besser nachdenken konnte.

Ich setzte das Glas an die Lippen, nippte und sah mich um. Viel war nicht geblieben, aber immerhin genug, damit es nicht hallte, wenn man sprach. Ich brauchte dringend neue Dinge, die die Leere im Raum und vor allem in mir füllen würden. Ich nahm einen Schluck.

Was war eigentlich vor Marius? Oh mein Gott, das klingt wie „vor Christus“!

Die meisten Sachen hatten wir uns zusammen angeschafft. Das fing an bei der riesigen Bodenvase, in die keine Blumen der Welt passten, weil selbst die langstieligsten bis zum Blütenkelch darin versinken würden und endete bei der Gartengarnitur mit quietschgrünen Dekokissen von IKEA. Himmel, gab es denn nichts, was mein eigenes war? Ich hatte doch auch ein Leben vor Marius! Damals hatte ich eine kleine Wohnung, ich hatte Freunde, ich hatte einen Fernsehtisch, ein Sideboard und einen Schreibtisch. Irgendwo musste mein Leben doch noch zu finden sein.

Entschlossen ging ich die paar Stufen in den Keller hinunter. An irgendeinem Ort musste es doch sein. Marius und ich hatten getrennte Erinnerungsecken in unserem Gerümpelraum. Sein Leben in einer Ecke, aber die war nun fast leer. Ein paar Kisten standen da noch, er hatte mich gebeten, dass er die nicht mit in seine neue Wohnung schleppen muss. Von mir aus. Mir egal. Und in der anderen Ecke waren meine Sachen. Wie ein kleines Kind an Weihnachten kniete ich mich zwischen die Kisten, nahm noch einen großen Schluck aus meinem Glas und stellte es neben mich auf den staubigen Boden.

In der ersten Kiste waren die Fotos aus längst vergessener Zeit. Ich holte einen Stapel heraus und blätterte ihn durch. Ach herrje, ich hatte ja mal einen Schönheitswettbewerb gewonnen! Auf dem Foto sah ich noch ziemlich durchtrainiert aus. Aber diese Dauerwelle! Was war ich mal jung. Ich erinnerte mich gut an diese Misswahl. Da ich normalerweise lieber Turnschuhe trug, stellte ich mich furchtbar ungeschickt auf Hochhackigen an. Ich sah aus wie ein Storch, der beim Laufen versucht, keine Frösche zu zertreten. Das könnte mir heute nicht mehr passieren. Heute wusste ich, dass Hochhackige zu den wichtigsten Waffen einer Frau gehörten. Ich trug sie immer noch nicht gerne – welche Frau, die Nervenenden in ihren Füßen hat, tut das schon? –, aber um gewisse Dinge zu erreichen, muss man eben mal leiden. Und sie ließen so wunderbar den Po wackeln, ohne dass man sich extra Mühe geben musste.

Nächstes Paket: Fotos. Meine Berühmtheiten, die ich auf Festen oder Konzerten getroffen hatte und an die ich mich für ein Erinnerungsangeberfoto rangeschmissen hatte. Der Stapel war übersichtlich, aber immerhin hatte ich ein Foto mit Dieter Bohlen und Naddel, Thomas Gottschalk mit vielen Haaren, und Bela B. von den „Ärzten“. Auf diese Partys brachte mich damals ein Typ, der mich auf der Misswahl angebaggert hatte und überall mit hinschleppte. Er war Fotograf und kam mit seinem Presseausweis auf fast jedes Event. Er versprach mir damals, mich ganz groß rauszubringen. Das größte war eine Autohauseröffnung in dem Dorf, aus dem ich kam. Da durfte ich Autogramme schreiben – auf Seat-Prospekte.

Ich hatte damals eine wilde Zeit. Einen Kerl nach dem anderen. Zumindest fühlte es sich so an. Ich war seit der Pubertät ständig verliebt und dachte: „NUN hast du den richtigen gefunden.“ Wie viele Dates hatte ich nun eigentlich wirklich in meinem bisherigen Leben? 200 war natürlich zu hoch gegriffen, aber man will ja nicht als Langweilerin vor der besten Freundin stehen. Aber so 100 Dates im weiteren Sinne werden es schon gewesen sein. Und wie viele sexuelle Kontakte? 10? 20? 30? Oder mehr? Ach, was soll die Rechnerei. Fakt ist, dass ich jetzt alleine hier im Keller unter dem schummrigen Licht einer 25 Watt-Glühbirne auf dem kalten Boden kauerte und mich in meiner Erinnerung mit Verflossenen traf. Wie armselig! Und nicht ein „Richtiger“ war dabei. Nicht einer von all den verheißungsvollen Dates.

Wie viele Dates muss man denn haben, um den „Richtigen“ zu treffen? Meine Anzahl war ja offensichtlich nicht genug gewesen.

Ich wollte wieder richtig verliebt sein. So richtig mit Schmetterlingen und Sehnsucht und Herzschmerz und Funkensprühen beim Küssen. Und Erschauern bei Berührungen. Eben das ganze Programm. Ich wollte wieder brennen, leben, lieben, vor Glückshormonen zerplatzen.

Zuerst mal was trinken. Ich nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas. Nachdenklich drehte ich es am Stiel zwischen meinen Fingern und sah, wie der rote Wein darin sanft hin- und herschwappte. Kann man Glück erzwingen? Vielleicht.

Vielleicht musste ich nur genügend Frösche küssen? Irgendein Prinz wird schon irgendwann darunter sein. Das ist eine ganz einfache statistische Erhebung.

Und wie viele Frösche müsste ich wohl noch küssen? Ich hatte ja schon vorgelegt mit ca. 100 bis 200 und da war noch keiner darunter. Außer Marius vielleicht, aber der war ja geplatzt, als ich ihn nach dem Kuss an die Wand geworfen hatte. Depp.

4. Bettina wird’s wissen

„Schön, dass du kommen konntest“, empfing ich Bettina an der Tür. „Aber klar. Wo sind die Kinder?“ Während sie eintrat, deutete ich auf ein weiteres Glas Wein auf der Theke, das ich für sie bereitgestellt hatte.

„Keine Ahnung, ich weiß nur, dass Chrissy bei einer Freundin ist. Und so lange Max relativ pünktlich nach Hause kommt, darf er machen, was er will.“ Ich fand mich ziemlich lässig, wenn ich die coole Mom spielte.

„Na, wenn du meinst.“

Ich war viel zu gut gelaunt und besessen von meiner Frage, als dass ich auf diese Spitze eingehen wollte.

Bettina nahm sich den Orangensaft aus dem Kühlschrank und setzte sich mit einem Glas in der Hand aufs Sofa.

„Ganz schön nackig sieht’s hier aus.“

„Ich würde eher sagen: Aufgeräumt.“

„Deine Begabung alles ins Positive zu drehen, möchte ich haben …“, lachte meine Neufreundin und fügte hinzu: „Möchtest du ein paar Bilder von mir haben?“

Meine Ex-Therapeutin war nicht nur eine begnadete Schraubenfestzieherin, sie hatte auch das Talent Bilder zu malen, die an Interpretationsspielraum kaum zu übertreffen waren.

„Oh. Echt? Kann ich das Bild haben, das aussieht als hätte sich ein kleiner Mensch in einem Spinnennetz aus Dornen verfangen?“

Bettina lachte: „Geht klar.“

Sie nahm einen Schluck: „Also, was ist so dringend?“

Gut, dann konnte ich gleich in medias res gehen. Lange um den heißen Brei herumreden war sowieso nicht meine Stärke.

„Wie viele Dates, denkst du, müsste man durchschnittlich haben, um ihn zu treffen, den ‚Richtigen‘?“ Mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände zeichnete ich in der Luft die Gänsefüßchen nach.

Bettina blickte mich ungläubig an.

„Wie bitte?“

„Wie viele Dates braucht man, um eine reelle Chance auf den Traummann zu haben?“ Vielleicht verstand sie diese Formulierung besser.

Nachdenklich setzte sich meine Ex-Paartherapeutin aufs Sofa.

„Was ist?“, hakte ich ungeduldig nach.

„Nichts, ich denke nur gerade, dass ich mit Stefan ja auch nicht den Übermegasupermann gefunden habe. Ich genieße die Verliebheitshormone, die mir ein gutes Gefühl vermitteln, wenn ich mit ihm zusammen bin, ja. Aber ob er der ‚Richtige‘ ist, das weiß ich doch auch nicht. Hallo? Er putzt sich nach dem Sex den Schwanz mit einem Papiertaschentuch ab!“