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Deutsche Erstausgabe (ePub) Oktober 2016

 

Für die Originalausgabe:

© 2013 by Andrew Grey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Love Means... No Limits«

 

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN ePub: 978-3-95823-611-0

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen
von T. N. Brooks


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem den Autor des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber seiner Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane des Autors und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Bart hätte seinem Leben auf der Flucht vor seinen Problemen beinahe mit einer Überdosis ein Ende gesetzt. Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, übernimmt der Polizist Duane seinen Fall und bringt ihn auf die Laughton-Farm, wo er mit Geduld und Freundlichkeit aufgenommen wird. Die Möglichkeit, seine Drogensucht mit Hilfe von Geoff, Eli und vor allem dem Stallburschen Tyrone zu überwinden, rückt in greifbare Nähe, denn Tyrone scheint trotz des Widerstands seiner konservativen Familie Gefühle für ihn zu entwickeln.

Doch dann holt Bart seine Vergangenheit wieder ein und bedroht alles, was ihm wichtig geworden ist…


 

Für alle, die irgendwo auf der Welt durch die Hölle gehen und auf der anderen Seite stärker und besser herauskommen, weil Liebe wirklich keine Grenzen kennt.


 

Kapitel 1

 

 

Spider glitt in seinem drogeninduzierten Nebel dahin. Das würde ein guter Trip werden – alles fühlte sich perfekt an. Es kümmerte ihn einen Scheißdreck, was um ihn herum vorging. Alles fokussierte sich auf das Innere seines Kopfes. Das konnte er kontrollieren. Seine miese, versoffene Familie bedeutete nichts, ebenso wenig wie irgendetwas anderes. Spider lag auf seinem versifften Bett und schloss die Augen, er genoss seinen selbstgewählten Ausweg aus all dem Scheiß und Dreck, den der Rest der Welt auf seinen Schultern ablud. Mit geschlossenen Augen flog er hoch oben über der Welt, angetrieben von seiner eigenen Vorstellungskraft.

Die Euphorie hielt nie lang genug an und dieses Mal war keine Ausnahme. Gerade als er richtig weit oben schwebte, erstarb der Wind und er fiel zur Erde zurück.

Sein Kopf schmerzte und er öffnete die Augen, zitternd wie üblicherweise, wenn er von einem Trip herunterkam. Er griff nach der Wasserflasche, trank und starrte die Wände des billigen Motelzimmers an, das er sich für diese Nacht besorgt hatte.

Morgen würde er sich nach einem festen Wohnsitz umsehen müssen, aber für heute war er im Warmen und Trockenen. Als Spider langsam aufstand, drehte sich der Raum und er musste sich abstützen, bevor er zum Badezimmer gehen konnte. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf den kalten Fliesenboden, wo er darauf wartete, dass die letzten Wirkungen der Droge seinen Körper verließen. Er trank mehr Wasser und fühlte sich ansatzweise besser. Seine Sicht klärte sich langsam auf und je mehr sie das tat, desto offensichtlicher wurden die Abgründe, in die er gesunken war. Die Böden und Wände waren, Gott wusste wovon, verfärbt, und als sich seine Gedanken geordnet hatten, stand er auf und streifte seine Kleidung ab. Wer wusste, worin er gerade gesessen hatte? Mit einem tiefen Atemzug machte Spider sich daran, seine Zähne mit dem letzten Rest seiner Zahnpasta zu putzen.

Nachdem er die versiffte Toilette benutzt hatte, die aussah, als wäre sie seit Monaten nicht geputzt worden, verließ er das Badezimmer. Der Rest des Zimmers in diesem diskreten Motel war nicht viel besser. Die Bettdecke war verfärbt von Dingen, die Spider noch vor ein paar Jahren zum Schaudern gebracht hätten, aber jetzt kümmerte es ihn nicht wirklich. Es war ein Bett, und es war eins, das er nicht mit einem Fremden teilen musste, wenn er nicht wollte.

Sein Magen knurrte, was ihn überraschte. Normalerweise aß er nicht viel. Nachdem er eine alte Jacke aus seiner Tasche geholt hatte, verließ Spider den Raum, schob seinen Schlüssel in seine Hosentasche und ging zu dem billigen Fast-Food-Restaurant, das zwei Türen weiter lag.

In dem Lokal, das ebenso viel Charme besaß wie sein Hotelzimmer, bestellte er Kaffee und einen Burger von der griesgrämigen Kellnerin, die ihn finster anstarrte, während sie seine Bestellung aufnahm. Spider versuchte zu lächeln, aber dann wandte er sich ab und sah einen Teil seines Spiegelbilds im Fenster. Er erkannte sich selbst kaum. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert und seine Augen waren müde und wurden von schwarzen Ringen darunter geziert. Er wandte sich ab, weil er seinen eigenen Anblick nicht länger ertragen konnte, und starrte auf den Tisch hinab, während er auf seinen Kaffee wartete.

Sobald die Kellnerin die Tasse auf den Tisch gestellt und mit Kaffee aus ihrer Kanne gefüllt hatte, verschwand sie sofort wieder, ohne etwas zu sagen. Spider griff nach den Zuckerpäckchen und schüttete den Inhalt von einem halben Dutzend in die heiße Flüssigkeit. Er verrührte sie, nahm einen Schluck und fühlte, wie das warme Getränk ihn von innen wärmte. Er fühlte sich viel besser, sobald der Zucker seine Blutbahnen erreichte. Während er wacher wurde, blickte er sich möglichst unauffällig im Restaurant um. Der Kundenstamm war genauso, wie er ihn sich vorgestellt hatte: ein paar Prostituierte, die eine Pause machten, andere Typen wie er und, natürlich, der Mann in der Ecke, der aussah als würde ihm der Laden gehören.

Das Problem war, dass Spider sich nicht mehr erinnern konnte, wo genau er war. Er wusste, dass er Grand Rapids verdammt überstürzt verlassen hatte und einfach auf die Autobahn gefahren war. Er war in keine bestimmte Richtung unterwegs gewesen. Er durchsuchte seine müden Gedanken und versuchte, sich an die letzten Schilder zu erinnern, die er am Rand der Straße gesehen hatte. Aber er hatte nicht darauf geachtet und war nur abgefahren, wenn ihm das Benzin ausging. Mit einem Murmeln, das an niemand Bestimmtes gerichtet war, gab er schließlich auf, weil es sowieso verdammt unwichtig war. Er würde essen, schlafen und dann am nächsten Morgen den Tank seines Wagens füllen und noch etwas weiterfahren. In seinem Hinterkopf wusste er, dass er sich außerdem irgendwo noch etwas mehr Stoff besorgen musste, aber darum machte er sich keine allzu große Sorgen. An Orten wie diesem würde es nicht schwer sein, zu bekommen, was er brauchte.

Sein Essen kam und Spider beugte sich über seinen Teller. Jetzt zählte nur noch sein mörderischer Hunger. Er leerte den Teller in wenigen Minuten und hielt nur inne, um zu kauen und gelegentlich ein wenig Kaffee hinterherzukippen. Als er zu Ende gegessen hatte, winkte er der Kellnerin, um mehr Kaffee zu bekommen, und als sie an den Tisch kam, sah sie noch griesgrämiger aus, falls das überhaupt möglich war. Sie füllte die Tasse, Spider fügte mehr Zucker hinzu und ließ das Getränk kalt werden, bevor er es in einem Zug leerte. Die Kellnerin brachte die Rechnung und Spider warf genug Scheine auf die Theke, um sie zu begleichen, bevor er sich auf den Weg nach draußen machte.

Die Tür fiel hinter ihm zu, er schob seine Hände in die Taschen und auf dem Weg zu seinem Hotelzimmer holte die Erschöpfung ihn schnell wieder ein.

»Brauchst du was, Kumpel?«

Spider drehte sich um und sah den Mann aus der Ecke des Restaurants in einem brandneuen BMW sitzen, das Fenster auf der Fahrerseite war heruntergelassen. Ohne zu antworten, schlenderte Spider auf den Wagen zu. Sie sprachen kurz miteinander, Spider übergab das Geld und bekam eine Tüte des Stoffs, den er in den nächsten Stunden brauchen würde. Spider sah nicht zu, wie das Fenster sich schloss, aber er hörte, wie die Reifen sich auf dem Kies drehten, als der teure Wagen die Auffahrt verließ und der Straße folgte.

Spider schob die Tüte in seine Tasche und lief den Rest des Weges zu seinem Hotelzimmer entlang. Er öffnete die Tür, ging hinein und schloss hinter sich ab. Er zog seine Jacke aus, warf sie auf seine Tasche und ließ sich dann aufs Bett fallen. Er streifte seine Schuhe ab, schloss die Augen und schlief beinahe sofort ein.

Spider schlief nie besonders lange und nie besonders gut und als er aufwachte, zeigte der uralte Wecker neben dem Bett, dass es drei Uhr morgens war. Er wühlte im Dunkeln nach dem Tütchen mit Pillen und warf eine ein, die er ohne Wasser schluckte. Er legte sich wieder hin, schloss die Augen und wurde bald von angenehmer Schwärze überwältigt.

 

Spider erwartete, in dem schäbigen Hotelzimmer zu erwachen, aber als er seine Augen öffnete, starrte er an eine saubere, weiße Decke und unerwartet warme, weiche Laken strichen über seine Haut. Er musste träumen, war alles, was er denken konnte. Der Raum war dunkel und er drehte seinen Kopf und sah, dass das Bett, in dem er lag, ein Gitter hatte, das hochgeklappt war. Das Gefühl, eingesperrt zu sein, versetzte ihn für einen Moment in Panik, bis er seinen Kopf drehte und wieder an die Decke starrte. Dann versuchte er, seine Hände zu heben, doch sie waren festgebunden. Seine Beine ebenfalls. Jetzt zitterte sein ganzer Körper vor Angst. Was zur Hölle passierte mit ihm?

Spider schrie und die Tür öffnete sich. »Beruhigen Sie sich, es geht Ihnen gut«, sagte eine Frau, als sie das Zimmer betrat. »Niemand wird Ihnen etwas tun. So wie Sie in den letzten beiden Tagen um sich geschlagen haben, mussten wir Sie zu Ihrem eigenen Schutz sicher stellen.« Spider bemerkte, dass sie keine Anstalten machte, ihn loszubinden. »Entspannen Sie sich einfach und alles wird gut. Hätten Sie gern etwas zu trinken?« Sie hob einen Becher mit einem Strohhalm an seine Lippen und er trank ein paar Schlucke. Als sie den Becher wegnahm, sah er sich ein wenig mehr um und erkannte, dass er einen Infusionsschlauch in seinem Arm hatte. »Wir mussten die Gifte aus ihrem Körper spülen.«

»Wie lange bin ich schon hier?«, fragte Spider und die Enge in seiner Brust wurde schlimmer. »Wo sind meine Sachen? Wenn sie gestohlen wurden, werde ich...«

Sie lachte ihn tatsächlich aus.

»Die Polizei hat die Tasche hergebracht, die sie in Ihrem Hotelzimmer gefunden haben. Sie liegt im Schrank und niemand hat etwas angefasst.« Sie trat näher und Spider sah, dass sie eine kleine Frau mit weißem Haar und stechenden Augen war. »Natürlich haben sie die Drogen genommen, die sie gefunden haben, und denken darüber nach, womit sie Sie anklagen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind seit drei Tagen schimpfend und rasend im Krankenhaus. Wollen Sie noch etwas mehr trinken?« Spider schüttelte den Kopf. »Dann bleiben Sie hier ruhig liegen, bis der Arzt und die Polizei kommen, um mit Ihnen zu sprechen.« Sie verließ den Raum und Spider schloss die Augen.

Scheiße, jetzt hatte er einen ganzen Haufen Schwierigkeiten. Spider seufzte und starrte wieder die Zimmerdecke an. Er hatte nichts anderes zu tun. Als er sich langsam zu dem einzigen Fenster des ansonsten leeren Raums drehte, sah er, dass es noch immer dunkel draußen war. Mit einem Mal wieder müde schloss er die Augen und dämmerte weg.

 

Spider wachte auf und hätte beinahe geschrien, bevor sein Gehirn sich einschaltete und er sich erinnerte, wo er war. Verzweifelt sah er sich um, zog an seinen Fesseln und zitterte auf dem Bett. Sein Körper war mit Käfern bedeckt und er konnte sie nicht sehen oder zerquetschen. »Hilfe!« Die Tür öffnete sich und zwei Pfleger stürzten herein. »Es geht Ihnen gut«, sagte der männliche Pfleger, während die Frau ihn zu beruhigen versuchte.

»Ich bin mit Ameisen bedeckt. Sie sind überall«, schrie Spider, zerrte und riss an seinen Fesseln. Er musste aufstehen und weg von hier.

»Da ist nichts. Das ist Ihr Gehirn, das Ihnen einen Streich spielt, während die Drogen Ihren Kreislauf verlassen«, sagte der Mann in nüchternem, beruhigendem Tonfall. »Es ist alles in Ordnung, also atmen Sie tief ein und versuchen Sie, sich zu beruhigen. Es gibt nichts, was wir Ihnen geben können, damit diese Empfindungen verschwinden. Ihr Körper kämpft gegen den Entzug von den Drogen und Sie werden da einfach durchmüssen.« Spider fühlte, wie der Pfleger seinen Arm rieb. Er hätte ihn weggezogen, aber er konnte nicht. Letztendlich ließ das Gefühl nach und er spürte, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatten. Da waren keine Käfer und es war wirklich alles nur in seinem Kopf.

»Trinken Sie was und entspannen Sie sich«, sagte der Pfleger und hielt ihm einen Strohhalm an die Lippen. Spider trank und trank, bevor er seinen Kopf auf das Kissen sinken ließ. Er war schweißnass, die Decke klebte an seinem Körper.

»Ich werde seine Laken wechseln«, sagte der Mann und die Frau nickte und verließ den Raum. »Benehmen Sie sich, und keine Fluchtversuche oder ich werde einen von den anderen rufen. Und die sind nicht so angenehm wie ich.«

Spider dachte an eine Million Witze, die er hätte machen können, aber die Größe des Mannes ließ die Worte in seinem Hals stecken bleiben. Die Arme des Mannes waren kräftig genug, um ihn in zwei Teile zu brechen, also blinzelte er einfach nur und nickte ihm zu. Der Pfleger schloss den Vorhang, nahm die Bettdecke und legte sie auf einen Stuhl. »Denken Sie an das, was ich gesagt habe, oder ich strecke Sie nieder, Krankenhaus oder nicht.«

Der Mann löste die Fesseln um Spiders Beine und befreite eine seiner Hände, nur um sie auf der anderen Seite des Bettes wieder zu befestigen. Dann entfernte er das Leinentuch. Es dauerte eine Weile, aber schließlich lag Spider nackt in sauberen Laken. Der Pfleger arbeitete weiter und schon bald war Spider in einen neuen Kittel gekleidet und wieder zugedeckt.

Der Pfleger sammelte die Laken ein und machte sich auf den Weg nach draußen. »Wir werden bald nach Ihnen sehen«, sagte er, als er an dem Mann in Uniform vorbeikam, der Spiders Zimmer betrat.

»Die Cops. Genau das, was ich jetzt gebraucht habe«, stöhnte Spider und erinnerte sich selbst daran, nichts zu sagen. Der Beamte blieb am Fußende von Spiders Bett stehen und starrte auf ihn herab.

»Sie können froh sein, dass Sie noch am Leben sind, wussten Sie das?« Spider starrte zurück, aber er sagte nichts und versuchte, nicht überrascht auszusehen. »Die Drogen, die Sie genommen haben, waren verunreinigt und wenn der Motelangestellte nicht an Ihre Tür geklopft hätte, wären Sie vermutlich gestorben.«

»Ach ja?«, erwiderte Spider scharf. Er war schon vorher kurz davor gewesen – keine große Sache.

Der Polizeibeamte trat näher an das Bett heran und in seinen Augen glänzte etwas, das Spider nicht vollständig verstand. »Du hättest sterben können, weil diese Pillen so stark waren, dass sie ein Pferd zu Fall gebracht hätten. Du hattest verdammtes Glück, dass sie dich nicht umgebracht haben.« Er kam noch immer näher, beugte sich über das Bett und Spider versuchte, seinen Kopf wegzudrehen, doch das half nicht. »Wenn der Manager dich nicht gefunden hätte, wär's das gewesen«, brachte er mühsam zwischen den Zähnen hervor.

»Tatsächlich warst du drei Tage komplett weg. Zuerst wussten wir nicht, ob du weiterleben würdest.« Die Spur der Sorge in der Stimme des Beamten verwirrte Spider und er wollte nachfragen, hielt jedoch die Klappe.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte Spider.

»Für den Anfang den Namen des Typs, der dir den Stoff verkauft hat«, sagte der Beamte.

Spider zuckte die Achseln, was alles war, was er tun konnte, solange seine Hände gefesselt waren. »Glauben Sie, Sie können mich aus diesen hier rausholen? Ich bin kein Tier.«

»Arbeite mit und ich werde darüber nachdenken«, sagte der Polizeibeamte. Dieser Kerl war unnachgiebig, daran gab es nichts zu rütteln, und Spider erkannte, dass das der beste Deal war, den er kriegen würde.

»Ich weiß nicht, wer er war. Ich habe ihn abends im Diner in der Nähe des Hotels gesehen und er hatte, was ich brauchte. Er ist mit einem teuren BMW weggefahren und das ist alles, was ich Ihnen erzählen kann.« Spider vermutete, dass das bisschen, was er dem Beamten sagen konnte, vermutlich sowieso etwas war, das sie längst herausgefunden hatten, wenn sie mit den Leuten im Restaurant gesprochen hatten. »Jetzt holen Sie mich hier raus«, sagte Spider und rüttelte an den Gittern, an denen seine Fesseln befestigt waren.

Der Polizeibeamte starrte ihn ein paar Minuten lang an, so als würde er versuchen zu entscheiden, ob Spider die Wahrheit sagte. Er musste gesehen haben, was er gesucht hatte. »Ich werde mit deinem Arzt sprechen und sehen, was er denkt. Aber du bist im Sicherheitsflügel des Krankenhauses und wir haben noch nicht entschieden, was wir mit dir machen werden, also denk nicht eine Minute daran, hier bald rauszukommen.«

»Großartig, in Ordnung«, sagte Spider. Als würde es ihn kümmern.

Der Beamte ging zur Tür, aber hielt mit der Hand auf der Klinke inne. »Ich schlage vor, du denkst über dein Leben nach und wo du hinwillst«, sagte er und Spider verdrehte die Augen. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war das philosophische Gelaber irgendeines Polizisten. »Die Drogen hätten dich fast getötet. Bedeutet dir dein eigenes Leben so wenig, dass du hier liegen und das einfach abschütteln kannst?«

Der Polizeibeamte schaltete das Deckenlicht an und Spider blinzelte, während seine Augen sich daran gewöhnten.

»Was ist mit dir passiert, Junge?«

Spider sagte nichts und starrte den Beamten an. Ihm war viel passiert, aber er würde nicht mit irgendeinem Fremden darüber reden und erst recht nicht mit einem Bullen. »Sie haben keine Ahnung«, zischte Spider.

»Hab ich nicht, hm?«, gab der Polizist zurück und dann ging er zum Schrank und beförderte Spiders Tasche hervor. »Die Klamotten hier drin sind entweder gestohlen oder du hast eine reiche Familie. Diese Jeans kosten drei-, vierhundert pro Stück.« Der Beamte warf die Hosen über Spiders Beine. »Die Shirts kosten beinahe ebenso viel. Muss ich mehr sagen?« Er starrte ihn an. »Wie heißt du, Junge?«

»Spider«, antwortete er.

»Dein richtiger Name? Ich wette, da draußen sind Leute, die nach dir suchen und helfen können.« Der Beamte stopfte Spiders Klamotten zurück in die Tasche, warf sie zurück in den Schrank, und schloss die Tür.

»Nein, sind sie nicht«, antwortete er und drehte seinen Kopf zur Wand. »Einen Scheiß interessiert sich jemand für mich.« Spider schluckte, sagte aber nichts mehr. Der Kloß in seinem Hals und das Wasser in seinen Augen kamen sicher von den Drogen, die seinen Kreislauf verließen. So musste es sein. Er wollte nichts von diesem ganzen Scheiß fühlen und er sehnte sich nach irgendetwas, das die Gefühle der Verletzlichkeit und des Verlusts vertreiben würde, zumindest für eine Weile. Sein Magen krampfte sich zusammen und seine Hände begannen, in den Fesseln zu zittern beim Gedanken an etwas, irgendetwas, das ihn von diesem Mist befreien würde.

»Du könntest überrascht werden«, sagte der Beamte und Spider drehte seinen Kopf zu ihm, die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln verzogen.

»Einen Scheiß wissen Sie und ich werde Ihnen nichts erzählen.«

Der Beamte zuckte die Achseln und seine Kleidung gab ein knarrendes Geräusch von sich. »Wir haben deine Fingerabdrücke und DNA-Proben genommen, während du geschlafen hast, um dich zu identifizieren. Wenn du uns nichts erzählst, werden wir dich im System suchen und sehen, was auftaucht. Irgendetwas wird Treffer erzielen und wer weiß, was wir finden werden.«

»Das können Sie nicht machen«, sagte Spider entrüstet. »Ich habe Rechte.«

»Du wirst einer Straftat verdächtigt und uns fehlt eine Möglichkeit, dich zu identifizieren. Wir können die nötigen Schritte gehen, um das zu ändern, das schließt Fingerabdrücke und DNA mit ein. Wenn wir dabei andere Dinge herausfinden, können wir diese ebenfalls verwenden.«

»Bastard«, sagte Spider, aber er wandte sich ab. »Dann brauchen Sie von mir keine Hilfe zu erwarten.«

»Du hilfst nur dir selbst, wenn du uns sagst, wer du bist«, sagte der Beamte.

»Wieso sollte ich Ihnen irgendetwas erzählen. Sie scheinen es auch nicht für nötig zu halten, sich vorzustellen«, sagte Spider herausfordernd und war froh, wenigstens etwas unter Kontrolle zu haben. Er wusste, er hatte nur sehr wenig unter Kontrolle – seinen Körper eingeschlossen, solange er ans Bett gefesselt war –, und das ängstigte ihn zu Tode. Er hatte jahrelang keine Kontrolle und wenig Mitspracherecht über irgendetwas oder jemanden in seinem Leben gehabt. Er hasste das und hatte sich vor langer Zeit geschworen, das nicht wieder zuzulassen – das hatte ihm ja verdammt viel Gutes eingebracht.

Der Beamte dachte eine Sekunde lang nach. »Deputy Duane Keenan.«

Spider schluckte hart. »Bartholomew Van Andren, aber ich will Spider genannt werden.«

Der Deputy starrte ihn an, als würde er versuchen herauszufinden, wieso der Name ihm bekannt vorkam. Spider konnte den Moment sofort erkennen, als ihm das gelang: die Augen des Beamten weiteten sich und sein Mund formte sich zu einem stummen Oh, bevor er sich wieder schloss. »Danke«, sagte er, als er die Tür öffnete.

»Sie werden meine Familie auf keinen Fall kontaktieren. Ich habe immer noch ein Recht auf meine Privatsphäre«, sagte Spider. Er versuchte, so drohend zu klingen, wie er konnte, während er an ein Bett gefesselt war, aber er erkannte, dass er dem Deputy vollkommen schutzlos ausgeliefert war; dieser nickte und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort.

Spider starrte an die Decke, bis eine Schwester hereinkam. Sie sprach eine Weile mit ihm und nahm ihm etwas Blut ab, bevor sie wieder verschwand. Niemand erzählte ihm etwas darüber, was los war, egal wie oft er fragte. Ein paar Mal fragte er sich, ob er nicht einfach schweigen und dankbar sein sollte, dass er nicht im Gefängnis saß. Endlich, nachdem er einen Großteil des Tages gewartet hatte, kam der Arzt zusammen mit einer Pflegerin in sein Zimmer.

»Die meisten der Drogen sind aus Ihrem Kreislauf und wir werden die Fesseln entfernen; allerdings werden wir sie wieder anbringen, sobald Sie sich auch nur ein bisschen danebenbenehmen«, sagte der Arzt. »Ich habe außerdem einige psychologische Tests angeordnet und Sie werden in den nächsten Tagen mehrere Sitzungen bei einem Therapeuten haben. Wenn ich könnte, würde ich Sie in einem Rehabilitationszentrum anmelden, aber da es im Moment keine freien Plätze gibt, werden wir das auf die altmodische Art tun.« Er öffnete einen Schrank und tippte Notizen in einen Computer, während er sprach. »Können Sie irgendwo bleiben, wenn Sie entlassen werden?«

»Nicht wirklich«, gab Spider zu. Er könnte vermutlich zurück zum Hotel gehen, aber sein Geld würde nicht sonderlich lange reichen. Falls er denn überhaupt noch welches hatte.

»Nun, wir werden sehen, was der Richter sagt, sobald wir Sie entlassen.« Der Arzt tippte noch etwas ein, schloss den Schrank wieder und wandte sich zum Gehen. »Ich komme später noch einmal vorbei und ich wiederhole: Irgendwelche Schwierigkeiten und die Fesseln werden wieder angebracht. Wenn wir müssen, verlegen wir Sie in die psychiatrische Abteilung.« Er starrte Spider einige Sekunden lang an, um seiner Drohung mehr Nachdruck zu verleihen, und verließ dann den Raum.

»Sie haben ihn verstanden?«, fragte die Schwester und Spider nickte. Sie entfernte eine der Handfesseln und dann die andere. Spider rieb seine Handgelenke, während die Schwester seinen Oberkörper und die Beine ebenfalls befreite. »Wenn Sie sich panisch oder weggetreten fühlen, klingeln Sie, bevor Sie irgendetwas Dummes tun. Wir können Ihnen helfen, wenn Sie es zulassen.«

Spider nickte, antwortete aber nicht. Er bezweifelte ernsthaft, dass irgendeiner der Menschen wirklich Interesse daran hatte, ihm zu helfen. Seine eigene Familie hatte sich nicht für ihn interessiert, wieso sollte es also irgendjemand anderes tun? Er war allein und die einzige Person, auf die er sich verlassen konnte, war er selbst. Er wartete, bis die Schwester fertig war und den Raum verlassen hatte. Dann versuchte er, aus dem Bett zu kommen, aber der Infusionsschlauch in seinem Arm verhinderte, dass er sich weit weg bewegte. Irgendwie schaffte er es, die Schranktür zu öffnen und seine Tasche zu erreichen. Er kletterte zurück ins Bett und legte die Tasche auf seine Beine. Er öffnete sie und wühlte durch seine Sachen, bis er unten angekommen war.

Er konnte es nicht finden. Er drehte sie um, ließ alles herausfallen und durchsuchte es von einem Ende zum anderen. Es war weg. All das Geld, das er gehabt hatte, war weg. »Verdammt!«, sagte er laut und dachte darüber nach, die Tasche gegen die Wand zu werfen, aber sie würden ihn wieder festbinden, wenn sie glaubten, er wäre kein braver Junge. Diese Bastarde. Er stopfte die Sachen zurück in die Tasche, ließ sie auf den Boden fallen und starrte wieder an die Decke. Was zur Hölle würde er jetzt tun?

 

Spider sprach zwei Tage lang mit Psychologen, Ärzten, Pflegern und der Polizei. Das einzig Gute, das dabei herauskam, war, dass Deputy Was-war-sein-Name-noch-gleich ihm erzählte, dass sie sein Geld gefunden hatten und es als Teil seines persönlichen Eigentums eingeschlossen worden war. Der Psychologe war vollkommen nutzlos und nachdem er sie tagelang mit so vielen Floskeln gefüttert hatte, dass es nicht mehr lustig war, fing Spider an zu denken, dass sie ihn bald gehen lassen würden. Hoffentlich würde er sein Auto wiederfinden und tatsächlich verschwinden können.

»Nun.« Der Deputy tauchte in seiner Tür auf, als Spider gerade Nachmittagsfernsehen schaute. »Es scheint, als wäre es offiziell… Du bist so voll von Scheiße, dass keiner von uns weiß, was wir mit dir anstellen sollen. Du hast dem Psychologen so viele Geschichten erzählt, dass er anfängt zu glauben, du wärst psychotisch, und das magst du vielleicht auch sein, aber ich habe das Gefühl, dass du nur gern Leute zum Narren hältst, also werde ich dir jetzt sagen, was Sache ist.« Er trat näher ans Bett und starrte Spider an. »Wir können dich wegen Drogenbesitz anzeigen und, Ersttäter oder nicht, Richter in dieser Gegend mögen es nicht, wenn Leute Stoff aus dem Süden in ihren Bezirk bringen. Du wirst im Gefängnis landen und wir werden dafür sorgen, dass du in der Zelle mit den größten Männern landest, die wir finden können. Die werden dich wirklich lieben.«

»Keine große Sache. Glauben sie, ich wäre irgendeine Jungfrau oder so was?« Spider verschränkte seine Arme vor der Brust, um gegen die Angst anzukämpfen, die in seinem Brustkorb brodelte.

»Du brauchst Hilfe, bevor du dich selbst so fertigmachst, dass du da nie wieder rauskommst. Die Drogen sind aus deinem Kreislauf und du hattest seit einer Woche nichts. Technisch gesehen bist du clean, vermutlich zum ersten Mal seit Monaten. Hast du dich mal im Spiegel angeschaut?« Der Deputy öffnete die Tür eines Schrankes und bewegte sie so, dass Spider sich selbst im Spiegel sehen konnte. »Ich habe alte Hundehaufen gesehen, die besser ausgesehen haben als du, als du hier eingeliefert worden bist.«

Spider blickte in den Spiegel. Seine Wangen waren nicht länger hohl und die dunklen Ringe unter seinen blauen Augen waren verschwunden. Sein Haar war noch immer wirr, aber es war sauber, so wie der Rest von ihm, und seine Augen sahen nicht mehr so trüb aus wie damals, als er sich im Restaurant angesehen hatte. Natürlich, das könnte an dem Schmutz auf dem Fenster des Restaurants gelegen haben, aber er bezweifelte es, egal wie sehr er wollte, dass der Polizist falschlag.

»Wieso machen Sie sich die Mühe?«, fragte Spider, bevor er sich abwandte. »Sie interessieren sich doch einen Scheiß für mich.«

»Bist du dumm?«, fragte der Deputy, trat näher und sah direkt in Spiders Gesicht.

»Ich weiß, wer du bist, und so wie ich das sehe, hast du angefangen zu trinken, als du ein Teenager warst, vermutlich hast du aus dem Schrank zu Hause gestohlen. Vielleicht hast du angefangen, Zigaretten zu schnorren. Dann hast du während der Highschool angefangen, Gras zu rauchen, weil deine Freunde es getan haben, und du musstest um Gottes willen das tun, was deine Freunde taten oder du warst nicht cool, selbst wenn deine Freunde die dümmsten Idioten der Welt waren.« Der Deputy kam ihm so nahe, dass Spider seinen frischen Atem riechen konnte.

»Du hast da schon tief dringesteckt und als die Dinge nicht einfach waren und niemand deinen armseligen Arsch anstellen wollte, hast du angefangen, mehr zu rauchen, und dann bist du zu den Pillen gekommen und Gott weiß zu was noch. Siehst du, ich habe es schon vorher gesehen und gehört. Bla, bla, bla.«

»Wenn ich so bla, bla, bla bin, wieso sind Sie dann hier?«, fragte Spider herausfordernd. »Lassen Sie mich einfach gehen und ich verschwinde aus Ihrer Sichtweite und tauche nie wieder auf. Sie und Ihr wertvoller Bezirk werden mich nie wiedersehen.« Spider wich zurück und Duane – das war sein Name – kam wieder näher.

»Weil du noch nicht zu tief unten bist. Was immer du genommen hast, es war noch nicht lange und du hast eine Chance, von dem Zeug wegzukommen. Du warst eine Woche hier und dein Körper erholt sich bereits. Wenn du schon lange konsumiert hättest, wärst du noch immer am Ende. Welchen Todeswunsch auch immer du hattest, darüber kannst du hinwegkommen.«

»Was sind Sie, irgend so ein Gutmensch?«, schrie Spider dem Deputy ins Gesicht.

»Nein. Aber ich bin jemand, der schon vielen Leuten dabei zugesehen hat, wie sie ihr Leben ruiniert haben, und ich dachte, dass du vielleicht klug genug sein würdest, die Gelegenheit zu nutzen, deines zu verändern.« Er wich zurück. »Schätze, ich habe mich getäuscht. Organisier dir einen Anwalt und wir sehen uns vor Gericht.« Der Deputy drehte sich um und ging zur Tür.

Spider dachte, dass er ihn vermutlich einfach gehen lassen und die Gerichtsverhandlung riskieren sollte. Aber der Deputy wusste genauso gut wie er, dass das nicht Spiders erste Straftat war. Er hatte schon vorher Schwierigkeiten gehabt, aber das war alles jugendlicher Leichtsinn gewesen. Diese Aufzeichnungen sollten unter Verschluss sein, aber das bedeutete nichts, wenn es vor Gericht ging. Sein Freund Jamie hatte das auf die harte Tour herausfinden müssen. Im Bruchteil einer Sekunde traf Spider seine Entscheidung.

»Warten Sie«, sagte er, als der Deputy drauf und dran war, den Raum zu verlassen. »Was muss ich tun?«

Letztendlich hatte er nicht viel zu verlieren.