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Nr. 30

 

Das steinerne Labyrinth

 

USO-Spezialist Corteen im Reich der Trommler – eine Zivilisation soll gerettet werden

 

von Ernst Vlcek

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Ende Mai des Jahres 2408 Standardzeit.

Nach der Eindämmung der Metamorphose-Seuche beginnt für Lordadmiral Atlan und seine USO-Spezialisten eine neue Phase in der Auseinandersetzung mit der Condos Vasac, den kosmischen Gegenspielern der Menschheit und ihrer Verbündeten.

Die CV hat zum ersten Mal eine neue, gefährliche Waffe eingesetzt – die Hyperfalle. Diese Waffe – wäre sie schon ausgereift – würde den Gegnern der Menschheit die Herrschaft im All sichern.

Atlan weiß das, und er weiß auch, dass es höchste Zeit ist, die Weiterentwicklung einer solchen Waffe zu unterbinden. Alles muss unternommen werden, damit die mysteriöse Lenkzentrale der Condos Vasac nicht großangelegte Operationen starten kann.

Die Möglichkeit eines Präventivschlages bietet sich für die USO. Eine erbeutete Informationsspule enthält Angaben über eine wichtige CV-Basis – und zwei USO-Spezialisten gehen auf Erkundungsmission in DAS STEINERNE LABYRINTH ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Lordadmiral und Chef der USO.

»Rubber« Corteen und Noah-Noah – Zwei »Prospektoren« kommen nach Malisia.

Leafan Ontor – Chef einer Geheimstation der Condos Vasac.

Ronald Tekener – Ein Mann ohne Gedächtnis.

Pascha Xenor – Ein »Trommler« von Malisia.

Asmus Gorsyth – Ein Kadett nimmt Schwimmunterricht.

1.

 

28.444 Lichtjahre von der Erde entfernt schwebte ein einsamer Himmelskörper im Raum. Sein Durchmesser betrug 62 Kilometer, seine Oberfläche war eine einzige Kraterlandschaft. Dieser trostlose Gesteinsbrocken besaß keine Atmosphäre, er stand nicht im Licht einer Sonne und erbrachte auch sonst nicht die mindesten Voraussetzungen für die Erschaffung oder Erhaltung von Lebewesen.

Die Kraterlandschaft schien tot und verlassen.

Trotzdem war dieser ehemalige Mond ein Träger fast zehntausendfachen Lebens. Das heißt, er trug dieses Leben in sich – denn unter der sechs Kilometer dicken Oberflächenkruste aus totem Gestein befand sich ein riesiger Hohlraum mit einer lichten Weite von 50 Kilometern. Hier lebten und arbeiteten, forschten und experimentierten 8000 Wissenschaftler und 1600 Siganesen, die Mikrotechniker der Galaxis.

Das war Quinto-Center, das Hauptquartier der United Stars Organisation!

Hier liefen alle Fäden der USO zusammen. Und hier saß der Mann, der es sich mit seiner Organisation zur Aufgabe gemacht hatte, die Feinde der Menschheit zu bekämpfen. Er bekämpfte die galaktischen Verbrecher nicht selten mit ihren eigenen Waffen: aus der Anonymität heraus, rasch, gnadenlos und wirksam, in einer Art modernem Guerillakampf von wahrlich galaktischen Ausmaßen.

Dieser Mann trug den Titel »Regierender Lordadmiral und Oberbefehlshaber der United Stars Organisation«. Aber diese Bezeichnung war den wenigsten seiner Gegner geläufig. Sie kannten und fürchteten ihn unter dem schlichten Namen – Atlan.

Atlan befehligte die USO.

Atlan war die USO.

Trotz des gigantischen technischen Apparates, trotz des großen Waffenpotenzials und trotz der ansehnlichen Streitmächte, die Atlan zur Verfügung standen, versuchte er den Kampf gegen das Verbrechen mit dem geringsten Einsatz von Mensch und Material zu führen.

Es konnte als typische Vorgehensweise angesehen werden, dass Einsätze von einer Handvoll Agenten, die Sabotage oder Erkundungsaufträge auszuführen hatten, von langer Hand vorbereitet wurden. Die Großeinsätze resultierten aus der Vorbereitungsarbeit der USO-Spezialisten. Die Feinde der Menschheit konnten nur dann in großem Maßstab erfolgreich bekämpft werden, wenn Spezialisten wie Kennon und Tekener, Stuep und Romo, Traphunter und Klackton, Noah-Noah und Corteen umfassende Vorarbeit leisteten.

Aber nur wenn diese Männer und Frauen größtenteils Unterstützung durch Wissenschaftler und Techniker erhielten, konnten sie erfolgreich sein. Und erst wenn sie erfolgreich gewesen waren, konnte die USO zum großen Schlag gegen das Verbrechertum ausholen.

Die Vorbereitungen, die dem Einsatz von Spezialisten oftmals vorangingen, wirkten für den Außenstehenden übertrieben. Aber wusste man, welche Verantwortung auf den Schultern jedes einzelnen Spezialisten ruhte, dann verstand man auch, dass kein noch so kostspieliger Aufwand zu groß sein konnte.

Dies galt für andere Unternehmen ebenso wie für das »Unternehmen Malisia«.

 

*

 

Es passierte nicht oft, dass USO-Spezialisten an einer Großkonferenz teilnahmen, die fast jedem Einsatz vorausging. Aber diesmal hatte es sich zufällig ergeben, dass sich die zum Einsatz kommenden Agenten in Quinto-Center befanden: nämlich Noah-Noah, der Umweltangepasste von Paron, und Rubber Corteen, der Gummimensch.

Außerdem hielt sich noch ein dritter Agent in Quinto-Center auf, der mit dem zur Sprache kommenden Komplex in enger Verbindung stand: Sinclair Marout Kennon. Auch er sollte an der Großkonferenz teilnehmen.

Noah-Noah blickte sich vergebens im Auditorium nach ihm um. Die große Digitaluhr an der Wand über dem Tisch des Vorsitzenden zeigte an, dass es bereits fünf vor zwölf war. Die meisten der einberufenen Fachleute, zumeist Wissenschaftler und Techniker, hatten sich bereits eingefunden und ihre Pulte besetzt. Sie breiteten ihre Unterlagen aus, überprüften die Kommunikationsgeräte und trafen die letzten Vorbereitungen für die Konferenz.

Nur Kennon war nirgends zu sehen.

Noah-Noah, der Amphibio von Paron, nicht ganz 1,50 Meter groß und von zierlicher Gestalt, beugte sich zum Nachbarpult, an dem sein Teamgefährte Rubber Corteen saß.

»Es wäre schade, wenn Kennon nicht käme«, raunte er ihm zu. »Ich würde mich gerne mit ihm unterhalten. Seine Erfahrungen hätten uns nützlich sein können. Glauben Sie, dass er sich vielleicht wegen seines augenblicklichen Zustandes nicht unter Menschen wagt?«

»Das wäre denkbar«, meinte Rubber Corteen. Er war vollkommen haarlos und besaß weder Finger- noch Zehennägel. Er wirkte klobig und hatte eine großporige Haut. Trotz seines ungewöhnlichen Aussehens war er kein Umweltangepasster, sondern ein Lunageborener. Er war eine Mutation, im physischen wie im psychischen Sinn. Denn statt eines Knochengerüstes besaß er eine psi-stabilisierte Knorpelmasse, die er mittels seiner parapsychischen Fähigkeit beliebig formen konnte. Er besaß die Eigenschaften eines Gummimenschen.

»Sie wissen, dass Kennon seine Biomolplasthaut während des letzten Einsatzes verlor«, fuhr Corteen mit näselnder Stimme fort. »Er ist allergisch gegen die Bezeichnung Roboter und wird sich nicht gerne mit seinem Robotkörper zeigen.«

»Das kann ich schlecht verstehen«, sagte Noah-Noah. »Wir wissen doch, dass Kennon eigentlich ein Gehirn mit einer vollrobotischen Prothese ist. Kann es da nicht egal sein, ob er uns mit einer Biomolplasthaut gegenübertritt oder ohne diese Tarnung?«

»Das können Sie natürlich nicht verstehen, weil Sie ein gefühlsarmer Paroner sind!«, erwiderte Corteen.

»Vielleicht haben Sie recht.«

Noah-Noah fühlte sich durch Corteens Bemerkung nicht beleidigt, denn er war tatsächlich gefühlsarm und deshalb für Emotionen nur in begrenztem Maße empfänglich.

Ein Blick zur Digitaluhr an der Wand zeigte ihm, dass es nur noch wenige Sekunden vor zwölf war. Er setzte die Kopfhörer auf, schaltete die Sprechverbindung ein und hörte den monotonen »Countdown«.

»Noch zweiundzwanzig Sekunden bis zum Beginn der Konferenz. Noch zwanzig, neunzehn, achtzehn ...«

Noah-Noah aktivierte mit einem einzigen Tastendruck sämtliche Geräte seines Pultes, das auf einem ähnlichen Prinzip basierte, wie die Terminals an den solaren Universitäten. Eine Reihe von größeren und kleineren Bildschirmen leuchtete auf. Sie alle hingen auf eine komplizierte Art und Weise mit den Terminals der anderen Konferenzteilnehmer, mit dem Terminal des Vorsitzenden und einer Reihe von Computern zusammen.

Es war Noah-Noah dadurch möglich, den jeweiligen Sprecher immer zu hören und zu sehen, und simultan damit eine Privatverbindung zu einem Teilnehmer zu schalten und außerdem die Computer anzurufen. Er konnte zwischendurch Daten anfordern, Daten eingeben und Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen, ohne die Konferenz zu stören.

Das war in groben Zügen die Funktionsweise des Terminals.

Inzwischen war es Punkt zwölf geworden. Die Tür hinter dem Pult des Vorsitzenden ging auf, und Atlan trat heraus. Er machte eine leichte Verbeugung zu seinem Auditorium und nahm an seinem Terminal Platz.

Er eröffnete die Konferenz und kam sofort auf die Tagesordnung zu sprechen.

»Folgende Punkte stehen zur Debatte«, sagte der zehntausendjährige Arkonide, dessen Zellaktivator ihm Unsterblichkeit verlieh. »Erstens, Major Sinclair Marout Kennons Bericht. Zweitens, die Hyperfalle der Condos Vasac. Drittens, Auswertung der Informationsspule von Occan. Viertens, die Wasserstoffatmer, geheime Beherrscher der Condos Vasac. Fünftens, Maßnahmen.«

Atlan machte eine Pause. Noah-Noah bemerkte auf seinem Hauptbildschirm, dass der Arkonide an seiner Tastatur eine Schaltung vornahm, bevor er weitersprach. »Zum ersten Punkt übergebe ich das Wort an Major Kennon.«

In Noah-Noahs Kopfhörern ertönte ein vielstimmiges Raunen. Den anderen mochte es ähnlich ergehen, wie ihm – sie hatten Kennons Erscheinen erwartet, aber vergebens nach ihm gesucht. Nun wurden sie durch Atlans Ankündigung in Staunen versetzt.

Auf dem Konferenzschirm wechselte das Bild, Atlan wurde von Kennon abgelöst. Vom Bildschirm blickte der ihnen allen bekannte Kennon mit dem ebenmäßigen Gesicht, männlich, kraftvoll und trotz der stahlharten Augen sympathisch wirkend.

Noah-Noah wollte seinen Augen nicht trauen. Er wusste doch, dass Kennon seine Biomolplasthaut bei seinem letzten Einsatz verloren hatte. Es war andererseits auch nicht möglich, dass er inzwischen eine neue Maske erhalten hatte. Denn Kennon war erst vor zwei Tagen, am 26. Mai, an Bord von Atlans Flaggschiff gegangen. Und zwei Tage waren selbst für die Plastochirurgen auf Tahun zu wenig, um einem Roboter ein menschliches Aussehen zu geben. Sie waren Koryphäen auf ihrem Gebiet, aber zaubern konnten auch sie nicht.

»Meine Herren, entschuldigen Sie, dass ich nicht persönlich erscheine«, sagte Kennon. »Aber das ließ sich leider nicht durchführen. Die Plastochirurgen und Biochemiker müssen mir erst einen neuen Pelz anmessen – und nackt wollte ich nicht in Erscheinung treten. Das geziemt sich nicht.«

Fast alle Konferenzteilnehmer lachten – nur Noah-Noah nicht.

»Was Sie auf Ihren Monitoren zu sehen bekommen, bin ich nicht in natura«, fuhr Kennon fort. »Es handelt sich vielmehr um Archivaufnahmen, die über eine Reihe von Adaptern ablaufen, die meine Worte mit den Bildern synchronisieren – und nicht umgekehrt, wie sonst üblich. Sollten meine Worte nicht immer mit den Lippenbewegungen und Gesten übereinstimmen, dann liegt das an einer schlechten Synchronisation.«

Damit hatte Kennon das Geheimnis um seine unerklärbare Wiedergeburt gelöst.

Noah-Noah bemerkte, dass seine Privatleitung angerufen wurde und stellte durch.

Rubber Corteen erschien auf dem Bildschirm.

»Ist es nicht verblüffend, wie dieser Mann sein Schicksal meistert?«, meinte er.

Noah-Noah nickte. Selbst er musste anerkennen, dass Kennon sich ausgezeichnet hielt. Man musste sich vorstellen: Kennon hatte 37 Jahre als Krüppel gelebt, bevor er im Einsatz fiel. Sein alter, verunstalteter Körper war unwiederbringlich tot, aber sein geniales Gehirn lebte weiter. Es musste für ihn wie eine zweite Geburt gewesen sein, als man ihm einen fast unverwundbaren Robotkörper mit unglaublichen Fähigkeiten und makellosem Äußeren gab. Vielleicht hatte er es nie ganz überwinden können, von manchen als Roboter angesehen zu werden. Um so anerkennenswerter war es, dass er seine augenblickliche Lage so leicht nahm.

Allerdings sagte sein Verhalten nichts darüber aus, wie es in seinem Innern aussah.

Alles wartete gespannt auf Kennons Bericht.

 

*

 

»Wie bekannt, wurden Ronald Tekener und ich in die Reihen der Condos Vasac eingeschmuggelt, um diese Organisation von innen heraus zu zerstören«, begann Kennon. Obwohl Noah-Noah wusste, dass er auf dem Bildschirm nur den Zusammenschnitt alter Archivfilme zu sehen bekam, fiel es ihm schwer, dies zu akzeptieren. Die Synchronisation von Lippenbewegungen, Gesten und Worten war so perfekt, dass Noah-Noah nicht umhin konnte, den Trickspezialisten von Quinto-Center seine Hochachtung zu zollen.

Kennon fuhr fort: »Das ging eine Zeitlang gut. Wir hatten ausgezeichnete Erfolge, aber man misstraute uns immer mehr. Schließlich wollte man uns auf die Probe stellen. Wir sollten unsere Loyalität beweisen, indem wir eine neue Waffe der Condos Vasac an einem Raumschiff mit rund zweihundert Passagieren erprobten. Mit der Waffe ist die Hyperfalle gemeint. Es gelang mir, Selbstmord vorzutäuschen, mich von der Hyperfalle abzusetzen und an Bord des als Ziel gedachten Raumschiffes zu gehen. Das war die MONIAK YANCEY. Mein Rettungsversuch misslang, ich wurde mit der MONIAK YANCEY in den Hyperraum geschleudert. Aber darüber mehr im zweiten Punkt der Tagesordnung.

Vorerst möchte ich näher auf die Hintergründe eingehen. Ich glaube nicht, dass man bei der Condos Vasac an meinem Selbstmord zweifelt. Rabal Tradino ist tot. Aber Berechnungen haben gezeigt, dass Ronald Tekener auch im Alleingang nur geringe Chancen besitzt, sein Doppelspiel weiterzuführen. Er ist ein Gefangener der Condos Vasac – sofern er überhaupt noch lebt.

Unsere Entlarvung haben wir in der Hauptsache einem Neu-Arkoniden namens Leafan Ontor zuzuschreiben. Er war es, der uns in die Enge trieb, als er uns vor die Wahl stellte, entweder zweihundert Menschen zu opfern, oder Farbe zu bekennen. Wir bekannten nicht! Das war jedoch noch kein ausreichender Grund für Leafan Ontor, uns zu trauen. Er ist ungemein gerissen, skrupellos und unterscheidet sich gänzlich von seinen dekadenten Artgenossen.

In diesem Zusammenhang ein spezielles Wort an die beiden Agenten Noah-Noah und Rubber Corteen: Sie finden in Ihren Unterlagen eine Personenbeschreibung und ein naturgetreues Phantombild von Leafan Ontor. Wenn Sie jemals mit ihm zu tun haben sollten, dann nehmen Sie sich vor ihm in acht. Lassen Sie sich von ihm nicht einschüchtern, aber unterschätzen Sie ihn auch nicht.«

Kennon verstummte. Atlan schaltete sich in die Konferenzleitung ein.

»Es war uns in der kurzen Zeit nicht möglich, alle Angaben Major Kennons auszuwerten«, sagte er. »Verständlicherweise konzentrierten wir unsere Untersuchungen auf die Hyperfalle. Denn hier scheint sich eine ernste Gefahr für die gesamte Raumfahrt zu entwickeln. Und damit kämen wir zum zweiten Punkt. Major Kennon!«

Auf den Hauptmonitoren der Konferenzteilnehmer erschien wieder der Kosmo-Kriminalist mit der robotischen »Vollprothese«. Wieder deutete nichts darauf hin, dass nur ein so genannter Geisterfilm seine Worte synchronisierte. Er begann:

»Die Hyperfalle basiert auf einem verblüffend einfachen Prinzip. Bautechnisch gesehen, handelt es sich um eine 750 Meter durchmessende Scheibe, die in der Mitte abgesetzt ist und auf der einen Hälfte nur 75 Meter dick, auf der anderen jedoch 150 Meter dick ist. Auf der Hälfte mit der größeren Dicke erhebt sich eine Doppelkuppel mit insgesamt vier riesigen Spiralen. Diese Schilderung dürfte Ihnen allen ein ungefähres Bild von der Hyperfalle geben.«

Atlan schaltete sich kurz ein. »Eine Grundrisszeichnung mit genaueren technischen Angaben befindet sich bereits in Arbeit. Sie erhalten sie in Bälde.« Atlans Bild verblasste.

Kennon sprach weiter:

»Die Hyperfalle erzeugt ein Energiefeld, das das ins Ziel gefasste Objekt einhüllt. Dieses Feld arbeitet auf fünfdimensionaler Basis und wird von der Hyperfalle in kürzester Zeit immer stärker aufgeladen. Das Energiefeld bekommt schließlich eine solche Spannung, dass es vom normalen Zeit-Raum-Kontinuum nicht mehr gehalten werden kann. Ein Strukturriss entsteht, durch den die überschüssige Energie entweicht. Dabei zerrt ein energetischer Sog das innerhalb des Feldes eingehüllte Objekt mit sich. Das Objekt wird in den Hyperraum gerissen. Dort stabilisiert sich das Energiefeld und hält das Objekt für alle Zeiten fest. Zumindest erhofft sich die Condos Vasac diesen Effekt von der Hyperfalle.« Wieder verdrängte Atlan Kennon von den Bildschirmen der Konferenzteilnehmer und ergriff sofort das Wort.

»Wir können uns glücklich schätzen, dass noch nicht alles nach Wunsch für die Condos Vasac verläuft«, erklärte Atlan. »Die Hyperfalle befindet sich noch im Versuchsstadium und weist, wie fast jeder Prototyp, eine Reihe von Mängeln auf. So hat es sich gezeigt, dass das Energiefeld, das die MONIAK YANCEY im Hyperraum festhalten sollte, noch zu instabil war. Es gelang Major Kennon, mit Handfeuerwaffen das Energiefeld zu sprengen, so dass die MONIAK YANCEY wieder in den Normalraum zurückfiel.«

Atlan machte eine Pause, dann fuhr er fort:

»Wir dürfen also von der Voraussetzung ausgehen, dass Kampfschiffe sich mit einem Feuerschlag ihrer Bordgeschütze aus einer ähnlichen Situation befreien können. Für die nächste Zukunft droht demnach keine Gefahr. Aber die Condos Vasac ist sich über die Schwächen der Hyperfalle im Klaren und wird in fieberhafter Eile an deren Behebung arbeiten.

Es liegt nun an uns, diese Arbeiten zu sabotieren, Daten über die Hyperfalle heranzuschaffen und eine Abwehrwaffe zu entwickeln. Das ist keine leichte Aufgabe, ich weiß, aber sie ist nicht undurchführbar. Gibt es noch Fragen zu diesem Komplex? Wenn nicht, dann möchte ich zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergehen: Die Auswertung der Informationsspule von Occan. Professor Kallinc, Sie haben das Wort.«

Noah-Noah merkte, dass er über seine Privatleitung angerufen wurde. Nachdem er die entsprechende Taste gedrückt hatte, meldete sich Major Konstant. Er war Afroterraner und Kommandant der PAMA, jenes Schnellen USO-Kreuzers, der ihn und Corteen bei ihren Einsätzen ins Zielgebiet brachte.

»Ich wusste gar nicht, dass man Sie zu dieser Besprechung zugelassen hat«, sagte Noah-Noah kühl. Er tat alles, um mit Major Konstant auf Distanz zu bleiben, obwohl dieser versuchte, ihm menschlich näherzukommen.

»Jetzt wird es interessant für uns«, sagte der Afroterraner mit leuchtenden Augen. »Haben Sie schon eine Ahnung, was die Auswertung der Informationsspule erbracht hat?«

»Ja«, erinnerte sich Noah-Noah trocken, »sie beinhaltet größtenteils Liebeslieder der Wasserstoffatmer.«

Major Konstant war verständlicherweise eingeschnappt.

2.

 

Professor Kallinc stellte sich als Linguistiker und Dekodierungsspezialist vor. Er war um die Siebzig und besaß ein knochiges Gesicht mit einer Geiernase. Seine schmalen Lippen bewegten sich beim Sprechen kaum, trotzdem klang seine Stimme voll.

»Es war an und für sich keine Schwierigkeit, die Informationsspule zu entleeren und ihren Inhalt zu entschlüsseln«, erklärte er und fingerte nervös an der Tastatur seines Terminals herum. »Die Schwierigkeiten ergaben sich erst, als es galt, den Inhalt der Spule für uns verständlich zu machen. Ein Beispiel soll Ihnen zeigen, was ich meine. Zur besseren Illustration steilen Sie sich bitte vor, die Spule beinhalte ein Speicherband: Darauf befanden sich in gewissen Abständen Signale, Bildaufzeichnungen und artikulierte Laute. Bei letzteren handelte es sich unzweifelhaft um Fragmente einer fremden Sprache. Fangen wir bei den Signalen an.«

Der Linguistiker drückte eine Taste, und in den Kopfhörern der Konferenzteilnehmer erscholl ein sich in kurzen Abständen wiederholendes Piepen.