Liao Yiwu
Die Kugel und das Opium
Leben und Tod am Platz des Himmlischen Friedens
Aus dem Chinesischen
von Hans Peter Hoffmann
FISCHER E-Books
Mit einer Liste von 202 Todesopfern
des Massakers auf dem Tiananmen,
bereitgestellt von Ding Zilin und Jiang Peikun
Liao Yiwu, geboren 1958 in der Provinz Sichuan, wuchs als Kind von Eltern »ohne dauerhafte Aufenthaltserlaubnis« in der großen Hungersnot der 60er Jahre auf. 1989 verfasste er das Gedicht ›Massaker‹, das in Windeseile Verbreitung fand, auch über die Grenzen Chinas hinaus. Hierfür wurde er vier Jahre inhaftiert und schwer misshandelt. 2007 wurde Liao Yiwu vom Unabhängigen Chinesischen PEN-Zentrum mit dem Preis »Freiheit zum Schreiben« ausgezeichnet, dessen Verleihung in letzter Minute verhindert wurde. 2009 erschien auf Deutsch sein von Kritik und Publikum euphorisch begrüßtes Buch ›Fräulein Hallo und der Bauerkaiser – Chinas Gesellschaft von unten‹, das Menschen vom Bodensatz der chinesischen Gesellschaft porträtiert und in China verboten ist. 2011, als ›Für ein Lied und hundert Lieder‹ in Deutschland erschien, gelang es Liao Yiwu, China zu verlassen. Seitdem lebt er in Berlin. Im November 2011 wurde ihm der Geschwister-Scholl-Preis verliehen.
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Coverabbildung: ullstein bild – AP
© Liao Yiwu
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402019-8
Der Bericht heißt im Chinesischen: Meine Zeugenaussage, der deutsche Titel ist Für ein Lied und hundert Lieder – Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen, übers. von Hans Peter Hoffmann, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2011. 2011 wurde Liao Yiwu für dieses Buch in München mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. (Anm.d.Übers.)
Fünfhundert Schriftzeichen entsprechen in etwa einer durchschnittlichen Druckseite in deutscher Sprache. (Anm.d.Übers.)
Eine Zeile aus dem Gedicht »Elegy«. (Anm.d.Übers.)
Diese Prozeduren von Neuankömmlingen durch andere Gefangene werden ausführlich beschrieben in: Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder, übers. v.H.P.Hoffmann, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2011. (Anm.d.Übers.)
Zehntausend Schriftzeichen entsprechen in etwa 20–25 westlichen Buchseiten. (Anm.d.Übers.)
»Nach dem Herbst wird abgerechnet« – Das ist ein alter, aus den 50er Jahren stammender, als rechtsopportunistisch gegeißelter Slogan einer Gruppe von Politikern, die in der Phase des Großen Sprungs die Politik von ihren Erfolgen her, sprich, »nach der Herbsternte« beurteilen wollten. (Anm.d.Übers.)
Liu Binyan (1925--2005) war ein wichtiger Autor und Dissident Chinas, der nach 1989 von einem Auslandsaufenthalt in Harvard nicht mehr in die VRCh einreisen durfte. (Anm.d.Übers.)
Eine der acht Modellopern, die während der Kulturrevolution noch erlaubt waren. (Anm.d.Übers.)
Nach heutigem Kurs (Juli 2012) etwa 80 Euro. (Anm.d.Übers.)
Huang Jiguang (1931–1952). (Anm.d.Übers.)
Lei Feng (1940–1962) wurde nach seinem frühen Tod von Mao Zedong 1963 in der Kampagne »Vom Genossen Lei Feng lernen« zu einem nationalen Idol vor allem der chinesischen Jugend gemacht. (Anm.d.Übers.)
In dem Theaterstück »Schnee im Juni«, auch bekannt als »Dou E wird Unrecht getan« von Guan Hanqing wird die Witwe Dou E von einem abgewiesenen Verehrer beschuldigt, dessen Vater ermordet zu haben. Drei Dinge werden, sagt sie vor ihrer Enthauptung, ihre Unschuld beweisen: kein Blut werde auf den Boden fallen, es werde Schnee geben im Juni und eine dreijährige Trockenheit werde das Land heimsuchen. Alles tritt ein, und der Geist ihres Vaters nimmt an den Richtern und dem Verleumder Rache und tötet sie. (Anm.d.Übers.)
Diese Gans heißt mit englischem Namen Cape Barren Goose, auf Deutsch Hühnerente. Hier wurde die chinesische Bezeichnung direkt übersetzt, da Liao Yiwu sicherlich auf sich selbst und die Glatze, die er seit seiner Zeit im Gefängnis trägt, anspielt. (Anm.d.Übers.)
1964 uraufgeführter Film, der auf einem Roman des Autors Ron Shi aus dem Jahr 1929 beruht, dessen Protagonist vom Land in die Stadt flieht und sich dort in den linken Kulturkampf stürzt. (Anm.d.Übers.)
Anspielung auf eine Figur aus dem klassischen Roman »Reise nach dem Westen« von Wu Cheng’en (ca. 1500–1590), nämlich den Affen Sun Wukong, der als Unruhestifter und komische Figur der eigentliche Held des Romans ist, in dem die Abenteuer des Mönchs Xhanzang beschrieben werden auf seiner Reise nach Indien, von wo er die Schriften des Buddhismus nach China bringen soll. (Anm.d.Übers.)
Bezeichnung für Jugendliche mit einer in der Regel einfachen bis höheren Schulausbildung, die zwischen den 50er und 70er Jahren freiwillig oder zwangsweise aufs Land gingen, um dort als Bauern zu arbeiten. (Anm.d.Übers.)
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, als infolge der Reformen von Deng Xiaoping zunächst einmal »einige reich« wurden, ein Ausdruck für Haushalte, die im Monat über 10 000Yuan und damit über einen damals sehr ansehnlichen Wohlstand verfügten. Das durchschnittliche Monatseinkommen eines Arbeiters lag bei 28Yuan. (Anm.d.Übers.)
»Die wahre Geschichte von Ah Q« (1921) ist eine der bekanntesten Geschichten von Lu Xun (1881–1936), einem der wichtigsten chinesischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Es ist die Geschichte eines armen Tagelöhners und Möchtegernhelden, der in China als Beschreibung der Situation des chinesischen Volkes nach dem Ende der letzten Dynastie, unter dem Warlord-Regime und den ausländischen Mächten gelesen wird. (Anm.d.Übers.)
Geschichte einer Intrige aus »Die Räuber vom Liang-Schan-Moor«, einem der berühmtesten klassischen chinesischen Romane, dessen Kompilation ins 13. Jahrhundert datiert wird. (Anm.d.Übers.)
Verweis auf die in den »Bestimmungen zur Garantie von Ernährung und Arbeit in den ländlichen Gebieten« gegebenen fünf Garantien, die sich vor allem auf die Alten, Versehrten und Kinder beziehen. (Anm.d.Übers.)
Chai Ling (*1966), eine der wichtigsten Studentenführerinnen während des 4. Juni 1989. (Anm.d.Übers.)
»Das glückliche Leben des geschwätzigen Zhang Damin«, mehrfach ausgezeichneter Roman von Liu Heng, erstmals erschienen 1997, der als Theaterstück, Fernsehserie und Film dramatisiert wurde. Die komischen Geschichten aus dem einfachen Leben erfreuten sich eine Zeitlang größter Beliebtheit. (Anm.d.Übers.)
Aufstand der sogenannten Boxer im Frühjahr und Sommer 1900 gegen die acht Alliierten (Deutsches Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland, USA), der mit einer Niederlage der Boxer endete. (Anm.d.Übers.)
Liu Di, die dieses Pseudonym nach der gleichnamigen Science-Fiction-Figur des amerikanischen Autors Harry Harrison erhielt, ist durch ihre Aktionen im Internet und seit ihrer Verhaftung 2002 – sie wurde 2003 wieder entlassen – zu einer Symbolfigur des Kampfes für Demokratie und freie Meinungsäußerung in China geworden. (Anm.d.Übers.)
Eine Massenorganisation, die in allen Gebieten Chinas die Öffentliche Sicherheit bei der Aufrechterhaltung der Ordnung unterstützt. (Anm.d.Übers.)
Xiang qian kan, eine Parodie der Bevölkerung auf Deng Xiaopings Aufforderung Anfang der 80er Jahre, sich nun nicht mehr mit der Vergangenheitsbewältigung zu beschäftigen, sondern »nach vorne zu schauen« xiang qian kan, was sich genauso spricht, wie »nach dem Geld schauen«, wie Dengs Aufforderung letztlich aufgenommen wurde. (Anm.d.Übers.)
Werk des italienischen Philosophen und Dominikanerpaters Tommaso Campanella (1568–1639). (Anm.d.Übers.)
Liao Yiwu meint hier den römischen Philosophen Boëthius (* um 480; † um 524) und sein Werk Trost der Philosophie. (Anm.d.Übers.)
Beide Bücher unter eben diesen Titeln im S. Fischer Verlag erschienen.
LAO WEI, WÖRTLICH: ALTER WEI, IST EIN NAME, DEN LIAO YIWU IN DER REGEL IN DEN SCHRIFTLICHEN NIEDERSCHRIFTEN SEINER INTERVIEWS FÜR SICH BENUTZT. (ANM.D.ÜBERS.)
Früher durfte in China benutztes Toilettenpapier nicht in die Toilette geworfen werden, weil das die Rohre verstopft hätte. (Anm.d.Übers.)
Drei-Anti-Kampagne (Beginn Ende 1951): Die Bekämpfung der Übel Korruption, Verschwendung und Bürokratismus richtete sich gegen die eigenen Reihen. Fünf-Anti-Bewegung (Beginn Frühjahr 1952): Die Bekämpfung der Übel Bestechung, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Staatseigentum, Betrug und Verrat von Staatsgeheimnissen richtete sich gegen kleine Unternehmer, Handwerker und Kaufleute, die es noch gab. Von 160000 Kaufleuten in Shanghai wurden 500 zum Tode und 30000 zu Gefängnisstrafen verurteilt. (Anm.d.Übers.)
Hauptfigur aus Lu Xuns Novelle »Neujahrsopfer«. (Anm.d.Übers.)
Kugeln – Opium
Massaker – Betäubung
Opium betäubt und verwischt das Gedächtnis an das Massaker.
Selbst Hunde haben ein Gedächtnis, Hunde würden erkennen,
wer sie zu Tode gehetzt hat.
Das Volk der Chinesen muss nur den gleichen Mut aufbringen
wie Hunde und die Mörder, die in ihrer Regierung sitzen, anbellen.
Dann werden diese über die Zeit hinweg von den Kugeln von 1989 durchbohrt.
Gibt es keine Alternative zu dem Opium des Booms, das die chinesische Diktatur exportiert?
Am frühen Morgen des 4. Juni 1989 hat die chinesische Regierung über 200000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee mobilisiert, um die friedlichen Demonstrationen Zehntausender Studenten niederzuschlagen. Am Platz des Himmlischen Friedens richteten sie ein Massaker an, das die Welt schockierte. Die Zahl der Toten ist bis heute nicht genau erfasst.
Offizielle Stellen sprechen von weniger als 200 »irrtümlich Betroffenen«.
Schätzungen internationaler Menschenrechtsorganisationen und inoffizieller chinesischer Schätzungen zufolge kamen bis zu 3000 Menschen ums Leben.
Ehe sie sich versahen, stoben zig Millionen von Bürgern auf Hunderten von Demonstrationen in Dutzenden von Städten auseinander. Alles war zugeklebt mit Steckbriefen, die »politischen Verbrecher« wurden zu Zehntausenden in die Gefängnisse geworfen, während Hunderttausende »politische Flüchtlinge« ihr Heil im Ausland suchten.
Das war ein Wendepunkt in der chinesischen Geschichte. Anschließend fiel die Berliner Mauer, und Ost- und Westdeutschland wurden wiedervereinigt. Das rote Sowjetreich brach dröhnend in sich zusammen. Der Kalte Krieg war zu Ende. Eine neue Seite der Geschichte wurde aufgeschlagen.
Es ist der 2. Juli 2011, zehn Uhr, als ich in der Stadt Hekou in Yunnan über die Grenze gehe. Wie ein Schlafwandler erreiche ich die alten Straßen von Vietnam. Als ich unvermittelt noch einmal auf mein Heimatland zurückschaue, kommt mir ein Lied in den Sinn:
Die Welt ist ein schmaler Steg
keine Angst
man kommt hinüber
Dieses Gedicht ist ein alter Text aus dem Mittelmeerraum; ein alter Fischer, der vor einigen Jahren eine Reise durch China machte und der mir in Lijiang in Sichuan, wo ich ihn traf, auf Anhieb ein Freund war, hat mir beigebracht, es auf Hebräisch zu singen. Wie man sagt, sind viele Juden mit diesem Lied auf den Lippen in die Gaskammern der Nazis gegangen.
Ich bin in keine Gaskammer gegangen. Ich habe die unbarmherzige Hitze von Vietnam durchquert und bin weiter nach Warschau geflogen und schließlich auf einem Flughafen mitten in Berlin gelandet. Ich habe die Zunge herausgestreckt, um die Luft zu schmecken, sie war süß. Die Luft der Freiheit ist süß. Peter Sillem vom S. Fischer Verlag, ein hochaufgeschossener Mann, kam mit offenen Armen auf mich zu. Meine Augen wurden feucht. Wie sollte ich in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht spreche, erzählen, was und wer mir in den vergangenen Jahren begegnet war?
Vor dem Massaker am 4. Juni 1989 war ich ein Dichter, der gegen die Tradition rebellierte, besessen davon, mich herumzutreiben, zu prügeln, die Nacht zum Tage zu machen und viel Unsinn zu reden. Ich hatte über 20 offizielle Literaturpreise bekommen und war überzeugt davon, es früher oder später zu einem gewissen Erfolg in der internationalen Literaturszene zu bringen. Und dann wurde ich wegen meiner Gedichte bestraft und saß im Gefängnis. Meine romantische Dichterhaut ist mir bei lebendigem Leibe abgezogen worden. Dann wurde ich aus dem Gefängnis entlassen. Es war, als sei die Welt binnen einer einzigen Nacht auf den Kopf gestellt und ich zum Abfall geworfen worden.
Das Massaker vom 4. Juni ist ein Trennstrich, vorher haben alle wie ein Bienenvolk ihr Vaterland, danach haben alle wie ein Bienenvolk das Geld geliebt. Als aus Gefängnis und Umerziehungslager entlassener Krimineller und ohne Geld war ich eine Unperson. Als ich in meine Heimat zurückkam und meine frühere Frau, meine Eltern, Schwestern und alten Freunde wiedersah, geschah das alles in einer übertriebenen Stille und nicht in solch bewegten Szenen, wie in manchen Büchern beschrieben. Meine Tochter wurde ein halbes Jahr nach meiner Inhaftierung geboren, das Kind, das jetzt über drei Jahre alt war, war außer sich vor Entsetzen, als ich ihm zum ersten Mal meinen kahlgeschorenen Schädel zeigte; es schrie, versteckte sich hinter der Tür und spuckte heimlich aus.
Häftlinge sind Hagestolze, ausnahmslos. Manche bekommen für Jahre oder gar Jahrzehnte keine Frau zu Gesicht, deshalb ist in den Gefängnissen Sex Thema Nummer eins. Dem entgehen auch politische Gefangene nicht, trotz ihrer Ideale und ihrem Verantwortungsgefühl. Der einzige Unterschied ist, dass bei den kollektiven Masturbationsaktionen der Straftäter, die die Zellen in dampfende Sümpfe verwandeln, die Politischen sich entweder taub stellen oder sich zurückziehen. Ich habe mir einmal mit einem Menschenhändler den oberen und unteren Schlafplatz geteilt. Jedes Mal, wenn das Gefängnis uns etwas Gutes gönnte, musste der Kerl sich selbst befriedigen; manchmal waren seine Bewegungen so heftig, dass ich, der ich über ihm lag, es nicht mehr aushielt und gegen das eiserne Bettgestell schlug. Dann hob er den Kopf und brüllte, wobei seine Hand weitermachte: Man muss das Messer schleifen, sonst setzt es Rost an, das solltest du wissen!
Ich rümpfte die Nase. Doch als ich wieder draußen war, war ich auf einmal »eingerostet«. Die Wiedervereinigung mit meiner Frau, die ich so lange ersehnt hatte, war eine einzige Katastrophe, kaum berührten wir uns, war es zu Ende. Meine frühere Frau kroch hoch und sagte kalt: Ich wollte das sowieso nicht, aber wo du doch gerade erst heimgekommen bist, konnte ich es schlecht nicht machen.
Äußerlich hockte ich da wie eine Glucke bei Donner, innerlich jedoch war ich am Boden zerstört. Hastig zog ich mich wieder an. Nach gut drei Monaten haben wir uns nach einem hysterischen Krach scheiden lassen. Die Welt war wirklich eine Hölle, ein Mann mit starkem sexuellen Verlangen, der ständig unter ejaculatio praecox litt, eine verlassene Missgeburt, ein glanzloses politisches Relikt, das nicht aus noch ein wusste.
Die Freunde von früher haben einmal angerufen und dann nicht wieder; sie kamen eigens vorbei, um mich zum Essen einzuladen, dann haben sie sich nicht mehr sehen lassen. Meine Exfrau brachte für einen Nachtclub in Chengdu eine Unterhaltungszeitschrift heraus; sie befürchtete, dass mein kahler Schädel jemanden provozieren könnte, und hat mir eine Perücke gekauft, die ich aufsetzen musste.
Einmal mitten in der Nacht machte ich mir Sorgen um sie, habe mir die Perücke über den Kopf gestülpt und bin in den Nachtclub, um sie abzuholen. Doch als ich zur Tür hineinkam, bin ich mit zwei Generalmanagern, einem dicken und einem dünnen, zusammengeprallt. Früher waren beide Dichter und beide waren Freunde von mir gewesen. Wir hatten zusammen eine Untergrundzeitschrift für Lyrik herausgebracht und uns gemeinsam über die Kommunistische Partei lustig gemacht. Natürlich waren beide viel patriotischer als ich. Bei den Studentenunruhen von 1989 sind sie auf den Campus der Universität gerannt und haben Lesungen veranstaltet, Lesungen mit politischen Gedichten gegen Korruption. Und am Abend des 4. Juni ist ihre Begeisterung noch höher geschlagen, und sie rannten zum Tianfu-Platz und unterstützten die Studenten, die der bewaffneten Polizei gegenüberstanden, schafften Wasser und etwas zu essen ran und die Leute mit ihren blutigen Kopfverletzungen ins Krankenhaus.
Sie erkannten mich, der Dicke riss mir mit einem Ruck die Perücke vom Kopf und meinte: Guck mal, unser Konterrevolutionär hat sich verkleidet! Der Dünne schrie: Bringt dem Konterrevolutionär ein Mädchen!
Ich war vor Schreck schweißgebadet. Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus und zerrten mich in einen Nebenraum, sie wollten mit mir anstoßen.
Eine Gruppe von Prostituierten umrundete uns und fing an, Karaoke zu singen. Der Dicke fasste sie um die Hüften und gab jeder ein Trinkgeld von 100 Yuan; es war, als verteile er Bonbons.
Der Dünne fragte, ob ich noch Gedichte schreibe.
Ich sagte, ich kann nicht schreiben.
Der Dünne sagte: Wenn du noch schreibst, dann such dir einen anderen Stil und andere Themen, schreib was über Nachtclubs, Hymnen auf das Nachtleben von Chengdu, Hymnen auf die schönen Frauen von Chengdu und seine scharfen Fondues, das können wir in unsere Zeitschrift bringen, unter anderem Namen natürlich, in der Beilage, die deine Alte macht.
Ich sagte blöde: Früher ward ihr arme Lyriker, da konntet ihr euch nicht einmal einen etwas besseren Fusel leisten, wie seid ihr so schnell zu Geld gekommen? So ein aufwendiges Lokal kostet doch sicher ein paar Hunderttausend Miete im Jahr.
Der Dicke sagte: Kredit, Kredit und Verschwendung, ich kenne einen bei der Bank, und wenn es hart auf hart kommt, dann akzeptieren sie das Haus und die Einrichtung als Sicherheit. Nur die Miezen, auf die kann man leider keine Hypothek aufnehmen.
Der Dünne sagte: Seit der Reise von Deng Xiaoping in den Süden, du weißt schon, wo er die Reformen verkündet hat und dass ihm die Farbe der Katze egal ist, solange sie Mäuse fängt, seit dieser Reise ist Armut nicht mehr sozialistisch. Eine Demokratiebewegung ist schwierig, Geld machen nicht.
In dieser Nacht bin ich mit meiner früheren Frau nach Hause gegangen. Unwillkürlich stöhnte ich auf bei dem Gedanken, wie schnell meine Mitbürger ihre Fähnchen in den Wind gehängt hatten. Was da mit dem Dicken und dem Dünnen über den 4. Juni hinweg vor sich gegangen war, war wie eine Kehrtwende um 180 Grad. Meine damalige Frau sagte: Du bist wohl neidisch? Wenn du ein Kerl bist, dann kämpfst du und tust es ihnen gleich.
Mir verschlug es die Sprache, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Es war mitten im Winter, ich hatte Angst, meine Frau zu stören, also saß ich gelangweilt auf dem Balkon herum, eine ganze Ewigkeit, dann nahm ich meine Flöte und begann zu spielen. Ich war innerlich zu erschöpft, um einen Ton aus dem Bambusrohr herauszuholen. Ich erkältete mich. Am nächsten Tag schrieb ich unter heftigem Husten an meine langjährige alte Freundin Liu Xia, die Frau des berühmten politischen Gefangenen Liu Xiaobo, einen Brief. Ich schrieb:
»Das Elend nimmt kein Ende. Die Frau, die Du kennst, war immer schon eine, die im wirklichen Leben alles ans Überleben setzt, dann noch die Sorge um unsere Tochter und dann noch etwas, worüber man zwischen Freunden nicht sprechen kann. Sie sagt, sie sei nun über 30 und habe noch immer kein sicheres Nest, sie sagt, ich müsse Geld verdienen und für meine Tochter aufkommen. Sie verachtet unsere Vergangenheit, das braucht Mut, am meisten hasst sie es, wenn ich Flöte spiele, also lasse ich es. In meinem tiefsten Inneren liebe ich sie noch immer, aber ich kann sie nicht auf die Weise lieben, die sie von mir verlangt […]
Wenn ich allein bin, sitze ich oft da, und dann stelle ich mir Fragen und gebe mir Antworten, es sind zwei oder drei Stimmen, die da sprechen: Guten Tag! Von wegen gut! Was soll das! Scheiße! Mist! Du Vieh! Ich bin der Mann! Ihr Papa! Der Nachtclub! Geld, das Geld ist dein Schicksal! Ich will mein Schicksal ändern, will eine Revolution! […]
Meine Flöte ist ganz sanft, nur tief in der Nacht ist sie wie eine dünne Klinge. Liu Xia, meine Freundin, werde ich eines Tages nicht mehr spielen können? Ich mache mir wirklich Sorgen, dass ich eines Tages nicht mehr spielen kann.«
Der Brief trägt das Datum des 26. März 1994. Danach habe ich mit meiner Frau nicht mehr zusammengewohnt. Ich bin an das andere Ende der Stadt gezogen, zu meinen Eltern. Es war, als sei ich wieder ein Kind, um dessen Essen und Wohnen sich die Großen kümmern. Ich hatte oft nur ein bisschen Kleingeld in der Tasche, ich habe nicht einmal den Mut aufgebracht, vor die Tür zu gehen. Die 10000 Kuai, die mir mein großer Bruder Damao lieh, habe ich fast vollständig als Alimente für meine Tochter verbraucht – ich war bereits ein halbes Jahr im Gefängnis, als sie zur Welt kam, heute ist sie schon 21, doch mit mir hat sie, wenn man alles zusammenzählt, keine zwei Monate verbracht.
Ich trieb mich herum und kam herunter, lebte als Straßenmusiker von meinem Flötenspiel. Wenn ich Zeit hatte, Luft zu holen, schrieb ich heimlich meine Erfahrungen im Gefängnis nieder. Was vor dem 4. Juni 1989 geschehen war, rückte allmählich in immer weitere Ferne. Die Zeit verging mit nichts, ein lautloses Dahinfließen, ich hielt mich für den bedauernswertesten Menschen auf der Welt. Sogar dem Geheimpolizisten tat ich leid, er suchte mir einen Laden und stand mir auf den Füßen, ich solle Klamotten verkaufen. Ich sagte, ich sei kein Verkäufer.
Er sagte, so etwas Einfaches kannst du nicht? Ich nehme dich einmal mit zu dem Flohmarkt am Lotusteich neben dem Beimen-Bahnhof, da kaufen wir dir dann einen Packen Klamotten und Hosen, dann noch ein paar Logos von bekannten Marken, die nimmst du mit. Ein paar Spritzer Wasser drüber, ausgebürstet, ausgeschüttelt, ausgelüftet, dann noch gründlich mit dem Bügeleisen drüber, und sie sind von echten nicht zu unterscheiden. Und dann fasst du dir ein Herz, du musst mit den Kunden feilschen, verlass dich auf dich selbst, Zeug für um die zehn Kuai kannst du für fünfzig oder hundert weiterverkaufen, ist das nichts?
Ich sagte, die Kunden sind doch nicht auf den Kopf gefallen.
Er sagte, aber auch wenn sie nicht auf den Kopf gefallen sind, du musst sie dafür halten. Geschäfte machen, das ist psychologische Kriegführung.
Ich sagte, und wenn sie den Braten riechen?
Er sagte, wenn sie das an Ort und Stelle durchschauen, dann musst du auf Teufel komm raus alles abstreiten. Und wenn sie anfangen, Krach zu schlagen, nicht nachgeben, keine Draufgaben, du rufst mich an.
Damit die Polizei den Saustall aufräumt? Ich lachte bitter. So einen Job kann ich nicht machen.
Er sagte, das kannst du, damit ist gutes Geld zu verdienen. Die ersten beiden Jahre werde ich sehen, dass dir die Standmiete erlassen wird; und wenn das Feuer einmal brennt, dann schmiedest du das Eisen, solange es heiß ist, dann machst du eine Kette auf, in fünf Jahren hast du zehn Läden, wenn du dich anstrengst, in zehn Jahren fünfzig, dann bist du ganz oben, der Modeboss der Stadt. Und wenn du noch ein wenig die Treppe rauffällst, dann heuerst du ein paar Gelegenheitsarbeiter an und machst deine eigene Weiterverarbeitung auf, fälschst internationale Marken und verkaufst sie wieder auf dem internationalen Markt. Dann wirst du sicher der Großboss von einem Multi, und dann haben die Westler ohne dich keine Hose am Hintern.
Das brachte mich zum Lachen, doch kaum hatte ich den Mund zu, hatte ich das Gefühl, ich sollte mich schämen.
In dieser Nacht haben wir beide kräftig angestoßen, wir waren voll wie die Eimer, lagen uns in den Armen oder starrten uns feindselig an. Als wir auseinandergingen, wurde es schon fast hell, und er sagte noch einmal, alter Liao, du überlegst dir das noch mal, ja?
Ich sagte, lass mal, geh du deinen breiten Weg, ich gehe über meinen einsamen Holzsteg.
Mein einsamer Holzsteg bestand in meiner heimlichen Schreiberei. Und eines Nachmittags ein Jahr später hat ausgerechnet mein Geheimpolizist, mein Saufkumpan, mit einem Trupp aus heiterem Himmel meine Wohnung gestürmt und verkündet, das sei eine »gesetzliche Maßnahme«. Anschließend zeigte er mir einen Polizeiausweis, verlas den Durchsuchungsbefehl und tastete Zentimeter für Zentimeter Bett, Tisch, Zimmerdecke, Bodenbelag ab und ließ auch solche Winkel nicht aus, mit denen ich normalerweise kaum in Kontakt kam. Jede Schublade wurde aufgezogen. Jede Hosentasche nach außen gekehrt. Und auch wenn mein alter Wachhund Yuzui, Jadeschnauze, bellend protestierte, wurde auch sein Nest auf den Kopf gestellt. Alles, was irgendwie nach Text aussah, wurde auf der Stelle konfisziert, darunter auch Briefe, Notizen, eine Hundesuchanzeige und das fast fertige Manuskript meines Gefängnisberichts[1].
Ich setzte meinen Namen unter eine Liste mit dem belastenden Material. Dann wurde ich mit einem Polizeiwagen in das nahe gelegene Revier gebracht und bis tief in die Nacht hinein verhört. Und derselbe, der mich einmal hatte Hosen verkaufen lassen wollen, brachte mich zur Tür, schüttelte mir die Hand, klopfte mir auf die Schulter und schärfte mir ein: »In diesem Monat darfst du die Stadt nicht verlassen!«
Auf einen Schlag waren ein paar hunderttausend Zeichen[2] weg! Vollkommen erledigt legte ich mich hin und bediente mich eine Weile der obszönsten Schimpfwörter, die der Sichuan-Dialekt kennt. Aber mir blieb nichts anderes übrig, ich musste von vorne anfangen. Man muss mich nicht bemitleiden, wir quälen uns alle in den engen Nischen unserer Existenzen ab, für so einen Furz im Wind hat niemand Mitleid. Aber vielleicht konnte der alte Himmelsvater es einfach nicht mehr mit ansehen, jedenfalls hat er mir als Wiedergutmachung einen Engel geschickt: meine Freundin. Als Kind wurde sie Song Yu gerufen, ihre Worte waren mild und sanft, sie war bei mir, sie ließ mich nicht im Stich, sie half mir über diese erbärmlichsten und mutlosesten Tage meines Lebens hinweg – und so wurde auch meine Praecox allmählich besser, auch wenn sich nichts grundsätzlich änderte. Ich war launisch, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, und wenn ich in den Kneipen Musik machte, schaute ich düster um mich oder gab meinem Affen Zucker. Einmal ging ich spontan so hoch, dass ich einem der Suffköppe eine Schnapsflasche auf dem Kopf zerschlug, was die Öffentliche Sicherheit auf den Plan rief.
Ich war ganz unten, ich trieb mich herum, die Zahl derer, die kein Zuhause haben, geht in die Tausende. Es war, als wäre ich in einen bodenlosen Abgrund gefallen, da war keine Richtung, da war keine Freiheit. Wenn das Gefängnis in einem drin ist, wird man nie frei – das hatte mein Flötenlehrer zu mir gesagt. Aber wo war er in diesem Augenblick? Ich fing an, mich Tag für Tag zuzusaufen, verfluchte den Staat, die Polizei, verfluchte Deng Xiaoping und Li Peng, ich fluchte sogar auf die Elite unseres Landes und die Demokratiebewegung im Ausland, ich verfluchte die Hunderttausenden, die 1989 auf die Straße gegangen waren. Warum musste ich am Morgen des 4. Juni dieses Gedicht vortragen, dieses »Massaker«? War es das wert? Die Leute waren tot, sauber zugrunde gerichtet. Die überlebt hatten, würden für immer wie die Hunde leben. Das war es, was bei der Lesung des »Massakers« herausgekommen war.
Mein Geheimpolizist stand weiter vor der Tür und besuchte mich. Keine Ahnung, ob es in meinen vier Wänden irgendwelche Abhörvorrichtungen gab, aber wohin ich ging, mit wem ich Umgang hatte, selbst meine Träume waren für die Geheimpolizei ein offenes Buch. Ich träumte immer wieder, ich würde fliehen, in den Himmel oder in die Erde, ich schlug mit den Armen wie mit Flügeln, bis ich ganz außer Atem war. Ich hatte mir angewöhnt, zusammengerollt wie ein Embryo zu schlafen, mich möglichst klein zu machen, und noch kleiner, als könnte ich so in den Mutterleib zurück. Dort wäre ich vor neugierigen Blicken sicher! Song Yu hat mich oft wachgerüttelt und mich wie eine Mutter in den Arm genommen. Bis ein weiterer Albtraum von Tag heraufkam.
Davor hatte mir Liu Xiaobo per Fax aus Beijing eine unleserliche »Petition« zugeschickt, etwas zur »Wahrheit über den 4. Juni«. Dumpf unterschrieb ich und schickte es zurück. Zwei Tage später wurde ich in dem gleichen Zustand von der Geheimpolizei abgeholt und blieb 20 Tage im Gästehaus des Amtes für Öffentliche Sicherheit in Gewahrsam. Song Yu rannte von Pontius zu Pilatus und holte mich schließlich nach Hause. Ihre erste Frage war: Wenn das so weitergeht, wie soll es dann weitergehn?
Ich schwieg. Auf einmal nahm in meinem Kopf ein Satz von Dylan Thomas Gestalt an: On whom a world of ills came down like snow …[3]
Ein paar Jahre gingen ins Land, und ich machte die Bekanntschaft von Ding Zilin, einer der Angehörigen der Opfer vom 4. Juni. Als sie sich meine Geschichte angehört hatte, sagte sie: Da kannst du noch von Glück sagen!
Ein paar Jahre gingen ins Land, und ich machte die Bekanntschaft von Wu Wenjian, dem Maler des Massakers. Er hatte sich meine Geschichte noch nicht zu Ende angehört, als er meinte, ich könne noch von Glück sagen!
Ich sagte, im Verhältnis zu den Opfern habe ich Glück gehabt.
Sie meinten, das stimme nicht, ich hätte auch im Verhältnis zu den Überlebenden Glück gehabt.
Jiang Jielian, der einzige Sohn von Frau Professor Ding Zilin, war 1989 erst 17 Jahre alt, er ging noch auf die höhere Schule, als er von der Welle des Patriotismus erfasst wurde und sich mit brennendem Herzen in die Straßenpolitik stürzte – das Herz, das in der Nacht zum 4. Juni von einer Kugel durchbohrt worden ist und für das jede Hilfe zu spät kam. Das Ehepaar Ding hat in seinem Schmerz beschlossen, aufzustehen und vor der Welt Klage zu erheben. Unter seiner Führung sind nach und nach auch die Angehörigen anderer Opfer aufgestanden und haben die »Bewegung der Mütter vom Tiananmen« gebildet. Über 20 Jahre sind vergangen, aber die Mörder herrschen weiter über dieses Land, während die Eltern, die ihre Kinder verloren haben, unter der Überwachung der Geheimpolizei alt werden und sterben.
Wu Wenjian war 1989 gerade 19, gehörte also zu derselben Generation wie der einzige Sohn der Familie Ding. In der Nacht auf den 4. Juni ging er, ohne auf die Vorhaltungen seiner Eltern zu hören, auf die Straße, um die Bewegung zu unterstützen; er hatte Glück, denn die Kugel streifte nur seine Kopfhaut, sie traf nicht sein Herz. Voller gerechtem Zorn hielt er öffentlich eine Rede, in der er die »Blutschuld« einforderte, und verschwand für Jahre hinter Gittern.
Wu Wenjian ist der Erste der Straßenkämpfer vom 4. Juni, den ich interviewte. Offiziell bezeichnet man uns in unserem Land als Rowdys, sagte er. Immerhin, damals, an diesem Abend, standen ein paar Millionen solcher Rowdys mit leeren Händen einer bis an die Zähne bewaffneten Armee gegenüber. Am Anfang bahnten sich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge einzeln den Weg. Wo sie auf eine Straßensperre stießen, haben sie sie einfach überrollt; nachher haben sie wahllos um sich geschossen, alles schrie vor Entsetzen, eine Salve, eine Blutlache, die Menschen wurden knatternd hingemäht wie Gras.
Im Westen kennt man nur Wang Weilin, weil er sich auf der Straße als Einzelner den Panzern in den Weg gestellt hat. Eine lange Reihe von Panzern, die qualmend herandröhnten, wie riesige, unablässig flatulierende Käfer rollten sie nach rechts, nach links und wurden doch von diesem einzelnen Mann aufgehalten. Ihr seid aus Eisen, ich bin aus Fleisch und Blut, überrollt mich doch, ihr Bastarde! Dieses Bild ist in die Geschichte eingegangen, weil westliche Journalisten es aufgenommen haben, ein Glück! Es heißt, dem alten Präsidenten Bush seien bei der Liveübertragung die Tränen über das Gesicht gelaufen. Aber in dieser Nacht gab es in China unzählige Wang Weilins, die nicht von Kameras festgehalten wurden.
Zheng Yi, ein nach Amerika geflohener Schriftsteller, schreibt in seinen Erinnerungen: Am 3. Juni 1989, es muss gegen neun Uhr abends gewesen sein, haben die Menschen, die sich auf Höhe der Muxi-Hochstraßenkreuzung auf der ganzen Breite der Chang’an den Truppen entgegenstellten, Hand in Hand eine Menschenkette von zwei-, dreihundert Meter Länge gebildet und rückten unter ohrenbetäubenden Parolen vor. Die anrückenden Soldaten hatten Stahlhelme auf, hielten Schilde und Schlagstöcke in Händen und schlugen wie von Sinne um sich. Die Menge ging mit Steinen zum Gegenangriff über und wich zögernd zurück. Gegen zehn waren sie bei der Hochstraßenkreuzung, beide Seiten wurden von Autos getrennt, die als Barrikaden quer zur Straße standen. Das Pionierbataillon wagte nicht, einfach an der Sperre vorbeizurollen und die Menge direkt anzugreifen, also stellten sie Panzer an die vorderste Front.
Ein anderer Augenzeuge berichtet, ein Panzer habe in voller Geschwindigkeit versucht, den quer zur Brücke stehenden Oberleitungsbus aus dem Weg zu räumen; Tausende von Menschen hätten auf Zeichen von ein paar höher postierten jungen Leuten lauthals den Countdown für den Zusammenprall von Panzer und Bus gezählt, gleichzeitig seien sie wie eine Woge über ihn hinweggeschwappt. Unter dem gemeinsamen Aufprall dieser gewaltigen Kräfte kreischte die Mauer aus Autos entsetzlich, aber sie ragte weiter quer zur Brücke in die Luft. Die Wucht des Panzers verpuffte, die Leute brachen in Triumphgeschrei aus. Und dann ging das beiderseitige Kräftemessen weiter, jedes Mal machte der Panzer den wütenden Anfang, und wenn die grandiose Szene des beidseitigen Anrennens gegen diese Mauer aus Autos ihren Höhepunkt erreichte, endete das Ganze mit einem Rückzug des Panzers und einem Siegesgeheul der Menschen. Nach wiederholtem Aufprall gegen die Mauer begann die Armee Tränengasgranaten in Richtung der Menge abzufeuern, sie flogen über die Straßensperre und explodierten, alles war voller Tränengasschwaden, und den Leuten blieb nichts anderes übrig, als mit den Händen vorm Gesicht auszuweichen. Der Panzer nutzte das, gab Vollgas und prallte wieder gegen die Sperre, bum, bum! Zwei Trolleybusse wurden durch den Aufprall völlig verformt, und es entstand eine etwa zwei Meter breite Bresche … Wieder zog sich der Panzer zurück, und als er sich bereitmachte zum nächsten Angriff, drängten Tausende von Studenten und anderen Leuten heran, schoben die Busse an ihre ursprüngliche Position, schlossen die Bresche, hielten mit ihren Leibern die wankende Straßensperre und stellten sich dem Angriff des Stahls entgegen.
Am frühen Morgen des 4. Juni, so Zheng Yi weiter in seinen Erinnerungen, rückte auf der Chang’an an der Nordseite der Großen Halle des Volkes eine große Menschenmenge von Westen nach Osten vor und versuchte, zum bereits von der Armee besetzten Platz des Himmlischen Friedens durchzubrechen und die Studenten dort zu retten. An der Peripherie des Tiananmen stießen sie mit der Armee zusammen. In einer Menschenmauer rückten sie, leidenschaftlich ein Trauerlied anstimmend, vor. Wieder und wieder wurden sie von Gewehrsalven auseinandergetrieben, wieder und wieder schlossen sie sich erneut zusammen und drangen singend weiter vor. Jedes Mal gingen viele zu Boden, aber jedes Mal traten noch mehr an ihre Stelle, bis sie schließlich den in Zickzackformation aufgestellten Soldaten gegenüberstanden. Bei Morgengrauen kamen die Panzer vom Platz und stellten sich auf der Chang’an auf. Dann brüllten die Motoren, und sie rasten gegen die Menschenmauer.
In diesem Augenblick legte sich ein einzelner Todesmutiger zunächst mitten auf die Straße, dem sich sofort andere anschlossen. Im Nu lagen Hunderte auf der Straße, sie bedeckten die Chang’an auf ganzer Breite.
Nicht einer ist vor den drohenden Panzerketten davongelaufen. Dieses Kräftemessen mit Entschlossenheit und Kühnheit hat der Stahl verloren. Die Panzer machten Notbremsungen, »die Straße bebte, der ganze Aufbau der Panzer neigte sich vornüber«. Am Ende verschossen die Panzer Tränengasgranaten, sie trieben die Menge auseinander und setzten den Menschen durch die gelben Nebelschwaden, die ihnen den Atem nahmen, wie Furien nach. Über zehn Menschen wurden von Panzerketten zermalmt. Fünf Jugendliche starben an der Südwestecke der Liubukou-Kreuzung der Sechs Ministerien, zwei von ihnen wurden mit ihren Fahrrädern zu Brei gequetscht.
Die Tyrannen triumphierten. Am Ende ließ sich auch Deng Xiaoping, der Mörder, sehen und sprach den Soldaten der Sonderkommandos seine Anerkennung aus. Alles löste sich auf, die »Rowdys« gingen ihnen nach und nach ins Netz, die »schlimmsten Verbrecher« wurden gefesselt vor Exekutionskommandos gestellt und öffentlich hingerichtet.
Wu Wenjian sagt: Ich kann auch von Glück reden, dass ich nur sieben Jahre bekommen habe. Andere »Rowdys«, die im gleichen Alter waren wie ich, alles ganz gewöhnliche Arbeiter, Bauern und Kleinhändler, sind auf die Straße gegangen, um sich der Armee in den Weg zu stellen, und haben später von Schnellgerichten willkürlich wegen »Plünderei« schwere Strafen bekommen und sind für Jahre hinter Gittern verschwunden. Ach, und wie viele von ihnen waren noch unschuldig, sie hatten noch nicht einmal das Küssen gelernt, und als sie herauskamen, waren sie schon in mittleren Jahren, verstanden die Gesellschaft nicht mehr, wussten nichts vom anderen Geschlecht und waren völlig außerstande, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen. Was sollten sie tun? In ihrem fortgeschrittenen Alter konnten sie sich nur mit ihren greisen Eltern auf engem Raum zusammendrängen und deren Rente durchbringen. Manche brachten nicht einmal mehr den Mut auf, vor die Tür zu gehen. In den Jahren hatte sich die Stadt zu sehr verändert, es wäre zu lächerlich, wenn sie sich in einer Gegend verirren würden, in der sie aufgewachsen waren.
Mir wurde schwer ums Herz, denn ich hatte mich auch in der Gegend, in der ich aufgewachsen war, verirrt; dann, in den Jahren nach 2005, habe ich mich mit Wu Wenjian unter diese vom China des Booms und der Tyrannei ausgegrenzten und vergessenen Randgruppen gemischt.
Über Jahre habe ich in aller Heimlichkeit im Untergrund zahllose Interviews geführt, doch noch mehr Interviews mit den haarsträubendsten Details habe ich, weil sich die Gesprächspartner zurückzogen oder ihre Zustimmung verweigerten, nicht in Buchform veröffentlichen können. Am 4. Juni waren die Sondereinsatzkommandos überall unterwegs, nicht wenige starben unter ihren Schlägen und Tritten.
Von der ersten Gruppe von acht »Rowdys«, die Autos angezündet hatten, wurden sieben im Schnellverfahren hingerichtet, das Urteil des achten, eines Umweltarbeiters namens Wang Lianxi, wurde wegen erwiesener »schwerer geistiger Zurückgebliebenheit« in der Revision in lebenslange Haft umgewandelt. Er hat 18 Jahre abgesessen, kurz nach seiner Entlassung kam er den Planungen für die Olympischen Spiele ins Gehege, sein Haus wurde zwangsgeräumt, und weil er nun kein Zuhause mehr hatte, wurde er von der örtlichen Verwaltung in eine Nervenheilanstalt gesteckt. Nach Augenzeugenberichten lebt Wang Lianxi jetzt auf der Straße und sucht im Abfall nach etwas Essbarem.
Und dann war da noch Lu Zhongshu, der wegen öffentlichen Anzündens von Autos und Empörung gegen Sondereinsatzkommandos beinahe totgeschlagen worden wäre.
Wu Wenjian erzählt, man habe ihn in einen Panzer gesteckt und direkt ins Untersuchungsgefängnis geschafft. Verwirrt wie er sei, wisse er nicht, ob sie ihm den Verstand herausgeprügelt haben oder ob er schon immer so war. Er war am ganzen Körper grün und blau, hatte keinen heilen Fleck mehr am Leib, verlor die Kontrolle über seine Körperfunktionen, zog die Hosen nicht herunter und ließ es einfach laufen. Er lief den ganzen Tag herum wie ein Schlafwandler, wenn man ihn ansprach, reagierte er nicht. Später »verliert« sich dann auf wundersame Weise »jede Spur« von ihm, man weiß so wenig über seinen Verbleib wie über den von Wang Weilin, den Helden, der sich den Panzern entgegengestellt hat.
Der Rest war belangloses Geplauder, Sex ist kein Thema für ein persönliches Interview. Eigentlich saßen wir uns als Hagestolze gegenüber, außerdem hatten wir alle gesessen, natürlich würden wir auch auf Frauen zu sprechen kommen. Und wenn wir genug darüber geredet hatten, fiel uns plötzlich ein, dass das Aufnahmegerät noch an war. Dann zogen die Gesprächspartner die Jacke zurecht, setzten sich aufrecht hin und warnten mich, »die Leichen, die sie im Keller hatten, nicht in der Öffentlichkeit breitzutreten«.
Chinaweit haben schätzungsweise mehrere zehntausend Widerständler vom 4. Juni gesessen, alleine im Distrikt Beijing waren es bereits mehrere tausend. Die meisten von ihnen waren Grünschnäbel, so wie Wu Wenjian auch, und nicht wenige gingen als Jungfrauen ins Gefängnis. Aufgrund der Jahre, bis zu zwei Jahrzehnte, in denen alles auf Eis lag, hatten alle nach ihrer Entlassung Probleme mit ihrem Unterleib.
Im Nu war ihre Jugend vorbei, zu der ejaculatio praecox kam Impotenz, bis die Natur sich erholt hatte, dauerte es unterschiedlich lange, ein halbes bis zwei, drei Jahre. Wu Wenjian, der nur eine relativ kurze Zeit gesessen hatte, war fast zwei Jahre impotent, bevor er sich halbwegs erholt hatte. Er sagt: Ich habe Kunst studiert, ich war noch nicht lange draußen, als ich bei einer Werbefirma angefangen habe. Für einen Rowdy ging es mir verhältnismäßig gut. Ich war ziemlich häufig auf Geschäftsreise, wohnte in Hotels, wo die schönen Frauen wie Wolken auftauchten und wieder verschwanden, doch in meinem Kopf waren es Orte, an denen man verfolgt und von der Polizei wegen Ehebruchs aufgegriffen wurde. Mein erster Kuss war ein Desaster, ich bin so gegen das Mädchen geknallt, dass ihre Lippe aufplatzte, außerdem bin ich schon bei der ersten Umarmung gekommen und hatte einen großen nassen Fleck auf der Hose. Ich hatte vielleicht eine Angst, und Gewissensbisse, und je größer die Angst wurde, umso schlimmer wurden die Gewissensbisse, und dann kam ich natürlich überhaupt nicht mehr in die Gänge und habe den ganzen Abend nur vor mich hin gestiert. Das Mädchen hatte viel Geduld mit mir und hat mich gestreichelt und getröstet, ich hätte fast geflennt, aber ich konnte mir ja auch schlecht selbst eine reinhauen. Nachher ist sie dann weg, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Du hast wahrscheinlich alles kaputtgedrückt, sagte ich.
Auf der Straße, wenn ich da nur ein Mädchen sah, das ein bisschen was Erotisches hatte, hatte ich jedes Mal den Impuls, sie anzusprechen, aber dann habe ich mich immer voller Selbstzweifel gefragt, was ich machen soll, wenn es nicht geht. In einer Bar in Chongqing habe ich eine Bedienung verführt, ach herrje, was für ein Busen! Wir waren kaum im Zimmer, da hingen wir schon aneinander, sie hüpfte und klammerte, beide Beine um meine Hüfte, ich konnte meine Erregung nicht kontrollieren, ein paar Sekunden war in meiner Hose die Hölle los, und vorbei war’s. Scheiße! Wenn sie richtig in Fahrt kamen, war bei mir alles vorbei! Diese Verachtung, dieses Zusammenbeißen der Zähne, das ist für einen Mann unerträglich. Doch was sollte ich machen, es war, als hätte ich meine Souveränität verloren, ich musste es noch eine Weile aushalten, dann schien es, als hätte ich wieder ein bisschen Gefühl, doch beim nächsten Versuch war es das Gleiche. Als es so weit war, zischte sie durch die Zähne: zwecklos!
Das war vermutlich schlimmer als die Angriffe der Kommunistischen Partei auf dich.
Waren wir denn für gar nichts gut? Aber die Bürokraten, die Pfeffersäcke, die Zyniker, die Deckhengste, die sind etwas wert? Wofür haben wir denn gesessen? Was habt ihr denn gemacht, als wir im Bau waren? Geld gescheffelt und zu den Nutten gerannt, oder? Und wenn ihr genug Geld hattet und genug gevögelt habt, erzählt ihr uns, wir wären nichts wert, oder?
Die Welt und die Menschen haben sich verändert.
Ich war das, ich war nicht mehr ganz normal. Ich kam mit mir selbst nicht zurecht, hatte Selbstmitleid und ließ meine Wut an irgendwelchen Mädels aus. Es ist noch gar nicht lange her, da war ich mit Kunzi, der gerade aus dem Knast gekommen war, am Qianmen bummeln, die Abendsonne war richtig schön, und was da so an uns vorbeilief, war auch nicht schlecht. Doch da ist vor uns ein Mädchen vorbeigewischt, mit langen, wehenden Haaren, die einen leichten Duftschleier nach sich zogen, und dann die beiden runden Hälften ihres Hinterteils. Mir machte das nichts weiter aus, seit ich draußen war, hatte ich gesehen, was ich hatte sehen müssen. Aber Kunzi war schon über vierzig, dieser mutige Kamerad, der am 4. Juni trotz des Kugelhagels auf ein Autodach geklettert war und eine Rede gehalten hatte, dem blieb in diesem Augenblick komplett die Spucke weg, ihm standen die Augen vor dem Kopf wie zwei unförmige Angelhaken, die er nur allzu gerne eingezogen hätte, und mit ihnen diese beiden Hinterbacken. Normale Menschen können das nicht nachfühlen, dieses schreckliche Gefühl des Verhungerns. Erst als das Mädel weg war, kam der Kamerad wieder zu sich, und er flüsterte mir mit trauriger Stimme ins Ohr: Ach, alter Wu, ich bin impotent.
Ich habe diesen Kameraden kennengelernt, Wu Wenjian hat ihn immer wieder bequatscht, der Kamerad hat immer wieder gezögert, aber letzten Endes hat er meinem Ansinnen nicht entsprochen. Kunzi war ein ehemaliger Soldat, die Brust voller patriotischer Begeisterung. Vor der Nacht auf den 4. Juni war er pünktlich an dem von dem vagabundierenden Schriftsteller Zheng Yi in seinen Erinnerungen beschriebenen Ort – an der Kreuzung der Hochstraße bei Muxidi mit der Chang’an –, wo er von erhobener Position aus die Konfrontation von Panzer und Menge dirigierte. Später dann ist er verraten und von den Sondereinsatzkommandos der Truppen im Ausnahmezustand gefasst und wegen »Putschversuchs« zum Tod auf Bewährung verurteilt worden. Er war noch nicht lange im Knast, als sich seine Frau und seine Kinder von ihm abwandten, und als er Jahre später entlassen wurde, stand er alleine da, ein Hagestolz, mit seinen 80 Jahre alten Eltern in eine Wohnung gepfercht. Arbeit ist so schwer zu finden, sagte er. Wenn ich mich von dir interviewen lasse und der Chef davon Wind kriegt, dann wirft er mich auf der Stelle raus.
Was arbeitest du denn?
Erst auf der Straße, vor einem von den großen Kaufhäusern, da habe ich für die Kunden auf die Fahrräder aufgepasst. Es war lausig wenig Geld, im Winter, wenn es schneit, muss man ständig auf den Hacken sitzen, wenn man nicht zu einem Eiszapfen gefrieren will. Dann bin ich über Beziehungen, meine Brüder, weißt du, in ein Schwimmbad gekommen, dort habe ich saubergemacht, die Klos, Tag und Nacht, jedenfalls war das Einkommen etwas sicherer. In den achtziger Jahren gab es kaum noch Nachtclubs, in den Filmen damals sind nur schlechte Menschen in solche Clubs gegangen, oder doch wenigstens zweite Wahl, die keiner geregelten Arbeit nachgingen. In den 90ern gab es nicht nur eine Öffnung der Wirtschaft, sondern auch der Hosenläden; dass man in den Clubs Frauen finden konnte, die sich einem für Geld anboten, war nichts Besonderes mehr. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ging das mit den Nachtclubs zurück, dafür hatten die Badeanstalten Hochkonjunktur. Da wurde gesoffen, gesungen, Mahjongg gespielt, gewhirlpoolt, Rücken gerieben, Füße geknetet, massiert, herumgehurt – ein Rundumservice: was den Kunden guttat, wurde geboten. Am Anfang hast du vielleicht noch keine Gefühle gehabt, aber dann kam so ein Mädchen, hat dich halb ausgezogen und erst einmal seriös massiert und anschließend dann weniger seriös, so in der Leistengegend, am Unterleib, und dich endlos gereizt. Wie sollte sich da nichts regen? Das war eine Absteige, ich habe in einer Absteige die Klos saubergemacht. Korrupte Beamte und das große Geld haben sich da die Klinke in die Hand gegeben, das war ein Umarmen hier und Bussi da, die trugen die Nase so hoch, die gingen richtig auf Zehenspitzen, und ich reichte denen das Klopapier, weiter runter ging es nicht.
Bei der Studentenbewegung 1989 haben die einfachen Leute die Studenten unterstützt, dagegen waren nur diese verkommenen Subjekte, denn wir haben verlangt, dass die Familienclans von den hohen Beamten der Kommunistischen Partei ihre Schwarzeinkünfte offenlegen und ihre Schwarzkonten; unser Ziel war, dass der Staat wieder gesund wird. Aber heute sind die korrupten Beamten und die Profitmacher zahlreich, die einfachen Leute leben in Not und Elend. In der Gesellschaft geht es drunter und drüber, und ich, als einer der alten Männer, die für die Demokratie in China einen so grausamen Preis bezahlt haben, muss diese Enkelbande auch noch bedienen.
Das ist sicher nicht einfach, Kunzi.
Einmal sind zwei von diesen Geldsäcken mit nackten Armen auf meinem Klo erschienen und haben mich auf einmal erkannt, da haben sie geschaut, he, ist das nicht Kamerad Kunzi? Ich bin Xiaohai, wir haben in derselben Straße gewohnt, in der Nacht zum 44