Cover

Tex Rubinowitz

Die sieben Plurale von Rhabarber

Listen über alles

Mit Illustrationen des Autors

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über Tex Rubinowitz

Tex Rubinowitz, geboren 1961 in Hannover, lebt seit 1984 als Witzezeichner, Maler, Musiker und Schriftsteller in Wien. Er hört Musik nur aus dem Fenster vorbeifahrender Autos.

 

Weitere Veröffentlichungen

Rumgurken

Über dieses Buch

Tex Rubinowitz bringt ALLES in Ordnung.

 

Das Leben besteht erwiesenermaßen zur Hälfte aus Unordnung. Damit diese Hälfte nicht allzu groß wird, muss der Mensch für ihr Gegenteil sorgen: Ordnung schaffen. Listen machen. Nummerieren, sortieren und abheften: Zähne und Schamhaare am Anfang, fehlende Zähne und fehlende Organe am Ende. Möbelstücke, Autoteile, Einkäufe, Gewinne und Verluste.

 

Listenmolch Tex Rubinowitz hat hier nun die wichtigsten Raster, Rankings und Hitparaden versammelt, zum Nutzen der Leser, für die nach Lektüre die Welt so richtig in Ordnung sein wird.

 

«Ich freue mich, dass Tex eine noch größere Meise hat als ich – Respekt!» (Farin Urlaub)

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

Umschlagillustration und Zeichnungen im Innenteil Tex Rubinowitz

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Printausgabe 978-3-499-61568-9 (1. Auflage 2013)

ISBN E-Book 978-3-644-50471-4

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-50471-4

Santa Claus is checking his list

Going over it twice

Seeing who is naughty and who is nice

Psychic TV

Seufzer des Glücks

Das Leben ist vieles nicht, aber eins ist es mit Sicherheit: ein Abzählreim. Man lässt die Jahre vorbeiziehen, nimmt Maß, unterteilt, vergleicht, bewertet, bringt die Saat aus, erntet, zählt die Erbsen, versucht zu ordnen und damit ein bisschen zu beherrschen, aber immer läuft es auf eine Pointe namens Tod hinaus («Raus bist du»). Unser Dasein ist von vorne bis hinten inkonsequent, diese Pointe scheint die einzige Konsequenz zu sein. Vor dem Finale müssen willkürliche Zusammenhänge hergestellt werden: Was hängt woran wie fest und mit welchem Klebstoff, dass nicht alles gleich aus dem sprichwörtlichen Leim geht? Wir stochern wie irgendwelche metaphysischen Störche im Nebel nach Fröschen in Aspik. Man möchte, bevor der Witz vorbei ist, das unübersichtliche Chaos nicht so einfach hinnehmen, das ja bekanntlich auch gar kein Chaos ist, sondern eine eigene Ordnung mit eigenen Regeln, eine elegante chaotische Ordnung.

Unsere Leben bestehen aus Listen. Nichts geht verloren, alles wird aufgelistet, damit es abgeheftet werden kann, Zähne und Schamhaare am Anfang, fehlende Zähne und fehlende Organe am Ende, Möbelstücke, Autoteile, Einkäufe, Gewinne und Verluste. Und wie wir jeden Tag immer wieder etwas Neues erleben, immer wieder etwas Neues machen, in immer neuen, so nie da gewesenen Konstellationen, nichts im Leben passiert ein zweites Mal, so lässt sich das auch irgendwo einsortieren und bewerten. War das jetzt gut? Oder landet es auf dem neunten Platz? Oder flutscht es sogar gnädigerweise hinter den Heizkörper? Aber das elegante Chaos ist überall, auch unter Hempels Sofa.

Diesen Hund hab ich noch nie gesehen, ist der hübsch? Ich hab grad keine Vergleiche parat. Ist er immer noch hübsch, wenn er sich in mein Bein verbeißt oder auf meinen Teppich erbricht? Die eine Nacht neulich mit Claudia Schiffer, war sie jetzt gut, oder hätte der Kuss unter der eisernen Brücke gereicht? Das zufällig gefundene Schamhaar von ihr, was mache ich damit? Verwende ich es als Souvenir, Trophäe, Lesezeichen, Fetisch oder Zahnseide? Und warum stehen eigentlich auf unserer Einkaufsliste so viele plurallose Artikel? Senf, Milch, Obst, Zink, Zeug, Günther Jauch? Und was macht eigentlich Günther Jauch auf der Liste?

«Die ewigen Top Five meiner unvergesslichsten Trennungen für die einsame Insel in chronologischer Reihenfolge»: Mit dieser Aufstellung beginnt Nick Hornbys «High Fidelity» (1995). Man muss nicht in oder an Listen denken, um von ihnen gelenkt zu werden, um zu erkennen, dass wir nicht nur selbst eine Liste, sondern längst schon Teil einer anderen, viel größeren Liste geworden sind, einer Versuchsanordnung mit Menschen: Wie stehen wir mit wem in welchem Verhältnis? Man kann diese Referenzsysteme ignorieren, aber sie ignorieren uns nicht. Solange es Entscheidungen gibt, sogar Enthaltungen, so lange schreibt ein infamer Gott oder meinetwegen der Weihnachtsmann, also derselbe, die Liste.

Rankings, Hitparaden, Wunschzettel, Schnittmengen, Mannschaftsaufstellungen, wer ist hier die eigentliche Lebensform, physische Menschen, die glauben, einen freien Willen zu haben, oder metaphysische Zettelkästen, Strichlisten auf Bierdeckeln, Kerben im Gewehrkolben? Gott gibt die Liste, aber ausfüllen musst du sie selbst, sagt die Bibel (Exodus 21, 2325). Was sie verschweigt, ist, dass wir selbst schon lange auf einer draufstehen, sogar schon vor unserer Geburt.

Nik Cohn hat in seiner «Pop History» (1969) geschrieben: «So bleibt die Frage, was als Nächstes kommt. Astrologie? Katholizismus? Alkohol? Frösche in Aspik? Die Antwort lautet: all das und nichts davon – die Mode wechselt vielleicht dreimal im Jahr, und es ist absolut gleichgültig, es ist sowieso alles nur ein Witz. Nur die zugrunde liegende Unruhe bleibt, und die ist real.»

Das Büchlein, das Sie, liebe Leserin, lieber Leser, lieber Hund, liebe Katze, lieber Baum, in Ihren Händen, Händinnen, Pfoten, Tatzen, Ästen halten, will Ihnen ein bisschen durch den Vektorraum dieses willkürlichen Koordinatensystems helfen, in dem wir unser Dasein fristen, im Schatten alles und jeden absorbierender Listen. Kurz so tun, als gäbe es die Ordnung und Sicherheit außerhalb unserer knittrigen, heroischen, belanglosen, fatalistischen, essenziellen Listen, die uns die Angst vor unserer Nutzlosigkeit nimmt und glauben macht, wir könnten unser Leben in irgendeiner Weise gestalten, obwohl wir doch wissen müssten, dass wir letztlich nichts anderes als Rhabarber sind, der unruhig darauf wartet, dass man ihm endlich seinen Plural zuweist, damit er nicht mehr so allein ist. Listen sind Seufzer des Glücks. Oder wie Stephen Fry sagt: «Eine Liste zu erstellen ist für mich, als legte ich in der wilden Müllkippe meines Verstands einen französischen Garten an.»

 

 

Rhabarber. Wie man ihn woanders nennt

 

11 Gründe, ein Kleidungsstück wieder zurück in den Laden zu bringen
  1. Zu groß

  2. Zu klein

  3. Zu hässlich

  4. Es ist zu schwer

  5. Ich krieg Kopfschmerzen vom Stoff

  6. Niemand erkennt mich mehr

  7. Mein Hund knurrt mich an

  8. Ich wurde in der U-Bahn kontrolliert

  9. Es bewegt sich noch

  10. Es wird anzüglich

  11. Es schmeckt nicht

 

Die 6 drängendsten Fragen eines Sitzenden
  1. Sitze ich wie jemand, der schon einmal gesessen hat?

  2. Oder sitze ich wie jemand, der nur so tut, als würde er sitzen?

  3. Was ist der Trick?

  4. Welche Rolle spielt der Stuhl?

  5. Wer sitzt, wenn ich nicht sitze?

  6. Ich stehe, obwohl ich sitze: Warum liege ich?

 

Trendgewürz Salz

 

Die milden Kinder

 

Was tun mit all den ausrangierten Nacktscannern?

 

Anrufe, mit denen man eher nicht rechnet

 

Welche Blumen und Pflanzen zu welchem Anlass

 

Warum Frauen Salat essen
  1. Sie glauben, sie sind vom Gesetz dazu verpflichtet

  2. Paradoxerweise, um Salat vor dem Aussterben zu bewahren: Wenn er nicht gegessen werden würde, würden manche Salatzüchtungen gar nicht existieren

  3. Frauen glauben, durch den Verzehr roher Blätter einen Labmagen zurückzuerlangen, wie ihn die Menschheit angeblich mal hatte

  4. Schuldkomplex (wg. Garten Eden: «Wenn wir in einen Lollo rosso gebissen hätten statt in den Apfel, wär uns der ganze Schlamassel erspart geblieben»)

  5. Aus Heimweh (der Planet Venus besteht zu 90% aus Salat)

  6. Chlorophyll macht eine schöne Aura

  7. Aus Trotz

 

Die großen Nahrungsmittelskandale

 

Immer mehr Serviceschalter auf Ämtern, bei der Bahn und in Kaufhäusern
  1. Unbegründete Beschwerden

  2. Konstruktive Kritik

  3. Entschuldigungen

  4. Lob

  5. Freiwillige Mitarbeit

  6. Betriebsspionage

  7. Selbstanzeige

  8. Selbstgespräche

  9. Beichte

 

Die neue Couragiertheit

 

Wie man nicht in der Armutsfalle landet
  1. Bei Rot über die Straße gehen und sich nicht erwischen lassen

  2. Von den Zinsen des Geldes leben, das man dem Mörder gegeben hat, damit er einen nicht umbringt

  3. Geld einfach nicht ausgeben