Gesammelte Gedichte

Wolfgang Bächler

Gesammelte Gedichte

Mit einem Nachwort von Albert von Schirnding

Herausgegeben von Katja Bächler und Jürgen Hosemann

FISCHER E-Books

Über Wolfgang Bächler

Wolfgang Bächler, geboren 1925 in Augsburg, gestorben 2007 in München, gilt als einer der wichtisten deutschsprachigen Lyriker; auch seine Prosa, darunter die »Traumprotokolle«, wurde hochgerühmt. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er in München Literatur- und Theaterwissenschaft und war der jüngste Mitbegründer der Gruppe 47. 1956 ging er nach Paris und später ins Elsaß; seit 1967 lebte er in München.

 

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Impressum

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012

 

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ISBN 978-3-10-401732-7

Gedichte 1942 bis 1949

Oh, ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt,
ein Bettler, wenn er nachdenkt … Hölderlin,HYPERION I, 1

Das Allerweichste auf Erden überholt das Allerhärteste auf Erden. Das Nichtseiende dringt auch noch ein in das, was keinen Zwischenraum hat. Lao-tse

Die Fontäne

Als ich Soldat war

Als ich Soldat war, schrieb ich kein Gedicht.

Auf Schmerz und Tod gab’s nur den alten Reim.

Mir schnitt der Stahlhelmriemen ins Gesicht.

Und daß ich lebte, wußte ich es nicht?

Die Verse schliefen irgendwo daheim.

Das Blut floß stumm, gerann zu schwarzem Seim.

Als ich Soldat war, schrieb ich kein Gedicht.

Als ich Soldat war, sprach ich kein Gebet.

Die ersten schrillen Kugeln trafen Gott.

Die Stimmen starben, die zu ihm gefleht.

Geruch der Toten hat ihn zugeweht.

Befehle jagten mich in irren Trott.

In tausend leeren Fratzen hing der Spott.

Und Gott? – Wir hoffen, daß er aufersteht.

Geliebte Sprache

Für Hans Georg Brenner

Verlassen im Sturz der Gestirne stand

die Sprache. Ich tastete mich heran.

Ich strich ihr spielend über die Haut

und löste sie aus zerfetztem Gewand.

Da fing sie wieder zu tönen an

und manchmal schrie sie laut.

Ich griff ihr ins Haar – die Spange sprang –

Sie goß es über mich hin.

Es floß mir dunkel die Sinne entlang.

Ich tauchte hinein, in den Strom von Gesang

und badete mich darin.

Ich hob den Mund, den trunkenen Mund,

schon satt von der blühenden Brust.

Sie ließ mich nicht, sie saugte und biß

mir stöhnend die Lippen auf, als wund

im Taumel entfesselter Lust

das letzte Geheimnis zerriß.

In zuckenden Armen lag sie mir, bloß.

Ihr warf sich die Glut ins Gesicht.

Und nächtig quoll’s aus entsiegeltem Schoß

Ich ging in ihr auf und sie wuchs groß.

Wir zeugten die Welt als Gedicht.

Immer noch trägt uns die ewige Strömung