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Martina Hoblitz

O, diese Familie!





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Das Buch & die Autorin

Das Buch
Die lebensfrohe Maggi findet eines Morgens den betrunkenen Landstreicher Steve im Garten, der bei ihr und ihrer chaotischen Familie für viel Verwirrung sorgt.

 

Die Autorin Martina Hoblitz

Geboren und aufgewachsen ist Martina Hoblitz in einer beschaulichen Kleinstadt im schönen Kreis Höxter. Seit vielen Jahren ist sie glücklich verheiratet und hat eine wundervolle erwachsene Tochter.

Bereits als 16jährige Schülerin begann Sie mit dem Schreiben. Mit viel Hingabe und Gefühl schrieb sie Zeile um Zeile und genoss dabei jedes einzelne Wort.

Sie hat viel erlebt, viele schöne Augenblicke, aber auch schwere Momente betrübten ihr Herz.  So entstanden über die Jahre viele wundervolle Liebesgeschichten, die zum Teil bereits als E-Books erhältlich sind.

 

 

 

Das sagt die Autorin über diesen Roman:

Dies ist mein allererster Roman, den ich bereits als Schülerin begonnen habe. Durch widrige Umstände konnte ich ihn erst ein paar Jahre später vollenden. Personen und Handlung sind voll und ganz meiner Fantasie entsprungen. Ich wünsche viel Freude beim Lesen!

 

 

 

1. Auflage

Verfasst 1976-1993

E-Book-Ausgabe September 2015

Copyright Text und Bilder © by Martina Junker 2015

Inhalt

Dieser Roman besteht aus 4 Teilen

 

1. Teil: Brüderlein und Schwesterlein (Kapitel 1.1. bis 1.9)

2. Teil: Schein und Sein (Kapitel 2.1 bis 2.5)

3. Teil: Väter (Kapitel 3.1 bis 3.6)

4. Teil: Neuanfänge und Schicksalsschläge (Kapitel 4.1 bis 4.6)

Kapitel 1.1

„Ich glaub es gibt Tauwetter!“ sinnierte Molly und sah kritisch aus dem Küchenfenster.

Ihr Blick umfasste eine Schneelandschaft, deren ununterbrochenes Weiß den Augen weh tat; darüber spannte sich ein graublauer Himmel wie ein alter Scheuerlappen. Molly riss ihren nachdenklichen Blick von der Natur und ließ ihn zurück schweifen auf – die Kartoffeln, die sie gerade schälte.

Da ich mich als Einzige an diesem trüben Morgen in der Küche befand, fühlte ich mich angesprochen und erwiderte: „Eigentlich schade um den schönen Schnee."

„Schnee ist ja ganz nett, aber nicht dauernd und noch dazu Ende Januar! Ich kann dieses schreckliche Weiß bald nicht mehr ertragen.“

Diese Feststellung stammte von Sims, der die Küche betrat.
„Immer musst du meckern!“ parierte Molly, während Sims sich seelenruhig an den Tisch setzte.

Molly und Sims waren meine Großeltern, aber da sie noch so verhältnismäßig jung wirkten, ließen sie sich gern mit Kosenamen anreden. Molly hieß eigentlich Margreth (den Namen hatte ich, Gott sei’s geklagt! Geerbt, aber man nannte mich nur Mag oder Maggi) und in dem Kosewort <Molly> lag schon die ganze Beschreibung der Person.

Sims hieß in Wahrheit Simon, und genauso weise wie der Name klingt, kam er sich auch häufig vor.

Als Nächster traf mein Vater Peter, genannt Pete, ein.

„Wo liegt die Zeitung?“ begrüßte er uns.

Ich reichte sie ihm, und er verzog sich wieder.

Molly rief noch hinter ihm her: „Gleich gibt’s Frühstück, mein Junge!“ da stapfte mein Bruder Holger in die Küche.

„Moarn!“ grüßte er mit einem herzhaften Gähnen.

Holger war mit seinen 15 Jahren genau das, was man sich unter einem liebenswerten Rüpel vorzustellen hatte; und wir verstanden uns recht gut.

„Is meine Stulle schon fertig? Ich muss los!“

Er stand neben Molly, mit den Händen in den Hosentaschen und entschieden im Weg. Molly drückte ihm sein Frühstückspaket unter den Arm und schob ihn sanft, aber bestimmt aus der Tür.

Ein Weilchen später erschien meine 17jährige Schwester Dagmar auf der Bildfläche, während Holger vom Flur her schrie:“ Wo ist denn mein grauer Anorak?“

Dagmar begrüßte die Großeltern je mit einem Kuss auf die Wange, und ich ging hinaus, um Holger beim Suchen zu helfen. Doch mein Rat war nicht mehr nötig, denn als ich auf dem Flur anlangte, klappte gerade die Haustür zu, und dann hörte ich das sich entfernende Scheppern eines altersschwachen Fahrrades. Im selben Augenblick ertönte ein ohrenbetäubendes Gebelle und Gejaule. Es handelte sich hierbei um unseren treuen Familienhund, einen Basset namens Herzog.

An diesem Morgen benahm sich der Hund aber ganz und gar nicht herzoglich. Normalerweise beruhigte er sich, wenn Holger um die nächste Ecke verschwand. Nicht so an eben diesem Morgen. Ich fühlte mich genötigt einmal nach zu sehen, was er denn so bebellenswert fand und verließ das Haus durch die Hintertür. Dabei rannte ich fast in meine Cousine Illona, die im selben Moment rein kam.

„Draußen hinter den Brombeersträuchern liegt’n Penner! Der is stinkbesoffen!“ verkündete das goldige 6jährige Mädchen mit Piepsstimme.

Illona, die schon längst auf dem Weg zur Schule sein sollte, war ansonsten ein Engelchen, doch sie nahm es mit der Wahrheit nicht so genau. (Das hatte sie eindeutig von ihrer Mutter, Petes Schwester, die der Schauspielerei frönte) Jedenfalls sah ich sie erstmal verdutzt an und lief dann selbst in den Garten. Obwohl ich ihr ohne weiteres eine Menge überhitzte Fantasie zutraute, musste ich ihr ausnahmsweise glauben, denn auch ich entdeckte hinter den besagten Sträuchern ein riesiges Kleiderbündel, das sich in regelmäßigen Abständen hob und senkte.

„He, Sie! Was wollen Sie denn hier? Stehn Sie gefälligst auf und verlassen Sie das Grundstück!“ Zögernd berührte ich ein Stück Stoff, unter dem ich die Schulter vermutete, und rüttelte daran. Ein Brummen wie von einem Grizzlybären ertönte als Antwort. Also entschloss ich mich Verstärkung anzufordern.

Pete begegnete mir zuerst, als ich ins Haus kam, aber er hatte andere Sorgen.

„Ich kann meinen Schlips nicht finden. Grad heute, wo ich doch bei der Galerie vorsprechen muss. Und ich besitz doch nur den Einen.“

Typisch Pete! Holger war genau wie sein Vater. Nach dem Motto: Wer Ordnung liebt, ist nur zu faul zum Suchen! – Ich schlenderte mit Gemütsruhe in Petes Atelier und entdeckte seine Krawatte sofort, halb auf der Staffelei halb über der zum Glück trockenen Palette hängend.

Ich trug das Utensil mit Siegermine zu Pete, der sich bedankte:“ Du bist ein Schatz, Maggi! Sieh doch mal nach Lydia!“ und das in einem Atemzug.

„Gut, ich seh nach Lydia, aber du musst nach den Brombeersträuchern sehn! Da liegt nämlich ein Landstreicher.“ erklärte ich Pete, der sich verblüfft auf den Weg in den Garten machte.

Inzwischen stieg ich die Treppe hinauf, als Illona auf dem Geländer an mir vorbei sauste.

„Du willst dir wohl die Knochen brechen?!“ rief ich ihr nach, dann klopfte ich an Lydias Schlafzimmertür.

Als ich eintrat, fand ich sie noch immer im Bett, und sie sah mir mit gekonnter Leidensmine entgegen, legte theatralisch die rechte Hand an ihre Schläfe und flüsterte: „Kannst du mir vielleicht das Frühstück ans Bett bringen, Liebes? Ich fühl mich momentan nicht sehr wohl.“

„So siehst du aus!“ erwiderte ich lachend und öffnete die Vorhänge. „Deine Schau kannst du heut Nachmittag im Theater ab ziehn! Nicht mit mir!“

Allerdings wusste ich ganz genau, dass sich Lydias große Auftritte auf Statistenrollen oder Dienstmädchen mit einem ganzen Satz zu sprechen beschränkten.

„Aber bin ich denn nicht blass?“ wollte sie wissen.

Ihre Leidensmine wirkte fast echt, aber wirklich nur fast, denn mir konnte sie so leicht nichts vormachen.

„Du siehst kein bisschen blass aus! Im Gegenteil. Komm lieber runter! Ein Landstreicher ist bei uns aufgetaucht.“

„Sieht er denn gut aus?“

Diese Frage war mal wieder typisch für Lydia, die am frühen Morgen noch gar nicht richtig schalten konnte.

„Hast du schon mal’n Penner getroffen, der wie’n Filmstar aussieht? Eine andre Kategorie kommt ja unter deinen Augen nicht gnädig davon.“

„Liebes, sei doch nicht so spitz! Landstreicher sagtest du?“

„Stimmt. Ein Kerl wie’n Bär und schon ein bisschen mehr als angeheitert, wie deine süße Tochter mir bereit mitteilte.“

„Wie? Was? Illona? Wie kommt die denn zu’nem Landstreicher?“
Lydia schien überhaupt nichts zu begreifen.

„Ich schlag vor, du gehst jetzt erstmal unter die Dusche, damit du klar wirst! Vorher ist doch nix mit dir anzufangen.“ ´Ansonsten aber auch nicht.’ Fügte ich in Gedanken hinzu und verließ sie.

Am Treppenabsatz begegnete mir Pete und berichtete: „Der Kerl hinter den Sträuchern ist ja betrunken!“

„So ähnlich drückte sich Illi auch aus, nur noch krasser.“ lachte ich.

„Ich schlag vor, den Hund zu beruhigen, sonst kriegen wir noch Ärger mit den Nachbarn, wegen dem Lärm.“

„Solange der Kerl im Garten rum liegt, gibt Herzog bestimmt keine Ruhe.“

„Dann hol ihn rein!“

Ich verstand Pete total miss, denn er meinte den Hund. Kühn betrat ich den Vorgarten, doch als ich mich über das nun laut schnarchende Bündel beugte, verließ mich aller Mut.

Schüchtern rief ich: „Sie da! Wollen Sie nicht zu uns reinkommen und mit uns frühstücken?“

„Wauwau!“ war die Antwort, aber nicht von dem Bündel, sondern von Herzog, der es von allen Seiten misstrauisch beschnupperte.

Illona, die den Hund von der Leine befreit hatte, trat von hinten dazu. „Isser wach?“ wollte sie vorsichtig wissen.
Ich schüttelte den Kopf.

„Ein Glück! Vielleicht isses ´n Mörder?“

„Sag doch nicht so was, er könnt dich hörn!“ meinte ich erschrocken.

Zum Glück erschien Sims, von Pete benachrichtigt, und nahm die Sache energisch in die Hand.

„Stehn Sie auf, Mann! Sie können hier nicht einfach so rum liegen. Das ist Privatbesitz.“

Kurz entschlossen zerrte er das Bündel hoch, welches sich als dreckiger junger Mann entpuppte. Verschlafen rieb er sich die Augen und sah sich erstaunt um.

„Wo bin ich denn gelandet?“ fragte er mit breitem amerikanischen Akzent und raufte sich die Haare.

Sein Atem roch entsetzlich nach billigem Fusel!

Plötzlich grinste er und sagte: „Also bin ich auf einem Privatgrundstück?“

„Ganz richtig!“ bestätigte Sims und griff ihn ermutigend unter seinen Arm. „Sie kommen jetzt erstmal rein und frühstücken! Außerdem nehmen Sie ein Bad. Das haben Sie verdammt nötig!“

Ehe der Mann recht wusste wie ihm geschah, stand er auch schon in der Küche. Molly schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie ihn sah.

„Jessus! Was ist denn das für’ne Kreatur? Sowas Dreckiges hab ich ja mein Lebtag noch nicht gesehn!“

Sie nahm weiß Gott nie ein Blatt vor den Mund! Doch plötzlich zeigte der junge Mann Manieren. Er zog seinen originellen Schlapphut und sagte: „Verzeihn Sie bitte die frühe Störung, Madam! Mein Name ist Steve!“ und er verbeugte sich ungeschickt.

„So, Steve, dann setzen Sie sich mal hin und stärken Sie sich! Mag kann Ihnen Gesellschaft leisten. Sie hat auch noch nicht gefrühstückt.“

Sims verzog sich, und Molly tischte uns allerlei auf. Mir war wahrhaftig der Appetit vergangen, doch der Mann namens Steve haute tüchtig rein. Schließlich ertappte ich mich bei der Überlegung, dass er, wenn er ein bisschen mehr um sein Äußeres gäbe, gar nicht mal so schlecht aussehen würde.

„Musst du heut nicht ins Büro, Maggi?“ unterbrach Molly meine Gedanken.

„Nein, ich hab frei. Überstunden abfeiern, weißt du.“

„Dann zeig dem jungen Mann das Bad, damit endlich ein Mensch aus ihm wird!“

„Na gut. Folgen Sie mir!“ forderte ich ihn auf, und wir verließen gemeinsam die Küche.

Pete rannte uns fast über den Haufen. Zerstreut wandte er sich an den jungen Mann: „Fühlen Sie sich ruhig wie zuhause und machen Sie sich ein wenig menschenwürdig zurecht!“ und zu mir:“ Maggi, du weißt doch immer, wo alles ist. Wo ist denn um Himmels Willen meine Jacke?“

„Wenn mich nicht alles täuscht, da wo sie hin gehört. An der Garderobe!“ schmunzelte ich.

„Na prima! Dann kann ich ja gehn. Sag Molly, ich weiß nicht, wann ich zurückkomme! Ihr braucht nicht mit dem Essen warten.“ Er wandte sich wieder Steve zu: „Sie bleiben am besten erstmal hier! Abends sehn wir weiter.“ Und flugs war er verschwunden.

Als wir die Diele durchquerten, schwebte Lydia die Treppe herunter, bekleidet mit einem aufreizenden Negligé. Steve fielen fast die Augen aus dem Kopf, und ich konnte es ihm nicht verdenken. Lydia begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln. „Sind Sie der betrunkene Landstreicher von den Brombeersträuchern?“

„Nein, der Kaiser von China!“ erwiderte er brummig.

„Auch gut. Haben Sie schon gefrühstückt?“

„O ja, Ihre Tochter zeigt mir nun das Bad.“

„Meine Tochter? Gott bewahre! Nein, nein, Mag ist meine Nichte!“ sprach’s und schwebte davon.

„Sie haben ´ne amüsante Tante!“ lachte Steve.

„Das mein ich auch. Sie spielt für ihr Leben gern Theater. Ist ja auch Schauspielerin.“

„Wie interessant. ´ne Berühmte?“

„Das weniger. – So, hier ist das Bad. Ich kann Ihnen ein paar Kleidungsstücke von Pete raus suchen.“

„Das wär nett! Sind Sie eigentlich zu allen Gammlern so freundlich?“

Er wartete eine Antwort von mir nicht ab, sondern verschwand hinter der weißlackierten Tür.

Sims lief mir über den Weg und fragte: „Wo isser?“

„Im Bad.“

„Na fein. Hat er gut gegessen?“

„Wie’n Scheunendrescher!“

„Sind die Kinder endlich weg?“ fragte Molly von hinten.

„Woher soll ich das wissen? Ich such jetzt ein paar Sachen von Pete raus. Hoffen wir, dass sie ihm passen.“

Als ich die Treppe hinauf stieg, rief Sims mir noch nach: „Und seine eignen Klamotten steckst du am besten in die Mülltonne!“

 

 

Pete kam nicht zum Mittagessen, dafür blieb Steve. Er sah tatsächlich recht gut aus, frisch gewaschen und rasiert, wenn ihm auch Petes alter Anzug etwas zu klein war.

Am Nachmittag duzten wir uns bereits und spielten mit Illona <Mensch ärgere dich nicht!>.

Nach dem Abendbrot, als die ganze Familie versammelt war, ergriff er plötzlich das Wort:“ Ich glaub es ist an der Zeit, ein wenig mehr über mich zu erzählen.“

Er schaute alle der Reihe nach an, und dann verweilte sein Blick bei mir, als er fort fuhr:“ Ich bin weder ein Landstreicher, noch ein Gammler. Ich komm aus Hamburg, direkt von einem Schiff aus Amerika.“

„Wer’s glaubt, wird selig!“ murmelte ich.

„Ich such hier in Deutschland meinen Vater.“

„Klingt wie’n billiger Kitschroman.“ bemerkte Holger.

„Und dass ich grad bei euch gelandet bin, ist kein Zufall.“

„Nun red nicht um den heißen Brei herum! Erzähl uns alles!“ forderte Molly ihn gespannt auf.

„Aber vielleicht sollte ich erst mit dem Hausvorstand unter 4 Augen sprechen?“

Mit einem durchdringenden Blick fixierte er Pete, der kreidebleich wurde. Mein sonst so ruhiger Paps sprang von seinem Stuhl auf, eilte auf Steve zu, riss ihn regelrecht vom Sofa hoch und stieß atemlos hervor: „Komm mit ins Atelier!“

Na, und dann saßen wir da wie bestellt und nicht abgeholt, wobei Lydia bemerkte: „Wie auf der Bühne, kurz vor dem großen Auftritt.“

Es verging vielleicht eine Viertelstunde, da erschienen Pete und Steve wieder im Familienkreis, und ihren Gesichtern sah man große Gemütserregung an.

Pete holte tief Luft und erklärte: „Nach den ersten Fakten sieht’s so aus, als ob Steve mein Sohn ist.“

Holger und Dagmar starrten ihn an wie die Mondkälber, und mir wurde es schlichtweg Zuviel. Ich fiel in Ohnmacht!

 

Als ich wieder zu mir kam, beugte Steve sich über mich und sagte: „Du machst aber Sachen, Schwesterchen!“

Nach dieser Redensart wäre ich am liebsten erneut in Ohnmacht gefallen, aber das ließ sich leider nicht bewerkstelligen. Ich konnte es immer noch nicht fassen: Dieser Mensch, den wir betrunken hinter den Brombeersträuchern fanden, sollte mein Bruder sein? Oh nein, das war einfach unglaublich!