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Edition BuchhandelBand 21

Herausgegeben von Holger Ehling

Holger Ehling (Hg.)

Social Media für die Verlagspraxis

Grundlagen • Marketing und Vertrieb • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit • Lektorat, Redaktion und Produktmanagement

Mit Beiträgen von Holger Ehling, Wibke Ladwig,
Steffen Meier, Peter Schmid-Meil und Ruth Schöllhammer

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Alle Titel der Reihe werden in der Deutschen Nationalbibliografie angezeigt. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet nach Erscheinen detaillierte bibliografische Informationen unter http://dnb.d-nb.de.

©

2013 Bramann Verlag, Frankfurt am Main

 

Alle Rechte vorbehalten

Herstellung

Margarete Bramann, Frankfurt nach einer Reihenkonzeption von

 

Stefanie Langner und Hans-Heinrich Ruta

Schrift

gesetzt aus der 9,25/12 pt Concorde BE und der Polo 11R Buch

Papier

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Druck und Bindung

KLARdruck GmbH, Marktheidenfeld/Altfeld, www.klardruck.com

 

Printed in Germany 2013

ISBN

978-3-934054-60-8 (Print)

ISBN

978-3-934054-66-0 (PDF)

ISBN

978-3-934054-67-7 (EPUB)

Inhalt

 

Vorwort (Holger Ehling)

1

Social Media in Verlagen – Grundlagen (Steffen Meier)

2

Marketing und Vertrieb (Wibke Ladwig)

3

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Ruth Schöllhammer)

4

Lektorat, Redaktion und Produktmanagement (Peter Schmid-Meil)

 

Glossar

Vorwort

Vor einiger Zeit veröffentlichte der Blogger Gregor Koal unter dem Titel Wenn Unternehmen twittern eine Satire, mit der er den Abstimmungsprozess in einem Unternehmen, das bei Twitter einsteigen will, aufs Korn nahm. Ich möchte Ihnen wenigstens in Auszügen diese Köstlichkeit präsentieren:

Betreff: Tweet #1

Freitag, 10:01 Uhr

Lieber F., bezugnehmend auf unsere Besprechung von Montag letzter Woche, schicke ich dir nun den Tweet mit der Bitte um Veröffentlichung. Wir haben uns an die Zeichenzahl 140 gehalten.

Bei Rückfragen stehen wir dir gern zur Verfügung.

Viele Grüße H.

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FW Re Re: Tweet#1

Freitag, 10:30 Uhr

Hallo K., die Abteilung X will jetzt twittern. Schau mal drüber, das geht dann zur Freigabe an M.

Heute Mittagessen?

LG F.

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Re: FW Re Re: Tweet#1

Freitag, 11:30 Uhr

Hi F., tweet m. E. ok.

Essen gern. Um eins unten!

Gruß K.

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FW: Re: FW: Re: Re: Tweet#1

Freitag, 12:30 Uhr

Hallo H., aus Sicht des Pressesprechers gibt es gegen den Tweet keine Einwände. Ich schicke es jetzt an M. zur Freigabe. Der Tweet sollte dann spätestens heute Abend online sein.

Gruß F.

Twitter Abteilung X Freigabe, Tweet #1

Freitag, 12:45 Uhr

Sehr geehrter Herr M.,

im Zuge der neuen Social Media Strategie unseres Unternehmens und als direkte Konsequenz unseres Workshops vom letzten Mai, hat sich die Abteilung X einen twitter-Account zugelegt und wird ab sofort twittern. Ich habe Ihnen den ersten tweet (siehe Worddokument) zur Freigabe geschickt. Herr K. hat aus Sicht der Pressestelle keine Bedenken.

Mit freundlichen Grüßen F.

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Re: Twitter Abteilung X Freigabe, Tweet #1

Freitag, 18:45 Uhr

wer oder was ist twitter?

M.

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Re: Re: Twitter Abteilung X Freigabe, Tweet #1

Freitag, 18:47 Uhr

Sehr geehrter Herr M.,

twitter ist ein Microbloggingdienst, der dem schnellen Austausch von Informationen dient. Wir hatten in unserem Workshop im Mai beschlossen, diesen Dienst als weiteren Kommunikationskanal zu nutzen. Abteilung X macht den Anfang.

Ich wünsche Ihnen ein sonniges Wochenende!

Mit freundlichen Grüßen F.

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Re: Re: Re: Twitter Abteilung X Freigabe, Tweet #1

Montag 07:15 Uhr

Freigegeben. Twitter müssen Sie mir aber noch mal erklären.

M.

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Re:Re: Re: Re: Re: Re: FW: Re: FW: Re: Re: Tweet#1

Montag, 10:05 Uhr

Hallo H., der Tweet ist freigegeben. Ihr hattet noch Rechtschreibfehler (Groß- & und Kleinschreibung). Habe ich korrigiert. Anbei der korrigierte Tweet.

Viele Grüße F.

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Re: Re:Re: Re: Re: Re: Re: FW: Re: FW: Re: Re: Tweet#1

Montag, 12:30 Uhr

Hallo F., sorry war im Meeting. Danke für die Freigabe. Der Fehler ist kein Fehler. Wir wollten bewusst alles klein schreiben. Unsere Praktikantin findet, das sei normal im Internet.

LG H.

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Re: Re: Re:Re: Re: Re: Re: Re: FW: Re: FW: Re: Re: Tweet#1

Montag 13:00 Uhr

CC: K., M.

Hallo H., es interessiert hier nicht, was im Internet ›normal‹ oder ›nicht normal‹ ist.

Wenn eure Abteilung über twitter Nachrichten verbreitet, dann macht sie das im Namen unseres Unternehmens. Das beinhaltet aber auch die korrekte Schreibweise.

Bitte haltet euch an die von Herrn M. und K. freigegebene Version (siehe Mail von Montag, 10:05 Uhr).

Im Übrigen wäre es zu begrüßen, wenn ihr einen Kommunikationsplan für die tweets der kommenden 14 Tage erstellen könntet. Dann haben wir mehr Planungssicherheit.

Viele Grüße F.

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Re:Re: Re: Re:Re: Re: Re: Re: Re: FW: Re: FW: Re: Re: Tweet#1

Montag 13:40 Uhr

CC: K, M., P., D., L.

Hallo F., N. wird, gemeinsam mit unseren neuen Praktikanten, ein paar Folien (Powerpoint) zusammenstellen und unsere Kommunikationsstrategie für twitter darlegen. Dazu werden wir Ende kommender Woche eine Besprechung einberufen. Ich denke es macht Sinn, dass dann aus allen Abteilungen ein Entscheidungsträger anwesend ist.

Wir werden bis heute Abend eine Excel-Liste im Intranet veröffentlichen, die alle tweets der kommenden 14 Tage beinhaltet. Ich denke, das beschleunigt den Freigabeprozess.

Viele Grüße H.

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tweet#1

Montag 14:56 Uhr

CC: _alle

Liebe Kollegen,

unser erster tweet ist soeben veröffentlich worden. Leider hat die Freigabe etwas länger gedauert. Ich habe euch ein Bildschirmfoto angehängt.

Danke an alle Beteiligten!

Viele Grüße,

F.

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Die Internet-Gemeinde war begeistert und patschte sich laut lachend auf die Schenkel: Ja ja, so sind sie halt, die verstaubten Führungskräfte in den Unternehmen! Mehr als 2000 Mal wurde der Beitrag mit einem ›like‹ bei Facebook versehen, rund 700 Mal per Twitter in die Welt geschickt. Meine Meinung dazu: So bescheuert diese Abstimmungsprozesse auch erscheinen mögen – das Unternehmen hat eigentlich alles richtig gemacht. Die Darstellung eines Unternehmens nach außen ist Führungsaufgabe. Und bevor ein neuer Kanal für diese Darstellung benutzt wird, ist es angeraten, sich sehr genau zu überlegen, was das alles eigentlich soll.

Facebook, Twitter und Konsorten sind in den vergangenen beiden Jahren massiv in den Alltag eingebrochen. Auch wenn man einschränken mag, dass dies doch nur die Internet-Nutzer betrifft, geht das Phänomen doch nicht weg: In Deutschland sind laut der ARD-ZDF-Onlinestudie 2012 fast 76 Prozent der Bevölkerung online. An der Frage, wie viele davon in den Netzwerken aktiv sind, scheiden sich die Geister: Laut der Erhebung des Social-Media-Atlas 2012 sind 70 Prozent dieser Online-Nutzer auch in den sozialen Netzwerken aktiv; der German Social Media Consumer Report 2021/2013 beziffert den Anteil sogar auf fast 93 Prozent. Welche Zahl nun stimmt, können wir hier nicht diskutieren, aber eines ist deutlich: In der Sache ist weiterhin Dampf. Facebook allein verzeichnet heute rund 1,2 Milliarden Nutzer weltweit, und es gibt nur wenige Winkel der Erde, in die der Dienst noch nicht vorgedrungen ist.

Für Verlage bedeutet diese Entwicklung sowohl Herausforderung als auch Chance. Die Herausforderung besteht darin, sich selbst und seine Produkte in den Netzwerken zu präsentieren und direkt mit den Kunden zu kommunizieren. Die Chance besteht darin, dass die sozialen Netze die Möglichkeit bieten, neue Kunden zu interessieren, das Unternehmen und seine Produkte in frischer, origineller Form darzustellen und sogar Ideen für neue Produkte und Projekte zu generieren.

Der Einstieg in Social Media verlangt vor allem Zeit – und Zeit kostet Geld. Die Tatsache, dass die meisten Netzwerke kostenlos sind, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Beschäftigung mit ihnen eine gewisse Investitionsbereitschaft voraussetzt. Besonders bei den Verlagen, die zum großen Teil als kleine oder allenfalls mittelgroße Betriebe agieren und zumeist nur über begrenzte Investitionsmittel verfügen, besteht eine große Verunsicherung darüber, wie mit diesem neuen Kanälen umzugehen ist. Genau hier setzen wir mit diesem Buch an: Es soll Ihnen Unterstützung und Orientierung geben bei Ihrer Arbeit in den sozialen Netzen – pragmatisch, abseits vom Hype um die Netze und jenseits von philosophischer Reflexion darüber, ob diese Netze von Nutzen oder Übel sind für das weitere Bestehen der abendländischen Zivilisation. Wir sagen: Die Netze sind da, sie werden nicht verschwinden. Wer sie nutzen möchte, soll das tun. Dann aber richtig. Dazu bieten wir Ihnen immer wieder Checklisten, die Ihnen bei der Tagesarbeit behilflich sein können.

Davon ausgehend, blicken wir auf die Kernressorts im Verlag, für die der Umgang mit Social Media einiges an Veränderungen in den Arbeitsprozessen bedeutet: Vertrieb, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Lektorat und Produktmanagement. Sie alle sollten für ihre tägliche Arbeit die Chancen von Social Media für ihre Zwecke nutzen. Der Arbeitsbereich Herstellung ist hier ausgespart, denn wir sprechen nicht über die Produktion von elektronischen Büchern. Und auch bei Controlling und Buchführung sehen wir keine unmittelbare Notwendigkeit, die Öffentlichkeit zum Austausch über Arbeitsprozesse zu suchen.

Jeder einzelne Beitrag dieses Buchs kann für sich selbst stehen und Ihnen einen Nutzen für Ihre tägliche Arbeit bietet. Deshalb kann es durchaus vorkommen, dass Sie den einen oder anderen Gesichtspunkt mehrfach vorfinden. Diese Redundanzen nehmen wir bewusst in Kauf.

Den Anfang macht ein Beitrag von Steffen Meier, der sich mit den Grundlagen von Social Media für Verlage beschäftigt. Sein Petitum ist eindeutig: Social Media sind heute viel mehr als ›Gossip‹. Bevor ein Verlag sich in den Netzen engagiert, sollte das Unternehmen sich selbst einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen. Was will man den Kunden erzählen? Welches Image will der Verlag für sich und seine Produkte aufbauen? Vor allem: Wer soll das machen? Kein Unternehmen käme auf die Idee, seine Pressemitteilungen vom Volontär oder Praktikanten verfassen und ungeprüft versenden zu lassen – bei Social Media ist die Neigung dazu immer noch weit verbreitet. Besonders wichtig: Kontrolle ist entscheidend für den Erfolg in den Netzen, denn die Nutzer tendieren dazu, an allen möglichen und unmöglichen Orten über das Unternehmen und seine Produkte zu reden. Sehr deutlich weist er auch darauf hin, was Social Media nicht sind, jedenfalls nicht in erster Linie: Verkaufsinstrumente. Erfolg in den Netzen lässt sich nicht mit zusätzlichem Abverkauf messen, es geht hier vor allem um ›Soft Factors‹, die erst mittelbar einen Niederschlag im wirtschaftlichen Erfolg finden.

In diese Kerbe schlägt auch Wibke Ladwig in ihrem Beitrag zum Thema Marketing und Vertrieb. Angebote und Produkte müssen sichtbar gemacht werden, die Social Media bieten dazu ein sehr gut geeignetes Instrument, das es für die B2B-Kommunikation zu nutzen gilt. Voraussetzung dafür ist die gründliche Analyse der eigenen Position, aber auch das Nachschauen bei den Bemühungen von Mitbewerbern. Häufig lassen sich aus den Erfolgen und vor allem aus den Fehlern anderer gute Anregungen für die eigene Arbeit beziehen, wobei allerdings gilt, dass ein schlichtes Nachmachen wenig erfolgversprechend ist. Für den Einstieg bietet sie dem Leser eine Checklist an, die als erste Richtschnur dabei hilft, die gröbsten Fehler zu vermeiden. Besonders für Marketing und Vertrieb ist die Erfolgskontrolle von großer Bedeutung. Deshalb werden die wichtigsten Analysetools vorgestellt. Denn nur die genaue Analyse der Diskussionen um einzelne Titel eröffnet gute Möglichkeiten, bestimmte Zielgruppen anzusprechen, Aktionen zu starten oder Zusatzprodukte rund um das Buch anzubieten.

Social Media bedeutet Kommunikation. Deshalb ist besonders die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dazu aufgefordert, sich intensiv mit diesen Kanälen zu beschäftigen. Dabei gilt aber, wie Ruth Schöllhammer in ihrem Beitrag zeigt, dass die Arbeitsweisen in den ›neuen‹ Kanälen nicht allzu unterschiedlich sind von dem, was die traditionellen Methoden angeht: Information statt Hype, Bereitschaft zum Zuhören, Klarheit der Argumentation – alle Anforderungen an die klassische Pressearbeit gelten auch hier. Der bedeutendste Unterschied besteht sicherlich darin, dass die Ziele der Kommunikation nicht mehr in erster Linie die Vertreter der klassischen Medien sind. Die Endkunden werden in den Netzen zu Multiplikatoren, sei es durch Blogs, Kommentare oder die Mitarbeit bei Buch-Communities, in denen Leseratten einander Tipps geben. Die Wirkung dieser Empfehlungstools muss sich hinter der, die durch Rezensionen im Feuilleton erzielt werden kann, nicht verstecken. Im Gegenteil: Weil hier interessierte Leser mit ihren ›Freunden‹ kommunizieren, ist die Wirksamkeit dieser Empfehlungen eher höher zu veranschlagen als bei der klassischen Rezension. Verlage haben dabei gegenüber anderen Unternehmen einen großen Vorteil: Sie handeln mit Inhalten, die zielgruppenspezifisch hoch interessant sind. Nichts gegen Hersteller von Klebstoffen oder Brillenetuis – aber es ist erheblich leichter, für einen Krimi eine Fangemeinde zu gewinnen. Die Möglichkeiten, diese Multiplikatoren anzusprechen, sind vielfältig und natürlich gibt die Autorin Ihnen zahlreiche Hinweise für Ihre alltägliche Arbeit sowie eine Checkliste für Ihre Kampagnenplanung.

Was hat das Lektorat mit Social Media zu tun? Viel, wenn denn die Aufgaben nicht auf das Korrekturlesen von Manuskripten beschränkt sind. Peter Schmid-Meil stellt in seinem Beitrag die vielfältigen Möglichkeiten dar, die Social Media Lektoren und Produktmanagern bieten. Dabei ist es für die Mitarbeiter sicher zunächst ungewohnt, im Rahmen einer wie auch immer definierten Öffentlichkeit über die eigene Arbeit zu kommunizieren – und dies nicht einmalig und abschließend, sondern als Daueraufgabe. Besonders bei der Planung dieser neuen Arbeitsweise ist der Faktor Zeit für Budget und Work Flow von besonderer Wichtigkeit. Allerdings gilt, dass, obwohl die Arbeitsweise eine andere ist, die Kernkompetenz des Lektorats unberührt bleibt: die Beschaffung von zielgruppengerechtem Content, gleichgültig ob es um Texte, Videos oder passende Links geht. Durch diese inhaltliche Kompetenz wird die zentrale Stellung des Lektorats im gemeinschaftlichen Arbeitsprozess noch gestärkt. Denn hier wurde der Autor akquiriert, der Content besorgt und aufbereitet, hier liegen die fachlichen Kenntnisse bezüglich der relevanten Zielgruppen. Von erheblicher Bedeutung ist auch der Kompetenz- und Relevanzabgleich, den die Netzgemeinden liefern. Kommentare vorab können wichtige Hinweise liefern auf den voraussichtlichen Erfolg eines Titels und die Akzeptanz des Autors. Und es ist heute nicht ungewöhnlich, dass Verlage und neue Autoren über solche Kommunikationen zu neuen Projekten zusammen finden.