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Ingo Österreicher
Thomas Roth

Trockensteinmauern
für naturnahe Gärten

IMPRESSUM

avBUCH im Cadmos Verlag

Copyright © 2010 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

2. Auflage 2014

PROJEKTLEITUNG: Brigitte Millan-Ruiz, avBUCH

REDAKTION: Iska Millan-Ruiz, Korneuburg

ILLUSTRATIONEN: Ingo Österreicher, Wien

UMSCHLAG: Ravenstein + Partner, Verden

SATZ UND BILDREPRODUKTION: Hantsch & Jesch

PrePress Services OG, Wien

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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eISBN: 978-3-8404-6564-2

Bildquellen

www.fotolia.de:

S. 4–5, S. 6 o., S. 68 u.r., S. 71 o.

D. Rabenstein: S. 68 o., S. 70 o., S. 71 u.l.

Alle anderen: Autoren

Verwendete Literaturquellen

Tufnell, Richard; et al.:

Trockenmauern

Anleitung für den Bau und die Reparatur

Verlag Paul Haupt, Bern 1996

Dry Stone Walling Association of Great Britain:

Dry Stone Walls

Printed by G W Belton Limited, Gainsborough, England 2002

Wein & Obstbauschule Krems:

Handbuch Trockensteinmauern

Zweite Auflage 2009

Die Autoren richten ihren speziellen Dank an DI Paul Freund.

Inhalt

Baukultur und Handwerksgeschichte(n)

Natursteinmauern als Kulturträger

Von der Gebrauchsmauer zur Kunstmauer

Der Hang zum Schönen

Zweimal überlegen – einmal bauen

Lassen Sie Ihren Garten nicht hängen!

Na eben!

Der richtige Stein

Steine gesucht

Kleine Gesteinskunde

Alternative Materialien für die Hangverbauung

Bauverlauf

Goldene Bauregeln

Vorbereitung und Organisation

Fundament und Grundreihe

Stein um Stein

Der krönende Abschluss

Pflege und Sanierung

Von der Pflicht zur Kür

Kreativ gelöst

Die frei stehende Mauer

Treppen und Rampen

Lebensraum Trockensteinmauer

Die Mauer lebt

Hausen im Stein

Blühende Steinmauern

Infos & Adressen

Vorwort

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Seit Menschengedenken wird Naturgestein zur Errichtung von Bauwerken ohne zementhaltige Bindemittel, also „trocken“, aufeinandergeschichtet. Solche Trockensteinmauern sind typische Merkmale vieler Kulturlandschaften und historischer Bauwerke.

In naturnahen Gärten erfahren sie heute eine wahre Renaissance: dank ihrer Eignung zum Selbstbau und ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, dank ihrem lebendigen Bild und ihrer belebten Zwischenräume. Immer häufiger werden sie in Hanggrundstücken zur Terrassierung und in ebenen Gärten zur Geländemodellierung herangezogen. So gewinnt man bespiel- und bearbeitbare Flächen, Gartenräume mit hoher Aufenthaltsqualität und wunderbare bauliche Elemente. Gleichzeitig entstehen neue Lebensräume für trockenheitsliebende Pflanzen und selten gewordene Tiere. Zudem lassen sich kleinräumige Probleme flexibel lösen und eintönige Ausblicke ästhetisch aufwerten.

Was es dazu braucht: handwerkliches Geschick, räumliches Vorstellungsvermögen und einen starken Rücken; ansonsten nur Steine, Schotter und geeignetes Werkzeug. Dieses Buch will Ihnen das Handwerk des Trockensteinmauerbaus näherbringen und ans Herz legen. Es hilft Ihnen bei den planerischen Überlegungen und der Baustellenorganisation sowie bei der Auswahl der Baumaterialien und der geeigneten Bepflanzung.

Die selbst gebaute Trockensteinmauer wird der Stolz Ihres Gartens sein!

DI Ingo Österreicher

DI Thomas Roth

Januar 2010

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Baukultur und Handwerksgeschichte(n)

Bis zum Ende der Fünfzigerjahre gehörte die Pflege von Terrassenmauern zur regelmäßigen bäuerlichen Arbeit, dann brachten Mechanisierung und Zentralisierung der Landwirtschaft das Handwerk fast zum Verschwinden. Heute ist die Erhaltung dieser „stummen Zeugen vergangener Handwerkskunst“ eine Aufgabe des Natur- und Landschaftsschutzes geworden – der ökonomische Wert wurde weitgehend von ökologischer und ästhetischer Wertschätzung abgelöst.

Natursteinmauern als Kulturträger

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Wie im heutigen Privatgarten geht auch zivilisationsgeschichtlich die Schaffung von Lebens- und Wirtschaftsraum häufig mit der Verbauung von Steinen einher: Natursteinmauern sind die langlebigsten Zeugen von Bau- und damit Kulturgeschichte. Als Behausung, Hof- oder Garteneinfriedung und Wehranlage schützten sie kultivierte Lebensbereiche vor der Bedrohung durch Natur und Räuberei. Als frei stehende Feldmauern aus Lesesteinen sind sie das Ergebnis der Urbarmachung des Landes und bewahren gleichzeitig die kultivierte Fläche vor Wind und Verwüstung. Als Terrassenmauern wiederum stützen sie die dem steilen, unbewirtschaftbaren Gelände abgerungenen Kulturflächen und fördern den Ertrag durch kleinklimatische Wirkung.

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Mörtellos gebaute, apulische Rundhäuser (Trulli) aus dem 15. Jahrhundert

Von Rundtürmen und Pyramiden

Natursteinbearbeitung ist bereits vor 50 Jahrtausenden in Form von Höhlenbauten und Werkzeug nachgewiesen; die ältesten geschichteten Steinmauerbauwerke sind etwa 10 000 Jahre alt (Jericho); im Mittelmeerraum und in Schottland gibt es bis zu 5 000 Jahre alte Siedlungsreste. Ein paar Tausend Jahre v. Chr. gab es eine frühe Blütezeit monumentaler, handwerklich aufwendiger Steinsetzungen: Rundtürme auf den Britischen und den Mittelmeerinseln, Pyramiden in Ägypten und Südamerika; und auch die jahrhundertealten asiatischen Tempelstädte wurden mit einer Logistik und Präzision gebaut, die uns ohne modernen Maschinenaufwand unmachbar scheinen.

Schlanker Mauerfuß gegen „Betonschuhe“ – der ökologische Fußabdruck

Beton als „reiner Naturstoff“ besteht aus Schotter, Zement und Wasser. Zement wiederum setzt sich aus gemahlenem Kalkstein, Ton, Sand, Eisenerz und Gips zusammen. All dies wird, wie auch der Mauerstein, im Steinbruch gewonnen – mit vergleichbaren Belastungen des Umfelds. Hinzu kommt beim Beton allerdings der beträchtliche Energieaufwand für das Brennen des Mehls zu Klinkerkörnern bei 1 450 °C. Damit geht eine Produktion des Treibhausgases CO2 einher, die mit durchschnittlich einer ¾ Tonne pro Tonne Zement angegeben wird und damit weltweit 5 % der gesamten CO2- Produktion verursacht. Die Erzeugung eines Kubikmeters Stahlbeton benötigt etwa 5 000 MJ (oder 120 Liter Erdöl) und damit zehnmal so viel Energie wie die Gewinnung eines Kubikmeters Bruchstein.

Die gebundene Bauweise

Gleichzeitig nimmt die – ebenfalls an die 10 000 Jahre alte – Geschichte der mit Mörtel gebundenen Bauweise ihren Anfang. Sie beginnt mit dem weithin und über lange Zeit verwendeten lufthärtenden Kalkmörtel, reicht über die frühe Betonproduktion der Römer um 120 n. Chr. („opus caementitium“) bis zur Entwicklung des modernen hydraulischen Portlandzements durch britische Ingenieure um 1850. Dieser ist die Grundlage der heutigen industriellen Bauweisen.

Dazwischen liegen Jahrhunderte der meist familiär tradierten und kaum schriftlich dokumentierten Ansammlung und Verschüttung handwerklichen Wissens über Herstellung, Haltbarkeit und Handhabung der sogenannten „historischen Bindemittel“.

Im Garten ist die Mörtelbindung allerdings nur bei der Errichtung schmaler freistehender Mauern und beim Verbauen kleiner Steine notwendig. Da außerdem der Einsatz von Beton im Naturgarten aus ökologischer Sicht eher gering gehalten werden sollte, lassen wir diese beinahe alchemistische Handwerksgeschichte links liegen und wenden uns den traditionellen Trockenbauweisen zu.

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Altertümliche Ausgrabungsstätte auf Zypern

Von der Gebrauchsmauer zur Kunstmauer

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Die frei stehende Einfriedungsmauer

Viele europäische Landstriche, vor allem auf den Britischen Inseln und im Mittelmeerraum, sind bis heute von alten frei stehenden Trockensteinmauern geprägt. Grund für diese Bauleistung ist die Kargheit des dortigen Bodens: Eine dünne humushaltige Verwitterungsschicht erlaubte von jeher nur Viehzucht, vor allem Schafhaltung, und musste selbst dazu von den überall hervortretenden Gesteinsbrocken befreit werden. Da bot es sich an, das ausgelesene Material zur Errichtung von Viehhürden und Grundstückseinfriedungen zu verwenden, auch wenn es in der Regel für den Mauerbau nicht günstig geformt war.

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Lesesteinmauern aus dem anstehenden Kalkgestein auf der Insel Krk, Kroatien

Doch gab es kaum Alternativen, da an diesen Standorten das Klima und der Boden (oft auch durch frühere Übernutzung) die Verbreitung des Waldes verhinderten und das Wachstum von Gehölzen einschränkten. Daher war Bauholz knapp und die Anlage von Hecken schwierig, was auch heute noch der Fall ist.

In diesen ärmlichen, aber „steinreichen“ Gegenden haben sich, ausgelöst durch die zutage tretende Gesteinsart, die unterschiedlichsten Baustile herausgebildet, denen aber, wegen der gleichen statischen Notwendigkeiten, die gleichen Handwerksregeln zugrunde liegen. So konnte im Sommer 2000 die „Dry Stone Walling Association of Great Britain“ ein Freilichtmuseum mit 19 ortstypischen Trockensteinmauern eröffnen, alle basierend auf der mehr als 3 500 Jahre alten Tradition der Region.

Die Mauern bilden aber auch gesellschaftspolitische Entwicklungen ab, beispielsweise die Durchsetzung des Privateigentums auf Kosten der gemeinschaftlich genutzten Flächen. So entsteht im England des 18. Jahrhunderts über die Landaneignungen der Oberschicht der Beruf des Mauerbauers. Dessen Auftraggeber ist ökonomisch nicht mehr an das lokale Gestein gebunden, sodass das am besten geeignete Material aus Steinbrüchen bezogen werden kann. Da die Einfriedung nun auch der Repräsentation dient, orientiert sich die Bauform zunehmend an ästhetischen Aspekten. Dieses optimierte Bild (und nicht jenes der bäuerlichen Gebrauchsmauer) ist der Standard für jene Mauern, die heute durch Umweltbewusstsein und die Verbreitung herrschaftlicher Parkelemente im Privatgarten eine Renaissance erfahren.

Die hangterrassierende Stützmauer

Für die Besiedlung bergiger Landschaften ist die Geländeterrassierung mittels Natursteinmauern (über-)lebensnotwendig. Sie dient der Erosionsvermeidung und der Erschließung und Urbarmachung von Hängen durch bewohnbare, bewirtschaftbare und bewässerbare Ebenen. Deshalb lassen sich auf der ganzen Welt Jahrtausende alte Beispiele finden – mit Bauweisen, die für das jeweils verfügbare Gestein und die ökonomische Situation typisch sind. Anlass für die aufwendigen Bauten sind entweder ertragreiche Sonderkulturen wie Wein oder sie stammen aus Zeiten agrarischer Intensivkultur und Siedlungsexpansion. Heute findet man sie häufig in sich entvölkernden, wirtschaftlich schwachen Regionen, wo sie der Brache und dem Verfall preisgegeben sind, wenn sie nicht anerkanntes Kulturgut oder Ziel punktuellen touristischen Interesses sind.

Wie bei den frei stehenden Mauern lässt sich aus der Bauweise auf den Entstehungszusammenhang schließen. „Wildes Gefüge“, häufig unterbrochene Lagerfugen, kaum vorbearbeitetes Gestein und beinahe lotrechte Ausrichtung sind charakteristisch für historische Gebrauchsmauern, die mit mehr oder weniger handwerklichem Geschick in Eigenarbeit erbaut wurden. Das Baumaterial stammt aus dem Gelände vor Ort.

Durchlaufende Lagerfugen und enge, senkrechte Stoßfugen wiederum sind typisch für „Kunstmauern“ aus entweder gut brechendem oder gut vorsortiertem beziehungsweise vorbearbeitetem Gestein aus Steinbrüchen. Hier wurde also durch höheren Kostenaufwand für Transport und Material das Erscheinungsbild optimiert und das Handwerk erleichtert (häufig aber durch Betonfugen wieder infrage gestellt). In der Wachau beispielsweise finden sich solche Mauern nur in der Nähe von Siedlungen und an den Verkehrswegen. Wie bei den frei stehenden Steinmauern repräsentiert dieser Typus das, was wir heute unter „Gartenmauern“ verstehen. Und obwohl man hier häufig Baufehler entdecken kann, die auf den Verlust handwerklichen Grundwissens hindeuten, leiten sich die Bauvorschriften der Mauerwerksnormen von diesem Vorbild ab.

Die Klage an der Trockenweinmauer

Verdienst und Zustand der geschätzten 2,5 Mio. m2

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