Richard Zinken (Hg.)

Warum Kühe im Dialekt muhen

Skurrile Erkenntnisse aus der Wissenschaft

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

DER MENSCH UND SEINE PSYCHE

Fluchen lindert Schmerzen

Rechtes Ohr stößt auf mehr Gehör

Hokuspokus hilft Verhaltensforschern

Einsame Frauen stehen weniger zu ihrem Tattoo

Glück ist ansteckend

In katholischen Gemeinden lebt sich’s länger

Experten machen keine besseren Vorhersagen

Wahrnehmungsfehler führt Tennis-Schiedsrichter in die Irre

Testosteron entscheidet über Börsenprofit

Finanztipps schalten Hirn ab

Frauen mögen Rot im Blau

Hollywoodfilme verderben Physikstudenten

Warum manche Menschen Horror lieben

Wann macht Alkohol aggressiv?

Wer die Wahl hat, verliert die Lust

Geldgier – eine Frage der Intelligenz

«Geld macht glücklich» ist eine Illusion

Von Betrunkenen getroffene Entschlüsse werden selten eingehalten

DER MENSCH UND SEINE GESUNDHEIT

Freie Fahrt fürs Gemächt

Schon leichtes Training verbessert Gesundheit

Trotz ist gesund

Viele Schwimmer, viele Erreger

Geldwäsche gegen Grippe-Pandemie?

In Krisenzeiten steigt die Lebenserwartung

Mann beißt Mann

Kaugummi-Zigaretten Grundlage für Raucherkarrieren?

Muskelzwang gefährdet Männer

Kurze Fersen machen gute Sprinter

Heavy Metal schadet der Gesundheit

Alkohol fördert Unfallgefahr

Reiche schlafen länger und gesünder

Laborratten machen immun

DER MENSCH UND SEINE DINGE

Hedonometer misst Blogger-Glückseligkeit

E-Mail-Adresse lässt auf Persönlichkeit schließen

Kreditkarten lassen uns mehr Geld ausgeben

Tanzroboter rettet kulturelle Vielfalt

Mit Moos feinstaublos

Schminktipps vom Handy

Mundgeruch-Detektor entwickelt

SIE UND ER

Lieber Rot als das kleine Schwarze

Doch noch Hoffnung für Schlaue?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Bei Männern geht Romantik vor Karriere

Müsli macht keine Männer

Kindchenschema wirkt auf Frauen und Männer unterschiedlich

Ehemänner im Haushalt keine große Hilfe

Menopause stimmt Frauen gnädiger

Liebeskummer vergeht schneller als befürchtet

Ist Liebe wie Manie?

Dick und dünn gesellt sich ungern

Frauen sind grün, Männer rot

237 Gründe für Sex

In Beziehungen haben Frauen die Hosen an

Wie erholsam ist der Schlaf neben dem Partner?

ESSEN UND TRINKEN

Milch am Morgen macht satt für den Tag

Männer unterdrücken erfolgreicher Essgelüste

Klein macht dick!

Falsche Erinnerungen verderben den Appetit

Europäer schmecken Süßes besser

Fasten für das Klima

Lautere Beschallung macht durstig

Essgewohnheiten sind hartnäckig

Fünf-Tage-Fasten? Beginnen Sie montags!

Wassermelone statt Viagra

Gesundes Essen verleitet zu üppigem Nachtisch

Bier Lieblingsgetränk von Kampftrinkern

Amerikaner oft zu dick für Tomographieröhren

Große Teller – große Portionen

Naschkatzen essen auch mehr Früchte

TIER UND PFLANZE

Warum sich Tiere häufiger bei Vollmond paaren

Coole Bullen haben heißeren Sex

Listspinnen stellen sich für Sex tot

Flussdelphine protzen für Sex

Der späte Vogel kriegt die Frau

Junge Vögel brabbeln wie Babys

Was bettelnde Katzen unwiderstehlich macht

Hasso gähnt mit

Fettsucht grassiert unter Pferden

Hunde, wollt ihr ewig schmollen?

Schimpansen erkennen einander am Po

Eine kleine Affenmusik

Blasinstrument lässt Affen gefährlich erscheinen

Schimpansen planen im Voraus

Gegessen wird, wo der Chef will

Windschutzscheiben zeigen Artenvielfalt

Warum Schlangen aus Bäumen fallen

Stars als Spinnen

Eine Flechte namens Obama

Erschütterungen treiben Würmer tatsächlich aus der Erde

Gottesanbeterinnen-Männchen erfassen Kannibalismusgefahr

Kot verrät Pinguine bis ins All

UND ZU GUTER LETZT: DIE IG-NOBELPREISE

Wissenschaft mit Augenzwinkern

2009

2008

2007

2006

Anhang: Autorinnen und Autoren

Vorwort

Im Sommer 2006 erfreute die Meldung, Kühe seien in der Lage, unterschiedliche Dialekte zu muhen, die Medien und etliche Leser: Zu schön war die Behauptung, die John Wells, seines Zeichens Professor für Linguistik an der Universität zu London, in den Mund gelegt wurde. Und zu fern lag der 1. April. Auch ist der Gedanke so abwegig nicht, schließlich pfeifen – wissenschaftlich belegt – bayerische Buchfinken anders als preußische und singen Wale regional verschieden. Und doch ist es eine Ente – und zwar die einzige in diesem Buch. Aber die Meldung ist so schön und so bezeichnend für die Not auch der wissenschaftlichen Berichterstattung im Sommerloch, dass wir sie nicht nur in dieses Buch aufnehmen wollten, sondern ihr auch einen Ehrenplatz einräumen.

Die Geschichte hinter der Geschichte: Eine PR-Agentur wollte im Auftrag des Käseherstellers «Farmhouse Cheesemakers» von John Wells wissen, ob auch für Kühe zutrifft, was für Wale und Singvögel gilt – etwa ob sich West-Country-Rinder mit typisch westenglischem Akzent verständigen. Seine Antwort: «Ich denke, das ist höchst unwahrscheinlich, aber es gibt seriöse wissenschaftliche Untersuchungen, dass Vögel regionale Gesangsunterschiede zeigen. Und wenn Vögel und Menschen lokale Akzente aufweisen, kann man Ähnliches für Kühe auch nicht vollständig ausschließen.» Diese vorsichtige Äußerung interpretierte die PR-Agentur sehr frei und machte daraus flugs eine Tatsache. Sie zeigte dem Professor den entstandenen Artikel nicht mehr und raubte ihm damit nicht nur die Möglichkeit zum Einspruch, sondern auch noch die Nacht- und Morgenruhe.

Zuerst meldete sich die BBC gegen null Uhr dreißig und bat um ein Radiointerview, dann am sehr frühen Morgen ein australischer Journalist. Der bedauernswerte Linguist musste schließlich 14 Radio- und drei Fernsehinterviews geben, darunter eines, das live vom Vauxhall-City-Bauernhof im Londoner Zentrum übertragen wurde – im Beisein einer «untröstlichen jungen Kuh», so Wells.

Drei Jahre später geistert diese Meldung immer noch durch die Medien und wird sich damit wohl als Klassiker der Sommerlochmeldungen etablieren. Warum also muhen Kühe im Dialekt? Weil wir solche Meldungen lieben! Doch nun zu den anderen, eigentlich entscheidenden Geschichten dieses Buches. Es sind skurrile Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Forschung, die Kopfschütteln, Verwunderung und Lachen hervorruft. Forschung aber, die meist Hand und Fuß hat – auch wenn wir uns oft fragen, wozu sie gut sein soll.

Die gesammelten Beiträge in diesem Buch entstammen verschiedenen Federn von spektrumdirekt, der Online-Redaktion von Spektrum der Wissenschaft.

 

Gedankt sei an dieser Stelle daher der gesamten Redaktion, unseren freien Autoren und Praktikanten, die im Anhang einzeln aufgeführt sind.

 

Eine vergnügliche Lektüre wünscht

 

Richard Zinken

Chefredakteur spektrumdirekt

DER MENSCH UND SEINE PSYCHE

Fluchen lindert Schmerzen

Schlägt man beim Versuch, einen Nagel in die Wand zu schlagen, daneben und trifft stattdessen die Finger, rutscht einem schon mal das eine oder andere Schimpfwort heraus. Menschen reagieren auf Schmerzen häufig mit Fluchen; zumindest subjektiv führt es zu einer Erleichterung. Wissenschaftler um Richard Stephens von der Keele University haben nun nachgewiesen, dass Fluchen tatsächlich die Schmerztoleranz erhöht und Schmerzen dadurch weniger stark empfunden werden.

In einer Studie mit 64 Studenten untersuchten die Forscher, wie das Ausstoßen von Verbalinjurien die Herzfrequenz sowie die Toleranz und Wahrnehmung von Schmerzen beeinflusst. Dazu sollten die Probanden ihre Hand in eine Wanne mit Eiswasser halten, so lange, wie es ihnen erträglich war. Dabei durften sie ein Schimpfwort ihrer Wahl stets wiederholen. Anschließend führten sie den gleichen Versuch nochmals durch, dieses Mal jedoch mit einem neutralen Wort, mit dem sie beispielsweise einen Tisch beschreiben würden.

Das Fluchen half den Studenten, die Schmerzen länger zu ertragen. Auch die Herzfrequenz der schimpfenden Probanden stieg deutlich an. Fluchen ruft also tatsächlich eine messbare physische Antwort des Körpers hervor: Vermutlich aktiviert es eine natürliche Stressreaktion des Körpers – die Flucht-oder-Kampf-Reaktion (fight or flight) –, welche die Angst vor Schmerzen hemmt und die Schmerzwahrnehmung verändert.

Dabei setzt das Gehirn Adrenalin frei, das unter anderem die Herzfrequenz, Muskelspannung, Atemfrequenz und den Blutzuckerspiegel erhöht. Damit versetzt die Alarmreaktion den Körper in eine erhöhte Abwehr- und Fluchtbereitschaft.

Rechtes Ohr stößt auf mehr Gehör

Wollen Sie eine Zigarette schnorren, sollten Sie den erwählten Spender über das rechte Ohr ansprechen. Diesen Zusammenhang entdeckten Daniele Marzoli und Luca Tomasi von der Universität Gabriele d’Annunzio in Chieti, als sie entsprechende Kontaktaufnahmen in der lauten Umgebung italienischer Nachtclubs untersuchten.

In einer ersten Studie beobachteten sie fast 300 Diskothekenbesucher, die sich in diesem lauten Milieu miteinander unterhielten. Rund drei Viertel dieser Gespräche liefen dabei über die rechte Seite des Zuhörers. Im zweiten Versuch schickten die Wissenschaftler einen weiblichen Lockvogel vor. Dieser trat mit einem kaum hörbaren und belanglosen Gemurmel an 160 Nachtschwärmer heran und wartete ab, welches Ohr ihm dann zum besseren Verständnis angeboten wurde. Anschließend fragte sie nach einer Zigarette.

Mehr als die Hälfte der Testpersonen drehte ihren Kopf so, dass sie mit dem rechten Ohr lauschen konnten. Zwischen der Anzahl der erhaltenen Zigaretten und dem Ohr, mit dem die Bitte aufgenommen wurde, bestand jedoch kein Zusammenhang – im Gegensatz zum letzten Test: Hier erhielt die testende Dame erheblich mehr Zigaretten, wenn sie die Frage gezielt an das rechte und nicht an das linke Ohr der Leute richtete.

Durch Labortests war bekannt, dass bei Menschen das rechte Ohr bei der Wahrnehmung verbaler Reize dominiert, was wiederum die Vorherrschaft der linken Gehirnhälfte bei der Verarbeitung gesprochener Informationen widerspiegelt. Unter alltäglichen Verhaltensbedingungen lagen bislang jedoch kaum Veröffentlichungen über diese sogenannte hemisphärische Asymmetrie vor. Mit ihren Discobesuchen konnten die Forscher nun zeigen, dass Menschen bei der Kommunikation eine natürliche Präferenz besitzen, welche Körperseite sie zum Hören bevorzugen.

Hokuspokus hilft Verhaltensforschern

Zauberer sind Meister der Illusion und Ablenkungskunst – und dies seit Jahrhunderten. Ihr offensichtlich vorhandenes Wissen um die menschliche Psyche wollen Wissenschafter der Durham University jetzt in der Bewusstseinsforschung einsetzen.

In einem Experiment zeigten die Forscher um Gustav Kuhn den Versuchsteilnehmern das Video eines Zaubertricks, bei dem der Zauberer sich mit einem Feuerzeug eine Zigarette anzündet und beides kurz darauf verschwunden ist. Die meisten Probanden erkannten tatsächlich erst anschließend, wie der Magier heimlich Zigarette und Feuerzeug in seinen Schoß fallen ließ, als man sie darauf aufmerksam gemacht hatte und das Video wiederholte. Dem Magier gelingt die Illusion, weil er die Aufmerksamkeit der Zuschauer erfolgreich auf seine leere linke Hand lenkt. Die Forscher bestätigen damit, dass nur ein kleiner Teil der aufgenommenen visuellen Information auch in das menschliche Bewusstsein gelangt. Nicht der Blick, sondern die gerichtete Aufmerksamkeit entscheidet, ob wir ein Objekt wahrnehmen oder nicht, so Kuhn.

Die lange Erfahrung der Zauberer soll nun zum Verständnis beitragen, worauf Menschen achten, wenn sie ein Bild oder eine Szene ansehen. Solche Erkenntnisse können auch bei der Gestaltung von übersichtlicheren Computeroberflächen helfen.

Zauberer sind neuerdings zudem nicht nur für Psychologen eine Hilfe. Vermehrt werden sie auch von Kasinobesitzern und Wettbewerbsorganisatoren – beispielsweise bei Schachturnieren – eingesetzt, um Falschspieler oder organisierte Helfer zu entlarven. Dazu beobachten sie das Publikum und erkennen die gesuchten Personen oft schnell – denn wie es aussieht, wenn man geschickt ablenkt oder signalisiert, wissen sie ja selbst am besten.

Einsame Frauen stehen weniger zu ihrem Tattoo

Aus Angst vor sozialer Stigmatisierung sowie negativen Kommentaren sind Frauen eher als Männer motiviert, sich ihre Körperbemalung wieder entfernen zu lassen. Zu diesem Ergebnis kommen Myrna Armstrong von der Texas Tech University in Lubbock und ihre Kollegen, nachdem sie knapp 200 Leute befragt hatten, die ihrer Tätowierung überdrüssig geworden waren.

Die Männer und Frauen mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren bekamen einen umfangreichen Fragebogen von den Forschern vorgelegt, in dem sie neben Alter, Hautfarbe und anderen demographischen Faktoren auch zu ihrer Tätowierungsgeschichte vom euphorischen Anfang bis zum jähen Ende beim Dermatologen befragt wurden. Die Antworten aus dem Jahr 2006 verglich das Team dann mit einer ähnlichen Umfrage im Jahr 1996. Beide Studien legen nahe, dass in den Probanden ein Identitätswandel stattfand. Anscheinend konnten sie sich durch das Beseitigen des Tattoos auch von ihrer Vergangenheit distanzieren, spekulieren die Autoren.

In der aktuellen Erhebung berichteten 44 Prozent der Teilnehmer, dass sie sich einst ihre Haut bemalen ließen, um sich einzigartig zu fühlen. Ein Drittel tat es der empfundenen Unabhängigkeit wegen. 58 Prozent der Befragten ließen sich ihren Schmuck dann wieder entfernen, weil sie sich schlichtweg dafür entschieden hatten, aber auch Gründe wie Scham (57 Prozent), Abwertung des eigenen Körperbilds (38 Prozent), ein neuer Arbeitsplatz oder Karriere (38 Prozent), Probleme mit der Kleidung (37 Prozent), Stigmatisierung (25 Prozent) oder ein bestimmtes Ereignis wie ein Geburtstag oder eine Hochzeit (21 Prozent) führten zu der Entscheidung.

Zudem brachte die neue Umfrage hervor, dass fast 70 Prozent der mit ihrem Tattoo unzufriedenen Teilnehmer weibliche, alleinstehende Hochschulabsolventinnen im Alter zwischen 24 und 39 Jahren mit weißer Hautfarbe waren. Waren die Damen zwar zunächst überaus zufrieden mit ihren frischgestochenen Tätowierungen, berichteten sie, dass sich ihre Gefühle im Lauf der folgenden ein bis fünf Jahre änderten. Womöglich sei die gesellschaftliche Akzeptanz für tätowierte Frauen nicht so stark wie für Männer, schließen die Forscher.

Über ein Viertel der Erwachsenen im Alter von 18 bis 30 besitzen eine Tätowierung. Während die überwiegende Mehrheit der Tätowierten glücklich mit ihrem Hautschmuck ist (bis zu 83 Prozent), wächst aufgrund der Popularität und Verbreitung die Zahl derjenigen, die ihre Tätowierung bereuen und an eine Entfernung denken, schreiben die Autoren. Schätzungsweise ein Fünftel der Tattooträger sind unzufrieden mit ihrem «Selbstbildnis», obwohl es nur rund sechs Prozent tatsächlich irgendwann ausradieren lassen.

Glück ist ansteckend

Das Glücksprinzip interessiert Wissenschaftler schon lange: Wie wirken sich Lottogewinne, Krankheiten oder das Jahreseinkommen aus? Aber eines wurde bisher außen vor gelassen: der Einfluss anderer Menschen. Gerade der Frohsinn im Leben der Nächsten erweist sich laut einer neuen Studie als Schlüsselfaktor für das eigene Glück.

Demnach verbreitet sich Glück wie in einer Kettenreaktion durch soziale Netzwerke, Frust verhält sich jedoch deutlich statischer. Nicholas Christakis von der Harvard University in Cambridge und James Fowler von der University of California in San Diego entnehmen diese Erkenntnis Daten der Framingham Heart Study, die ein soziales Netzwerk von 4739 Menschen beinhaltet. Teilnehmer daran sowie deren Umfeld wurden dabei über 20 Jahre lang auf ihr Gefühlsleben hin befragt.

Glück liebt anscheinend Gesellschaft: Jeder frohgemute Freund steigert die eigene Chance auf Glück um 25 Prozent, ein glücklicher Freund von diesem wirkt sich immerhin mit 10 Prozent auf einen aus, und sogar ein Freund dieses Freundes hat erstaunlicherweise mit 6 Prozent immer noch Einfluss auf das eigene Gemüt. «Jemand, den Sie nicht kennen und noch nie getroffen haben – der Freund eines Freundes eines Freundes –, kann einen größeren Einfluss auf Sie haben als Hunderte von Geldscheinen in Ihrer Tasche», erklärt Fowler.

Der Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass Menschen sich innerhalb eines Netzwerkes mit ihren Emotionen regelrecht anstecken. Mit geographischer Entfernung nimmt der Effekt allerdings ab: Der Nachbar von nebenan hat mehr Einfluss aufs eigene Gefühlsleben – er steigert die Chance auf Glück um unglaubliche 34 Prozent – als der jahrelang vertraute Freund, der jedoch kilometerweit entfernt wohnt.

Physische Nähe sei nötig, da der Ausbreitung von Glück ein fundamentaler psychobiologischer Aspekt zugrunde liege, spekulieren Fowler und Christakis. Emotionen erfüllen demnach bestimmte soziale Rollen: Wie menschliches Lachen habe auch das Gefühl, glücklich zu sein, evolutionäre Gründe – wie die Verstärkung sozialer Bindungen innerhalb einer Gruppe. Es handle sich um ein kollektives und nicht um ein individuelles Phänomen. Sollte es Ihnen also nicht gutgehen, sollten Sie vielleicht über einen Umzug nachdenken.

In katholischen Gemeinden lebt sich’s länger

In den USA liegt die Lebenserwartung in Stadtgebieten mit zahlreichen katholischen oder traditionellen protestantischen Kirchen höher als in Vierteln mit prägend fundamentalistischen Protestanten oder Pfingstmissionen. Hintergrund des Unterschiedes sei die unterschiedliche Gewichtung des Lebens vor beziehungsweise nach dem Tod, ermittelten Troy Blanchard von der Louisiana State University, John Bartkowski von der University of Texas in San Antonio und Kollegen.

Katholiken und Angehörige traditioneller protestantischer Kirchen, zu denen beispielsweise die Baptisten, Methodisten und Presbyterianer zählen, legten großen Wert auf soziales Miteinander und engagierten sich daher im Diesseits stark für Arme und Benachteiligte in Form von Gesundheitseinrichtungen und anderen Varianten tätiger Nächstenliebe. Im Gegensatz dazu seien fundamentalistische Bewegungen und Pfingstmissionen stärker auf das Jenseits ausgerichtet und betonten weniger das Miteinander im Glauben als vielmehr das Verhältnis jedes Einzelnen zu Gott.

Schon lange ist bekannt, dass eine enge Einbindung in soziale Strukturen ein langes Leben fördert, während Isolation eher hemmend wirkt, doch müssten Politiker und Entscheidungsträger – ob selbst religiös oder nicht – das noch stärker berücksichtigen, mahnt Blanchard. Und Koautor Bartkowski fasst zusammen: «Das religiöse Umfeld in den amerikanischen Gemeinden ist wahrlich eine Frage von Leben und Tod.»

Experten machen keine besseren Vorhersagen

Vorhersagen von Experten über den Ausgang von Konfliktsituationen sind nur geringfügig zuverlässiger als die von Laien. Dies berichten Kesten Green von der australischen Monash-Universität und Scott Armstrong von der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Die beiden Forscher legten einerseits ausgewiesenen Fachleuten, andererseits Studenten insgesamt acht – durch Umformulierungen getarnte – real abgelaufene Konfliktfälle vor. Dazu zählten beispielsweise ein Grenzstreit zwischen dem Irak und Syrien in den 1970er Jahren, ein Streik von Krankenschwestern, ein Gehaltsdisput zwischen einem Fußballspieler und seinem Management und ein Konflikt mit Künstlern, die eine Finanzierung durch Steuergelder einforderten.

Insgesamt sammelten Green und Armstrong 106 Vorhersagen von Experten und 169 von Laien. Die Fachleute machten in 32 Prozent der Fälle richtige Annahmen über die Entscheidungen der Konfliktparteien, bei den Laien waren es 29 Prozent. Beide Werte sind nicht zuverlässiger als Ergebnisse, die durch Zufallsentscheidungen getroffen wurden – hier lag die Trefferquote bei 28 Prozent.

Auch ein Vergleich zwischen seit langem etablierten Experten und solchen mit weniger Erfahrung erbrachte keine Unterschiede in der Güte der Vorhersagen. «Expertenmeinungen sollten nicht genutzt werden, um Vorhersagen über die Entscheidungen von Menschen in Konfliktsituationen zu machen», schließen die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen.