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Inhalt

Warum Grün blaumacht

9

1 Das Wetter von morgen

17

2 Eine Stadt macht blau

43

3 Die Farbe des Stroms

86

4 Heimatkunde

111

5 Wer jetzt kein klimafreundliches Haus hat

125

6 Unterwegs in eine bessere Welt

151

7 Jenseits von Afrika

177

8 Rot oder schwarz: der Klimawandel in der Parteipolitik

183

9 Ausblick: Yes we can!

192

10 So machen Sie blau: 25 Tipps für persönlichen Klimaschutz

196

Dank

222

|6|Frau Soraya und Pauline und die Kinder des 21. Jahrhunderts

|9|Warum Grün blaumacht

Binsenweisheiten können bisweilen ganz schön nerven, denn die Weisheiten, die darin zweifellos vorhanden sind, verflüchtigen sich beim Publikum durch ihre endlose Wiederholung in leer gedroschenes Stroh. Dennoch gehören sie unverzichtbar zu unserem Wortschatz. Eine der ältesten Binsenweisheiten der Umweltbewegung lautet nun: »Global denken, lokal handeln«. Und wenn man aus einer solch betagten Binse heute noch ein spannendes Buch machen kann, dann muss der Autor über große Kenntnisse und eine noch größere Leidenschaft für die Sache verfügen. Genau dies trifft auf das vorliegende Buch und auf dessen Autor, Boris Palmer, zu.

Boris Palmer begann seine öffentliche Karriere als Umweltreferent im ASTA der Universität Tübingen, wurde dann für Die Grünen Abgeordneter im Stuttgarter Landtag und schließlich im Oktober 2006 im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister der Universitätsstadt Tübingen gewählt. Und genau in dieser Funktion versucht er nun, Klimaschutz konkret zu denken und – wichtiger noch – zu machen, d. h. in einzelnen konkreten Schritten auf kommunaler Ebene umzusetzen.

Der Klimaschutz ist zweifellos die größte globale Herausforderung unserer Zeit, ja wahrscheinlich die zentrale Krise der Globalisierung, die das Jahrhundert definieren wird. Zu Zeiten des Club of Rome und seines Berichts über die Grenzen des Wachstums aus dem Jahr 1972 umfasste |10|die Weltwirtschaft gerade einmal 800 Millionen bis 1 Milliarde Menschen, die überwiegend in den reichen Industrieländern des Westens lebten. Die Welt war zudem dreigeteilt in Ost und West und in den armen Süden. Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges leben 6,7 Milliarden Menschen auf der Erde, und die Weltwirtschaft schließt heute 3 Milliarden Menschen ein, Tendenz steigend. Es gibt zudem keine Systemalternativen mehr, wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges, und die neuen Kommunikationstechnologien verbreiten die Träume von Wohlstand und Konsum bis in die hintersten Winkel des Globus.

Zur Mitte des Jahrhunderts werden 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben, die dann wohl alle mehr oder weniger in dieselbe Richtung streben, d. h. alles tun werden, um mittels Wirtschaftswachstum den Lebensstandard der reichen Industriestaaten des Nordens zu erreichen. Niemand wird sie dabei aufhalten können. Unter dem Gesichtspunkt der Überwindung von Armut und Unterentwicklung wird dies zweifellos einen großen Fortschritt bedeuten, denn schon heute gehen die Fortschritte bei der globalen Armutsbekämpfung ganz wesentlich auf das wirtschaftliche Wachstum in China und Indien mit ihren jeweils 1,2 Milliarden Menschen zurück.

Diese Entwicklung bringt jedoch unbeabsichtigt gigantische ökologische Folgewirkungen mit sich, welche die Lebensgrundlagen auf der Erde massiv und für die Menschen negativ zu verändern drohen. Denn wenn die Mehrheit der Menschheit innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte denselben Energie-, Rohstoff-, Land- und Wasserverbrauch anstreben wird, wie dies schon heute für die reichen Länder gilt, dann wird diese Entwicklung ökologisch schlicht nicht verkraftbar sein. Der Klimawandel ist dabei lediglich die bereits heute sichtbare Spitze jenes ökologischen Eisberges, auf den wir uns mit voller Kraft zubewegen.

|11|Sollen die Armen deswegen arm bleiben, damit die globale Umwelt nicht gefährdet oder gar zerstört wird? Eine absurde, zutiefst amoralische, weil dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Position, die zudem in der Wirklichkeit niemals funktionieren wird. Es wird sich kein Argument finden lassen, warum die Menschen der armen Länder nicht denselben Anspruch, ja dasselbe Recht auf Wohlstand, soziale Sicherheit und individuelle Freiheit haben wie die Menschen in den reichen Ländern. Darüber hinaus werden die Folgen der globalen und regionalen Umweltkrisen nur noch äußerst kurzfristig einen Unterschied zwischen Reich und Arm machen, denn kippen die natürlichen Lebensgrundlagen global erst einmal um, dann wird sich diese gesellschaftliche Differenz sehr schnell als nichtig erweisen. Auf diesen Befund kann es daher nur eine Antwort geben, nämlich eine gemeinsame, globale: Verantwortung und Gerechtigkeit. Gemeinsame Verantwortung für die eine Umwelt und Gerechtigkeit bei der globalen Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen.

Versucht man jedoch, diese Erkenntnisse in Politik umzusetzen, dann stößt man sofort auf ein fundamentales Problem von uns Menschen. Wir sind in unserer Interessenwahrnehmung nach wie vor überwiegend auf schwarze Pädagogik ausgerichtet – tut weh, tut nicht weh – und auf sehr kurze Zeiträume. Beispiel Atomenergie: Da wir kein Sensorium für Radioaktivität haben, obwohl sie an Gefährlichkeit die meisten anderen Emissionen um Faktoren übersteigt, kann diese gefährliche Energie dennoch als »sauber« an den Mann und an die Frau gebracht werden. Und die Zeiträume eines nuklearen Waste Managements von mehreren Hunderttausend Jahren überfordern schlicht unser Vorstellungsvermögen. Und so wird aus »extrem gefährlich« für viele Zeitgenossen eben »sauber«!

Eine komplexe, langfristige Interessensteuerung ist unsere Sache als Menschen nicht wirklich, sondern sie bedarf |12|eines großen intellektuellen Abstraktionsvermögens – und exakt darin liegt das politische Kernproblem aller Umweltpolitik. Die Komplexität des globalen Ökosystems und die extrem langen, das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigenden Bremswege der Natur stehen in einem massiven Widerspruch zur Kurzfristigkeit unserer Triebstruktur und damit auch unserer Alltagsinteressen und schließlich des politischen Handelns.

Und damit sind wir wieder bei der bereits erwähnten ökologischen Binse angelangt, denn einerseits sind wirksame Klimaschutzstrategien nur möglich, wenn die wichtigsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verursacher gemeinsam und abgestimmt auf globaler Ebene handeln. Darin liegt etwa die Bedeutung des Kyoto-Protokolls und großer Klimaschutzkonferenzen und -konventionen. Und andererseits bedarf es deren entschlossener Umsetzung auf der nationalen, ja lokalen Ebene.

Dass die Wahrheit immer konkret ist, gilt auch und gerade für den Klimaschutz. Und konkret heißt in diesem Fall, man muss am Alltag der Menschen und damit in der Stadt und Gemeinde ansetzen. Was also hat die Einführung von Nachtbussen in der verträumten Universitätsstadt Tübingen – übrigens eine Leistung des ASTA-Umweltreferenten und nicht des OB! – mit dem Erreichen der globalen Klimaschutzziele zu tun? Wenig und doch sehr viel, denn insgesamt ist dieser Schritt gewiss nur ein minimaler Beitrag, aber wenn dieselbe Maßnahme in möglichst vielen (potenziell allen!) Kommunen und Regionen unseres Landes durchgesetzt wird, dann ist die Wirkung von einer gewichtigen Größenordnung. Und damit sind wir schon wieder bei einer weiteren Binse, die, dem Gesetz der großen Zahl folgend, vor allem für die Umweltpolitik gilt: »Kleinvieh macht auch Mist« – in ökologischen Fragen sogar den größten! Und genau davon handelt das vorliegende Buch, von Klimaschutz in Stadt und Gemeinde.

|13|»Tübingen macht blau« hat Boris Palmer seine kommunale Klimaschutzstrategie genannt, und d. h., seine Stadt unter Klimaschutzgesichtspunkten umfassend zu überprüfen und dann die entsprechenden Alternativen in Politik und Gesellschaft auf breiter, am besten überparteilicher Grundlage umzusetzen, getragen von einer »Bürgerbewegung für Klimaschutz«. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Klimaschutz unten, in der Kommune, auch von unten getragen und gemacht werden muss, nämlich von den Bürgern. Bei seinem politischen Ansatz helfen unserem OB zweifellos eine intime Kenntnis der ökologischen Sach- und Rechtslage und seine Liebe zum Detail.

Im berühmt-berüchtigten »Tübinger Dienstwagenstreit« etwa – der neu gewählte grüne Oberbürgermeister im Land des Daimlers entschied sich nach sorgfältiger ökologischer Prüfung aller Alternativen auf dem deutschen Automarkt für ein japanisches Auto mit Hybridantrieb, was alle schwäbischen PS-Patrioten aufschreien ließ, als ob sie vom politischen Kolbenfresser heimgesucht worden wären – wird dabei nicht nur den Herstellerangaben vertraut, sondern der OB misst da persönlich an der Tankstelle nach, getreu seiner Devise: »Nur an der Tankstelle erschließt sich der Spritverbrauch.« Merke: Traue niemals nur den Angaben des Herstellers, denn Papier ist geduldig.

Boris Palmer verfolgt ein bewährtes grünes Erfolgsrezept: unerschütterliche Leidenschaft für die Sache und kluger Pragmatismus in der Umsetzung. Es ist leicht, im luftigen Nichts von Programmen, Gutachten und Prinzipien das Blaue vom Himmel herunter zu fordern, unglaublich schwer hingegen, den Himmel im übertragenen Sinne des Klimaschutzes wirklich blau zu machen.

Allerdings vertragen sich gerade die Klimaschutzpolitik im Besonderen und die Umweltpolitik im Allgemeinen nur schwer mit einer Oppositionsstrategie, wenn man mit guten Gründen zu Recht laut beklagt, dass es bereits heute |14|»Fünf vor zwölf« oder vielleicht sogar noch später wäre. Gerade Ökologen, die ihr Anliegen ernst nehmen, sind aus der Sache heraus zwingend dazu verpflichtet, demokratische Regierungsmacht anzustreben und politische und gesellschaftliche Mehrheiten zu schaffen, um hier und heute wirksam handeln zu können. Traditionelle ideologische Berührungsängste im demokratischen Parteienspektrum oder der Zwang zu pragmatischen Umwegen dürfen dabei kein Hindernisgrund sein, solange die Richtung stimmt und man auf dem Weg der ökologischen Erneuerung vorankommt.

Boris Palmer hat als OB sehr rasch seine Erfahrungen machen dürfen mit dem Widerspruch zwischen reiner ökologischer Lehre und pragmatischem Kompromiss, und er hat sich dabei, immer sorgfältig entlang der Sache und den unterschiedlichen praktischen Optionen argumentierend, für die beste der machbaren Optionen zugunsten des Klimaschutzes entschieden. Ein echter grüner Realo eben! Ob es dabei im Kleinen um den bisher nicht wirklich gelösten Interessenkonflikt zwischen Denkmalschutz und energetischer Altbausanierung geht oder um die zentrale Frage der zukünftigen Energiepolitik, unser OB bleibt uns dabei keine klare Antwort schuldig.

Neben der Frage der Energieart – nuklear, fossil, erneuerbar – ist die Frage der Energieeffizienz die zweite große Frage eines wirksamen Klimaschutzes. Bei den Grünen gibt es erstens einen umfassenden Konsens, dass Klimaschutz ohne Umstieg auf die erneuerbaren Energieträger und Energiesparen nicht funktionieren wird. Und zweitens, dass dafür ebenfalls eine optimale Energieeffizienz unverzichtbar ist. Dies setzt aber eine möglichst dezentrale Energieerzeugung mit hohem Wirkungsgrad voraus, bei der in Deutschland unabhängige Stadtwerke als Produzenten und nicht nur als Verteiler eine wichtige Rolle spielen müssen. Die Stadtwerke haben wegen der falschen |15|Regulierung des Strommarktes derzeit gegen die großen Stromkonzerne kaum Chancen, wenn sie nicht selbst Großkraftwerke betreiben. Deshalb haben sich unabhängige Stadtwerke zu Stromhandelsgesellschaften und auch Kraftwerksbeteiligungsgesellschaften zusammengetan. Nur so können sie der Marktmacht der großen vier in Deutschland trotzen und vor Ort in Klimaschutz investieren.

Was macht nun unter diesen Bedingungen ein grüner Oberbürgermeister, wenn lokale Grüne, unterstützt vom energiepolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, an einem Standort den Neubau eines GuD-Gaskraftwerks mit fast 60 % Wirkungsgrad verhindern, an dem sich seine Stadtwerke beteiligen wollten? Es blieb nur die Beteiligung an einem neu zu bauenden Kohlekraftwerk an der Küste mit 48 % Wirkungsgrad, klimaschutzpolitischer und ökonomischer Nutzen dabei alles andere als garantiert. Ganz auf ein Großkraftwerk verzichten und damit die ökonomische Zukunft des Stadtwerks riskieren? Oder das Abweichen von der reinen Lehre akzeptieren, um an anderer Stelle mehr in Klimaschutz investieren zu können?

»Am Ende entschied ich mich für die Tatsachen«, beschreibt Boris Palmer diesen Konflikt. »Und in der vorhandenen Wirklichkeit bewirkt ein maßvoller Neubau von Kohlekraftwerken weniger CO2-Ausstoß als der Weiterbetrieb ineffizienter Altanlagen; das Verschwinden selbstständiger Stadtwerke weniger und nicht mehr Klimaschutz.« Die Hamburger Grünen gerieten mit ihrer Regierungsbeteiligung im Stadtstaat sogar in eine noch schlimmere Zwangslage: Die grüne Umweltsenatorin musste das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigen. Und die grüne Bundespartei? Sie kämpft weiter tapfer gegen jeden Neubau von Kohlekraftwerken. Aus hehren Motiven. Je weniger Kohlekraftwerke gebaut werden müssen, umso besser für das Klima. Aber die Partei läuft damit in eine Glaubwürdigkeitsfalle. Denn einen Koalitionsvertrag, der den Atomausstieg |16|mit dem Kohleausstieg kombiniert, werden weder Frank-Walter Steinmeier noch Angela Merkel unterschreiben.

Ein solcher offensichtlicher Widerspruch zwischen Oppositionsrhetorik und Regierungshandeln ist Boris Palmers Sache nicht. Und er hat die Erfahrung auf seiner Seite. Als unsere Partei in der rot-grünen Bundesregierung unter Umweltminister Trittin den Atomausstieg beschlossen hatte, da galt er in Teilen der grünen Partei und der Öffentlichkeit und vor allem in der Anti-Atom-Bewegung als schlichter »Verrat«. Heute hingegen wird er von denselben Leuten – ganz zu Recht übrigens! – wie eine Monstranz an Fronleichnam vorneweg getragen, wenn es um Atomausstieg oder Wiedereinstieg in die Atomenergie geht.

Und da aller guter Dinge drei sind, sei hier zum letzten Mal auf eine Binsenweisheit Bezug genommen: »Die beste Oppositionspolitik ist diejenige, die man als Regierung umsetzen kann.« Warum? Weil sie glaubwürdig ist und, besser noch, die Wählerinnen und Wähler dies nicht nur realisieren, sondern es sie zudem noch überzeugt. So etwas kann man ruhig auch eine »nachhaltige« Politik nennen und der Partei der Nachhaltigkeit stünde dieses Prädikat nicht schlecht an. Insofern ist der Tübinger OB mit diesem Buch wie auch mit seiner Politik auf dem richtigen Kurs. Unsereins wünscht sich wesentlich mehr von einem solchen grünen Realismus.

 

Joschka Fischer

|17|1 Das Wetter von morgen

1.1 Global denken, lokal handeln

Vielleicht sind Sie im Jahr 1972 geboren? Dann waren Sie zum Zeitpunkt Ihrer Geburt einer von knapp vier Milliarden Menschen auf dieser Welt. Falls Sie im Jahr 2000 ein Kind bekommen haben, teilte dieses sich die Erde bereits mit sechs Milliarden Menschen. Und schon zu Ihrem 40. Geburtstag im Jahr 2012 wird die Menschheit die Grenze von sieben Milliarden Köpfen überschreiten. Am Ende Ihres Lebens, zur Mitte des 21. Jahrhunderts, werden Sie voraussichtlich neun Milliarden Mitmenschen haben. Man kann grob abschätzen, dass dann fast jeder Zehnte jemals geborene Mensch noch am Leben ist. Eine atemberaubende Wachstumsgeschichte.

Alle diese Menschen benötigen nicht nur sauberes Trinkwasser und Nahrungsmittel, obwohl es leider viel zu vielen selbst daran fehlt. Wir haben eine Zivilisation entwickelt, die glücklicherweise ein Leben in nie zuvor gekanntem Wohlstand gestattet: mit Haus, Heizung, Kühlschrank, Fernseher, Auto, Urlaub und Theater. Die Kehrseite der Medaille ist bislang ein stetig wachsender Anspruch an die Ressourcenbasis und das Ökosystem. Wir werden also nicht nur immer mehr, wir strapazieren die Erde auch immer stärker. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass das nicht mehr lange gut gehen kann. Der Klimawandel ist keine düstere Prognose mehr, sondern bedrohliche Realität.

Wie soll man mit solch einer Herausforderung umgehen? »Nach mir die Sintflut«, denkt wohl mancher Zeitgenosse |18|und könnte damit wörtlich recht behalten. »Globale Probleme brauchen globale Lösungen«, sagen andere. Sollen sich also die Regierungen der Welt darum kümmern. »Global denken, lokal handeln« ist noch immer der Leitsatz, der mich am meisten überzeugt. Dieses Buch handelt davon, wie ein Aufbruch zu einer lokalen Klimaschutzpolitik gestaltet werden kann.

Seit meiner Wahl zum Oberbürgermeister der württembergischen Universitätsstadt Tübingen im Oktober 2006 versuche ich, alle vor Ort zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für Klimaschutz zu nutzen. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft verdreifacht die Anstrengungen zur Sanierung ihrer Gebäude. Die Stadtwerke investieren in neue Wasserkraftanlagen und Blockheizkraftwerke. Die Stadtverwaltung gestaltet klimafreundliche Stadtteile und modernisiert öffentliche Gebäude. Die städtischen Bediensteten belegen Kurse für energiesparendes Fahren und schalten ihre Elektrogeräte richtig ab, wenn sie das Büro verlassen. Und der Oberbürgermeister ist von Mercedes auf Smart und Fahrrad umgestiegen.

Wir haben uns vorgenommen, 70 % der CO2-Emissionen Tübingens bis zum Jahr 2020 aus eigener Kraft einzusparen. Die Kampagne, die alle Bürgerinnen und Bürger dazu animieren soll, trägt den Titel »Tübingen macht blau«. Blaumachen heißt für uns jetzt also, etwas für den blauen Himmel über Tübingen zu tun. Und wir kommen damit gut voran. Die Zahl der Haushalte, die sich für einen Ökostromtarif entschieden, hat sich vervierfacht. Tübingen ist einer der Spitzenreiter bei umweltfreundlicher Mobilität in Deutschland. Wir tauschen energiefressende Heizungspumpen und Kühlschränke aus, schaffen die Glühbirne schon vor dem offiziellen Verbot ab und kaufen regionale Bioprodukte. Wir wollen zeigen, wie man das Klima schützt und zugleich ein gutes Leben führt. Wer Ideen und Beispiele dafür sucht, wird in Tübingen und in diesem Buch fündig.

|19|Sicherlich: Niemand kann allein die Welt retten. Aber wir alle können einen relevanten Beitrag dazu leisten, das Klima zu stabilisieren. Klimaschutz aus individueller Verantwortung wird nicht weniger wirksam sein als Verordnungen und Regierungskonferenzen. Am meisten werden wir erreichen, wenn wir uns in überschaubaren Einheiten zu gemeinsamem Handeln motivieren. Das gelingt am leichtesten in den Kommunen, den Keimzellen der Demokratie. Wenn viele Städte und Gemeinden gemeinsam den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft in Angriff nehmen, wird das ganze Nationen bewegen. Wir können unser Leben selbst in die Hand nehmen und so verändern, dass auch künftigen Generationen die Chance auf Wohlstand und Glück erhalten bleibt.

1.2 Haben wir ein Problem?

Der Gedanke, dass unbegrenztes Wachstum in einer begrenzten Welt ein Problem sein könnte, ist eigentlich so naheliegend, dass es einigermaßen verblüffend ist, wie wenig die Menschheit sich darum geschert hat. Gewiss, der Engländer Thomas Malthus hat schon 1798 die Befürchtung formuliert, der Ackerboden könne das Wachstum der Weltbevölkerung – damals erst eine Milliarde Menschen – nicht auf Dauer tragen. Aber das war nur eine philosophische Randerscheinung, die von der stürmischen Entwicklung der industriellen Revolution und ihrem Fortschrittsglauben weggespült wurde. Mit Technik und Erfindungsgeist schien der Mensch jede Grenze überwinden zu können.

Wirklich bewusst wurde der Öffentlichkeit das Problem erst mit dem Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums, der im Jahr 1972 erschien, das zufällig auch mein Geburtsjahr ist. Heute wissen wir, dass |20|die damals mit den ersten Computern angestellten Berechnungen fast allesamt falsch waren. Keine der Voraussagen ist exakt so eingetroffen, wie sie damals formuliert wurde. Auch jene Rohstoffe, die nach den Prognosen des Club of Rome bereits erschöpft sein müssten, sind heute und auf absehbare Zeit verfügbar. Der Kollaps der Weltwirtschaft und des globalen Ökosystems aufgrund einer Überschreitung der Tragekapazität der Erde ist nicht eingetreten. Die Welt hält mehr aus als befürchtet.

Leider haben wir die Zeit, die uns dadurch geschenkt wurde, nicht genutzt. Global betrachtet sind Umweltzerstörung und Ressourcenverbrauch jedes Jahr auf neue Spitzenwerte gestiegen. Wir testen die Schwachstellen des Ökosystems Erde aus und sind möglicherweise schon über die Grenzen des Wachstums hinausgegangen. Dennis Meadows, einer der Autoren der »Grenzen des Wachstums«, glaubt deswegen, dass die Menschheit die Chance zu rechtzeitigem Eingreifen bereits verpasst hat. Der nicht mehr zu kontrollierende Raubbau an der Natur durch exzessives Wachstum von Rohstoffentnahme und Deponierung von Schadstoffen in der Biosphäre werde zum Ende des Jahrhunderts einen dramatischen Zusammenbruch unserer Zivilisation bewirken. Im Meer findet diese Katastrophe bereits statt: Der Fischfang geht weltweit zurück, weil die Meere überfischt sind und die Bestände kollabieren.

Man muss die Zukunft nicht ganz so düster sehen wie Dennis Meadows. Dessen skeptische Prognose ist auch von der Erfahrung geprägt, fast vier Jahrzehnte vergeblich vor einer Katastrophe zu warnen. Dass die Menschheit die Grenzen des Wachstums an einigen Punkten bereits überschritten hat, ist aber kaum noch zu bezweifeln. Am deutlichsten ist es daran zu erkennen, dass die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für das Treibhausgas Kohlendioxid überschritten ist. Eisbohrungen in der Antarktis belegen, dass wir in nur 150 Jahren den Anteil dieses Gases so weit |21|nach oben getrieben haben, dass er jeden Spitzenwert der vergangenen 650 000 Jahre übertrifft.

Im Jahr 1972, kurz nach Beginn der regelmäßigen Messungen auf Hawaii, lag der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre noch bei 0,032 %. Mittlerweile ist er auf 0,038 % gestiegen. Kleine Ursache, große Wirkung. Der Weltklimarat, in dem die international führenden Wissenschaftler den Stand der Erkenntnisse bewerten und zusammenfassen, warnt uns in seinem 2007 erschienenen vierten Report vor einer drastischen Veränderung des Klimas im Laufe dieses Jahrhunderts. Extremwetterlagen, Stürme, Dürren, Hochwasser und im äußersten Fall ein Anstieg des Meeresspiegels bedrohen die Lebensbedingungen von Milliarden von Menschen. Die Warnungen der Wissenschaft gipfeln in der Aussage, wir hätten vielleicht noch zwei Jahrzehnte Zeit, um das Schlimmste zu verhindern. Wenn sie damit recht haben, wäre es wenigstens noch nicht zu spät, wie Dennis Meadows glaubt.

Grundlegend neu sind diese Erkenntnisse eigentlich nicht. Die meisten Wissenschaftler haben die These, dass der Klimawandel von Menschen gemacht ist und eine dramatische Gefahr für die menschliche Zivilisation darstellt, schon vor 20 Jahren vertreten. Bereits in seinem ersten Bericht aus dem Jahr 1990 zeigte sich der Weltklimarat »sicher«, dass die Menschheit die Treibhausgaskonzentrationen wesentlich erhöht und damit bereits eine Erwärmung der Atmosphäre um 0,3 bis 0,6 Grad bewirkt hat. »Zuverlässig«, so schrieben die Wissenschaftler, könne man berechnen, dass Kohlendioxid für mehr als die Hälfte des Treibhauseffekts verantwortlich sei und die Emissionen aus menschlichen Aktivitäten um 60 % gesenkt werden müssten, damit die Konzentration dieses Gases in der Atmosphäre auf dem Niveau des Jahres 1990 stabil bleibt.

Leider haben bedeutende Akteure aus der Politik und vor allem aus der Wirtschaft einen anderen Satz aus dem |22|Bericht für wesentlich gehalten. Nämlich den Hinweis, dass die Datenlage noch nicht ausreiche, um mit wissenschaftlicher Sicherheit ausschließen zu können, dass die bis dahin beobachtete Erwärmung der Erde die Folge einer natürlichen Klimaschwankung sei. Das bezog sich aber nur auf den Nachweis der bereits messbaren Effekte und war Ausdruck wissenschaftlicher Präzision, nicht von Unsicherheit. Zweifel an einer künftigen Erwärmung der Erde durch weiter wachsende Treibhausgasemissionen hatte die Wissenschaft schon im Jahr 1990 nicht mehr.

Der in der Tat enorme Zuwachs an wissenschaftlicher Erkenntnis, den wir seit der Veröffentlichung des ersten Berichts des Weltklimarates verzeichnen, hat nicht die Grundaussagen berührt, sondern die Klärung einer Vielzahl von Detailfragen ermöglicht. Es fehlte in den vergangenen beiden Jahrzehnten nicht an wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern an der Bereitschaft, der Wissenschaft zuzuhören. Zum Teil wurde uns dies auch durch bewusst erzeugte Störgeräusche schwer gemacht.

Al Gore hat in seinem bahnbrechenden Film »Eine unbequeme Wahrheit« eine Studie bekannt gemacht, die einen gravierenden Unterschied zwischen wissenschaftlicher und medialer Behandlung des Klimawandels aufzeigt: Von 928 wissenschaftlichen Publikationen formulierte keine einzige Zweifel am von Menschen gemachten Treibhauseffekt. Hingegen behaupteten 53 % von 636 Artikeln aus US-Medien, es sei wissenschaftlich unbewiesen, ob der Mensch Einfluss auf das Klima nehme. Wir wissen heute, dass vor allem das große Geld aus der Ölindustrie und politische Einflussnahme in den USA dazu genutzt wurden, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen und den Erkenntnisstand der Klimaforschung gezielt zu verharmlosen.

Ohne solche Realitätsverfremdung müssen wir einsehen: Die Menschheit hat in nur 150 Jahren so viel Kohle, |23|Öl und Gas verbrannt, dass die Zusammensetzung der Atmosphäre sich in gefährlicher Weise verändert. Wir befinden uns bereits mitten im Klimawandel und können nur noch hoffen, ihn erträglich zu halten. Ganz aufzuhalten ist die Erderwärmung nicht mehr, denn wir sind gesellschaftlich schlicht nicht in der Lage, die Verbrennung fossiler Energieträger von heute auf morgen zu stoppen. Überdies gibt es eine zeitliche Verzögerung zwischen dem Verbrennen von fossilen Energieträgern und der maximalen Klimawirkung. Kohlendioxid ist chemisch extrem stabil und verbleibt über Jahrzehnte in der Atmosphäre. Selbst wenn wir das Unmögliche möglich machen und sofort vollständig auf die Kohlenstoffwirtschaft verzichten würden, müssten wir noch lange mit erhöhten Temperaturen leben.

Wir bremsen die Entwicklung aber nicht, im Gegenteil, in jüngster Zeit hat sich das Tempo, in dem die Emissionen aus Verbrennungsprozessen anwachsen, sogar noch beschleunigt. Weltweit steigerten wir die CO2-Emissionen in den 90ern jährlich um ein bis zwei Prozent. Seit der Jahrtausendwende hat sich das Wachstum auf mehr als drei Prozent pro Jahr beschleunigt. Hauptverantwortlich ist dafür die Industrialisierung in Asien. In China entsteht alle zwei Jahre ein neues Kohlenstoff-Deutschland, so stark wachsen dort die Emissionen.

Angesichts dieser Fakten wird es schwer genug, den Anstieg der CO2-Emissionen so zu begrenzen, dass aus dem unvermeidbaren Klimawandel keine Klimakatastrophe wird. Dafür empfiehlt uns der Weltklimarat, das »Zwei-Grad-Ziel« anzunehmen, also nicht mehr als zwei Grad Erwärmung der mittleren Erdtemperatur zuzulassen. Das Weltklima, so weiß die Wissenschaft heute, ändert sich nämlich nicht linear, sondern sprunghaft. Es gibt »Kippschalter«, die nicht zurückgestellt werden können und im globalen Maßstab desaströse Effekte bewirken. Wenn diese Schalter kippen, wird der Klimawandel unbeherrschbar. |24|Heute scheint es so, als könnten wir dieses Desaster noch verhindern, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen.

Beispiele für Kippschalter sind das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien oder das Abschmelzen der grönländischen Eismassen. In Sibiriens Dauerfrost sind im Erdreich gewaltige Massen von Methan gespeichert. Wenn der Boden auftauen sollte, würde das Gas in die Atmosphäre entweichen und das Klima gewaltig aufheizen. Methan ist nämlich als Treibhausgas fünfzigfach stärker wirksam als der mengenmäßige Hauptverursacher Kohlendioxid. Schmilzt der gewaltige Eisschild auf Grönland, so steigt der Meeresspiegel um sechs Meter. Ein Land wie Bangladesch, das zu den ärmsten der Welt gehört und hundert Millionen Einwohner hat, sänke damit weitgehend unter den Meersspiegel. Und selbst die Niederlande oder Florida würden sich schwertun, ihre Küste mit Deichen gegen einen solchen Anstieg zu sichern.

Wann diese Schalter kippen, kann man heute nicht präzise errechnen. Dass wir an den Schaltern kräftig drücken, ist aber schon erkennbar. Satellitenbilder der NASA zeigen, dass in den vergangenen Jahren eine Rekordschmelze des arktischen Eisschildes nach der andern zu verzeichnen war. Wenn das so weitergeht, wird das Nordpolarmeer in 20 Jahren im Sommer komplett eisfrei sein. Während bisher das weiße Eis das Sonnenlicht weitgehend reflektiert hat, wird dann das Nordpolarmeer dunkelblau und viel Energie von der Sonne unmittelbar aufnehmen. Wenn das eintritt, kommt es zur Belastungsprobe für den grönländischen Eisschild und die Permafrostböden in Sibirien.

In einer Studie im Auftrag der britischen Regierung sagt der Ökonom Sir Nicholas Stern Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltwirtschaft voraus, die in ihrer Dimension die Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts weit in den Schatten stellen. Wetterbedingte Schäden und Anpassungsmaßnahmen – zum |25|Beispiel für den Deichbau – könnten bis zu einem Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung kosten. Und das über Jahrzehnte. Verglichen damit dürfte auch die aus dem Hypothekenmarkt in den USA entstandene Weltwirtschaftskrise der Gegenwart harmlos sein. Denn deren Ursachen – wenn auch nicht die aktuellen Folgen – lassen sich mit gesetzgeberischen Akten beseitigen. Ist das Weltklima erst einmal aus der Balance geraten, kann hingegen keine menschliche Macht die äußerst günstigen Klimabedingungen wiederherstellen, die es uns in den vergangenen 10 000 Jahren erlaubt haben, mit Ackerbau und Viehzucht zu beginnen und bis heute eine fantastische Zivilisation zu errichten. Es lohnt sich also auch ökonomisch, in Klimaschutz zu investieren.

Es gibt keinen Zweifel: Die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert ist es, das Energiesystem komplett zu revolutionieren. Unser Wirtschaftssystem, unsere Ernährung, unsere Trinkwasser- und unsere medizinische Versorgung funktionieren nicht ohne Öl, Kohle und Gas. Wenn wir diese Abhängigkeit nicht rasch beenden, werden wir entweder durch die Erschöpfung der Ressourcen oder durch eine Klimakatastrophe oder durch beides zugleich ein böses Erwachen erleben. Es ist höchste Zeit zu handeln!

Bleibt die Frage, ob wir noch etwas tun können. »Aber ja!«, hören wir jetzt von den Energiekonzernen. Wir haben noch immer die Atomenergie! Doch im globalen Maßstab ist das eine Illusion. Die weltweit etwa 430 Atomkraftwerke decken heute gerade 3 % des globalen Energiebedarfs. Würde man die zehnfache Zahl neu bauen, so stiege ihr Anteil am Weltenergiebedarf bis 2050 nur auf 15 %. Denn bis dahin wird sich der Energiehunger der Menschheit nochmals verdoppeln. Das wären 4300 Ziele für Terroristen, 4300 Orte für die Herstellung von Atomwaffen, 4300 Tschernobyl-Risiken. Wer will das wirklich?

|26|So absurd die atomare Option global und politisch ist, so unsinnig ist sie auch technisch. Die mit vernünftigem Aufwand abzubauenden Uranvorräte reichen schon bei der heutigen Verbrauchsrate nur etwa 60 Jahre. Für 4000 neue Atomkraftwerke gibt es gar nicht genug Brennstoff. Es sei denn, wir bauen Schnelle Brüter und steigen vollständig in die Plutoniumwirtschaft ein – auch im Iran, in Syrien und in Pakistan. Das aber wird kein Innenminister und keine Außenministerin auch nur zu denken wagen. Und dabei ist über das Endlagerproblem noch kein Wort verloren. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Atomkraft ist keine Lösung.

Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass wir die technischen Möglichkeiten und die soziale Innovationskraft haben, der Menschheit eine gute Zukunft zu sichern. Und ebenso sicher bin ich, dass wir alle an unserem Platz einen wesentlichen Beitrag leisten können, der notwendigen ökologischen Revolution zum Durchbruch zu verhelfen. Mit dieser Überzeugung habe ich mein Amt als Oberbürgermeister in Tübingen angetreten und das Experiment Klimaschutz in der Kommune begonnen. Was sich dabei in zwei Jahren ergeben hat, können Sie in den folgenden Kapiteln erfahren.

1.3 Klimaschutz in der Kommune – entdecke die Möglichkeiten

Jede Stadtgesellschaft in Deutschland kann bis 2020 die Hälfte ihrer Treibhausgasemissionen einsparen. »Wie das?«, werden Sie vielleicht fragen.

Sicher nicht mit den bisherigen Mitteln, das ist wahr. Kleinreden darf man die Initiativen der vergangenen Jahre allerdings nicht. Es ist bemerkenswert, dass 1400 Städte und Gemeinden Mitglied des Klimabündnisses in Europa |27|geworden sind. Vergleichbar lang ist die Liste der Klimaschutzkommunen in den USA. Eine unglaubliche Vielzahl von lokalen Klimaschutzinitiativen hat sich seither um vorbildliche Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen verdient gemacht.

Trotzdem muss man einräumen, dass der CO2-Ausstoß weltweit immer schneller steigt und selbst in Europa kaum ein Land die sehr bescheidenen Klimaschutzziele des Vertrags von Kyoto erreicht. Dasselbe gilt bedauerlicherweise auch für die Städte und Gemeinden, die sich eigene Klimaschutzziele gesetzt haben. Relevante Minderungserfolge kann so gut wie keine Kommune vorweisen.

Der Hauptgrund hierfür ist leicht auszumachen: Fast immer standen in der Pionierphase des kommunalen Klimaschutzes Modellprojekte im Mittelpunkt. Auf die Klimabilanz einer Kommune haben vorbildliche Maßnahmen aber nur eine merkliche Auswirkung, wenn sie breite Nachahmung finden. Der CO2-Ausstoß einer Stadt ist mit kommunalen Maßnahmen nur zu senken, wenn Klimaschutztechnik und umweltfreundliches Verhalten eine ganze Stadtgesellschaft erfassen.

Ein einzelnes Plus-Energiehaus ist Anlass zum Staunen. Man freut sich daran, dass die moderne Technik hohen Wohnkomfort in Häusern ermöglicht, die mehr Energie produzieren als konsumieren. Aber nur wenn ganze Stadtteile so gebaut werden, entsteht daraus wirksamer Klimaschutz. Eine einzelne Solaranlage auf einem Dach produziert umweltfreundlich Strom oder Wärme. Aber erst eine Stadt, die gemeinschaftliche Solaranlagen auf allen nutzbaren Dächern baut, wird klimafreundlich. Ein Ökostromkunde setzt ein Zeichen für umweltfreundliche Energieversorgung, aber erst wenn eine relevante Anzahl von Kunden solche Verträge unterzeichnet, verändern sie gemeinsam den Markt zugunsten umweltfreundlicher Energieproduktion.

|28|Wenn eine Stadtgesellschaft sich tatsächlich gemeinsam auf den Weg zur Klimaschutzkommune macht, dann kann sie fast ohne Land, Bund, EU oder UNO viel erreichen. Die technischen Potenziale zur Energieeinsparung reichen so gut wie in jedem Feld an 70 % heran. Und viele davon können in Kommunen und von den Bürgerinnen und Bürgern einer Stadt unmittelbar erschlossen werden. Häufig sogar mit wirtschaftlichem Gewinn:

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