Löwe, Bauer und dessen Tochter

Es geschieht gar oft in einer Wahl, daß die mersten mit ihren Stimmen auf denjenigen zielen, der ein guter Mann ist, der das Krumme grad sein läßt . . .: ein lammfrommer Columbus, der keine Gall hat, ein Kalender, worin kein trübes Wetter, ein Garten, wo keine Brennessel. Es ist ihm wie jenem Bauern, der eine gar schöne junge Tochter gehabt, daß sich sogar ein Löw darein verliebte und selbige zu heuraten begehrte. Der Bauer erschrak nit wenig ob solchem Anbringen und getraute sich nit, diesem so erschröcklichen Tier, vor dem alle andern erzittern, eine abschlägige Antwort zu geben, verspricht demnach besagtem Löwen die Tochter, jedoch mit dem Beding, daß er sich lasse die Zähn ausbrechen und die Klauen abzwicken, damit die Tochter nit erschrecke. Wie nun der verliebte Löw allem diesem nachgekommen und sich alsdann beim Bauren eingefunden, da hat dieser den geschwächten und waffenlosen Löwen mit Prügeln also empfangen, daß ihm alle Gedanken zu heuraten gänzlich verschwunden.

Manchmal erwählt man einen nur darum, weil er ganz gut ist, weil er keinem weiß die Zahn zu zeigen, weil er laßt mit sich umgehn, wie man will, kein »Ernst«, sondern ein lautrer »Lamm-bert«; darum kommt er zum Brett, weil er keinen weiß abzuhobeln und abzuschmieren.

Satyr und Wandrer

Zur kalten Winterszeit, da die Bäumer gleich den alten Männern einen weißen Schopf tragen, da die vorhin silbern strömenden Bächerl in einem kühlen Arrest sitzen und nit einen Schritt können weiter gehen, da hoch und nieder Stand, nämlich Berg und Tal, unter einer weißen Decken liegen, da die Vögerl, obschon mitten in Federn, gleichwohl vor Frost in ihrem Gesang eine lange Pausen machen – dazumal nahm ein Reisender seinen Weg durch einen großen Wald und dickes Gehölz, und wie er fast die Mitte dieser Wildnis erreichte, da hat ihn Satyrus oder Waldmann ganz freundlich in seine Höhle eingeladen, und zwar gleich zum Mittagmahl, was dem guten Reisenden sehr bequem und angenehm. Kaum aber daß er sich zum Tisch gesetzt, da kaucht und blast er in beide Händ, worüber der Satyrus sich nit wenig verwundert und daher die Ursach gefragt hat, warum er in die Hand blas. Die Antwort ware: »Damit die Händ erwärmen!« Bald greift der Fremd mit dem Löffel in die Schüssel nach der Speis, die er dann auch mehrmal angeblasen, daß also dem Waldmann wiederum ist Anlaß gegeben worden, zu fragen, warum er die Speis anblase. Der andre sagt: die Speise sei ihm zu heiß; er blas, damit sie kalt werde. »Du«, sagt mit ganz zornigem Angesicht der Satyrus, »du ›Kalt-und-Warm-aus-einem-Maul‹! Ey, so pack dich zum Teufel aus meiner Herberg! Warm und kalt aus einem Maul, das mag ich nit leiden, das kann ich nit leiden, das will ich nit leiden!«

Wahr ist's: schön steht's nit, ja gar nit, wann einer bei seinem Wort nit bleibt, sondern redet bald weiß bald schwarz, bald gut bald bös, bald rechts bald links, bald süß bald sauer, bald trucken bald naß, bald huy bald pfuy, bald warm bald kalt, bald ja bald nein. Es steht nit wohl.

Wolf und Lamm

Ein Wolf trank einmal oberhalb aus einem Bach und wurde ansichtig eines Lämbls, so unterhalb beim Bach gestanden, eilt demnach mit schnellen Füßen und hitzigen Zähnen zu demselben mit dem zornigen Vorwand, daß es ihm den Bach trüb mache und den Trunk verderbe, zerreißt es also ganz grimmig. »Du ungerechter Schafdieb, wie kann's dir das Wasser trüb machen, indem diese wollene Unschuld sich unterhalb des Bachs befindet! Es lauft ja dieser Bach nit zurück!« Ich merke aber wohl: ein Lachender ist leicht zu kitzeln, und oft sucht man eine Ursach, die so klar wie das Schneewasser im Märzen. Desgleichen führt man oft einen blutigen Krieg um einer geringen und wohl auch erdichteter Ursach halber, nur zur Vermäntlung des Übermuts.

Götze und Spatz

Es war ein Götzenbild, worinnen wie gewöhnlich der böse Feind seine Wohnung hatte. Nun hat sich einer befunden, der diesem Götzen wenig Glauben gegeben und geschenkt, wollte demnach hinter die sichre Wahrheit kommen, ob diesem hölzernen Gott zu trauen sei. Zu solchem End legte er einen langen Mantel um, darunter er in der Hand einen lebendigen Spatzen gehalten. Mit diesem Aufzug erscheint er im heidnischen Tempel vor dem Abgott und fragt ganz keck mit diesen Worten: »Bist du ein rechter Gott, so sag, ob das, was ich verborgen in der Hand halte, lebendig oder tot sei.« Der arge Gesell gedachte: wenn der Götz werde sagen, es sei tot, so zeige er geschwind den lebendigen Spatzen; spricht er aber, daß es lebendig sei, so druck er dem Spatzen geschwind den Kopf ein und zeige nachgehends den toten. Auf solche Art und Weis wollte er das Götzenbild leicht zuschanden machen; aber dieser Götz, der mit dem Teufel gefüttert war, wußte den Knopf leicht aufzulösen, gab also keine andre Antwort als diese: »Wie du willst!« In Wahrheit ist in seinem, des Neugierigen, Willen gestanden das Leben und der Tod des armen Vogerl.

Wer aber in dieser schlauen Welt begehrt, fortzukommen und sein gewünschtes Ziel zu erreichen, der muß nit offenherzig sein, der muß das Herz nit in den Händen tragen, wie man pflegt meinen hl. Vatter Augustinus abzumalen, sondern muß die ganze Sach wissen unterm Mantel zu halten; sonst wird ihm einer leicht die Spatzen ausnehmen; der muß den Fuchsbalg als Spalier gebrauchen, darhinter er seinen Schild hängt, damit ein andrer so leicht nit erfahren kann, was er im Schild führe. Er muß sein wie das Wirtshaus zum Weißen Lämbl, wo der Wirt Herr Wolfgang heißt; er muß sein wie die Apothekerpillulen, so von außen ganz verguldet, inwendig aber eine gallsüchtige Materi haben. Er muß sich wissen in alles zu schicken wie ein Schambataschi und Hanswurst-Hut; er muß sich wissen hin und her zu lenden und wenden wie ein Gockelhahn auf dem Turn.

Greisin und Tod

Es ist eine Fabel, aber einer Wahrheit ganz gleich, daß ein armes altes Mutterl einmal in den Wald gegangen, um daselbst Holz zu klauben und zu ihrer Notdurft mit sich nach Haus zu tragen. Wie nun die arme Haut eine ziemliche Bürde zusammengebunden hatte, diese aber aus Schwachheit nit konnte auf den Kopf heben, da hat sie angefangen, inniglich zu seufzen und zu weinen. »Ach«, sagte sie, »ich elende Tröpfin! Ich denk noch wohl, daß mir kein Stiegerl zu hoch gewest, kein Tanz zu lang gewährt hat, keine Arbeit zu stark und hart gewest ist. Jetzt bin ich schon alt und gar nichts nutz mehr. O, mein Gott, nimm mich lieber zu dir! Der alte Kram (wie ich einer bin) hat doch keinen Kauf mehr auf der Welt. O, wär ich halt tot! Oh, wär ich doch tot!« Über diesem kommt und erscheint der Tod persönlich mit seiner Sensen und sagt: »Alte, da bin ich, gleichwie du dir gewünscht und begehrt! Also stell ich mich hier gegenwärtig.« – »Ja, ja«, gerauzt die alt Husterin; »ich gesteh's und kann's nit leugnen: ich hab' dir gerufen, aber nur darum, daß du mir helfest, die Trag(last) auf den Kopf zu heben. Alsdann kannst du wieder hingehn, wo du bist hergekommen.«

Freilich ist dies ein äsopisches Märl und Gedicht; allein es will doch nit unförmlich andeuten, daß die Menschen so ungern sterben und sogar die alten und vielerlebten Leut sich vorm Tod scheuen; aber warum dies? O forchtsame und hasenherzige Adamskinder, ihr betet ja alle Tag im Vaterunser: »Zukomm uns dein Reich!«

Häslein und Igel

Ein armes Hasel hat sich bei rauher Winterszeit einmal ins Loch eines hohlen Felsens retiriert, damit es gleichwohl unter diesem steinernen Dach eine linde Ruh möcht genießen. Es stund aber nit lang an, da kam der Igel, dem ebenfalls das grobe Wetter große Ungelegenheit gemacht, und bat das Hasel gar schön und höflich um eine Herberg. »Mein Haserl«, sprach er, »es ist männiglich bekannt, daß du nit allein große Ohren, sondern auch große Lieb gegen den Nächsten trägst. Weil mich denn das harte und fast unerträgliche Wetter überfallen, so vergönn mir doch ein kleins Winkerl in deiner Wohnung; solche Gnad werd ich zeit meines Lebens nit in Vergessenheit stellen. Ja, künftigen Herbst, will's Gott, werd ich mich mit einer Bütten Äpfel dankbar einstellen und die empfangne Guttat in etwas erwidern.« Das Häsl schaut sich hin und her und vermerkt wohl, daß der Platz ziemlich eng; gleichwohl, auf so freundliches Ersuchen und Anhalten, hat's verwilligt. Der Igel macht sich alsobald und ohne Verweilung ins Hasenzimmerl; es steht aber nit lang an, da fängt er nach und nach an, seine Spitz und Stacheln von sich zu breiten. Das einfältige Haserl glaubte ernstlich, es stächen ihn die Flöh; wie der Igel aber mit völliger Gewalt alle seine Waffen ausstreckt, da hat weder Bitten noch Ermahnungen etwas geholfen, sondern es mußte das arme Häsle die völlige Herberg dem leichtfertigen Schelm überlassen, der doch zuvor nur um ein kleins Winkerl angehalten.

Wenn du willst, aber ich rat's nit, dem Teufel durch die Gedanken das kleinste Platzerl in deinem Herzen erlauben, so wirst du erfahren, daß er mit völliger Gewalt dareinplatzen tue. Wenn du willst, aber ich hoff's nit, dem Satan das geringste Winkerl vergönnen durch bloße Gedanken, so versichre ich dich, daß der Will gar kein Winkelmaß werde halten. Wenn du willst, aber ich glaub's nit, den bösen Gedanken nur eine kurze Zeit zulassen, so sei versichert, daß du an deinem Seelenheil verkürzt werdest. Erlaubst du ihm ein Bisserl, so wirst du schon von diesem höllischen Cerbero oder Höllhund einen Biß empfinden, der dir eine tödliche Wund versetzt.

Des Teufels Jahrmarktstand

Es hat einmal einer gedichtet, daß auf einem vornehmen Jahrmarkt der Teufel auch seine Hütten habe aufgeschlagen, nichts aber anders gehabt habe als Häut