Wolf Schneider

Deutsch für junge Profis

Wie man gut und lebendig schreibt

Inhaltsverzeichnis

Wo liegt das Problem?

WAS FÜR ALLE TEXTE GILT:

Das volle Leben

1 Feurig beginnen

2 Also gut: 20 Sekunden!

3 Die Brezeln und der Zimt

4 Nur einen Bruchteil sagen

5 Meistens viel zu viel – manchmal zu wenig

Die Rückkehr des Wortrauschs

6 Die schöne Redundanz

7 Pfeffer und Pfiff

Zwischenbilanz (1)

Das pralle Wort

8 Mit Silben geizen: Yes, we can!

Wortdreimaster

9 Lasst Verben tanzen!

Passiv und falsches Imperfekt

Rote Karte – Gelbe Karte

10 Mit Adjektiven knausern

Schlussverkauf

11 Der Krampf der Synonyme

12 Die Krux mit den Sprachtabus

13 Die Anglomanie

14 Eierkuchen, Leierkasten

Dreizehn bemooste Textbausteine

15 Woran die Zimmerpflanzen sterben

Zwischenbilanz (2)

Der schlanke Satz

16 Phrasen-Leimer am Werk

17 Der schöne Nebensatz

18 Im Hauptsatz ist die Kraft

19 Nach 6 Wörtern: Sense!

20 Der Atem bringt’s

21 Sätze wie Pfeile

22 Anstandshalber sollte man …

23 Mit Kommas Musik machen

Zwischenbilanz (3): Die elf Gebote des Satzbaus

UNTERSCHIEDE – NACH DEM MEDIUM:

24 Fürs Hören schreiben

25 Die Kunst der Rede

Tucholskys «Ratschläge für einen schlechten Redner»

Brillant, aber gemein (Diskussionsbeiträge, in Jahrzehnten aufgespießt)

26 Die (h)eilige Mail

27 Luther und Twitter – Arm in Arm

28 Blogger contra Journalisten

29 Wo wird gelesen?

Satzverhau zerhacken! Aus den «Textstandards» von Spiegel Online

UNTERSCHIEDE – NACH DEM ZWECK:

30 Die nackte Information

«Liebe» – zum Abgewöhnen

31 Doktorarbeit und Bewerbung

«Fleckenoptionen» – zum Liebhaben

32 Ans Werk!

Namen- und Sachregister

Wo liegt das Problem?

 

Wer schreibt, möchte meistens Leser haben. Aber es wird unendlich viel mehr geschrieben als gelesen. Mails und Briefe haben noch Chancen, weil sie sich an bestimmte Adressaten richten – Blogs, Zeitungsartikel, Pressemitteilungen, Werbetexte landen blind in einer mäßig oder gar nicht interessierten Welt. Sie müssen sich behaupten inmitten von Millionen gedruckter Wörter und der Milliarden, die täglich gemailt, gebloggt, gesimst und getwittert werden. Nicht gelesen zu werden (und schon gar nicht bis zum Schluss) ist ihr bei weitem wahrscheinlichstes Schicksal.

Wer das Unwahrscheinliche schaffen will, der muss sich zwei Einsichten öffnen. Erstens: Der Deutschunterricht hat mich darauf absolut nicht vorbereitet – es reicht nicht, dass die Grammatik stimmt. Ja, stimmen soll sie! Aber gewonnen ist damit noch nichts. Mit perfekter Grammatik lassen sich die scheußlichsten Sätze zimmern – in akademischen, bürokratischen und vielen journalistischen Texten täglich nachzulesen. Auf der Basis der korrekten Grammatik muss ich eine Kunst erlernen, die in der Schule ignoriert worden ist: wie man für Leser schreibt.

Zweitens aber: Ganz ohne Plage geht das nicht. Am Anfang steht die Erkenntnis: Ein Text ist nicht schon deshalb gut, weil er (a) korrekt und (b) von mir ist. «Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor»: Dieser Satz ist von Goethe und völlig falsch. Mit wenig Kunst (oder gar von selbst) läuft gar nichts in der Sprache. Auch Goethe hat gefeilt an seinen Texten, und als Bert Brecht der Satz gelungen war «Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin», hatte er ihn möglicherweise herausgemeißelt aus einem Versuch wie diesem: «Man stelle sich vor, dass kriegerische Handlungen in Ermangelung hinlänglicher Teilnehmerzahlen gar nicht stattfinden könnten.»

Goethe und Heine, Kafka und Brecht: Oft und unerschrocken werden sie im Folgenden zitiert. Denn weit mehr als Deutschlehrer oder Professoren der Germanistik, Linguistik und Literaturwissenschaft sind sie es, die uns helfen: Sie hatten den Ehrgeiz, gelesen zu werden – «Wer aber nicht eine Million Leser erwartet, sollte keine Zeile schreiben», sprach Goethe zu Eckermann.

Die Großen wussten auch, wie man das schafft; und sie zeigen: Was ein guter, starker Satz ist – das hat sich in tausend Jahren nicht geändert. Es gilt für die Bibel und den Blog, den Zeitungsartikel wie den Geschäftsbericht. So können die ersten zwei Drittel dieses Buches von den Regeln und Erfahrungssätzen profitieren, die schon Luther beherzigt und eine moderne Wissenschaft abgesichert hat.

Was Sie schreiben, ist Ihre Sache – aber wie Sie es formulieren sollten, damit es die Chance hat, beachtet zu werden, zu wirken, vielleicht sogar Sympathie zu stiften: Das lässt sich lernen. Mit 32 Rezepten kommen Sie diesem Ziel schon ziemlich nah – und rasch werden Sie die Heerschar der Einfach-drauflos-Schreiber ebenso hinter sich gelassen haben wie die der verkorksten Germanisten.

Zumal, wenn Sie die Sprache lieben. Nur wer sie umarmt, kann ihr schöne Kinder machen.

WAS FÜR ALLE TEXTE GILT: