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Inhalt

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Meinem römischen Freund
Dr. Wilhelm Krammer
gewidmet

Vorwort

Vor inzwischen mehr als fünfzig Jahren erfüllte ich mir den Herzenswunsch, nach Rom zu fahren. Ich war Student und Hilfsassistent im Leopold-Wenger-Institut für römische Rechtsgeschichte der Universität München bei meinem unvergleichlichen, hochverehrten Lehrer Wolfgang Kunkel. Der Hauptassistent – heute einer der Senioren der juristischen Romanistik, Dieter Nörr – gab mir einen Zettel mit der Adresse des Hospizes der Grauen Schwestern in der Via dell’Olmata am Esquilin. Ich fuhr im Nachtzug, selbstverständlich nicht im Schlafwagen, sondern Holzklasse, auf dem zusammengerollten Mantel versuchend zu schlafen, kam an einem strahlend schönen Apriltag in der Früh in Roma Termini an. Ich hatte mich am Stadtplan orientiert: Die Via dell’Olmata war in Fußmarschnähe, mein kleiner Pappkoffer nicht schwer.

Das Hospiz war voll. Eine freundliche Nonne, eine Südtirolerin, sah meine Verzweiflung und gab mir die Dachkammer für, ich erinnere mich genau, 500 Lire. Mit Frühstück. Der Lift ging nur bis in den dritten Stock. In den vierten zur Dachkammer musste man eine enge Stiege hinauf. Gegenüber der Tür zu der im Übrigen gar nicht unbequemen Dachkammer fand sich eine andere, eine Eisentür. Neugierig öffnete ich auch diese. Und ich stand auf der Dachterrasse des Klosters, auf gleicher Höhe wie die Kuppel von S. Maria Maggiore. Und Rom – Rom im ganzen Glanz eines Frühlingsmorgens, mit seinen Kuppeln und Pinien und seinem roten Häusermeer und Staub und Lärm und seiner Herrlichkeit lag vor mir.

Und das hat mich nie mehr verlassen.

Ich blieb eine Woche. In dieser Woche raste ich wie ein Irrer durch die Stadt und versuchte, was unmöglich, alles zu sehen. Vier Museen pro Tag und dazu vierzehn Kirchen, das schafft nur ein enthusiastischer Jüngling. Heute schaffe ich nur mehr ein halbes Museum und zwei Kirchen. Vielleicht sollte ich im Anhang dieses Büchleins eine altersrelative Besichtigungstabelle anfügen.

Meine Liebe galt damals schon, seit einer grandiosen Vorlesung Hans Sedlmayrs (für die ich Sachenrecht II schwänzte), Michelangelo. Gleich am ersten Tag ging ich, der Stadtplan sagte mir, es ist nicht weit weg von der Via dell’Olmata, nach S. Pietro in Vincoli, um Michelangelos Moses anzuschauen. Es war, glaube ich, am zweiten Tag meines damaligen Aufenthalts, wenn nicht sogar schon am ersten: Da fragte mich ein Italiener, sichtlich kein Tourist, vielleicht sogar ein Römer, wie er nach S. Pietro in Vincoli käme. Mit Souveränität wies ich ihm den Weg.

Dies, so bilde ich mir ein, berechtigt und befähigt mich, diese Plauderei über Rom zu schreiben.

Das Besondere an Rom ist, dass es immer Die Stadt war. Die sonstigen Moden wechseln. Einmal ist New York, dann London, bei dem einen Amsterdam und bei dem anderen Bangkok en vogue. Das kommt und geht, Rom aber bleibt die Hauptstadt, die Seele, der Mittelpunkt der Welt: die Stadt, die Stadt schlechthin. Urbs sagten die alten Römer. Urbs mit Zusatz bedeutete irgendeine andere Stadt, urbs allein nur Rom.

Rom wurde im Jahre 753 vor Christi Geburt gegründet, so will es die Legende, so glaubte es schon Tacitus; das heißt: Rom wurde natürlich im Jahr I gegründet. Die Römer zählten a. u. c.: ab urbe condita – ab der Gründung der Stadt, und zwar noch lang bis ins 8. Jahrhundert n. Chr. hinein. Vor der Gründung Roms war dort in den Augen der Römer (auch der heutigen) nichts oder jedenfalls nicht viel. Mit der Gründung Roms beginnt das Weltalter der Vollendung, und deren Hauptstadt ist Rom – Roma aeterna, die Ewige Stadt, Urbs. Das Gründungsdatum war übrigens schon im Altertum umstritten, es schwankte zwischen 746 und 753 v. Chr., aber das Datum 753 setzte sich als »Natalis urbis« (Geburtstag der Stadt) mit der Zeit durch, und so feierte im Jahre 248 n. Chr. der Kaiser Philippus mit dem seine Fragwürdigkeit bezeichnenden Beinamen »Arabs« (einer der zwielichtigsten Soldatenkaiser) das Millennium, das 1000-Jahr-Jubiläum. Das 2000-Jahr-Jubiläum wäre ins Jahr 1248 gefallen. Damals regierte einer der politisch maßlosesten Päpste: Innozenz IV. (1243–1254). Seine Regierungszeit war ausgefüllt mit Kämpfen gegen die Staufer. Der Papst setzte den Kaiser ab, der Kaiser bestritt dem Papst das Recht, einen Kaiser abzusetzen. Die Kreuzzugsidee begann zu pervertieren, die Ungläubigen eroberten Jerusalem: eine turbulente Zeit. Die Stadt Rom war zerfallen und entvölkert, lag in ihrer tiefsten Erniedrigung; von einem 2000-Jahr-Jubiläum ist nichts überliefert. Wahrscheinlich hat gar niemand an dieses Datum gedacht. Im Jahr 2248 wird es anders sein, aber das wird weder der heutige Leser noch der Autor erleben – vielleicht auch die Stadt Rom nicht. Wenn es stimmt, dass durch den Treibhauseffekt und das Abschmelzen der Polkappen das Meer um 10 oder 20 Meter steigt, dann wird Rom zu seinem 3000. Gründungstag eine Unterwasserwelt sein, denn es liegt nur 13 m über Seehöhe. Der Geburtstag der Stadt wird übrigens am 21. April gefeiert, ein Datum, das der gebildete Vielschreiber und Polyhistor M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) auf sehr krummen Wegen errechnet hat.

Wenn Rom, dies eine nicht ganz unnütze Zwischenbemerkung, im Jahr 753 v. Chr. gegründet wurde, wie alt ist es dann heute (2007)? Klar: 753 + 2007 = 2760. Nein. 2759, denn ein Jahr null hat es nicht gegeben. Auf das Jahr 1 v. Chr. folgte, logisch, das Jahr 1 n. Chr. Wenn Jesus also am 25. 12. 1 »v. Chr.« geboren wurde (er hatte den gleichen Geburtstag wie Gott Mithras, dies nebenbei), so war er am 25. 12. 1 »n. Chr.« ein Jahr alt, nicht (1+1) zwei. Man muss also immer x v. Chr. + y n. Chr. – 1 rechnen.

753 v. Chr.: Wer sich die Reihenfolge dreier aufeinanderfolgender ungerader Zahlen von 7 abwärts merken kann, behält auch das legendäre Gründungsdatum Roms im Kopf. 7 behält man leicht, wenn man an Rom denkt. Die heilige Zahl spielt in der Heiligen Stadt oft eine Rolle: Sie ist auf den berühmten Sieben Hügeln erbaut – von denen noch die Rede sein muss –, und die Sieben Hauptkirchen, die auch noch erwähnt werden, sind das Ziel der frommen Rombesucher, sollten es zumindest sein. Die Jahreszahl ist, wie erwähnt, legendär. Der archäologische Befund allerdings, die Datierung der ausgegrabenen Gebäudereste am Südabhang des Palatins – unter ihnen die sog. »Hütte des Romulus« –, deutet aber tatsächlich auf das 8. Jahrhundert vor Christus, und so scheint also auch in dieser Legende ein historischer Kern zu stecken.

Rom, Roma, leitet, hieß es schon in der Antike, seinen Namen vom Gründer Romulus, dem ersten König von Rom, ab. Wer das Museum des Konservatorenpalastes auf dem Kapitol besucht, was unbedingt lohnend ist, findet dort die weltberühmte, vieltausendmal abgebildete Lupa Capitolina, die Kapitolinische Wölfin, eines der Wahrzeichen Roms. Die Bronzeplastik gilt heute als (möglicherweise etruskische) Arbeit des 6. oder 5. Jahrhunderts v. Chr. Die beiden Zwillinge, die die Wölfin säugt, wurden in der Renaissance von Antonio Pollaiuolo (um 1490) angefügt. Ich rechne Pollaiuolo (gelegentlich findet man auch die Schreibweise: Pollaiolo) zu den bedeutendsten Bildhauern Roms neben Michelangelo und Bernini, obwohl der gebürtige Florentiner in Rom nur mit drei Arbeiten vertreten ist: dem Sixtusgrab in der Sakristei von St. Peter, dem Innozenz-Monument im linken Seitenschiff von St. Peter (von beiden wird noch zu reden sein) und eben den nachträglich eingefügten Zwillingen der Lupa Capitolina. Bei diesen Zwillingen handelt es sich um Romulus und Remus, die die Königstochter Rhea Silvia aus Alba Longa (in den Albaner Bergen, dort fahren heute im Sommer die Römer hin, wenn es in der Stadt zu heiß wird) nach einer Vergewaltigung durch den Gott Mars geboren hatte. Rhea Silvia setzte die Neugeborenen aus, aber Gott Mars ließ seine illegitimen Söhne nicht verkommen und schickte eine säugende Wölfin, die die Knaben nährte. (Die Sage ist übrigens erst seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. nachzuweisen.) Später wurden sie von dem Hirten Faustulus und seiner Frau Acea Larentia (oder Larentina) aufgezogen. Schon in der Antike tauchte die ernüchternde Deutung dieser Sage auf: Diese Acea Larentina sei, bevor sie den Hirten Faustulus geheiratet habe und tugendsam geworden sei, eine Dirne gewesen: eine lupa. So erkläre sich die unglaubwürdige Geschichte mit der Wölfin. Wie viel historische Wahrheit in dieser Sage steckt, werden wir wohl nie erfahren, und es sei dem, wie ihm wolle: Am 21. April 753 v. Chr. beschlossen die zu Jünglingen gewordenen Romulus und Remus, eine Stadt zu gründen. Remus stieg auf den Aventin, Romulus auf den Palatin. Sie vereinbarten: Wer mehr Vögel sieht, wird Herrscher der Stadt. Remus sah sechs Geier, über Romulus’ Palatin aber flogen zwölf: Das ist das augurium maximum. Das Augurium, die Vogelschau, galt den Römern neben der Eingeweideschau der getöteten Opfertiere als wichtigstes Mittel, Hinweiszeichen der Götter, günstige oder ungünstige Vorbedeutungen zu erfahren usw., also alles das, wofür heute die Astrologie oder die Demoskopie gut ist. Es gab ein ausgeklügeltes System an Auguria und die eigene Priesterkaste der Auguren, die sich – wie anders – von Romulus, der die zwölf Geier gesehen hat, herleitete. Die Auguren genossen großes Ansehen, aber sie waren auch Ziel des Spottes von nüchternen Zweiflern. Schon Cato vermutete, dass die Auguren sich das Lachen verbeißen müssen, wenn sie einander auf der Straße begegnen. Die Auguren, die auf Kosten der Abergläubischen leben, zwinkern sich zu. Manche meinen, das Augurenlächeln sei noch heute in Rom zu beobachten. Die Auguren heißen heute, sagen sie, Monsignori. Schließlich hat auch Papst Leo I. (440–461) einen heidnischen Priestertitel übernommen, und seitdem führen ihn alle Päpste: Pontifex maximus. So hieß der höchste römische Priester. Cäsar war Pontifex maximus, und von Augustus an führten alle Kaiser diesen Titel bis zu Gratianus (378). Der schon genannte Varro meinte, Pontifex käme von pons = Brücke und facere = machen, bedeute also: Brückenmacher, eine schöne Etymologie, die die Päpste natürlich gern hören – sie bauen Brücken für die Seelen ins jenseitige Paradies. Die Etymologie stimmt aber nicht. Das Wort kommt wahrscheinlich von einem anderen pons, was Pfad bedeutet. Der Pontifex maximus wäre also dann der Große Pfadfinder. Auch schön.

Zurück zum 21. April 753: Romulus hatte gesiegt. (Wer hat die Zahl der Geier nachgeprüft? Nur er selbst? Das Verfahren ist Tradition geblieben. Die Begründung der Seligsprechung des Opus Dei – Gründers erinnert daran.) Er baute seine Stadt auf dem Palatin. Er nahm einen Pflug und furchte ein Quadrat: den Umfang der Stadt und den Verlauf der Stadtmauer. Dort, wo in der Mauer ein Tor sein sollte, unterbrach Romulus die Furche, indem er den Pflug ein Stück trug. Tragen heißt auf lateinisch portare, und daher heißt Tor porta. (Leider ist auch diese Ableitung fragwürdig, aber sie ist zu schön, um unterdrückt zu werden.) Im Lauf des Tages – das neue Rom, dieses Viereck: Roma quadrata war nicht sehr groß – führte Romulus dann die Stadtmauer auf. Remus, der seinem Bruder zeigen wollte, wie lächerlich diese Mauer ist, sprang höhnisch drüber. Da erschlug Romulus den Remus. Es war der erste politische Mord in Rom. Es sollten unzählige folgen, denen Kaiser, Consuln, Senatoren, Päpste, Bischöfe, Patrizier, Barone, Generäle, Revolutionäre, schöne Frauen, alte Hexen, junge Cavaliere und greise Gelehrte zum Opfer fallen sollten. Der letzte ist heute sicher noch nicht begangen. Wollte man alle Namen der Mordopfer hintereinanderschreiben, reichte dazu vielleicht nicht einmal die Aurelianische Mauer; das ist die immer noch an vielen Stellen aufragende mächtige Stadtmauer, die Kaiser Aurelian und seine Nachfolger 280–289 n. Chr. errichtet haben und die 18 837 m lang ist. (Aurelian selbst gehört auch in die Liste der Opfer. Er wurde von seinem Sekretär Eros ermordet.) Keinesfalls aber die weit kürzere Servianische Mauer (auch von ihr sind, zum Beispiel am Aventin, noch Reste zu sehen), die angeblich vom sechsten König von Rom, Servius Tullius, in Wirklichkeit aber zu Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. aufgeschichtet wurde. Sie war 11 km lang. Von der Mauer der Roma quadrata droben auf dem Palatin ist freilich nichts mehr zu sehen. In allerjüngster Zeit wurde allerdings am Fuß des Palatins auf der Forumseite gegraben, und in der Nähe des Titusbogen sind Reste gefunden worden, die sich vielleicht der Roma quadrata zuordnen lassen könnten.

Rom, Roma: Die wirkliche Herkunft des Namens ist strittig. Nur dass er nicht von Romulus kommt, darüber sind sich die Gelehrten einig. (Es ist vermutlich so, dass die Sage aus dem Namen der Stadt den ihres angeblichen Gründers gebildet hat.) Uneinig ist man sich darüber, ob der Name eine lateinische oder eine etruskische Wurzel hat; die einen sagen, es bedeute »Stadt des Flusses«, die anderen, es komme vom etruskischen Familiennamen Ruma. Es sei dem wieder, wie ihm wolle: Am Anfang, als einer, den wir halt doch Romulus nennen wollen, die Roma quadrata erbaute, war die Gegend an der doppelten Tiberschleife eine ungesunde Sumpflandschaft. (Ungesund ist sie heute noch, Sumpf nur im politischen oder moralischen Sinn, aber das auch nicht mehr als anderswo.) Aus ihr ragten einige relativ trockene, bewaldete Hügel: die Sieben Hügel Roms.

Die Frage danach, wie die Sieben Hügel heißen und überhaupt: wie viel Sieben Hügel (acht? zwölf? vierzehn?) es gibt, wird nicht nur alle Römer, die in der Regel ihre Stadt überhaupt nicht kennen (fragen Sie nie einen Carabiniere nach einer Sehenswürdigkeit), sondern auch jeden Kenner Roms, vor allem aber jeden Archäologen in Verlegenheit bringen. Die gängige Aufzählung beginnt mit dem Capitol, dann folgen jenseits des Forums Palatin und südlich davon, den Tiber flankierend, der Aventin. Der Name »Palatin«, von dem sich unser Lehnwort »Palast« ableitet, stammt erst aus der Renaissance. Im Altertum hieß der Hügel »Palatium«. Wie drei Finger ragen dann ungefähr parallel von Nordosten her Quirinal, Viminal und Esquilin gegen Capitol und Forum herunter – ragten, denn der Viminal musste den exzessiven Bebauungen in den Jahren 1880, 1890 der heutigen Via Nazionale entlang weichen und wurde so gut wie ganz abgetragen. Als siebenter Hügel gilt vielfach (und wohl mit Recht) der Caelius (Monte Celio), der hinter dem Colosseum aufsteigt. Der bedeutendste Hügel, eigentlich eher schon ein Höhenzug westlich der Stadt: der Janiculus (Gianicolo), hat nie als römischer Hügel gezählt, weil er jenseits des Tiber liegt. Das rechte Ufer heißt: das tuszische oder etruskische Ufer, im Gegensatz zum lateinischen Ufer links. Das jenseitige Tiberufer zählte noch im 13. Jahrhundert nicht zu Rom – mit Ausnahme des Stadtviertels Trastevere –, und, staatsrechtlich gesehen, begann in den Augen der mittelalterlichen Päpste an der Engelsburg Tuszien: die Toscana. Deswegen wurden die Römisch-Deutschen Kaiser auch nicht in der eigentlichen Hauptkirche Roms, der Lateran-Basilica, gekrönt, sondern in St. Peter, das am tuszischen Ufer, also außerhalb der Stadt, liegt. Es gab Fälle, in denen den Kaisern nach ihrer Krönung in St. Peter nicht gestattet wurde, die eigentliche Stadt zu betreten. Das hatte allerdings meist auch praktische Gründe: Die Römer wollten das plündernde Gesindel, das die Kaiser als Gefolge dabeihatten, nicht innerhalb ihrer Mauern haben.

Als im Mai 1433 Sigismund der Luxemburger als einer der letzten deutschen Könige, dem solches gelang, in Rom vom Papst (es war der wankelmütige Venezianer Eugen IV.) zum Kaiser gekrönt wurde, durfte er zwar grade noch im traditionellen Krönungsritt zum Lateran, wobei aber wohlweislich der Soldan (= Polizeipräfekt) das Pferd am Zügel führte, die eigentliche Stadt betreten, die den gebildeten Sigismund interessierenden Sehenswürdigkeiten aber danach nur als Privatmann besichtigen. Ob der tatsächlich letzte, ca. 20 Jahre später in Rom gekrönte Kaiser, nämlich Friedrich III., irgendwelche Sehenswürdigkeiten zu besichtigen wünschte, ist nicht überliefert.

Nicht gerade zur Vereinfachung der Sieben-Hügel-Frage trägt die Tatsache bei, dass der Palatin eigentlich aus drei Hügeln besteht, die gelegentlich für je einen gezählt werden: der eigentliche Hügel Palatium an dem Ende des Hügelzuges, der zum Circus Maximus hin abfällt und auf dem auch die Ausgrabungen des Ur-Rom zu finden sind, dann der Germalus und, den der Titusbogen krönt, Velia.

Nochmals zu den Sieben Hügeln: So bedeutende Erhebungen wie der Monte Pincio, auf den eins der berühmtesten Wahrzeichen Roms, die Scalinata di Piazza di Spagna (Spanische Treppe), hinaufführt, gekrönt von der doppeltürmigen Kirche Trinità dei Monti, die wiederum flankiert wird von dem weltberühmten Hotel Hassler-Villa Medici, der allerdings heute kaum noch als solcher zu bemerkende Vatican-Hügel, der Monte Mario, sie alle werden nicht zu den Sieben Hügeln gezählt. Aber selbst Esquilin, Viminal und Quirinal sind zweifelhaft.

Und selbst der Capitolshügel besteht aus zwei Hügeln. Wer in der Nähe dort am Senatoren-Palast vorbei die schmale Gasse zum Forum hinuntergeht, der bemerkt, dass er zwischen zwei Hörnern der Hügelkuppe steht. Das »Horn« rechts ist das eigentliche Capitol – dort stand der römische Haupttempel, der des Jupiter Capitolinus, von dem kaum noch Reste vorhanden sind – und links die Arx, heute überbaut von der Kirche S. Maria in Aracoeli, überragt von der immerwährenden Scheußlichkeit des Victor-Emanuel-Monuments, das allerdings vor einiger Zeit aufgewertet wurde. Der »Complesso del Vittoriano« ist renoviert und wird als »spazio museale« für wichtige, wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst benutzt. Von der jetzt begehbaren Terrasse aus hat man eine schöne Aussicht – einmalig deswegen, weil nur von hier aus der Vittoriano den Blick nicht beeinträchtigt. Das »Tal« dazwischen hieß Asylium, weil dort ein Tempel des im Übrigen recht rätselvollen Gottes Asylius stand, der eine gesetzlich garantierte Zufluchtsstätte war; daher unser heutiges Wort Asyl. Auf dem Arx-Hügel stand der Tempel der Juno Moneta, der »Mahnenden Juno«. In der Nähe oder sogar in einem Nebengebäude des Heiligtums der Juno Moneta befand sich seit 269 v. Chr. die römische Münzpräge. Daher verschob sich der Begriff Moneta auf das Geld. Unser Wort Münze kommt daher. Lassen wir uns also gelegentlich, wenn wir eine Münze in die Hand nehmen, an die Juno gemahnen. (Der Staatsschatz des Römischen Reiches – Aerarium Saturni – wurde im Saturntempel auf dem Forum von den Quaestores verwahrt.)

Es ist also das Beste, wenn man auf die Frage: Wie heißen die Sieben Hügel Roms? antwortet: Das kommt darauf an; und: Das ist eine sehr komplizierte Frage, die nicht mit einer Aufzählung von sieben Namen beantwortet werden kann.

Auf dem von Michelangelo entworfenen Platz zwischen Konservatorenpalast, Kapitolinischem Museum und Senatorenpalast (dem römischen Rathaus), im Zentrum eines großen Pflastersterns steht eins der schon im Mittelalter berühmtesten Monumente: das Reiterstandbild des Kaisers Marc Aurel, der mit vollem Namen und Titel, um auch so etwas einmal zu erwähnen: Imperator Caesar Marcus Aelius Aurelius Antoninus Augustus Pontifex Maximus hieß (161–180). Wer diese monumentale Bronzeplastik, eine bildhauerische Arbeit von allerhöchster Qualität geschaffen hat, weiß man nicht. Das Standbild zeigt den Kaiser als Triumphator, das wohl porträtgenaue Gesicht drückt Weisheit und Geist dieses Philosophen auf dem Thron aus. Wo dieses früher vergoldete Monument stand, ist strittig. Es blieb erhalten und wurde nicht eingeschmolzen wie hunderte andere, weil man den dargestellten Monarchen für den »christlichen« Kaiser Constantin hielt. Seit etwa 1000 ist es als vor der Lateranbasilika stehend dokumentiert, 1538 ließ es Papst Paul III. (immer noch für den Constantin haltend) im Zuge der Neugestaltung des Platzes durch Michelangelo hierherbringen. Jahrelang stand der Sockel leer, weil das umweltgeschädigte Bildwerk restauriert werden musste. Man entschloss sich dann dazu, das Original nicht mehr auf den Sockel zurückkehren zu lassen. Es steht seit 2005 unter Glas im neuen Flügel des Konservatorenpalastes, wohin seitdem auch ein unterirdischer Gang vom Kapitolinischen Museum aus führt. Auf dem Sockel steht eine vorzügliche Kopie, die, vermute ich, infolge ambientalen Dreckbeschusses so alle Heiligen Jahre ausgewechselt werden kann. (Heilige oder Jubeljahre, um dies hier en passant zu erwähnen, hat Papst Bonifatius VIII. erfunden: 1300, sollte alle hundert Jahre stattfinden. Weil es so schön war und weil er auch eins haben wollte, verkürzte Clemens VI. 1343 die Frist auf fünfzig Jahre, Urban VI. 1389 auf 33 und Paul II. 1470 auf 25 Jahre. Die Jubelablässe brachten, NB! auch deswegen die erhöhte Frequenz, viel Geld.)