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ÜBER DEN AUTOR

Gerhard Polt, geboren am 7. Mai 1942 in München, studierte in Göteborg und München Skandinavistik. Seit 1975 brilliert er als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet. Sein gesamtes Werk erscheint bei Kein & Aber.

ÜBER DAS BUCH

Und wer zahlt's? versammelt Schärfstes und Feinstes aus Gerhard Polts Bühnennummern über intolerante Nachbarn, spanische Rentner, die bayrische Schulbildung oder über die deutscheste aller deutschen Fragen: wer zahlt’s? mit scharfsinnigen Ein- und verblüffenden Ansichten, wie z.B. »Armut ist ohne Geld nicht denkbar.«

INHALTSVERZEICHNIS

Der Gedanke

Quanto costa

Toleranz

Bildung

Olé

Realität

Historische Dimension

Freiheit

Future Realities

Piercing

Ein Zetteli

DER GEDANKE

Äh – ja, sagen wir mal so, das war – also im Grunde genommen – der – der Doktor – also – der Doktor Bödele, das Ganze geht ja vom Doktor Bödele aus. Ich hab auch nicht damit gerechnet, gell, ich bin ja dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich bin – ich bin – durch den Gang gegangen, weil ich wollte aufs Klo, da bin ich dem Doktor Bödele in den Wurf gekommen. Ich hab ja nicht damit gerechnet. Da kommt er, der Doktor Bödele, und da sagt er, weil er sagt, am Montag – am Montag sagt er, gibt es ein Buffet, und dann wird dieses Trainingsabschlußgespräch gemacht, wegen die … und so weiter. Und er sagt, dann, bei diesem Anlaß machen wir auch gleich die Verabschiedung von Herrn Dietz, gell – von der Auslieferung, also vom Dispatch – vom Dietz, weil der Dietz ist doch aus der Firma ausgeschieden – worden, und – und dann sagt der Doktor Bödele: »Und Sie, bitte machen Sie sich einen Gedanken, und den können Sie dann da hervorbringen.« Da hab ich noch gesagt: »Was! Über den Dietz?« – »Ja«, sagt er, »machen Sie sich einen Gedanken.«

Und, weil, ich mein – sonst reden sie immer von Sparmaßnahmen. Da hab ich noch gesagt: »Ja, Herr Doktor Bödele, wer macht sich denn heute noch einen Gedanken selber?« Ich sag: »Vielleicht, ja, weil vielleicht haben wir noch einen übrig. Da könnten wir den verwenden – irgendeinen Secondhand-Gedanken, oder? Gut recycelt oder irgendwie …« – »Nein«, sagt er. »Sie machen das.« – Ja, was soll ich machen? Der Ober sticht den Unter. Ich hätte natürlich dem Doktor Bödele widersprechen können, aber das mach ich nicht. Ich bin ja nicht blöd. Ja, also es hat nichts geholfen. Und ich muß wirklich sagen, diese Woche – diese Woche, das vergeß ich nicht mehr. Diese Woche. Penetrant. Und Sie wissen, wie die Frauen sind. Und meine Frau. Permanent, gell. – Ständig: »Hast du dir den Gedanken schon gemacht?« Sag ich: »Ich bin ja grad dabei.« – »Ja, du weißt, am Montag mußt du mit dem Gedanken herkommen, wann kommt er denn?« Sag ich: »Ja, frag ihn selber.« Ah geh!

Ja, wo ist er, der Gedanke? Wo? Sag ich: Wo? Ich bin ja sowieso allergisch … diese, diese, diese Wie-Fragen: warum, weshalb, wann, wie – und vor allem, wo. Das Wo kann ich überhaupt nicht … wenn ich »Wo« höre, wird’s mir schon schlecht. Weil – das ist eine der deutschesten Fragen. Entschuldigung, wenn ich das so sage. Nein, das stimmt. Das bringt nur ein Deutscher fertig. Nur ein Deutscher bringt es fertig, einen Hund, wenn der am Trottoir da sitzt – zu ihm hinzugehen und ihn zu fragen: Ja, wo ist er denn? Und der Hund, weil er von der Frage überrumpelt ist natürlich, sagt nichts. Und da sagt der Deutsche zu ihm: Ja, da ist er ja! – Glauben Sie, daß das ein Engländer macht? Glauben Sie, ein Englänger geht zu einem Hund hin und fragt ihn: Where is he? Und wenn der Hund nichts sagt: Ah, he is here. Also, so ein Schmarrn. Die Engländer haben ja ganz andere Fragen. Die Engländer sagen: To be or not to be, that’s the question. Die Engländer haben eine Question, und wir fragen: Ja, wo ist er denn? – Na ja, Schwamm drüber.

Aber eins muß ich sagen. Also, tatsächlich, ich geb es ja zu. Ich geb es ja zu! Am Donnerstag war der Gedanke noch nicht anwesend. Und am Freitag auch nicht. Jetzt hab ich schon gemerkt, jetzt wird’s eng. Ja, wo bring ich jetzt den Gedanken her, wie mach ich das? – Einer, der fischt, der angelt, der weiß das. Der sagt: Wenn ich einen Fisch will, dann muß ich an den Haken ein Ding hinhängen, einen Köder … einen Köder, kein Köter, ein Köder. Ein Köter kann man für einen Haifisch hinhängen, aber … ich mein einen Köder, einen Lockvogel, damit er anbeißt, der Fisch. Aber was kriegt jetzt der … worauf beißt denn der Gedanke an? Jetzt hab ich mich entschlossen, daß ich ihm eine Zwei-Liter-Bombe Valpolicella hinstelle.

Wenn er kommt, der Gedanke, bei mir kommt er rein ins Wohnzimmer, sieht den Valpolicella, dann – sssssst – dann kreist er drum herum, und – pffuuuit – dann hab ich ihn gefaßt. Aber der Gedanke hat auf den Valpolicella nicht angesprochen, jetzt war ich gezwungen, noch zwei Flaschen Bardolino nachzuschieben. Auch umsonst. Ich hab dem Gedanken alles an Lockmitteln, was ich zur Verfügung gehabt hab, habe ich ihm hingestellt: Marillenschnaps, Zwetschgenwasser, einen Obstler hab ich ihm hin, ein Wodka hab ich ihm hin, ein Rum hab ich ihm hin und zum Schluß noch einen Jägermeister. Ich war am andern Tag wie gerädert – aber gedankenlos. Da sieht man, wie man diesen Gedanken ausgeliefert ist. Diese Gedanken kommen, kommen nicht, die machen, was sie wollen. Da kann ich hinstellen, was ich will. Da merkt man … diese Ohnmacht, diese … diese Gedanken sind ein ambulantes Geschwerl, unzuverlässig. – Bitte? Ja, zum Beispiel einem Spezi von mir, dem Hinrenner Rudi … dem Rudi, dem ist das passiert. Der Rudi sagt’s ja selber: Es ist ihm widerfahren. Der Rudi sagt: Ihm ist ein Gedanke förmlich entwischt, gell – der Gedanke, sagt er, ist ihm ausgekommen. Und der Rudi sagt: Er hat gar nicht gewußt, daß er einen gehabt hat. Der Rudi sagt: Wahrscheinlich war’s bloß ein Hintergedanke. Der Rudi sagt: Wenn er gewußt hätte, daß er einen hat, hätte er ihn ja versteuert.