Robert Bouchal
Gabriele Lukacs

Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien

Verborgene Zeichen &
Versteckte Botschaften

 

Inhalt

Cover

Titel

Bilder zum Buch

Mystery Tour durch Wien

Gibt es einen Da Vinci Code in Wien?

DAS LETZTE ABENDMAHL und die vier Da Vinci Codes

Leonardo da Vinci - rätselhaftes Universalgenie

Die Minoritenkirche - Tempel der Eingeweihten?

Das Wiener Abendmahl - besser als das Original

Die vier Da Vinci Codes

MARIA MAGDALENA und die Blutlinie

Der Maria Magdalena-Mythos

Magdalenenverehrung in Wien

Die Blutlinie: Merowinger – Lothringer – Habsburger

Ein Habsburger in Rennes-le-Château

DIE SUCHE NACH DEM HEILIGEN GRAL

Der Wiener Gral

Die Reichskrone

Der Speer des Schicksals

Das Wiener Schweißtuch der Veronika

DIE TEMPLER

Templerlegenden

Die Templer in Österreich

Der Baphomet

Zeichen und Symbole der Templer

DIE FREIMAURER

Geschichte der Wiener Logen

Die Kaiserin und ihre Freimaurer

Bruder Mozart

Die Wiener Großloge „Zum Rauhen Stein“

Freimaurer im Kahlenbergerdorf

DIE ILLUMINATEN

MYSTISCHE ORDEN und ihre LOGEN

Die Templaisen – Georgskapelle als geheimer Versammlungsort?

Die Ritter vom Goldenen Vlies

Die Prieuré de Sion

Die Menagerie des Kaisers

GOTISCHE KATHEDRALEN

DER STEPHANSDOM

Symbole und Zahlenmystik

AEIOU – Das mystische Motto Österreichs

Alphabetum Chaldaeorum

05 – Geheimcode des Widerstands

Der Meridian von Wien

VERBORGENE ZEICHEN & VERSTECKTE BOTSCHAFTEN

tacui – Der Code des verschwiegenen Heiligen

Chronogramme: Codes der Barockzeit

Der Davidstern – eine Wiener Erfindung!

ANHANG

Begriffserklärung

Quellen und Literatur

Internet, Lexika, Periodika

Bildnachweis

Danksagung

DIE FÜHRUNG ZUM THEMA

WORT DES FOTOGRAFEN

Impressum

Eine Stadt im Sternzeichen Zwilling: Blick auf die Wiener Innenstadt mit der Minoritenkirche im Vordergrund.

Die Hofburg in Wien, Aufbewahrungsort des Wiener Grals.

MYSTERY TOUR DURCH WIEN

Die Traumstadt Wien, die „Weltstadt mit Herz“, ist bekannt für ihr mondänes Flair und ihre prunkvolle Architektur, ihre stilvollen Kaffeehäuser und gemütlichen Heurigenlokale. Aber kennen Sie auch das mystische Wien hinter den glanzvollen Fassaden? Die rätselhaften Codes, Zeichen und Botschaften, die sich in Wiener Kirchen, Palästen und Häusern verstecken?

Wien war immer schon eine Stadt mit zwei Seiten, einer hellen, weltoffenen und einer dunklen, verborgenen. In der Astro-Geomantie, einem Zweig der Astrologie, die einem Standort mittels intuitiver Methoden ein Sternzeichen zuordnet, gilt Wien als Stadt des Sternzeichens Zwilling, also jenem Zeichen, das die Doppelnatur zum Ausdruck bringt. Wien ist sowohl eine westliche als auch nach Osten orientierte Stadt, am Schnittpunkt zweier großer Kulturen, modern und konservativ zugleich, weltoffen, aber auch provinziell, nicht unüberschaubar groß, aber auch nicht dörflich, scheinbar ewig fröhlich und doch sehr melancholisch, lebenslustig mit einer merkwürdigen Affinität zum Tod. Bei all diesen gegensätzlichen Eigenschaften wundert es nicht, dass es eine helle und auch eine dunkle Seite in dieser Stadt gibt.

Seit dem Jahr 2009 veranstaltet die „Arbeitsgruppe Wienfuehrung“ (www.wienfuehrung.com) im Rahmen ihres Programms „Wien für kluge Leute“ einen Stadtspaziergang mit dem Titel „Auf den Spuren des Da Vinci Codes durch Wien. Fiktion und Wahrheit“, ausgearbeitet und durchgeführt von der Historikerin DDr. Anna Ehrlich und der Wiener Stadtführerin Mag. Gabriele Lukacs.

Das große Interesse und die Faszination an diesem Thema bei Einheimischen und Wien-Besuchern veranlasste mich, dieses Buch über den geheimnisvollen Da Vinci Code in Wien zu schreiben. Als Hobby-Historikerin und Stadtführerin begab ich mich auf die Spuren des geheimnisvollen Grals und der Templer in Wien und versuchte die Geheimnisse überlieferter Legenden zu ergründen. Der bekannte Fotograf Robert Bouchal teilte meine Entdeckerfreude und setzte viele unbekannte Details gekonnt in Szene.

Unsere Wanderung durch Wien führt uns durch mittelalterliche Kirchen, zu Logen der Geheimbünde, in Reliquienkammern und zu unterirdischen Versammlungsräumen. Am Ende unserer Tour durch das „Verborgene Wien“ werden auch Sie die Codes und Geheimzeichen entschlüsseln können.

Eine spannende Lektüre und viel Vergnügen bei einem Spaziergang durch das Wien des „Da Vinci Codes“ wünschen

Gabriele Lukacs und Robert Bouchal

GIBT ES EINEN DA VINCI CODE IN WIEN?

Die Romane „Da Vinci Code“ und „Illuminati“ des US-Autors Dan Brown und deren Verfilmungen sind zum Thema Nr. 1 bei Krimi-Fans und unter Verschwörungstheoretikern geworden. „The Da Vinci Code“ (in der deutschen Übersetzung „Sakrileg“) hat Leonardo da Vincis Gemälde „Das Letzte Abendmahl“ und seine vielfältigen Interpretationen zum meist diskutierten Thema der letzten Jahre gemacht.

Der über 80 Millionen Mal verkaufte und in 51 Sprachen übersetzte Roman stellt einige historisch nicht beweisbare Behauptungen auf, die zwar polarisieren, aber scheinbar den Nerv der Zeit getroffen haben, unter anderem:

Der Da Vinci Code – Das Sakrileg

Der Begriff „Da Vinci Code“ wurde von Dan Brown geprägt. Man versteht darunter die Theorie, in Leonardos Abendmahl-Gemälde sei eine codierte, also verschlüsselte Botschaft versteckt. Das Wort Sakrileg leitet sich aus dem lateinischen „sacer“ für „heilig“ und „legere“ in der Bedeutung von „stehlen“ ab. Gemeint ist damit ein Vergehen gegen heilige Objekte oder Personen.

Nach Meinung von Dan Brown ist in Leonardos Gemälde ein Sakrileg verborgen, nämlich die Behauptung, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet gewesen wäre. Die Tatsache des Fehlens des Abendmahlkelches, des Heiligen Grals, im Gemälde beweise, dass Maria Magdalena der Kelch sei. Sie habe ein Kind von Jesus unter ihrem Herzen getragen, welches sie nach ihrer Flucht in Frankreich geboren hätte. Sie sei der wahre Gral und aus dieser Blutlinie gäbe es angeblich Nachkommen, die heute noch in Frankreich leben.

Diese Annahme steht im Gegensatz zum kirchlichen Dogma, wonach Maria Magdalena nur eine Jüngerin Jesu war. Die katholische Kirche versuche – laut Dan Brown – fieberhaft, dieses Geheimnis zu verschleiern und nur wenige Eingeweihte, unter anderem Leonardo da Vinci, hätten davon gewusst.

Diese Aussage zum Maria-Magdalena-Mythos und dem Gral ist nicht neu, sie stammt auch nicht von Dan Brown. Er verpackte in seine Romane jahrhundertealte Überlieferungen, die in ähnlicher Weise bereits 1984 von den englischen Autoren Lincoln, Baigent, Leigh in ihrem Buch „Das heilige Blut und der heilige Gral“ publiziert wurden. Die englischen Autoren stützen sich wiederum auf ältere Quellen, die von den Katharern und Bogomilen, christlichen Sekten aus dem 10.–15. Jahrhundert, stammen. Sie verfolgten die Spur zurück bis zu den Merowingern, dem ersten Königsgeschlecht der Franken aus dem 5. Jahrhundert, die von sich eine göttliche Abstammung behaupteten. Die mündliche und schriftliche Überlieferung all dieser Behauptungen ist bereits zum Mythos geworden und kulminierte in Dan Browns Bestseller „The Da Vinci Code“. Der US-Autor wurde sogar wegen Plagiats geklagt, weil er aus diesem Werk abgeschrieben habe. Kürzlich wurde er freigesprochen und die Gegner zu 4,5 Millionen Euro Strafe verurteilt. Im Freispruch hat der Richter eine Botschaft verschlüsselt 

Des Richters doppelter Da Vinci Code

Der Wiener Zeitungsredakteur Dr. Herbert Kaspar veröffentlichte in der „Wiener Zeitung“ einen humorigen Artikel anlässlich der Filmpremiere von „The Da Vinci Code“. Just am 20.06.2006 – als ob auch er einen Code in seinem Bericht verstecken wollte.

In Wien, schreibt er, habe es einen bekannten Rechtsanwalt gegeben, der seine Eingaben bei Gericht in Versform zu verfassen pflegte. Witzige Richter hätten dann in Reimen geantwortet.

In Großbritannien, im Land der schrulligen Käuze, hat sich eine ähnliche Episode ereignet. Jener Richter, der das Verfahren im Plagiatsprozess gegen Dan Brown führte, hat zum Gaudium der versammelten Presse, die des Richterspruchs gespannt harrte, einen Code im Urteil eingebaut – getreu dem Gegenstand des Verfahrens, dem „Da Vinci Code“.

Der angesehene 54-jährige High Court Judge Sir Peter Smith fällte das Urteil zu Gunsten von Dan Brown mit der Begründung, das Thema wäre schon früher vielfach behandelt worden, und sprach ihn vom Plagiat frei. In seiner Urteilsbegründung versteckte der Richter selber einen Code, den die Presse sehr bald knackte und darüber berichtete.

Es war aufgefallen, dass sich auf den ersten 13 Seiten der Urteilsbegründung im Text verstreut Kursiv-Buchstaben fanden. Die Aneinanderreihung der Buchstaben ergab eine zunächst unverständliche Textmasse, die dann durch Anwendung der „Fibonacci-Folge“ – die wiederum im „Da Vinci Code“ eine wichtige Rolle spielt – gelöst werden konnte.

Die entschlüsselte Botschaft war folgende: „Smithy Code: Jackie Fisher, who are you? Dreadnought“.

Damit spielte der schrullige Richter auf sein Hobby, die britische Militärgeschichte, an. Jackie Fisher ist der nach Horatio Nelson bekannteste Admiral der britischen Marinegeschichte. Er rüstete die Royal Navy im Ersten Weltkrieg auf und revolutionierte den Seekrieg mit den „dreadnoughts“ genannten Schlachtschiffen.

Weil der Prozesstag mit einem Jahrestag der Marinegeschichte zusammenfiel und der Richter sein Idol ehren wollte, versteckte er die Botschaft von den „dreadnoughts“ im Gerichtsurteil.

In einem Interview betonte er: „Ich habe niemals angenommen, dass es jemand bemerken würde. Ich habe die Geschichte zu meinem eigenen Vergnügen erfunden und die Lösung hat nichts mit dem Fall zu tun.“ Die ganze Sache hatte nur 40 Minuten seiner Zeit in Anspruch genommen.

Wie wär’s mit Wien, Dan Brown?

Wäre Wien – nach Paris und Rom – nicht die perfekte Stadt für einen weiteren Thriller über den Gral, die Templer und andere Geheimbünde? Wäre Wien nicht wie geschaffen dafür, in alten Katakomben unter dem Stephansdom nach den Templern oder in den verschlossenen Archiven der Habsburger nach der Blutlinie zu suchen?

Es ließe sich eine packende Story über die Wiener Rosenkreuzer, Alchemisten und Illuminaten inszenieren. Pyramidengräber, Obelisken, Engel und Dämonen – das gibt es alles auch in Wien. Und welche Stadt, außer Valencia, kann mit einem „echten“ Gral aufwarten? Oder mit den „wahren“ Nachfahren der Merowinger?

Begeben wir uns auf Spurensuche durch das geheimnisvolle Wien der Codes und Geheimzeichen. Verfolgen wir die Spuren der Geheimbünde, deren Rituale noch heute lebendig sind. Am Ende unseres „Pfades der Erleuchtung“ werden auch wir uns zu den „Eingeweihten“ zählen dürfen.

Nur wenige kennen die Bedeutung dieses Schatzes: Mosaikbild des „Letzten Abendmahls“ in der Minoritenkirche.

LEONARDO DA VINCI – RÄTSELHAFTES UNIVERSALGENIE

Leonardo wurde am 15. April 1452 in Vinci, einem Dorf 30 Kilometer westlich von Florenz, als unehelicher Sohn eines Notars geboren. Nach neuesten Forschungen, die im Jahr 2008 vom Da Vinci-Institut veröffentlicht wurden, waren Leonardos Eltern der 25-jährige Notar Piero da Vinci und mit hoher Wahrscheinlichkeit die getaufte, damals 22-jährige, arabische Sklavin Caterina, die bei Piero vorübergehend als Magd arbeitete.

Die Mutter heiratete wenig später einen Töpfereibesitzer aus Vinci und bekam fünf weitere Kinder. Der Vater Piero war insgesamt viermal verheiratet und hatte aus den letzten beiden Ehen neun Söhne und zwei Töchter. Leonardo wurde von seinem Vater als leiblicher Sohn anerkannt.

Leonardo da Vinci, Selbstbildnis um 1512 (Rötelzeichnung, Biblioteca Reale, Turin)

Sein Talent zeigte sich früh und so erhielt er schon als Kind Mal- und Zeichenunterricht. Als junger Maler wurde er an den Hof der Medici verpflichtet und war Zeit seines Lebens Hofmaler in Adels- und Königshäusern.

Leonardo starb 68-jährig am 2. Mai 1519 in Frankreich, im Schloss Cloux bei Amboise. Sein Grab befindet sich in der Kirche des Hl. Florentin. Leider wurde es im 16. Jahrhundert zerstört, sodass Leonardos sterbliche Überreste für immer verloren sind.

Heute ist sein Geburtshaus in Vinci ein Museum und Forschungsinstitut. Über einhundert Modelle seiner Erfindungen, Proportionsstudien und Entwürfe zu seinen Bildern sind dort ausgestellt. Die interaktiven Modelle seiner Kriegsmaschinen werden auf Ausstellungen in der ganzen Welt präsentiert. Auch in Wien waren sie bereits mehrmals in den Ausstellungsräumen unter dem Schottenkloster zu sehen.

Malerei – Mathematik – Geometrie

Leonardo da Vinci hat vollkommene Bilder gemalt. Jede Person, jedes Architektur- oder Landschaftsdetail ist räumlich exakt berechnet. In seiner „Proportionsstudie“ hat er die Proportionen des Menschen genau studiert und in Beziehung zur Geometrie, nämlich Kreis, Quadrat und Dreieck, gesetzt. Die italienische 1-Euro-Münze zeigt dieses berühmte Motiv.

In vielen Gemälden Leonardos ist der Nabel des Menschen auch der Bildmittelpunkt. Im „Letzten Abendmahl“ jedoch ist es die Schläfe von Jesus. Diese sensationelle Entdeckung, die natürlich Rätsel über Leonardos Beweggründe aufgibt, hat man erst 1999 anlässlich der letzten Restaurierung des Gemäldes gemacht. Wir berichten darüber im Abschnitt „Code Nr. 3“. Auch die Mona Lisa lächelt streng mathematisch. Leonardo unterteilte das Bild in gleichschenklige Dreiecke in einem festen Verhältnis – immer und immer wieder. Das Verfahren nennen wir heute „Goldener Schnitt“. Diese Proportion wird von unseren Sinnen als äußerst harmonisch empfunden und genau darin liegt das Geheimnis der Mona Lisa.

Hat Leonardo in seinen Bildern Geheimwissen verschlüsselt?

Leonardo war ein Universalgenie; Künstler, Wissenschaftler und Ingenieur zugleich, der das gesamte Wissen seiner Zeit besaß, welches damals nicht jedermann zugänglich und vielfach Geheimwissen war. Auch soll er der Kirche gegenüber kritisch eingestellt gewesen sein. Sein Biograph Vasari berichtet uns ziemlich eindeutig: „ Er [Leonardo] schätzte freies Denken mehr als die christlichen Dogmen.“ Vielleicht war Leonardo sogar Mitglied eines Geheimbundes, der sein Wissen nur Eingeweihten preisgab. Dan Brown und andere behaupten, dass Leonardo Großmeister der Bruderschaft vom Berg Zion war und von dort sein Wissen über die Geheimnisse um Jesus und Maria Magdalena bezogen habe. Die Autoren bleiben allerdings die Beweise schuldig. Woher Leonardo sein Wissen tatsächlich bezog, ist bis heute ein Rätsel geblieben. Vieles davon konnte und durfte er nur heimlich preisgeben, codiert in seinen Bildern, als allegorische Darstellung oder Wortspiel im Bild. Aus seinen Entwürfen und Studien werden wir nicht schlau. Seine Aufzeichnungen sind ein schwer zu knackender Code. Er schrieb in Spiegelschrift und fasste zusätzlich sämtliche Zahlenangaben in Worte und Gleichnisse. Leonardo ist uns bis heute rätselhaft geblieben. Viele haben sich an der Entschlüsselung versucht, den Code knacken aber konnte noch niemand.

DIE „ITALIENISCHE“ MINORITENKIRCHE – TEMPEL DER EINGEWEIHTEN?

Eine der ältesten Kirchen Wiens, die Minoritenkirche in der Nähe der Hofburg, hält einen Schatz von Weltruf verborgen: Eine dem Original getreu nachgebildete Kopie von Leonardo da Vincis „Letztem Abendmahl“. Seinetwegen reisen Kunsthistoriker aus der ganzen Welt nach Wien und studieren das Mosaik. Den Wienern ist ihr Schatz zum Großteil unbekannt, von seiner Bedeutung wissen nur wenige.

Über ihre Baugeschichte berichtet die Kirchenchronik der Minoritenkirche Folgendes:

Der Babenberger Herzog Leopold VI. (1176–1230) befand sich 1219 auf dem Rückweg vom Jerusalemer Kreuzzug nach Wien. In Assisi begegnete er dem Hl. Franziskus und seinen „Minderen Brüdern“. Er bat sie, nach Wien zu kommen und ein Kloster zu errichten. Im Jahr 1224 trafen vier Minoritenbrüder in Wien ein. Der Herzog schenkte ihnen nahe der Stadtmauer ein Grundstück, auf dem sie mit dem Bau einer Kirche begannen.

Diese und der Konvent der Minoriten wurden im Jahr 1250 fertig gestellt. Sie ist eine der ältesten gotischen Kirchen Ostösterreichs. Der Baumeister ist unbekannt, allerdings wird in einer barocken Chronik der Name Hans Schimpffenpfeil erwähnt. Vielleicht hat er sich als Figur an der Südfassade neben dem Turm selbst dargestellt? In der Bauhüttentradition der Gotik war es üblich, dass der Baumeister sein Zeichen und manchmal auch sein Portrait am Bauwerk anbrachte.

Bis 1783 versahen die Minoriten ihren seelsorgerischen Dienst. Dann verfügte Kaiser Joseph II. die Schließung des Konvents und die Übersiedlung der Ordensbrüder in das Wiener Trinitarierkloster. Die Kirche selbst schenkte er der „Italienischen Nation“.

Während der französischen Besatzungszeit 1809 diente die Kirche den Soldaten Napoleons als Lagerraum und Stall. Das Klostergebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen. Erst im Jahr 1957 bekamen die Minoriten die Kirche wieder zurück und so blieb sie bis heute die italienische Nationalkirche in Wien.

Der Hochaltar „Maria Schnee“ des Freimaurers und Rosenkreuzers Hohenberg

In den Jahren 1784–88 regotisierte der Wiener Architekt Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg (1733–1816) die Minoritenkirche. Wie aus Dokumenten der Zeit hervorgeht, war Hohenberg Freimaurer und Rosenkreuzer und wurde vom Staatskanzler Maria Theresias, Wenzel Anton Graf Kaunitz, einem hochrangigen Logenbruder, protegiert, sodass er 1765 die baukünstlerische Leitung von Schloss- und Gartenanlage Schönbrunn übertragen bekam. Dort vollbrachte er sein „opus magnum“, den Ausbau des Barockgartens zu einem Freimaurer-Landschaftstempel. Die sogenannte römische Ruine, die Gloriette und der Obelisk tragen verschlüsselt oder unter Hieroglyphen versteckt Freimaurer- und sogar Illuminatenzeichen. Hohenberg war hauptsächlich für seine Logenbrüder tätig. So gestaltete er mehrere Gartenlandschaften der Fürsten im Umkreis von Wien nach Freimaurer-, Rosenkreuzer- und Illumiaten-Gedankengut; unter anderem den Park des Seifenfabrikanten Friedrich von Braun in Schönau bei Baden, der als Freimaurer einen ägyptisierenden Tempel für die „Königin der Nacht“ – angeregt von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ – bauen ließ. Von seinem dankbaren Mäzen soll Hohenberg dafür einen goldenen Zirkel (ein typisches Freimaurersymbol) erhalten haben, wie uns die Chronik von Schloss Schönau erzählt.

Das Metastasio-Denkmal in der Minoritenkirche mit Salieri, Mozart und Haydn – alle drei Komponisten waren Mitglieder der Wiener Freimaurerlogen.

Ein „Tempel der Eingeweihten“: die „italienische“ Minoritenkirche in Wien.

Ein Freimaurer-Denkmal für die Musiker der Wiener Klassik

Ein weiteres Kunstwerk im Kircheninneren sollte Beachtung finden: das Denkmal für den italienischen Dichter, Komponisten und Librettisten Pietro Metastasio. Es wurde 1855 zur Erinnerung an den römischen Dichter errichtet, der es in Wien zum „Kaiserlichen Hof-Poeten“ – so sein offizieller Titel – brachte. Er selbst ist nicht in der Minoritenkirche, sondern in der Michaelergruft bestattet. Metastasio wohnte viele Jahre bis zu seinem Tod im Michaelerhaus am Kohlmarkt.

Im Mittelrelief des Denkmals dargestellt, segnet Papst Pius IV. 1782 den sterbenden Dichter; hinter ihm stehen die Komponisten Antonio Salieri und Wolfgang Amadeus Mozart, daneben Joseph Haydn. Sämtliche hier aufgereihten Musiker waren Mitglieder der Wiener Freimaurerlogen.

Tipp

MINORITENKIRCHE (Wien 1, Minoritenplatz, U3 Station Herrengasse)

Öffnungszeiten Winterzeit tägl. 8–16 Uhr, SA bis 17 Uhr,

Sommerzeit 8–18 Uhr, SA bis 17 Uhr.

Messe: SA 17–18 Uhr, SO 8–9 + 11–12 Uhr

Schönste Krippe Wiens mit mechanisch bewegten Figuren und Wasserspiel: Advent bis 6. Januar.

Abendmahlmosaik – originalgetreue Kopie des Mailänder Kunstwerks von Leonardo da Vinci

DAS WIENER „ABENDMAHL“ – BESSER ALS DAS ORIGINAL

Kaum ein Gemälde hat die Menschheit so beschäftigt, kein anderes – abgesehen von Leonardos „Mona Lisa“ – ist so oft Gegenstand von Deutungen und Interpretationen geworden wie „Das letzte Abendmahl“. „Il Cenacolo“, so der eigentliche Name, gilt als Höhepunkt in Leonardos malerischem Schaffen und als Meilenstein der Renaissancemalerei. Dieses Meisterwerk aus den Jahren 1495–97 malte er für das Refektorium des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand. Das Bild zeigt Jesus mit den zwölf Aposteln in jenem Augenblick, als er ihnen offenbart: „Einer von euch wird mich verraten.“ Auf Grund seiner korrekt wiedergegebenen perspektivischen Tiefe übte es bahnbrechenden Einfluss auf die gesamte Malerei Europas aus. Leider ist das Original stark verblasst und im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden. Das Gemälde wurde bereits mehrfach restauriert und ist seit seiner jüngsten Restaurierung 1999 unter strengste Bewachung und Schutz gestellt. So dürfen nur 100 Besucher pro Stunde etappenweise in einem Glastunnel am Gemälde vorbeiziehen und es für ungefähr zehn Minuten betrachten.

Das Wiener Mosaik –
die weltweit einzige originalgetreue Kopie

In Wien befindet sich eine Sensation, die größtenteils unbekannt ist: eine Mosaik-Kopie von Leonardo da Vincis Meisterwerk „Das Letzte Abendmahl“ – in den Originaldimensionen. Mit Rahmen misst das Bild 4,47 x 9,18 Meter, besteht aus zwölf Platten mit jeweils 10.000 Mosaiksteinchen und wiegt zwanzig Tonnen. Es ist die weltweit einzige Abendmahl-Kopie in Originalgröße und ziert die Nordwand der Wiener Minoritenkirche.

Napoleon soll 1805 das Bild in Mailand gesehen haben und seine Demontage zum Zweck des Transfers nach Paris befohlen haben. Da sich aber ein Fresco nicht so leicht ablösen lässt, gab er eine Kopie in Auftrag, die dann nach Paris gebracht werden sollte.

Der renommierte römische Künstler Giacomo Raffaelli übernahm 1806 die Aufgabe. Hunderttausende Glas-Mosaiksteinchen, die nur ein paar Millimeter groß sind, baute er ohne Zwischenräume aneinander. Als das Meisterwerk 1814 vollendet war, befand sich der Kaiser der Franzosen in der Verbannung und konnte das Bild nicht mehr in Besitz nehmen. Sein Schwiegersohn Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835) erwarb das gigantische Mosaik und wollte es im Schloss Belvedere anbringen lassen. Aber dafür erwies es sich als zu groß. So schenkte er es den Minoriten, in deren Kirche das Monumentalmosaik seither zu bewundern ist.

Nicht nur, dass es eine Original-Kopie in Größe, Darstellung und Farbe ist, es wurde auch genauso aufgehängt wie das Original in Mailand: mit dem tatsächlichen Lichteinfall durch die Kirchenfenster von links. Das deckt sich mit dem Lichteinfall, den Leonardo im Original genauso dargestellt hat: Jesus und die Apostel von vorne beleuchtend, den Lichtstrahl auf Jesus Kopf zentriert.

Die Farben sind besser erhalten als auf dem Mailänder Original

Leonardo hat mit den Farben für die Seccotechnik experimentiert, aber leider einen Fehlgriff getan. Bereits wenige Jahre nach Vollendung des Gemäldes verblassten die Farben. Aus diesem Grund hat man es seit dem 17. Jahrhundert mehrmals restauriert, aber vielfach mehr geschadet als genützt. Laut dem Wiener Kunsthistoriker Artur Rosenauer halten Da Vinci-Kenner das Wiener Mosaik für einmalig: Es sei besser erhalten und leuchtender in den Farben als inzwischen das Original.

Das Original: Leonardo da Vincis „Letztes Abendmahl“. (Foto Chris Norman)

Jesu Füße nur in Wien