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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Epilog

Leserkontaktseite

Glossar

Kommentar

Risszeichnung RAS TSCHUBAI

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2751

 

Gucky auf AIKKAUD

 

Einsatz im Sternenportal – Reginald Bull schickt spezielle Späher aus

 

Leo Lukas

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Seit 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – bereits über zwei Jahre lang – steht die Milchstraße unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dies behauptet, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen und den Weltenbrand aufzuhalten, der anderenfalls der Galaxis drohe.

Wie sich herausstellt, beherrscht das Tribunal schon seit Jahrhunderten die Galaxis Larhatoon, die Heimat der Laren – dorthin hat es auch Perry Rhodan verschlagen. Womöglich finden sich dort Hinweise auf die weiteren Pläne – und Schwächen – des Tribunals. Reginald Bull folgt der Fährte seines Freundes mit dem neuesten Raumschiff der Menschheit: der RAS TSCHUBAI.

Die Rettungsmission springt durch die Leere zwischen den Galaxien und besucht dabei jene Transmitterstationen, die den Weg für konventionelle Raumschiffe bilden. Dort geht ein besonderes Team in den Einsatz – und es agiert GUCKY AUF AIKKAUD ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Teppac-Oshellar – Der junge Lare will seinem Leben einen tieferen Sinn geben.

Gucky – Der Ilt führt ein Infiltrationskommando an – und stößt unverhofft auf einen brisanten Hinweis.

Dhael Dhusseniv – Der stellvertretende Sicherheitsbeauftragte von AIKKAUD wächst in mehrfacher Hinsicht über sich hinaus.

Das Venus-Team – Die Spezialeinheit des Terranischen Liga-Dienstes agiert erneut an vorderster Front.

»Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde.«

Wahlspruch Kaiser Ferdinands I. (sowie einiger anderer Wichtigtuer)

 

»Wenn es darauf ankommt, sind wir allein, jeder für sich, mit unseren kleinlichen Ängsten und Wünschen. Was wir daraus machen, wie wir entscheiden, auch gegen unsere scheinbar ehernen Prinzipien – das sind die Mauersteine, aus denen das fragile Bauwerk des Kosmos errichtet wird. Davon, allein davon, hängt ab, ob das Leben an sich bestehen kann.«

Hora Bahometh III. (apokryph)

 

 

Prolog

Der kleine Meister

 

Kurz vor Dienstschluss stand Mitrade-Lyx auf, betupfte ihr Haarnest, leckte sich über die vollen, grellgelb geschminkten Lippen und schlenderte, die ausladenden Hüften schwingend, auf Teppac-Oshellars Konsole zu.

Er hatte etwas in der Art befürchtet. Schon während der gesamten Schicht hatte sie ihm Blicke zugeworfen und dabei verführerisch die Nasenschlitze gebläht.

»Na, hübscher junger Netzwerkwart?«, gurrte sie und beugte sich so weit vor, dass er mehr Einblick in ihr Dekolleté bekam, als ihm lieb war. »Hast du schon Ideen für die Feierabendgestaltung?«

»Ja.«

»Und die wären?«

»Ich bin verabredet.«

»Wirklich? Mit wem?«

»Das weiß ich noch nicht.«

»Soso. Könnte ich dabei vielleicht Abhilfe schaffen?«

»Das glaube ich kaum.«

Sie schwenkte ihren Oberkörper, dass die bei ihr ungewöhnlich stark ausgeprägten, sekundären Geschlechtsmerkmale ekelhaft schwabbelten. »Was hältst du beispielsweise davon, mich zum Essen auszuführen? Und danach zum ...« Unzweideutig tippte sie sich an die Ohren, »... Tanz?«

»Gar nichts.« Er strich, die Ablehnung verstärkend, mit der flachen Hand durch die Luft, keine zwei Dezimeter vor ihrem dicken Hals. »Ich will dich nicht beleidigen, Kollegin. Du bist eine begehrenswerte Frau. Viele Laren an Bord dieser Station würden sich glücklich schätzen angesichts einer solchen Einladung. Mir jedoch steht der Sinn nach einer anderen Form von körperlicher Ertüchtigung.«

Sie zog einen Schmollmund. »Nämlich?«

»Ich gehe Chy-lii spielen. Und nein, du kommst besser nicht mit. Ich will mich voll auf den Wettkampf konzentrieren, da kann ich keinerlei Ablenkung brauchen.«

»Chy-lii!« Mitrade-Lyx fauchte abschätzig durch alle vier Nasenspalten. »Etwas anderes interessiert dich nicht?«

»Nein.«

Das war die blanke Wahrheit, und Teppacs Mitarbeiterin erkannte endlich, dass sie, allen überquellenden weiblichen Reizen zum Trotz, auf verlorenem Posten stand.

Sie stieß sich von der Konsole ab und wich zurück. »Na ja. Dann ... Gutes Spiel! Soll ich für dich die Finger kreuzen?«

»Ich bin nicht abergläubisch.«

»Weißt du«, sie verengte anklagend die Augen, »man kann eine Abfuhr auch etwas höflicher gestalten.«

»Wozu?«

 

*

 

Nachdem er das Pult an seine Ablösung übergeben hatte – »Keine besonderen Vorkommnisse« –, eilte er auf schnellstem Weg zum larischen Freizeitbereich.

Hinter dem Schleusenschott setzte die erhöhte Schwerkraft ein. Aufatmend legte Teppac-Oshellar den Gravo-Gürtel in den Spind, zog sich um, nahm die Grakke heraus und schnallte sie an den linken Unterarm.

Die Schwingprothese war sein wertvollster Besitz: ultraleicht und zugleich extrem durchschlagskräftig, den Profigeräten nahezu ebenbürtig, so wie diese maßgefertigt und in mehreren Sitzungen für seine körperliche Verfassung und Spielweise nachjustiert.

Teppac machte sich nichts vor: Hauptsächlich der sündteuren Grakke verdankte er, dass er in den wenigen Zyklen seiner Anwesenheit auf AIKKAUD so schnell in der Rangliste der Station nach oben gestürmt war. Mittlerweile wurden ihm die stärksten verfügbaren Gegner zugelost.

Er fieberte dem nächsten Match entgegen. Wer sein Kontrahent sein würde, wusste er nicht. Die Positronik der Sportanlage gab vorab nur bekannt, wann er sich auf welchem Platz einfinden sollte. So wurde es überall gehalten, auf dem Sternenportal im Leerraum zwischen den Galaxien ebenso wie in den Domänen Larhatoons.

Seit Urzeiten spielten die Laren und ihre Brudervölker Chy-lii. Angeblich ging es dabei früher um Leben und Tod: Der Sieger durfte sich aus der Verwandtschaft des Unterlegenen eine Gespielin erwählen, während der Verlierer sich unverzüglich selbst entleiben musste.

Teppac hielt das allerdings für ein Ammenmärchen, mythisch überhöht, wie so viele der alten Sagen. Sie begannen alle gleich: »Damals, als wir Laren noch die alleinigen Herren in unserer Galaxis waren ...«

Und bla, bla, bla. Nostalgisches Gejammer, das stets mit demselben Satz endete: »Aber da kann man halt nichts machen.«

So gut wie jedes Gespräch am Esstisch von Teppac-Oshellars Familie war darauf hinausgelaufen: Glorifizierung der Ära vor dem Atopischen Tribunal, zugleich Resignation und dröge-fatalistisches Sich-Fügen in die Ordo der Richter und Onryonen.

Ihm wurde übel, wenn er an diese Mahlzeiten zurückdachte.

 

*

 

Die Erinnerung abschüttelnd betrat er den ihm zugewiesenen Sportsaal. Der Raum war von rechteckigem Grundriss, langgestreckt, mit zehn Meter hohen, rauchgrau schimmernden Prallfeldwänden an der Stirn- und den Längsseiten.

Teppac lief einige Aufwärmrunden. Er war früh dran, sein Gegner noch nicht eingetroffen. Nach den üblichen Dehnungen schleuderte er locker den knapp faustgroßen Ball gegen die Frontwand, fing ihn mit der Grakke auf und wuchtete ihn zurück, beschleunigt durch die Körperdrehung und die gebogene Form der Schwingprothese.

Professionelle Chy-liista verwandelten die Hartgummikugel auf diese Weise in ein Geschoss, das bei kühler, für die Sportausübung angenehmer Temperatur bis zu einem Drittel der Schallgeschwindigkeit erreichen konnte. Trotzdem bestand nur relativ geringe Verletzungsgefahr. Drohte ein Spieler am Kopf getroffen zu werden, lenkten Traktorstrahlen den Ball im letzten Moment zur linken, der Schlägerseite hin ab.

Manchen Veteranen sagte man nach, sie würden sich diesen Schutzeffekt zunutze machen, indem sie extra nicht auswichen. Amateure wie Teppac ließen es lieber nicht darauf ankommen. Ein Treffer am Schulterpolster oder Oberarm war schmerzhaft genug.

Allmählich geriet er in Fahrt. Seine Schläge wurden härter und präziser, die schnalzenden Geräusche des an den Wänden oder am Boden aufprallenden Balls immer satter und befriedigender.

»Sieht ja schon recht beeindruckend aus«, ertönte hinter Teppac eine raue, sonore Stimme.

Er fing den Ball mit der Grakke auf und drehte sich nach dem Konkurrenten um, dessen Ankunft ihm entgangen war. Die Begrüßungsformel blieb ihm fast im Hals stecken.

 

*

 

Der Mann war klein, viel kleiner als durchschnittliche Laren. Dafür hatte er eine auffällig breite Nase.

Seine goldgelben, zur traditionellen Nestfrisur aufgesteckten Haare kontrastierten mit der sehr dunklen, schwarzbraunen Hautfarbe. Die fleischigen Ohren zogen sich bis zum Halsansatz hinunter. Weitere Details verrieten eindeutig seine Abstammung.

Ein Provconer, dachte Teppac.

In seine Irritation mischte sich Ärger. Hatte es einen Fehler bei der Zulosung gegeben, oder wollte ihn gar jemand verschaukeln?

Die Heimatwelt der Provconer, der dritte Planet der gelben Sonne Ercre-An-Thek, lag am Außenrand von Larhatoon. Dort, auf Hoptrec-Haich, betrug die Schwerkraft nur 0,93 Gravos, signifikant weniger als die von Laren bevorzugten 1,62 Gravos, die auch in der Chy-lii-Halle herrschten.

»Nacour-Thaec«, stellte sich der Mann vor, die Arme zum formellen Gruß verschränkt. Er trug eine fragile Grakke, die zu seiner schmächtigen Gestalt passte, aber keinen Gravo-Gürtel. »Du verbirgst deine Enttäuschung nicht gerade übermäßig glaubhaft. Eine Schauspielerkarriere würde ich an deiner Stelle eher nicht anstreben.«

Auch Teppac-Oshellar nannte seinen Namen. Unbeholfen erwiderte er die Begrüßungsgeste, wobei er sich beinahe einen Schläfenhieb mit der Sportprothese versetzt hätte. »Bitte entschuldige. Ich ... dachte kurz an einen Irrtum.«

»Du wirst lachen – das passiert mir in diesen Hallen öfter. Aber sei unbesorgt, ich belege derzeit den siebzehnten Platz der hiesigen Rangliste. Solltest du mich also besiegen, machst du einen schönen Sprung nach oben.«

Teppac lag auf Rang 26. Tatsächlich war, falls der Provconer nicht log, in dieser Partie einiges für ihn zu holen.

Dennoch blieb er skeptisch – bis Nacour-Thaec den ersten Ball spielte.

 

*

 

Hinterher nahmen sie in der Kantine Elektrolytgetränke zu sich.

»Tut mir leid«, sagte Nacour, gutmütig lächelnd. »Ich hätte wohl etwas gnädiger mit dir sein können. Aber weißt du, im Eifer des Gefechts kenne ich nun mal kein Pardon. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich mir schon zu viele Anspielungen auf meine Statur und Herkunft anhören musste.«

»Geht völlig in Ordnung.« Teppac war immer noch kurzatmig und erhitzt, obwohl sie sich inzwischen vom reichlich geflossenen Schweiß gereinigt, im Eisbad erfrischt und von Servos hatten massieren lassen. »Ich wollte es wissen. Jetzt weiß ich's.«

»Du hast Potenzial, Junge.«

»Mmh.« Er würde in den kommenden Nächten mehr als einmal davon träumen, wie ihm der Ball um die Ohren gepfiffen war.

»Wirklich, ich meine das ernst. Mit der Schwungtechnik und der taktischen Planung über die nächsten zwei, drei Spielzüge hinaus hapert es noch gewaltig, doch das hast du ja selber gemerkt.«

Und ob, dachte Teppac. Selten war er sich beim Chy-lii so chancenlos vorgekommen.

»Lass deswegen bloß den Kopf nicht hängen! Ich betreibe diesen Sport schon ein paar Jahrzehnte länger als du und glaube sagen zu können, dass in dir ein echtes Talent schlummert. Du hast vielversprechende Ansätze, vor allem ein selten gutes Grundverständnis des Spiels, kurz: Du bist ein roher Edelstein, der nur eines gewissen Schliffs bedarf.«

»Und wo hole ich mir den?«

»Bei mir, zum Beispiel. Ich biete dir regelmäßige Partien an; außer Konkurrenz, versteht sich. Sagen wir, jeden vierten Tag. Allerdings muss ich dich warnen: Ich werde mich weiterhin nicht zurückhalten. Erstens lernst du sonst nichts, und zweitens verliere ich äußerst ungern.«

»Warum? Ich meine, ich stehe mindestens eine Klasse unter dir. Warum tust du dir das an?«

»Du interessierst mich, junger Lare. Du interessierst mich sogar sehr. Weil du dich nicht geschlagen gibst, auch wenn du scheinbar hoffnungslos zurückliegst. Du kämpfst bis zum letzten Punkt, anders als leider so viele andere.«

Dies zumindest hielt Teppac sich von klein auf zugute: seine Hartnäckigkeit. Kritisch musterte er den Provconer, in dessen gelblich umrandeten Augen ein dunkles Feuer glomm.

Dann willigte er ein.

 

*

 

Nacour-Thaec hielt sein Versprechen.

Einen solchen Lehrmeister hatte Teppac-Oshellar sich immer gewünscht. Zwar demütigte der Provconer ihn nach wie vor, wann immer sie die Grakken kreuzten; aber Nacour gab ihm stets wertvolle Tipps, wie er sein Spiel verbessern könne.

Aggressivität war gut, lernte Teppac – und völlig witzlos ohne vorausschauendes Denken, gerade bei der schnellsten bekannten Ballsportart ihrer eng verwandten Völker. Sekundenbruchteile entschieden. Jedoch nützte Reaktionsfähigkeit wenig, wenn die grundlegende Haltung nicht stimmte.

Ein ums andere Mal lief er sich die Lunge aus dem Leib, bis er sich am Rand des Spielfelds in einen Desintegratortrichter übergeben musste. Während Nacour sich scheinbar kaum oder ganz lässig, entspannt, tänzerisch bewegte – und jeden noch so perfid geschleuderten Ball erwischte, um ihn gleich darauf punktgenau im toten Winkel zu platzieren. Und das alles trotz der für einen Provconer beträchtlich erhöhten Schwerkraft!

»Niveauvoller Sport«, sagte Nacour nach einer weiteren, für Teppac bitteren Lehrstunde, »ist Kunst. Und Kunst kommt von Können. Gunst hingegen kommt von Gönnen.«

»Hä?«

»Findest du nicht auch, dass wir in einer seltsamen, ja perversen Gesellschaft leben? Unsere ach so großartigen Heilsbringer, die Atopischen Richter und ihre onryonischen Büttel – verlangen sie nicht ein wenig zu viel Unterwerfung, im Gegenzug für ihre Gunst?«

Teppac sah sich verstohlen um. Sie saßen in einer Nische der Sportkantine, weitab von allen anderen Gästen und den Bedienungsrobotern. »Was willst du damit andeuten?«, flüsterte er.

1.

Erfreuliche Aussichten

 

An Bord der RAS TSCHUBAI schrieb man den 6. Januar 1517 NGZ.

Bei Reginald Bull löste das Datum eine Assoziation aus, aber er bekam sie nicht richtig zu fassen. »Sechster Januar«, sagte er zu Gucky. »War da einmal was?«

Der Ilt, der links von ihm im Schalensitz des stellvertretenden Expeditionsleiters lümmelte, hob die Augenbrauen. »Mit Sicherheit. Dienstag, zum Beispiel. Oder Mittwoch. Auch die Chancen auf einen Donnerstag stehen nicht schlecht.«

»Scherzbold. Ich meine, etwas Besonderes. Ein altterranischer Feiertag, kann das sein?«

»Für welchen Tag im Kalender gilt das nicht?«

»Du bist keine große Hilfe.«

»Dicker, man kann sich nicht alles merken. Wie viele sechste Januare haben wir zwei Hübschen schon zusammen erlebt? Ein paar Hundert werden es wohl sein, oder?«

Bull ging nicht darauf ein, sondern murmelte vor sich hin: »Könige oder Magier, die einem Stern folgten ... Ich hab's: Epiphanie! In großen Teilen Lateinamerikas war das damals, zur Zeit meiner Jugend, der Höhepunkt der Weihnachtsfeiertage. Dort bekamen die Kinder ihre Geschenke erst am sechsten Januar.«

»Glückwunsch zu deinem Gedächtnis. – Falls du mich beschenken möchtest, ich hätte gerne eine knackige ...«

»Nächstes Jahr. Vielleicht. Wenn du schön brav bist.« Bull wandte sich ab und blickte über die Brüstung der Galerie hinunter zur COMMAND-Ebene der Hauptleitzentrale.

Es herrschte rege, jedoch keineswegs hektische Betriebsamkeit. Kommandantin Jawna Togoya stand zwischen der Ortungsstation und den Vorrangpulten der Wissenschaftssektion, in angeregtem Gespräch mit Sichu Dorksteiger.

»Zwei außergewöhnliche, überaus attraktive und blitzgescheite Frauen«, piepste der Mausbiber. »Welche gefällt dir besser?«

»Hast du schon wieder durch meine Augen geguckt?«

»Ich muss schließlich üben. Aber wenn du es genau wissen willst: Nein, deine Mentalstabilisierung behindert mich zu sehr.«

»Gut so.«

Zu der Posbi, die äußerlich durch nichts von einer schwarzhaarigen terranischen Schönheit zu unterscheiden war, und der aus Anthuresta stammenden, fast zwei Meter großen, ätherisch wirkenden Hyperphysikerin gesellten sich Icho Tolot sowie der Chefmediker Matho Thoveno, ein Ara, der seinen kahlen Spitzkopf stets mit einem Tuch aus rotem Stoff bedeckte. Offenbar diskutierten sie die Ergebnisse der ersten Auswertungen.

Reginald Bull erwog, sich ebenfalls nach unten zu begeben, entschied sich aber dagegen. Sein Pult gestattete ohnehin Vorrang-Zugriff auf sämtliche Informationen, und eine Besprechung der Schiffsführung würde bald genug abgehalten werden.

Ein Holo flammte auf. Er überflog die aktualisierten Statusmeldungen.

»Na, wie sieht's aus?«, fragte Gucky.

»Gar nicht mal so übel.«

 

*

 

Die RAS TSCHUBAI befand sich weiterhin im getarnten Modus. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass das erste und bislang einzige Omniträger-Fernschiff der neuen SUPERNOVA-Klasse entdeckt worden wäre.

Auch die zweite, deutlich kürzere Hypertrans-Etappe über rund 541.000 Lichtjahre war erfreulich problemlos verlaufen. Laut Medoabteilung, Wissenschafts- und Techniksektion hatten der drei Kilometer durchmessende Kugelraumer und seine Besatzung von – wenn man die positronisch-biologischen Roboter mitzählte – 85.000 Personen keine bleibenden Schäden erlitten.

Wir verfügen definitiv wieder über eine eigene Antriebstechnologie, dachte Reginald Bull mit nicht geringer Befriedigung. Ein terranisches Ferntriebwerk, das imstande ist, intergalaktische Distanzen zu überwinden. Zeit wird's.

Zwar musste man sich zum Hypertransit-Progressor-Flug in die Suspensions-Alkoven legen und träumte ziemlich seltsame Dinge; aber das nahm Bull allemal in Kauf, wenn dafür Überlicht-Faktoren bis zu 500 Millionen möglich wurden. Die erste Etappe hatte immerhin zehn Millionen Lichtjahre in nur zehn Tagen überwunden, und dabei hatten sie den Hypertrans-Modus noch gar nicht voll ausgereizt.

Die restliche Annäherung an das Sternenportal AIKKAUD war dann per Transitions-Intermitter erfolgt, mit pulsierender Taktgebung von tausend schockgedämpften Transitionen pro Sekunde. Auf den insgesamt schnelleren Libroton-Linearantrieb hatte man bewusst verzichtet. Es stand zu befürchten, dass die Onryonen Bewegungen im Linearraum anmessen konnten.

»Okay«, sagte Bull. »Unser erstes Ziel haben wir heil erreicht. Wir sind vor Ort, und die Kerle dort drüben in der überdimensionierten Eieruhr haben unseren Auftritt nicht bemerkt.«

 

*

 

Er bezog sich auf die Darstellung, die den Haupthologlobus dominierte.

AIKKAUD, das Sternenportal im Leerraum zwischen den Galaxien, ungefähr gleich weit entfernt von der Milchstraße und Larhatoon, besaß die Form einer schlanken Sanduhr von 40 Kilometern Gesamtlänge. Den Mittelteil bildete eine Kugel mit vier Kilometern Durchmesser. Über den doppelt so dicken Endstücken wölbten sich – nicht immer, aber häufig – Energiekuppeln, wodurch sich die Längsausdehnung auf 48 Kilometer erhöhte.

»Die Errichtung dieser Schirmfelder dürfte mit den Transportvorgängen zusammenhängen«, sagte Bull.

»Andere hochenergetische Barrieren gibt es nicht?«

»Bis jetzt wurden keine geortet.«

Die jahrtausendealten Freunde sahen einander an. Schließlich sprach Gucky aus, was beiden auf der Zunge lag: »Früher wäre ich längst hineinteleportiert und wahrscheinlich bereits wieder zurück.«

Bull nickte langsam. Eine halbe Ewigkeit lang war es ihnen völlig normal erschienen, sich darauf verlassen zu können ...

Seine letzte Teleportation wäre dem Ilt beinahe zum Verhängnis geworden. Er hatte versucht, den Repulsor-Wall um den Erdmond Luna zu durchdringen, war vier Sekunden verschollen gewesen, bewusstlos rematerialisiert und hatte danach über zwei Jahre im Koma gelegen.