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Psychotherapie in Psychiatrie und Psychosomatik

Herausgegeben von
Gerhard Dammann, Bernhard Grimmer und Isa Sammet

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

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https://shop.kohlhammer.de/psychotherapie-reihe

Die Herausgeberinnen und Herausgeber

PD Dr. phil. Julia Müller, Psychologische Psychotherapeutin, Verhaltenstherapeutin, Privatdozentin an der Universität Freiburg (Schweiz), Therapeutische Leitung der Station für Traumafolgestörungen und Transkulturelle Psychotherapie der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen.

Dr. rer. nat. Martina Ruf-Leuschner, Psychologische Psychotherapeutin (KVT), Therapeutische Leitung der Ambulanz für Traumafolgestörungen der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen.

PD Dr. phil. Bernhard Grimmer, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (DGPT), Privatdozent an der Universität Zürich, Bereichsleitung Psychotherapie der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen.

Prof. Dr. phil. Christine Knaevelsrud, Psychologische Psychotherapeutin (KVT), Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention an der Freien Universität Berlin.

PD Dr. med. Dipl. Psych. Gerhard Dammann (†), Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalytiker (IPV), Privatdozent an der Universität Salzburg, war Spitaldirektor und Chefarzt der Psychiatrischen Dienste Thurgau.

Julia Müller

Martina Ruf-Leuschner

Bernhard Grimmer

Christine Knaevelsrud

Gerhard Dammann (Hrsg.)

Traumafolgen

Forschung und therapeutische Praxis

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037563-5

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-037564-2

epub:   ISBN 978-3-17-037565-9

Die Reihe »Psychotherapie in Psychiatrie und Psychosomatik«

 

 

 

Der psychotherapeutische Ansatz gewinnt gegenwärtig in der Psychiatrie und Psychosomatik neben dem dominierenden neurobiologischen und psychopharmakologischen Modell (»Biologische Psychiatrie«) wieder zunehmend an Bedeutung. Trotz dieser Renaissance gibt es noch vergleichsweise wenig aktuelle Literatur, die psychiatrische und psychosomatische Störungsbilder unter vorwiegend psychotherapeutischem Fokus beleuchtet.

Die Bände dieser neuen Reihe sollen dabei aktuelle Entwicklungen dokumentieren:

•  die starke Beachtung der Evidenzbasierung in der Psychotherapie

•  die Entwicklung integrativer Therapieansätze, die Aspekte von kognitiv-behavioralen und von psychodynamischen Verfahren umfassen

•  neue theoretische Paradigmata (etwa die Epigenetik oder die Bindungstheorie und die Theorie komplexer Systeme in der Psychotherapie)

•  aktuelle Möglichkeiten, mit biologischen Verfahren psychotherapeutische Veränderungen messbar zu machen

•  die Entwicklung einer stärker individuellen, subgruppen- und altersorientierten Perspektive (»personalisierte Psychiatrie«)

•  neu entstehende Brücken zwischen den bisher stärker getrennten Fachdisziplinen »Psychiatrie und Psychotherapie« sowie »Psychosomatische Medizin« und »Klinische Psychologie«

•  eine Wiederentdeckung wichtiger psychoanalytischer Perspektiven (Beziehung, Übertragung, Beachtung der konflikthaften Biografie etc.) auch in anderen Psychotherapie-Schulen.

Die Bücher sind eng verbunden mit einer Tagungsreihe, die wir in Münsterlingen am Bodensee durchführen. Die 1839 gegründete Psychiatrische Klinik Münsterlingen, die heute akademisches Lehrkrankenhaus ist, hat, in der schweizerischen psychiatrischen Tradition stehend, eine starke psychotherapeutische Ausrichtung und in den letzten Jahren auch eine störungsspezifische Akzentuierung erfahren. Hier entwickelten und entdeckten der Psychoanalytiker Hermann Rorschach um 1913 den Formdeutversuch und der phänomenologische Psychiater Roland Kuhn im Jahr 1956 das erste Antidepressivum Imipramin.

Die Bände der Reihe »Psychotherapie in Psychiatrie und Psychosomatik« sollen jedoch mehr als reine Tagungsbände sein. Aktuelle Felder aus dem Gebiet der gesamten Psychiatrie und Psychosomatik sollen praxisnah dargestellt werden. Es wird keine theoretische Vollständigkeit wie bei Lehrbüchern angestrebt, der Schwerpunkt liegt weniger auf Ätiologie oder Diagnostik als klar auf den psychotherapeutischen Zugängen in schulenübergreifender und störungsspezifischer Sicht.

Gerhard Dammann (†), Bernhard Grimmer und Isa Sammet

Inhalt

 

 

 

  1. Die Reihe »Psychotherapie in Psychiatrie und Psychosomatik«
  2. Vorwort der Herausgeber
  3. Zur Einführung – Rückblick auf eine Traumatherapie aus Sicht einer Patientin
  4. I      Manualisierte und störungsspezifische Therapieverfahren bei verschiedenen traumainduzierten Symptomkomplexen
  5. 1   Traumatherapie – quo vadis?
  6. Birgit Kleim und Laura Meister
  7. 2   Soziale Traumatisierung durch Eltern und Gleichaltrige – unterschätzt und übersehen
  8. Benjamin Iffland und Frank Neuner
  9. 3   Epigenetisch gestützte Vererbung von Trauma- und Gewalterfahrungen
  10. Thomas Elbert und Maggie Schauer
  11. 4   Zur Biologie des Überlebens – Ätiologie und Behandlung traumainduzierter Dissoziation
  12. Maggie Schauer und Inga Schalinski
  13. 5   Anhaltende Trauerstörung – Diagnose und Behandlung
  14. Birgit Wagner
  15. 6   Narrative Expositionstherapie zur Behandlung von multipel und komplex traumatisierten Patienten in der klinischen Praxis
  16. Martina Ruf-Leuschner und Patricia Westerhausen
  17. II      Traumatherapie in unterschiedlichen Settings und Entwicklungsphasen
  18. 7   Onlinetherapeutische Behandlungsmöglichkeiten der Posttraumatischen Belastungsstörung
  19. Christine Knaevelsrud und Noemi Lorbeer
  20. 8   Traumatherapie mit schwer traumatisierten Menschen
  21. Julia Müller
  22. 9   Trauma und Persönlichkeitsstörung – Vorstellung und Diskussion eines Behandlungsverlaufs
  23. Emilie Frigowitsch und Bernhard Grimmer
  24. 10   Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen
  25. Anna Vogel, Rebekka Eilers und Rita Rosner
  26. III      Psychoanalytische Therapieverfahren
  27. 11   Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) bei Patienten mit Persönlichkeitsstörung und Traumatisierung
  28. Michael Rentrop und Agnes Schneider-Heine
  29. 12   Trauma – neuere psychoanalytische Konzeptionen und Behandlungsstrategien
  30. Werner Bohleber
  31. Verzeichnisse
  32. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  33. Sachwortregister

Vorwort der Herausgeber

 

 

 

Körperliche und sexuelle Gewalt in Kindheit und Erwachsenenalter, organisierte Gewalt und Krieg, Unfälle und Naturkatastrophen, lebensbedrohliche Erkrankungen und medizinische Notfälle – traumatische Ereignisse sind in ihrer Gestalt mannigfaltig und können jeden treffen.

Je mehr unterschiedliche traumatische Ereignisse ein Mensch erlebt, desto höher ist das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken. Eine Traumafolgestörung geht in der Regel mit hohem Leid für den Betroffenen, die nahen Angehörigen und das soziale Umfeld einher. Die Posttraumatische Belastungsstörung ist die häufigste psychische Folge von multipler, sequenzieller und komplexer Traumatisierung. Aber auch Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen – speziell mit Persönlichkeitsstörungen – weisen häufig traumatische Ereignisse in ihrer Biografie auf. Auch wenn hier nicht unbedingt eine Traumatherapie im engeren Sinne indiziert ist, haben diese traumatischen Ereignisse einen Einfluss auf die Art und Wirksamkeit der Behandlung.

Wie im Untertitel angekündigt, bringen wir in diesem Buch aktuelle Forschungsergebnisse und therapeutische Praxis zusammen. Einerseits geben die Autorinnen und Autoren einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zur Entstehung, Aufrechterhaltung und transgenerationaler Weitergabe von Traumafolgestörungen aus neurobiologischer, sozialpsychologischer und psychodynamischer Sicht. Andererseits werden aktuelle ambulante und stationäre »state of the art«-Behandlungsverfahren bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie aktuelle Online-Therapiemöglichkeiten vorgestellt und diskutiert.

Dabei werde auch solche Aspekte, die einen Einfluss auf die traumatherapeutische Behandlung nehmen können, wie traumabedingte Dissoziation und sozial-emotionale Traumatisierung berücksichtigt. Weiterhin wird ein aktueller Überblick über die Diagnostik und Behandlung der neu konzeptionalisierten anhaltenden Trauerstörung gegeben. Zudem wird anhand eines ausführlichen Fallberichts die Differenzialdiagnostik und Behandlung von Posttraumatischer Belastungsstörung und Persönlichkeitsstörung aus Sicht unterschiedlicher psychotherapeutischer Perspektiven diskutiert.

Wer aber könnte besser den Weg, die Wirkung und die Bedeutung einer Traumatherapie beschreiben, als jemand, der es selbst gemacht hat, weswegen wir im Folgenden eine ehemalige Patientin eingeladen haben, die Bedeutung der Traumatherapie aus der Patientenperspektive für uns zu beschreiben.

Für die Herausgeber

Bernhard Grimmer, Julia Müller und Martina Ruf-Leuschner

Zur Einführung – Rückblick auf eine Traumatherapie aus Sicht einer Patientin

 

 

 

Schön, dass es mich gibt. Diese Dankbarkeit und Freude lebe und erlebe ich heute. Dem war nicht immer so. Mein Weg dorthin begann mit der klaren Entscheidung, die Kindheit und somit das Verletzte in mir sollen und dürfen nicht mehr länger über mich, meine Handlungen und meine Reaktionen bestimmen. Doch wer bin ich? Wohin wird mich meine Entscheidung führen? Was werde ich finden, in mir vorfinden? Um das herauszufinden, entschloss ich mich, in Rücksprache mit meiner Psychotherapeutin, zur ambulanten Traumatherapie.

Ich wusste nicht was auf mich zukommen wird. Ich wusste nur, dass da etwas in mir ist, dass sich seit Ewigkeit nicht gut, nicht stimmig anfühlt. Ich war oft wie zerrissen, ängstlich und nicht vollständig; nicht Eins mit mir. Ich wünschte mir, mich zu finden, zu spüren, zu entdecken und mich zuzulassen. Mich, die erwachsene Frau und Mutter. Also begab ich mich auf die Reise der Traumatherapie.

Zurückzuschauen war mir neu. Vergangenes, Erlebtes hervorzuholen und im Jetzt zu betrachten, kannte ich nicht. Klar auszusprechen, dass mir in meiner Kindheit Unrecht geschah und mir bewusst weh getan wurde, erschien mir zunächst unmöglich. Das war für mich tabu und verboten. Sanft, behutsam und in Begleitung meiner Traumatherapeutin wagte ich mich an das vermeintlich Verbotene heran. Das fiel mir sehr schwer. Ich brauchte viel Zeit und Mut, um diese unterdrückte Angst, die Scham und den Schmerz zuzulassen. Zusammenbrechen, um neu aufzubrechen. Das gelang mir einzig und allein, indem ich mich vertrauensvoll entschied, bewusst hinzusehen. So erkannte ich im Hier und Jetzt, mit der Wahrnehmung der erwachsenen Frau, was ich damals erlebte und konnte es neu benennen und aussprechen. Das wiederum generierte Raum und ich war in der Lage, Erlebtes dort abzulegen, wo der Platz für mich stimmt.

Geschehenes soll nicht wegradiert werden. Es soll und darf einen bewussten, von mir bestimmten Platz haben. Einen Platz, der wie ein Mosaiksteinchen, ein Teil eines Bildes ist, meinem Lebensbild. Jedes Steinchen ist ein Teil von mir. Gehört zu mir und macht mich aus. Die Traumatherapie hat mich nicht verändert, sie hat mir geholfen und ermöglicht, mich neu zu ordnen. Freiheit in mir und um mich zu spüren. Heute stehe ich für mich und meine Bedürfnisse ein und lebe nicht mehr danach, anderen zu gefallen. Heute kann ich gesunde Grenzen setzen, dafür einstehen und weiß um die Wichtigkeit meiner Selbstfürsorge.

Dank der Traumatherapie habe ich Freundschaft geschlossen mit mir und meinen Gedanken. Ich vertraue mir und meinen Gefühlen. Ist das nicht wunderbar? Heute denke ich nicht mehr »Gott sei Dank habe ich überlebt«; nein, heute lebe ich, fühle ich mich, das Leben, die Menschen. Heute habe ich Freude, kann mich erfreuen am Dasein, an der Welt, der Schöpfung.

Meine Traumatherapeutin sprach in einer unserer Sprechstunden von der Daseinsberechtigung. Bis heute bin ich fasziniert, ja förmlich inspiriert – Daseinsberechtigung. Diese Berechtigung habe ich in mich aufgenommen und sie verinnerlicht. Sie nährt mich und lässt mich vorwärtsgehen.

Ich bin unsagbar berührt und dankbar für den zurückgelegten Weg. In den Therapiestunden durfte und konnte ich immer wieder alte, dunkle und schwere Erlebnissteine wegräumen und teilweise entsorgen. Heute fühlt es sich an, als ob ich diese Steine mit Bewusstheitswasser gegossen hätte und mit viel Geduld nun Blumen emporwachsen. Viele bunte Blumen. Wohlriechende Blumen. Ja genau so – heute schließe ich vertrauensvoll meine Augen und habe keine Angst mehr vor meinen Gedanken. Die Dunkelheit wurde von der bunten Blumenwiese verdrängt. Schmetterlinge tanzen und ich spaziere durch meinen Garten der Glückseligkeit.

Geboren, um zu sein; sein, um zu werden.

Yolanda Leban, 28. März 2021

I           Manualisierte und störungsspezifische Therapieverfahren bei verschiedenen traumainduzierten Symptomkomplexen

1          Traumatherapie – quo vadis?

Birgit Kleim und Laura Meister

1.1       Einleitung

Seit der ersten Beschreibung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und deren Aufnahme ins Diagnostische Manual Psychischer Störungen 1980 (APA 1980) sind verschiedene Theorien der Entstehung und Aufrechterhaltung des Störungsbildes entstanden. Diese dienten auch der Entwicklung psychotherapeutischer Ansätze als maßgebliche Grundlage. Die Erklärungsmodelle der PTBS können in verschiedenen Kategorien zusammengefasst werden: dissoziative Ansätze (Spiegel et al. 1996; van der Kolk und van der Hart 1989), neurobiologische Modelle (e. g. Pitman 1993), lerntheoretische Modelle (Foa und Kozak 1986), Modelle kognitiver Schemata (Horowitz et al. 1993; Janoff-Bullman 1992), kognitive Modelle (Foa et al. 1989; Ehlers und Clark 2000) sowie integrative Modelle (Maercker und Herrle 2003; Foa und Hearst-Ikeda 1996; Brewin et al. 1996). Basierend auf und in Abstimmung mit diesen Modellen wurden psychotherapeutische Behandlungsverfahren für Patienten mit PTBS entwickelt, wie z. B. die prolongierte Exposition, die kognitive Therapie, oder EMDR (Cusack et al. 2016). Aktuelle Empfehlungen zur Wirksamkeit der Verfahren sind u. a. in der aktuellen S3-Leitlinie (Schäfer et al. 2020) vorzufinden. Traumatherapie hat, wie Psychotherapie im Allgemeinen, den Anspruch, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln (Margraf et al. 2021).

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, ausgewählte neue Themenfelder und Impulse im Forschungs- und Anwendungsfeld der Traumatherapie zu beleuchten. Nach beispielhafter Beschreibung einer der aktuellen traumafokussierten Therapien, der kognitiven Therapie (Ehlers 1999) liegt der Fokus v. a. auf drei Punkten: respektive Fragestellungen zur (1) Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und langfristigen Wirkung der Traumatherapie, (2) Verständnis der aktiven Wirkmechanismen der Traumatherapie, und (3) der Frage nach Optimierung von Traumatherapie. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und Vision zukünftiger Entwicklungen und Herausforderungen.

1.2       Von der Theorie zur Therapie: Die kognitive Therapie basierend auf dem kognitiven Modell von Ehlers und Clark

Am Beispiel des kognitiven Modells der PTBS von Ehlers und Clark (2000) soll im Folgenden die Umsetzung einer Theorie zur Therapie gut veranschaulicht werden. Wie die meisten traumafokussierten Therapien basiert die Therapie auf einer elaborierten Theorie der PTBS, die u. a. verschiedene Gedächtnis- und Informationsverarbeitungsprozesse thematisiert. Ehlers und Clark haben dazu eine Therapie entwickelt, die die im Modell als für die Entstehung und Aufrechterhaltung der PTBS maßgeblich postulierten Faktoren einzeln angeht (Ehlers 1999). Im ersten Schritt geht es um die Behandlung von individuellen Verhaltensweisen und Strategien, die Patienten zwar anwenden, um die Bedrohung unter Kontrolle zu bringen, die diese aber aufrechterhalten. Sicherheitsverhalten, Vermeidungsverhalten usw. sollen somit schrittweise aufgegeben werden. Ein zentrales Element der Therapie besteht in der Behandlung der Traumaerinnerung. Durch wiederholtes Wiedererleben, d. h. ein Durcharbeiten der Traumaerinnerung in sensu und die Integration neuer Informationen, soll der zweite aufrechterhaltende Faktor, die nicht elaborierten und fragmentierten Erinnerungen an das Trauma, schrittweise elaboriert und integriert werden. Abgeleitet aus dem Modell soll die Traumaerinnerung elaboriert, ein roter Faden durch die Traumaerinnerung entwickelt und diese in die gesamthafte autobiografische Erinnerung der Person eingebettet werden. Eine kognitive Umstrukturierung zur Bearbeitung negativer Interpretationen des Traumas und der Konsequenzen folgt als nächster Schritt. Schritt für Schritt werden somit zentrale Komponenten des Modells und umschriebene Problembereiche bezüglich Gedächtnisses, Kognitionen, Emotionen und Verhaltens therapeutisch moduliert.

Als traumafokussiert werden diejenigen Ansätze definiert, bei denen der Fokus auf der Verarbeitung der Erinnerung an das traumatische Ereignis und seiner Bedeutung liegt. Nicht-traumafokussierte Behandlungstechniken sind als Therapieansätze definiert, deren Hauptaugenmerk nicht auf der Verarbeitung der Erinnerung an das traumatische Ereignis und/oder seiner Bedeutung liegt. Stattdessen liegt der Schwerpunkt dieser Ansätze auf der Vermittlung von Fertigkeiten der Emotionsregulation, des Umgangs mit posttraumatischen Belastungssymptomen oder der Lösung aktueller Probleme, z. B. stabilisierende Gruppenprogramme (z. B. Dorrepaal et al. 2012) oder das Programm »Sicherheit finden« (Najavits 2002), ein kognitiv-behaviorales Therapieprogramm, das PTBS-Symptome und komorbide substanzbezogene Störungen adressiert. Einige Therapiekonzepte kombinieren traumafokussierte und nicht-traumafokussierte Techniken, häufig in einem phasenbasierten Vorgehen. Dazu gehören die Therapieprogramme STAIR NT (Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation Narrative Therapy; Cloitre et al. 2002) und die DBT-PTBS (Dialektisch-Behaviorale-Therapie-PTBS; Bohus et al. 2013). Beide integrieren Interventionen zur Behandlung komplexer Traumafolgestörungen, die zunächst auf Emotionsregulation oder Skillstraining abzielen, mit traumafokussierten, expositionsbasierten Interventionen, in denen konkret die Traumaerinnerungen thematisiert und modifiziert werden. Auch diese Programme basieren auf Modellen der Störung, die in therapeutische Modelle übersetzt wurden.

1.3       Wirksamkeit traumafokussierter Psychotherapie

Die traumafokussierte Psychotherapie kann insgesamt als wirksame Therapie angesehen werden. Dies wird von aktuellen Metaanalysen bestätigt. So fanden Cusack et al. (2016) in ihrer Metaanalyse Hinweise für eine hohe Wirksamkeit verschiedener Varianten der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (TF-KVT) sowie für EMDR. Gerger et al. (2014) berichten von hohen Effektstärken bei verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen, konstatieren jedoch, dass die robusteste Evidenz für expositionsbasierte und kognitive Varianten der TF-KVT besteht. Für erwachsene Überlebende von Kindheitstraumata konnte ebenfalls gezeigt werden, dass traumafokussierte Therapien zu signifikant höheren Effektstärken im Behandlungserfolg im Vergleich zu Verfahren ohne Traumafokussierung führen (Ehring et al. 2014).

Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie ist die digitale Durchführung von evidenzbasierten Behandlungen in den Fokus gerückt. Schon vor der Pandemie befand sich dieser Bereich im Aufbau und Aufbruch, nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Kostenersparnis im Vergleich zu Face-to-Face-Therapien und dem Ziel, Zugang zu Psychotherapie zu vereinfachen. Generell scheinen internetbasierte Intervention wirksam zu sein, es fehlen aber noch Ergebnisse mit längerfristigen Follow-up-Messungen (Sijbrandi et al. 2016; Kuester et al. 2016). In einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse wurden evidenzbasierte Therapien für PTBS, die per Videokonferenz durchgeführt wurden, untersucht. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Therapien per Videokonferenz, gut akzeptiert werden, wirksam sind und Face-to-Face-Therapien nicht unterlegen sind (Morland et al. 2020).

Auch für spezifische und hochrelevante Patientenpopulationen, wie z. B. Flüchtlinge, zeigen sich hohe Effektstärken bei verschiedenen Varianten traumafokussierter KVT (Lambert und Alhassoon 2015; Nose et al. 2017). Die Ergebnisse aus neueren Metaanalysen bestätigen ebenfalls, dass Psychotherapie bei PTBS langfristig wirksam ist (Merz et al. 2019; Weber et al. 2021; van Dis et al. 2020).

Noch nicht vorhanden sind genaue Empfehlungen, welche Variante der traumafokussierten Therapie für welche Gruppe von Patienten zu welchem Zeitpunkt zu empfehlen ist. Zukünftige Studien sollten den Einfluss von Traumatyp oder Persönlichkeitszügen genauer untersuchen (Straud et al. 2019). Zudem sind Drop-out-Raten bei psychologischen Therapien für PTSD noch immer relativ hoch (Lewis et al. 2020). Hier braucht es mehr Wissen darüber, wie diese Rate gesenkt werden kann.

1.4       Was macht die traumafokussierte Psychotherapie wirksam?

Die KVT ist ein wirksames Verfahren zur Behandlung der PTBS. Wodurch wirken jedoch kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze bei einer PTBS? Eine Reihe von Studien hat diese Frage untersucht. Ergebnisse dieser Studien sind hochrelevant, um dem Kliniker zum einen eine Grundlage für die Auswahl einer Methode zur Behandlung einer Patientin oder eines Patienten zu geben. Zum anderen kann eine Behandlung nur auf der Basis eines soliden Verständnisses ihrer aktiven Mechanismen weiter verfeinert und optimiert werden. Die Ergebnisse können weiterhin bei der Entwicklung personalisierter Therapien helfen, bei denen die Behandlung individuell auf spezifische Patienten mit spezifischen Symptom- und Problemkonstellation zugeschnitten wird. Wie bereits angedeutet ist die KVT effektiv, es besteht jedoch Raum zur Verbesserung (Loerinc et al. 2015). Nur wenn die aktiven Wirkmechanismen einer Therapie bekannt sind, können Elemente der Therapie entsprechend angepasst bzw. bestehende Module eines Therapieprogramms verändert bzw. noch verfeinert werden. So gehört beispielsweise die Extinktion der traumaassoziierten Furcht, d. h. Habituation und graduelle Reduktion der Angst, zwischen und innerhalb der Psychotherapiesitzungen, vor allem wenn eine Traumakonfrontation den Hauptanteil der Sitzungen ausmacht, zu den angenommenen Wirkmechanismen der KVT bei einer PTBS. Dies wurde für die prolongierte Expositionstherapie (PE) untersucht, eine Form der KVT bei einer PTBS. Während die Befunde zur Habituation innerhalb der Sitzungen gemischt sind (Foa und McLean 2016), konnte die Extinktion im Verlauf der PE-Therapiesitzungen mit einem besseren Outcome assoziiert werden (z. B. Stripada et al. 2013; Foa und McLean 2016). Dies bestätigt einen angenommenen, relevanten Mechanismus der Wirksamkeit der KVT bei einer PTBS.

Evidenz besteht außerdem für die Reduktion dysfunktionaler Kognitionen im Rahmen der KVT bei einer PTBS. Dies wird von der Mehrzahl der Modelle und KVT-orientierten Therapien als zentraler Gesichtspunkt angesehen. Dies bestätigen mehrere Studien zur traumafokussierten KVT durch Mediationsanalysen, in denen auch die zeitliche Abfolge der Veränderung berücksichtigt wurde (Kleim et al. 2013; Schumm et al. 2015). Genauer gesagt, wurden in diesen Studien negative Kognitionen sowie eine PTBS-Symptomatik regelmäßig, d. h. pro Psychotherapiesitzung, über den Verlauf der Psychotherapie hinweg gemessen. Es konnte gezeigt werden, dass eine Reduktion negativer traumabezogener Kognitionen einen signifikanten Mediator der Symptomreduktion darstellt. Diese Kognitionen sind hochindividuell und idiosynkratisch: »Ich bin schuld«; »Ich hätte es verhindern können«; »Mein Leben wird nie wieder das gleiche sein«; »Meine Intrusionen bedeuten, dass ich verrückt werde«. In der Therapie werden diese Kognitionen durch verschiedene Techniken bearbeitet und modifiziert, z. B. durch sokratische Fragen, direktes Hinterfragen einer Kognition oder auch durch einen Besuch des Ortes des Geschehens, der oft zur Revision negativer Annahmen führt.

1.5       Wie kann traumafokussierte Psychotherapie weiter verbessert und optimiert werden?

Basierend u. a. auf einem genauen Verständnis der Wirkmechanismen ist es möglich, Elemente der KVT zu augmentieren, d. h. durch zusätzliche Anreicherung ihre Effektivität weiter zu verbessern. Diese Forschungsrichtung ist notwendig, da aktuell nur ein Teil der Patienten mit einer PTBS nach der Therapie mit traumafokussierter KVT nachhaltig von der Therapie profitiert, d. h. eine dauerhafte Symptomreduktion zeigt bzw. nach der Therapie keine PTBS Diagnose mehr aufweist und dies über die Zeit auch so beibehalten wird (Loerinc et al. 2015).

Traumaerinnerungen stehen im Zentrum der PTBS. Forschungsergebnisse am Tiermodell und am Menschen legen nahe, dass Erinnerungen durch pharmakologische oder behaviorale Interventionen verändert werden können, wenn sie durch Abruf aktiviert werden (Treanor et al. 2017). Diese Prozesse sind notwendig, damit das Gedächtnis mit neuem Wissen aktualisiert oder Erinnerungen uminterpretiert werden, wenn z. B. gewisse Dinge nicht mehr bedrohlich sind. Diese Vorgänge können in der Therapie nützlich sein, wenn Patienten die Erinnerung an das Trauma abrufen und die Erinnerung bearbeitet wird. Neurobiologische Prozesse, die nach der Traumaaktivierung ablaufen, können mit bestimmten Medikamenten, aber auch mit behavioralen Interventionen gezielt verstärkt oder abgeschwächt werden. Genau hier setzen verschiedene Möglichkeiten der Augmentation an (Metcalf et al. 2020).

Pharmakologisch wurde beispielsweise kürzlich gezeigt, dass eine Gabe des Betablockers Propranolol vor der Reaktivierung einer Traumaerinnerung in der Therapie die Rekonsolidierung von Erinnerungen unterstützt und den emotional belastenden Teil der Erinnerung schwächt (Brunet et al. 2018). In insgesamt sechs Sitzungen erhielten 60 Patienten mit PTSD entweder Propranolol oder ein Placebo, kurz bevor sie einem Therapeuten den schlimmsten Moment ihres Traumas in »Ich-Form« im Präsens erzählten. Nach der Teilnahme an dieser randomisierten, placebo-kontrollierten Studie war die emotionale Belastung durch die Traumaerinnerung und die PTBS-Symptome signifikant tiefer bei denjenigen Probanden, die Propranolol erhalten hatten. Die Ergebnisse sind vielversprechend, auch wenn die Befundlage zu Propranolol nicht ganz eindeutig ist (Elsey et al. 2018). In der Studie von Brunet et al. (2018) konnten nur wenige Personen an der sechsmonatigen Follow-up-Messung teilnehmen. Weitere Studien sollen zeigen, ob die positive Wirkung von Propranolol langfristig ist.

Ein anderer Ansatz versucht, nicht die Traumaerinnerung abzuschwächen, sondern in der Therapie Gelerntes zu verstärken. Mit gezielter Gabe von pharmakologischen Substanzen soll z. B. das Extinktionslernen in der Expositionstherapie gefördert werden. Dafür wurden u. a. auch Substanzen wie D-Cycloserin (z. B. de Kleine et al. 2012; Difede et al. 2014; Litz et al. 2012; Rothbaum et al. 2014), Hydrocortison und Dexamethason (Yehuda et al. 2015; Surís et al. 2017) oder MDMA untersucht (de Kleine et al. 2013). Die Befundlage zu diesen Substanzen ist spärlich und heterogen (de Kleine et al. 2013; Metcalf et al. 2020) mit zum Teil negativen Effekten (Litz et al. 2012). Eine mögliche Gefahr bei einer nicht erfolgreichen Therapie ist die Verstärkung der ursprünglichen traumatischen Erinnerung anstatt der Lernprozesse. Dies kann zu einer Verschlechterung der PTBS-Symptomatik führen.

Zukünftige Studien sollen untersuchen, in welchem Zusammenhang die Wirkung mit Traumatyp und Persönlichkeitszügen stehen. Erkenntnisse dazu könnten Implikationen liefern, für wen, unter welchen Bedingungen, welche Art der pharmakologischen Augmentation sinnvoll sein kann. Zum aktuellen Stand der Forschung sind die Substanzen, mit Ausnahme von MDMA sicher und gut akzeptiert (de Kleine et al. 2013). MDMA hingegen hat den Vorteil, dass es die Angst reduziert, ohne dass es die Fähigkeit über Gefühle zu reflektieren herabsetzt (Bedi et al. 2009).

Weniger invasive Methoden der Verbesserung der Traumatherapie beinhalten die Anwendung von Sport und Bewegung im Kontext der Exposition, dies basierend auf Grundlagenforschung, die im Tiermodell zeigen konnte, dass Bewegung den sog. Brain-derived neurotrophic Factor (BDNF) erhöht und dies wiederum mit einer Extinktion von Furcht in Zusammenhang steht (Powers et al. 2017). In einer Studie konnte gezeigt werden, dass eine mit Sport und Bewegung kombinierte Expositionstherapie (Prolongierte Expositionstherapie, PE) im Vergleich zu einer PE alleine bessere Resultate bei der Reduktion der PTBS erzielte (Powers et al. 2017). Vorläufige Ergebnisse aus einer Studie mit gesunden Probanden an der Universität Melbourne durch ein Team um Prof. Kim Felmingham konnten diese Erhöhung von BDNF im Serum nach Extinktionslernen und Sport im Vergleich zu Extinktionslernen und entspanntem Dehnen nachweisen. Die Probanden in der Sportgruppe zeigten im Anschluss besseres Extinktionslernen. Zurzeit läuft eine Studie bei klinischen Patienten, die Sport und Dehnen nach PE miteinander vergleicht (ISTSS 2020).

Ergebnisse aus Studien zu visuell-räumlichen Übungen wie dem Spiel »Tetris« zeigten, dass man sich in der Therapie das Prinzip der Inferenz der Gedächtniskonsolidierung zu Nutze machen kann (Kessler et al. 2018). Vergleichbare visuell-räumliche Areale könnten für die Wiederabspeicherung der Traumaerinnerung wie auch für das Spielen von Tetris bedeutsam sein. Wird also kurz nach der Traumaerinnerung z. B. Tetris gespielt, führt das zu begrenzten Ressourcen und zur Interferenz. In einer Studie mit 20 Patienten mit komplexer PTBS, die ihr Trauma aufschrieben und anschließend Tetris spielten, konnten intrusive Erinnerungen kurzfristig abgeschwächt werden (Kessler et al. 2018).

Auch Schlaf direkt nach einer Expositionstherapie konnte dazu führen, dass bei Menschen mit sozialer Angststörung die Wirkung der Expositionstherapie verstärkt wurde (Kleim et al. 2014). Schlafen verstärkt Lernprozesse und könnte in Zukunft auch bei PTSD die Wirkung der Expositionstherapie verstärken (Colvonen et al. 2019).

1.6       Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag präsentierte eine Übersicht über bestehende Erklärungsmodelle der PTBS. Diese reichen von dissoziativen Ansätzen über neurobiologische und lerntheoretische Modelle bis hin zu kognitiven und integrativen Modellen. Am Beispiel des kognitiven Modells der PTBS und der kognitiven Therapie von Ehlers und Clark wurde die Umsetzung eines theoretischen Erklärungsmodells in die Therapie veranschaulicht. Eine derartige traumafokussierte Psychotherapie gehört zu den wirksamen Therapien der PTBS. Dies wird von aktuellen Metaanalyen bestätigt und auch neuere Entwicklungen der Umsetzung derartiger Therapien mittels virtueller telemedizinischer Methoden wurden bisher positive evaluiert. Aktuelle Forschung ist nun darum bemüht, die Wirkmechanismen genauer herauszuarbeiten und auf dieser Basis die Therapie weiter zu optimieren. Möglichkeiten der zusätzlichen Anreicherung durch pharmakologische, kognitive und verhaltensbasierte Interventionen sind unterwegs und werden in naher Zukunft zu weiteren Verbesserungen und Möglichkeit einer personalisierten Psychotherapie beitragen.

Literatur

American Psychiatric Association (APA) (1980) Diagnostic and statistical manual of mental disorders – DSM-III. 3. Aufl. Washington, DC: American Psychiatric Association. Dt.: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. DSM-III. Dt. Bearb. u. Einf. von Koehler K, Saß H. Weinheim u. a.: Beltz 1984.

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2          Soziale Traumatisierung durch Eltern und Gleichaltrige – unterschätzt und übersehen

Benjamin Iffland und Frank Neuner

2.1       Einleitung

Für den Menschen als soziales Wesen ist das Erreichen von Anerkennung und Wertschätzung durch Familienmitglieder, Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kolleginnen und Fremde eines der Hauptmotive des eigenen Verhaltens. Wir wollen, dass andere uns mögen, wir wollen uns wichtig fühlen und wir wollen zu anderen dazugehören. Es wird angenommen, dass dieses Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit, Bindung und Akzeptanz, auch need to belong genannt, eines der bedeutendsten und grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse und, aus evolutionärer Sicht, ein überlebenswichtiges adaptives Motiv darstellt (Baumeister und Leary 1995).