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Die Kunst der Psychologie im Beruf

Wie Sie menschliches Verhalten am Arbeitsplatz mühelos deuten, Manipulation erkennen und dank emotionaler Intelligenz Ihre Ziele erreichen

Sebastian Fallheim

 

Copyright © 2022 – Sebastian Fallheim

 

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Die Rechte des hier verwendeten Textmaterials liegen ausdrücklich beim Verfasser. Eine Verbreitung oder Verwendung des Materials ist untersagt und bedarf in Ausnahmefällen der eindeutigen Zustimmung des Verfassers.

 

Inhalt

Einleitung

Menschliches Verhalten in der Arbeitswelt

Warum Ihnen Psychologisches Verständnis Weiterhilft

Wie das Wesen unser Handeln bestimmt

Was uns als Menschen ausmacht

Persönlichkeiten verstehen lernen

Die grundlegenden Temperamente

Die Big Five

Extraversion oder auch Extravertiertheit

Offenheit

Neurotizismus

Gewissenhaftigkeit

Verträglichkeit

Der Myers-Briggs-Typenindikator

Selbstbild und Mindset

Auswirkungen der Persönlichkeit auf die Karriere

Emotionale Intelligenz im Umgang mit anderen

Empathie auf mehreren Ebenen

Gelungen miteinander kommunizieren

Ihre Mitmenschen lesen lernen

Die Kunst des aktiven Zuhörens erlernen

Weitere Tipps für eine erfolgreiche Verständigung

Gruppengefüge und soziale Interaktion

Gruppenphasen

Charaktere mit problematischen Ausprägungen

Der richtige Umgang mit Mobbing

Psychischen Erkrankungen wirksam vorbeugen

Burnout und Boreout

Allgegenwärtige psychologische Phänomene

Der Halo- und Horn-Effekt

Der Superstar- oder N-Effekt

Der Wiederholungseffekt

Der Exzellenz-Effekt

Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)

Der Framing-Effekt

Der Ripple-Effekt

Der Ankereffekt

Die Entscheidungsparalyse

Der Pygmalion-Effekt

Der Ringelmann-Effekt

Das TINA-Prinzip

Murphys Gesetz

Der Rückschaufehler (Hindsight Bias)

Der Primäreffekt

Der Broken-Windows-Effekt

Das Parkinsonsche Gesetz

Manipulation am Arbeitsplatz

Warum Manipulation so gut funktioniert

Welche Trigger zum Einsatz kommen

Welche Prinzipien uns so anfällig machen

Wie Sie sich aktiv gegen Manipulationsversuche wehren

Wie Sie die Effekte positiver Beeinflussung für sich nutzen

Besondere Herausforderungen für (angehende) Führungskräfte

Worauf Mitarbeiterführung beruht

Qualitätskriterien guter Führung

Wie Mitarbeitermotivation gelingt

Positive Psychologie sinnvoll einsetzen

Unterstützende Affirmationen für optimistisches Denken

Die Challenge: in 31 Tagen zu mehr psychologischem Geschick

Tag 1: Eigene Wahrnehmung spiegeln

Tag 2: Den Halo- und Horn-Effekt entlarven

Tag 3: Sich selbst kennenlernen

Tag 4: Gruppendynamik aufdecken

Tag 5: Sich mehr Toleranz aneignen

Tag 6: Aufmerksamkeit und Fokus herbeiführen

Tag 7: Zwischenmenschliche Wechselwirkungen optimieren

Tag 8: Sich mit Positiver Psychologie überlisten

Tag 9: Andere gekonnt überzeugen

Tag 10: Bewusstsein für Mobbing schärfen

Tag 11: Nonverbale Signale entschlüsseln

Tag 12: Schwierige Charaktere aufschlüsseln

Tag 13: Interaktion im Team spielerisch fördern

Tag 14: Achtsamer durch den Tag gehen

Tag 15: Eigene Empathie auf den Prüfstand stellen

Tag 16: Verbalisieren üben

Tag 17: Souverän mit negativen Gefühlen umgehen

Tag 18: Den Stress weglächeln

Tag 19: Eigene Manipulationsprinzipien reflektieren

Tag 20: Gesundheitliches Frühwarnsystem einführen

Tag 21: Motivation im Team verbessern

Tag 22: Bewusste Entspannung herbeiführen

Tag 23: Framing-Formulierungen austüfteln

Tag 24: Unterschiedliche Blickwinkel einnehmen

Tag 25: Eigenen Führungsstil ergründen

Tag 26: Manipulationsversuche abblocken

Tag 27: In sich hineinhören

Tag 28: Emotionale Intelligenz trainieren

Tag 29: Schwachstellen im Verhalten aufdecken

Tag 30: Psychische Erkrankungen erkennen

Tag 31: Die Quintessenz zusammenfassen

Fazit

 

Einleitung

Denken Sie beim Stichwort „Psychologie“ automatisch an einen Patienten auf der Couch, der sich seine Sorgen von der Seele redet, während ihm dabei professionell Gehör geschenkt wird? Verbinden Sie damit irgendwelche traumatischen Erlebnisse in der Kindheit, die aufgearbeitet werden müssen? Damit stehen Sie sicher nicht allein da, denn erfahrungsgemäß haftet dem Begriff etwas Negatives an, so als hätte man damit lediglich dann zu tun, wenn sich gerade ein Problem im Leben auftut. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall, denn Psychologie bestimmt unser Fühlen und Verhalten in jeder einzelnen Sekunde unseres Lebens! Sie ist schlichtweg nicht wegzudenken und macht uns erst zu der Person, die wir heute sind.

Wenn wir uns die genaue Begriffserklärung ansehen, so handelt es sich um die Wissenschaft aller psychischen Prozesse im menschlichen Körper – also sowohl der bewusst als auch der unbewusst wahrgenommenen. Unser komplettes Denken, sämtliche Empfindungen und Wahrnehmungen fließen hier also mit ein und bedingen sich permanent gegenseitig, während sie zusätzlich von weiteren inneren und äußeren Faktoren beeinflusst werden. Aufgrund dieser stattfindenden Vorgänge bewerten wir jede einzelne Situation, die wir erleben.

Allein daran wird bereits deutlich, dass die Psyche niemals ruht, sondern fortlaufend Emotionen entwickelt, die uns und unsere Interaktion mit anderen zu großen Teilen dominieren. Die beschriebenen Prozesse lassen sich folglich niemals unterbrechen, geschweige denn stoppen. Stattdessen laufen sie im Wachzustand auf Hochtouren, ob wir wollen oder nicht. Insofern begleitet uns Psychologie unweigerlich rund um die Uhr und erklärt, warum wir so fühlen, wie wir fühlen, und so handeln, wie wir handeln.

Was hat es nun aber damit auf sich, Psychologie auf den Berufsalltag zu beziehen? Nun, ganz einfach: Wir nehmen unsere Emotionen natürlich überall hin mit, auch an den Arbeitsplatz. Dort verbringen wir erfahrungsgemäß den Großteil unserer Zeit, was sich folglich entsprechend stark auf unser eigenes Wohlbefinden, unsere Laune und sogar auf unsere Gesundheit auswirkt. Daneben definieren wir uns zudem sehr stark über unsere Tätigkeit oder unseren Jobtitel. Hinzu kommt, dass uns bei der Arbeit meist der sichere Rahmen fehlt, den uns Familie und Freunde geben. Wir können also nicht unbedingt alle Seiten unseres Wesens so frei heraus zeigen, sind hingegen aber Leistungserwartungen und sozialen Konflikten viel stärker ausgesetzt.

Gerade in diesem Umfeld ist es demnach von unsagbarem Wert, menschliches Verhalten richtig zu deuten und gekonnt darauf reagieren zu können. All dies trägt zu einem harmonischen Umgang mit Kollegen, Führungspersonen und Mitarbeitern und damit gleichermaßen zu Ihrer Zufriedenheit bei. Dazu zählt unter anderem, die typischen Eigenarten eines Gruppengefüges zu berücksichtigen sowie den Umgang mit schwierigen Charakteren zu beherrschen. All dies verhilft Ihnen sowohl zu mehr Empathie als auch zu einer ausgeprägten emotionalen Intelligenz, dank derer Sie gelungener kommunizieren und schnell Vertrauen aufbauen. Es lässt Sie zudem sensibler für latentes Mobbing und die ersten Anzeichen einer psychischen Erkrankung werden.

Die Fähigkeit, fremde Gefühle erspüren zu können, kommt allerdings nicht von ungefähr. Ihr liegt vielmehr ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür zugrunde, was in Ihnen selbst vorgeht und wie Sie dies proaktiv steuern können. Deshalb unterstützt Sie dieser Ratgeber ebenfalls dabei, Ihre eigene Persönlichkeit zu ergründen, und zeigt auf, wie sie im Berufsalltag zum Tragen kommt. Sie lernen weiterhin, welchen psychologischen Phänomenen wir gar zu oft zum Opfer fallen, um künftig achtsamer und vor allen Dingen selbstbestimmter darauf reagieren zu können.

Apropos selbstbestimmt – leider ist Manipulation am Arbeitsplatz keine Seltenheit, weshalb auch dieses Thema eingehend beleuchtet wird. So können Sie Warnsignale frühzeitig erkennen, sich effektiv zur Wehr setzen und ebenfalls andere schützen. Beeinflussung kann darüber hinaus jedoch genauso gut auf guten Absichten beruhen und dazu dienen, andere erfolgreich zu überzeugen. Hier spielt unter anderem die Positive Psychologie eine entscheidende Rolle, weshalb Sie sich hiervon die wichtigsten Techniken aneignen sollten.

Haben Sie bereits Personalverantwortung inne und tun sich schwer damit, Ihr Team zu begeistern oder Ihre Ziele umzusetzen? Dann sollten Sie den Kapiteln über Führung und erfolgreiche Mitarbeitermotivation besondere Aufmerksamkeit schenken.

All diese Themen sind selbstverständlich sehr praxisbezogen, weshalb Sie damit schnellstmöglich in die Umsetzung kommen sollten. Dazu finden Sie am Ende des Buches eine umfangreiche Challenge. Mit 31 Aufgaben werden Sie einen ganzen Monat lang herausgefordert, die erlangte Kenntnis im Alltag zu erproben. So verbessern Sie nicht nur Schritt für Schritt Ihr Einfühlungsvermögen und Ihr Selbstbild, sondern erlangen auch mehr Routine darin, die Körpersprache anderer zu lesen, Manipulationsversuche zu enttarnen und Psychotricks die Stirn zu bieten.

Ich empfehle Ihnen, manche der Übungen im Nachgang regelmäßig zu wiederholen, um selbstsicherer auftreten zu können und selbst unangenehmen zwischenmenschlichen Begegnungen gewachsen zu sein. Fühlen Sie sich frei, die hier zusammengestellten Tipps mit Ihren eigenen Ideen zu ergänzen. Arbeiten Sie förmlich mit diesem Ratgeber, schreiben Sie nach Herzenslust hinein oder klammern Sie aus, was für Sie weniger zutrifft. Die Hauptsache ist, dass Sie sich durch das Gelernte kontinuierlich auf persönlicher Ebene weiterentwickeln.

Damit Ihnen auf diesem Weg nicht so schnell die Puste ausgeht, geben Ihnen ermutigende Affirmationen immer wieder einen neuen Impuls. Vielleicht finden Sie dabei sogar eine, die Sie sich als Ansporn direkt am Arbeitsplatz aufhängen möchten.

Nun wünsche ich Ihnen viele spannende Erkenntnisse bei der Lektüre und hoffe, dass Sie sich mit deren Hilfe fortan gut gewappnet fühlen, wenn es um Psychologie und ihre weitreichenden Folgen geht.

Wenn du einen Menschen verstehen willst, dann höre nicht auf seine Worte, sondern beobachte sein Verhalten.

(Albert Einstein)

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in diesem Ratgeber größtenteils männliche Formen verwendet, die jedoch für alle Geschlechter gelten sollen.

 

Menschliches Verhalten in der Arbeitswelt

Wie eben schon festgehalten, spielt Psychologie in jede Situation mit hinein, und zwar im Privaten ebenso wie im Job. Was sich in unserem Inneren abspielt, folgt dabei immer dem gleichen Schema: Unsere Gedanken lösen bestimmte Gefühle aus, die ihrerseits wieder zu einem gewissen Verhaltensmuster führen. Die Reaktion unseres Umfelds bestätigt entweder den ursprünglichen Grundgedanken und verstärkt ihn damit zusätzlich oder lässt uns zu anderen Rückschlüssen kommen, die in einer weiteren Spirale münden. Anschließend beginnt der Kreislauf aus Denken, Empfinden und Handeln von Neuem.

Obgleich die Prozesse also an sich immer die gleichen bleiben, werden sie dennoch ausschlaggebend davon beeinflusst, in welchem Umfeld wir uns gerade befinden und in welcher Beziehung wir zu unserem Gegenüber stehen. Machen Sie das Gedankenspiel doch am besten einmal selbst, indem Sie sich Ihre konkreten Lebensumstände dafür vor Augen halten: Im Familien- oder Freundeskreis sind Ihnen die Charaktere aller Beteiligten seit Jahren bekannt. Sie kennen die guten und schlechten Eigenarten der anderen und wissen genau, wie Sie sich gegenseitig zu nehmen haben. Ebenso können Sie einschätzen, wann der andere Spaß macht und wann es ihm ernst ist. Somit fällt es Ihnen in der Regel leicht, das Verhalten der anderen einzuschätzen oder gar korrekt vorauszusagen – sowohl die eigenen Erfahrungswerte als auch das gegenseitige Vertrauensverhältnis geben Ihnen die ausreichende Rückendeckung dafür. Umgekehrt fühlen Sie sich aber ebenso frei genug, Ihre individuellen Schwächen zu zeigen und ab und zu Ihren Launen freien Lauf zu lassen im Wissen, sich in diesem sozialen Gefüge beim besten Willen nicht verstellen zu brauchen. Sie empfinden Nähe und Verbundenheit zueinander, müssen aber keinem etwas beweisen, sondern werden auch ganz ohne große Taten allein aufgrund Ihrer Wesensart geschätzt und geliebt. Dieser Kontext verleiht Sicherheit, die Spielregeln sind allen klar und auch die Kommunikation funktioniert vergleichsweise gut, weil man sich eben kennt und aufgrund dessen die Körpersprache und Mimik der anderen bereits zu lesen gelernt hat.

Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn Sie das vertraute Heim gegen Ihren Arbeitsplatz eintauschen. Im Idealfall fühlen Sie sich auch dort behaglich und sind mit Menschen zusammen, zu denen Sie eine freundschaftliche Basis pflegen, die von Offenheit und Respekt geprägt ist. Leider ist dieser Zustand allerdings weiterhin für viele Arbeitnehmer eine reine Wunschvorstellung, und sie müssen stattdessen mit starkem Konkurrenzkampf zurechtkommen, sich in vorgegebene Hierarchien einfügen und sich in ihrer Position behaupten. Und sogar unabhängig davon, wie wohl Sie sich persönlich in Ihrer konkreten Stelle fühlen, bleiben die Gegebenheiten einfach andere, weil Ihnen das bestehende Arbeitsverhältnis nun einmal mehr abverlangt. Sie haben gewisse Anforderungen zu erfüllen, werden an Ihrem Erfolg gemessen und führen darüber hinaus zu anderen Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kollegen wesentlich neutralere Beziehungen. Oftmals ist dabei sogar Antipathie mit von der Partie, weil Sie sich die Kollegen bekanntlich nicht einfach nach Gutdünken aussuchen können, sondern vielmehr mit den bestehenden Tatsachen zurechtkommen müssen. Anders als im privaten Verhältnis kann nicht einfach jeder Unmut ausgesprochen werden, und Sie haben ebenso wenig die Möglichkeit, heute einfach mal dem Büro fernzubleiben, nur weil Sie gestern kritisiert wurden und sich immer noch gekränkt fühlen.

Wenn Sie also diese beiden sozialen Gefüge miteinander vergleichen, wird schnell deutlich, wie maßgeblich menschliches Verhalten davon gesteuert wird, innerhalb welcher konkreten Umstände es stattfindet. Ein anderer wesentlicher Teil liegt währenddessen in der Persönlichkeit jedes Einzelnen begründet, deren Merkmale wir in Kürze erörtern werden.

Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken.

(Marcus Aurelius)

 

Warum Ihnen Psychologisches Verständnis Weiterhilft

Unser Ziel soll es nun also sein, menschliches Verhalten verstehen, deuten und angemessen darauf reagieren zu können. Gelegenheit dazu bietet sich Ihnen unaufhörlich, denn es steht völlig außer Frage, dass Sie täglich im Job mit Ihren Mitmenschen in Wechselwirkung treten. In all diesen Situationen können Sie also ganz praktisch Ihre emotionale Intelligenz sowie Ihr Wissen um psychologische Zusammenhänge zum Einsatz bringen. In welcher Form, Häufigkeit und Intensität die Interaktion genau abläuft und welche weiteren sozialen Fertigkeiten Sie Ihnen dabei abverlangt, hängt letztlich von Ihrem konkreten Arbeitsverhältnis ab. Dennoch können Sie in jeder erdenklichen Position nur von diesen angeeigneten Stärken profitieren. Als selbstständiger Unternehmer brauchen Sie zum Beispiel sehr viel Menschenkenntnis, um vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen zu anderen aufzubauen, ohne dabei selbst über den Tisch gezogen zu werden. Sind Sie Führungskraft, bilden Sie damit eine wichtige Schnittstelle, von der aus in verschiedene Richtungen kommuniziert werden muss. Diese Verantwortung stellt besonders hohe Ansprüche an Ihre Empathie und Ihre Leitungsqualitäten, da Sie einerseits viele Bedürfnisse gleichzeitig im Blick haben müssen und andererseits das große Ganze nicht aus den Augen verlieren dürfen. In der Rolle als Angestellter geht es währenddessen vielmehr darum, harmonisch im Team zu funktionieren, das eine gewisse Gruppendynamik entwickelt und in dem Konflikte nicht ausbleiben. Verdienen Sie Ihr Geld hingegen als Freelancer, so wird Ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, sich erfolgreich vor potenziellen Kunden zu präsentieren sowie ein großes Netzwerk aufzubauen.

Es sollte zudem klar sein, dass zwischenmenschliche Kompetenz in sämtlichen Branchen und Aufgabenbereichen gefordert ist. Sie brauchen nicht zwangsläufig in einem Pflegeberuf zu arbeiten, um Einfühlungsvermögen und kommunikatives Geschick nutzen zu können. Ebenso wenig treten Manipulation, Mobbing und Burnout ausschließlich in Wirtschaftsbetrieben auf, in denen es ums knallharte Geschäft geht, sondern sind allgegenwärtige Begleiterscheinungen, die uns überall begegnen können. In sämtlichen Firmen und Einrichtungen wollen Mitarbeiter professionell angeleitet und motiviert werden, egal ob in einem Handwerksbetrieb oder einem Krankenhaus.

Wie wir miteinander umgehen, aufeinander reagieren und uns gegenseitig beeinflussen, ist in der Summe sehr komplex und wird von unzähligen Faktoren bedingt, die oftmals außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegen. Umso entscheidender ist es daher, ein fundiertes Verständnis dafür zu haben, was in Ihnen selbst passiert, warum Sie sich beispielsweise in einem Moment angegriffen oder bevormundet fühlen, und darüber hinaus ebenso gut die Signale Ihrer Mitmenschen interpretieren zu können, um sich besser mitzuteilen und der jeweiligen Situation entsprechend zu benehmen. Optimalerweise schaffen Sie es sogar, Fettnäpfchen zu umgehen und im richtigen Augenblick das nötige Feingefühl an den Tag zu legen. Damit tragen Sie zum einen zu einem angenehmeren Betriebsklima bei, tun sich zum anderen aber auch viel leichter, die eigenen beruflichen Ambitionen zu verfolgen.

Lassen Sie uns den Nutzen an einem Beispiel deutlich machen: Es hat sich herumgesprochen, dass alle in der Abteilung außer Ihnen eine Gehaltserhöhung bekommen haben. Sie sind zwar empört, dennoch fehlt Ihnen der Mut, Ihren Vorgesetzten damit zu konfrontieren und eventuell einen Konflikt auszulösen. Ja, Sie gehen ihm sogar bewusst aus dem Weg, weil Sie sich geschnitten fühlen, nehmen die finanzielle Ungerechtigkeit aber dennoch kommentarlos hin. Vielleicht reden Sie sich sogar ein, dass Sie einfach eine schlechtere Leistung als die anderen abgeliefert und es daher nicht anders verdient haben. Ihr Engagement am Arbeitsplatz wird sinken, weil Sie diesem Irrglauben anhängen und Ihre Gedanken bekanntlich sowohl Ihr Fühlen als auch Ihr Handeln bestimmen. Umgekehrt dürfte Ihr Vorgesetzter weiterhin unfair bleiben, da er von Ihnen nicht die Stirn geboten bekommt. Eine solche Situation führt mit Sicherheit zu keinem erfüllten Arbeitsleben, sie zermürbt Sie vielmehr auf Dauer. Vermeiden ließe Sie sich aber, wenn Ihnen Ihre eigene Gedankenwelt bewusst wäre, Sie den psychologischen Kreislauf erkennen könnten, der sich dabei abspielt, und Sie in der Lage wären, Ihre Kritik auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Versetzen wir uns nun in die Lage des Vorgesetzten, dem es einfach völlig durch die Lappen ging, dass Sie bei der Gehaltserhöhung übersehen wurden. Verfügt er über ausgeprägte soziale Qualitäten, so wird ihm auffallen, dass Ihre Körpersprache ihm gegenüber abweisender geworden ist, Sie sich zurückziehen und Ihre Motivation darüber hinaus nachgelassen hat. Außerdem wird ihm Kommunikationsstärke dazu verhelfen, das Problem offen mit Ihnen zu besprechen und gekonnt zu klären.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Ihnen psychologisches Verständnis in vielerlei Hinsicht Vorteile einbringt. Es befähigt Sie, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und nicht einfach darüber hinwegzugehen, macht Sie sicherer im zwischenmenschlichen Umgang und verhilft Ihnen darüber hinaus zu einem professionelleren Auftreten. Daneben trägt es dazu bei, Zusammenhänge viel klarer zu sehen und rechtzeitig zu erkennen, welchen Einflüssen Sie selbst ausgesetzt sind. So bekommen Sie unter anderem ein besseres Gespür dafür, welche Menschen oder Verhaltensweisen Ihnen schaden, machen sich demnach weniger anfällig für Manipulationsversuche und bewahren Ihre psychische Stabilität und Gesundheit.

Ein ausgeprägtes psychologisches Verständnis hilft Ihnen, deutlich mehr Bewusstsein für sich selbst, Ihre Gefühlswelt sowie daraus immer wieder resultierende Verhaltensweisen zu entwickeln. Beherrschen Menschen diese Disziplin, spricht man Ihnen einen hohen EQ zu, also eine ausgeprägte emotionale Intelligenz, dank derer man sich und andere Menschen hervorragend wahrnehmen, einschätzen und verstehen kann.

Ein essenzieller Grundsatz liegt hierin verborgen, der häufig sehr stiefmütterlich behandelt wird: das Bewusstsein des eigenen Ichs und damit das Wissen um Ihre subjektiven Gefühle, Bedürfnisse, Stärken und Schwächen. Erst wenn Sie zu dieser Selbsterkenntnis vorgedrungen sind, können Sie entsprechend sensibel die Belange Ihres Umfelds erfassen. Aus diesem Grund werden wir uns im nächsten Schritt zunächst einmal mit Ihrer Persönlichkeit und Ihrem individuellen Selbstbild beschäftigen.