Warum zwinkert der Delfin im Schlaf?

Gute Nacht, Puppe Pia

Warum ist es nachts dunkel?

»Jeden Abend das Gleiche«, sagt Papa ärgerlich. »Ich will früh aufstehen morgen, Sophia. Ich muss jetzt schlafen und du auch!«

»Natürlich, Papa!« Sophia hockt auf dem bunten Flickenteppich vor ihrem Bett und hält Pia im Arm. Pia ist Sophias Lieblingspuppe. Sie hat schwarze Locken, ein Pausbackengesicht, und sie trägt ein rotes Lätzchen um den Hals.

»Ich wäre ja längst im Bett!«, erklärt Sophia. »Doch Pia trödelt mal wieder mit dem Essen. Ich habe schon mit ihr geschimpft, aber es hilft gar nichts.«

»Soso!« Papa verschränkt die Arme. »Das ist wirklich zum Verrücktwerden mit euch beiden.«

»Siehst du, wie Papa sich ärgert?« Sophia füttert Pia mit einem kleinen Eislöffel. »Jetzt aber fix-fix: Ein Löffel für Papa, ein Löffel für Sophia …«

Sophia kann deutlich hören, wie Papa missmutig durchschnauft. Er hebt den Puppenherd, die beiden Töpfchen und die kleine Schüssel vom Boden auf und räumt sie ins Puppenhaus.

»Ich bleibe jetzt hier, bis ihr beide im Bett seid und das Licht ausgemacht habt«, sagt Papa streng. Er kickt Sophias blauen Ball und die Filzstifte unter dem Stuhl weg und setzt sich verkehrt rum darauf. Papas Finger trommeln auf der Stuhllehne.

Sophia nimmt Pia das Lätzchen ab.

»Also! Was ich dir gesagt habe«, flüstert Sophia. »Jetzt ist Schlafenszeit, und zwar fix!« Sophia legt Pia ins Bett und deckt sie zu.

Papas Füße wippen ungeduldig unter den weiten Schlafanzughosenbeinen. Sophia setzt sich auf die Bettkante und lächelt ihn an. Aber Papa lächelt nicht zurück.

»Erzählst du uns noch eine Geschichte?«, fragt Sophia, und ihre Stimme klingt süß wie ein Weihnachtsglöckchen.

»Sophia … ich meine es ernst! Es ist spät. Da gibt es keine Geschichten mehr.«

»Ach bitte, Papa!« Sophia schlüpft zu Pia ins Bett.

Papa ist aufgestanden, schiebt die Decke rund um Sophia und Pia fest, damit die beiden es kuschelig haben.

»Papa, ich sag dir was«, flüstert Sophia. »Pia kann ohne Geschichte gar nicht einschlafen.«

»Aber heute muss sie das! Ihr zwei macht jetzt die Augen zu und Schluss! Es ist viel zu spät für eine Geschichte.«

»Okay, Papa, ich schlafe schon!« Sophia drückt die Augen zu und presst ihre Arme stocksteif an den Körper. Aber plötzlich reißt sie ihre Augen wieder auf.

»Papa! Pia gibt keine Ruhe. Sie zappelt in einem fort, ich kann so nicht einschlafen!«

»Wenn Pia hibbelig ist, muss sie heute Nacht woanders schlafen. Im Wohnzimmer auf dem Sofa ist Platz genug.«

Sophia hört, dass Papa ein Kratzen in seiner Stimme hat. Und das Kratzen bedeutet, dass sie jetzt sehr vorsichtig sein muss. Wenn Papas Stimme kratzt, kann es sein, dass er gleich richtig sauer wird, und dann erzählt er garantiert keine Geschichte mehr.

»Hast du gehört?«, schimpft Sophia mit Pia. »Jetzt wird nicht mehr gerappelt und gezappelt!« Sophias Stimme klingt fast so kratzig wie die von Papa. »Wenn es nachts dunkel wird, sind wir müde und ruhen uns aus!«

Sophia schließt die Augen, aber sie blinzelt ein wenig. So kann sie sehen, dass Papa grinsen muss. Das ist ein gutes Zeichen.

»Mensch, Pia!«, raunt Sophia und rüttelt ihre Puppe an der Schulter. »Weißt du, was sie jetzt wieder wissen will, Papa? Pia will wissen, warum es nach jedem Tag Nacht wird. Das begreift sie einfach nicht. Wenn es nach Pia ginge, dann gäbe es gar keine Nacht, sondern immer nur Tag. Aber das geht natürlich nicht. Man kann die Nacht doch nicht einfach abstellen, oder, Papa?«

»Tag und Nacht wird es automatisch«, murmelt Papa. »Das können wir nicht ändern.« Papa hat ganz kleine Augen und sieht ziemlich müde aus. Aber vielleicht erzählt er ja doch noch eine Geschichte?

»Mir ist das völlig klar!« Sophia strahlt Papa an. »Wenn die Sonne aufgeht, wird es Tag, und wenn die Sonne untergeht, wird es Nacht. Licht aus?«

»Licht aus!« Papa gibt Sophia einen Kuss. Dann beugt er sich zu der kleinen Leselampe über ihrem Bett und knipst sie aus.

Aber Papa bleibt an Sophias Bettrand sitzen und rührt sich nicht. Sophia weiß, dass er jetzt nachdenkt. Sie kann im Halbdunkel sehen, wie Papa die Stirn runzelt.

»Nein, so ist es nicht«, murmelt Papa. »Nicht weil die Sonne untergeht, wird es dunkel, sondern weil sich die Erde dreht. Warte, ich erklär dir das!«

Papa knipst die Lampe wieder an. »Stell dir vor, die Lampe ist die Sonne.« Papa hebt den blauen Gummiball vom Boden auf. »Stell dir vor, der Ball ist die Erde.« Papa malt mit dem gelben Filzstift einen Punkt auf den Ball. »Und der Punkt, das ist Europa. Da leben wir.«

»Siehst du, jetzt gibt es doch noch eine Gutenachtgeschichte«, flüstert Sophia in Pias Ohr. Papa dreht den Ball vor der Lampe ganz langsam um sich selbst.

»Die Erde dreht sich. In vierundzwanzig Stunden schafft sie es einmal rundherum.«

Sophia beobachtet, wie der gelbe Punkt auf dem Erdball weiter und weiter wandert. Er bewegt sich durch das Licht der Lampe und dreht sich dann vom Licht weg. Jetzt wandert der gelbe Punkt durch die Dunkelheit.

»Wenn sich Europa aus der Sonne dreht, wird es Nacht«, stellt Sophia fest.

»Und auf der anderen Seite der Erde, da, wo Australien liegt, ist es Tag. Wenn es bei uns dunkel ist, wird es auf der anderen Erdhalbkugel hell.«

Papa dreht den Ball weiter und weiter, und Sophia kann gut erkennen, wie es deshalb abwechselnd Tag und Nacht wird.

»Aber die Sonne, die bleibt die ganze Zeit fix und fest am Himmel stehen. Sie bewegt sich ebenso wenig wie deine Lampe«, erklärt Papa. »Die Sonne ist ein Fixstern, sie geht weder auf noch unter. Nur weil die Menschen von der Erde aus abends die Sonne langsam verschwinden sehen, sagen sie, dass die Sonne untergeht.«

»Ich hab’s verstanden«, sagt Sophia. »Die Sonne scheint eigentlich auch nachts. Aber da können wir sie nicht sehen, weil wir uns von ihr weggedreht haben.« Sophia gähnt. »Weißt du, Papa, wir müssen jetzt Schluss machen. Pia ist echt müde.«

»Was?« Papa legt verwirrt den Ball weg.

»Pia … Ich glaube, sie schläft schon.«

»Ach so«, flüstert Papa. »Na dann, gute Nacht.«

Papa macht die Lampe aus und schleicht zur Tür.

Sophia drückt Pia fest an sich. »Hat dir die Geschichte gefallen?«, fragt sie, als Papa draußen ist. »Wie, du hast es nicht verstanden?« Sophia setzt sich auf und knipst das Licht an.

»Also, pass auf, Pia. Ich erkläre es dir einfach noch mal …«

Sommernacht

Warum sieht man manche Tiere nur nachts?

Die Sommerbühne ist mitten im kleinen Wald im Stadtpark. Da wird heute ein Feenstück mit Musik gespielt. Anton liebt Feen und Elfen, und deshalb hat Mama ihn zum Geburtstag ins Amphitheater eingeladen. Die Bühne ist ein rundes Stück Rasen, und die Zuschauer sitzen auf Steinstufen im Kreis drum herum. Mama und Anton haben einen Platz in der zweiten Reihe. Genau hinter einer Dame mit einem breiten Hut.

»Hoffentlich kannst du was sehen!«, sorgt sich Mama.

»Doch!«, meint Anton. »Ich muss mich nur etwas strecken, dann geht es.« Anton ist ziemlich aufgeregt. Er war noch nie in einem Theater, und schon gar nicht in einem unter freiem Himmel. In den Bäumen hängen rote und gelbe Lampions, und in den Hecken rundum brennen bunte Lichter. Wunderschön und romantisch sieht das aus, wie in einem echten Feenwald. Über den dunklen Tannen kann Anton den Mond als große silberne Scheibe erkennen. Zauberhaft! Aus den Hecken ringsum schlüpfen lautlos die Schauspielerinnen. Alle tragen Blumenschmuck im Haar und bunte Feenkleider. Eine spielt auf ihrer Geige, und die anderen singen und stecken brennende Fackeln in den Rasen auf der Bühne.

Anton setzt sich aufrecht. Das Lied, das sie singen, kennt er. Das hat er schon mal gehört. Den anderen Zuschauern geht es genauso, denn die meisten singen leise mit. Schön klingt das, wenn alle zusammen singen, findet Anton. Plötzlich macht es ganz dicht an Antons Ohr Miiieeehhhh, und dann kitzelt und pikst es. Anton klatscht seine Hand aufs Ohr, aber da geht es auf der anderen Seite los. Miiieeehh … piks! Plötzlich summt es überall: vor und hinter und über Anton und rund um Anton herum.

»Mücken!«, sagt Mama und wedelt mit beiden Händen in der Luft. Anton versucht ebenfalls, die Mücken zu vertreiben. Aber vergeblich.

»So ein Mist, ich hab das Mückenschutzmittel zu Hause vergessen«, jammert Mama, und platsch, schlägt sie nach einer Mücke auf ihrer Wange.

»Schhht!«, macht die Frau mit dem großen Hut. »Seien Sie still, man kann ja gar nichts hören!«

»Ja, aber die Mü…«, will Mama antworten, und schon geht es wieder klatsch und platsch, und Mama schlägt sich auf die Nase und auf die Stirn.

»Mistviecher!«, faucht Mama.

»Hier, bitte schön!« Die Hutfrau hat sich umgedreht und hält Mama ein Fläschchen Mückenspray hin.

»Das ist aber nett«, flüstert Mama. Sie sprüht die Lotion in ihre Hand und verreibt sie auf Nacken und Armen.

»Woher kommen die vielen Mücken?«, will Anton wissen. Überall in den Lichtkegeln der Lampions und Laternen tanzen ganze Schwärme von ihnen.

»Keine Ahnung«, flüstert Mama und reibt Anton mit Mückenschutz ein. »Vielleicht wollen die auch das Theaterstück sehen!«

»So ein Quatsch!« Jetzt hat die Dame mit Hut sich schon wieder umgedreht. Anton kann ihr Gesicht mit dem kirschrot geschminkten Mund und der kleinen Brille erkennen.

»Die Mücken haben sich verflogen«, erklärt sie. »Sie orientieren sich am Mond und an den Sternen, damit sie nachts ihre Flugrichtung halten können. Aber wenn eine Lichtquelle auftaucht, die heller ist als der Mond, kommen sie von ihrer Flugbahn ab.«

»Ach so!«, flüstert Anton und gibt der Frau das Mückenmittel zurück.

»Nachtaktive Insekten wollen zum Laternenlicht den gleichen Winkel einhalten wie zum Mond. Das gelingt ihnen aber nicht, und so schwirren sie immer näher auf die Lampen zu.«

»Wie Motten und Nachtfalter auch!«, fällt Mama ein.

»Pssst!«, machen jetzt alle Leute rundum. Anton, Mama und die Frau mit Hut sind sofort still, damit man die Musik hören kann.

Auf der Bühne ist jetzt ein singender Bär aufgetreten. So ein dickes Fell wäre praktisch, denkt Anton. Da kann keine Mücke durchstechen. Anton merkt, dass es um ihn herum gar nicht mehr summt und pikst. Wie angenehm, dass das Mückenspray wirkt. Mama holt die Salamibrote aus dem Rucksack und gibt Anton eines. Schmausend schaut Anton hoch zum Mond. Da sieht er, dass es über den Köpfen der Zuschauer flappt und flattert.

»Das sind Fledermäuse«, erklärt Mama. »Rate mal, was die hier wollen.«

»Abendessen?« Anton versteckt schnell sein Salamibrot zwischen den Knien.

Mama kichert. »Deine Salami interessiert die nicht. Fledermäuse sind zwar Fleischfresser, aber sie mögen nur Insekten. Die holen sie sich im Flug einfach aus der Luft. Mund auf und zack und schnapp!«

Toll sieht das aus, wie die Fledermäuse pfeilschnell am Nachthimmel hin und her sausen, abbremsen und in die andere Richtung weiterflattern. Anton beißt in sein Brot. Wie das wohl wäre, eine Fledermaus zu sein? Dann müsste er sein Essen aus der Luft schnappen.

»Wie sehen Fledermäuse in der Dunkelheit, wo Mücken und Insekten sind?«, wundert sich Anton.

»Tja …«, sagt Mama. Anton weiß, dass »Tja …« bei Mama bedeutet, dass ihr die Antwort nicht einfällt.

Da wackelt der große Hut vor Anton, und die Dame mit dem Kirschmund dreht sich um.

»Fledermäuse stoßen ganz hohe Töne aus. Menschen können die nicht hören. Diese Töne breiten sich in Schallwellen in der Luft aus. Wenn die Schallwellen auf ein Hindernis treffen, egal ob es eine Hauswand oder eine Mücke ist, werden die Töne zurückgeworfen. Die Fledermäuse hören dieses Echo und wissen, ob sie auf etwas Essbares zufliegen oder auf ein Hindernis.«

»Dann sehen die Fledermäuse ihr Essen gar nicht, sondern sie hören es?«, fragt Anton.

»Genau!«, bestätigt die Frau. »Fledermäuse können auf diese Art pro Nacht bis zu fünftausend Mücken aufspüren und vertilgen.«

»Jetzt seien Sie aber ruhig!«, giftet der Mann neben der Hutfrau.

Mama, Anton und die Frau gucken einander erschrocken an. Schon wieder haben sie vergessen, dass man im Theater nicht sprechen soll.

Anton versucht, sich auf das Stück zu konzentrieren. Ein grüner Troll mit einem beleuchteten Schlitten ist aufgetreten, aber der ist eigentlich nicht so spannend wie die Fledermäuse am Himmel. Jetzt flattert eine ganz dicht über Antons Kopf. Deutlich kann Anton ihre großen, spitzen Ohren erkennen. Die braucht sie auch, wenn sie so feine Töne hören will. Anton spürt, wie Mama den Arm um ihn legt, und kuschelt sich eng an sie. Gemeinsam genießen sie die Musik und schauen sich dazu das Fledermausspektakel am Nachthimmel an. So versunken in den Anblick der flatternden Tiere sind sie, dass sie gar nicht merken, dass das Stück zu Ende ist. Die Leute applaudieren.

Die Feenschauspielerinnen löschen die Fackeln, und überall wird es dunkel.

»Hoffentlich finden wir ohne Taschenlampe zum Parkplatz«, sagt Mama.

»Kein Problem, ich habe eine«, sagt die Frau mit dem Hut und kramt in ihrer Handtasche.

»Ich heiße übrigens Frieda«, erklärt sie. »Kommt hier entlang, das ist eine Abkürzung. Auf dem Weg kann ich euch etwas Besonderes zeigen. Aber ihr müsst leise sein!«

Anton schlüpft mit seiner Hand in die von Mama. Dann folgen sie Frieda den dunklen Parkweg entlang. Nach einer Weile bleibt Frieda stehen und zielt mit dem Strahl ihrer Lampe auf den Stamm einer mächtigen Buche. Anton kann oben im Baumstamm eine Höhle erkennen. Darin erscheint für einen winzigen Moment ein gelbes Augenpaar.

»Huch!« Anton erschrickt. »Was war das?«

»Das ist mein alter Freund, Kasimir, der Waldkauz«, flüstert Frieda. »Du kannst von Glück reden, dass du ihn gesehen hast. Normalerweise ist er äußerst scheu. Kommt weiter, dann stören wir ihn nicht beim Jagen.«

»Jagen Waldkäuze auch nachts?«, will Mama wissen.

»Ja, zusammen mit den Fledermäusen geht er auf Beutezug. Die meisten Käuze und Eulen sind nachtaktiv. Genau wie ich.« Frieda kichert. »Weil ich nachts so gerne lese, male oder E-Mails schreibe, sagen meine Freundinnen alte Nachteule zu mir. Hu-hu, hu-hu …«, ahmt Frieda den Balzruf der Eule nach und guckt dabei durch die Ringe aus Zeigefinger und Daumen.

»Haben Waldkäuze deshalb so große Augen, damit sie besser sehen können?«, fragt Anton.