Copyright © 2022 Helmut F. Kaplan

ISBN 978–3–7562–8115–2

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Umschlaggestaltung: Kevin T. Fischer

Satz und Layout: Kevin T. Fischer

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Geleitwort

Liebe Leser*innen,

93 Prozent der Österreicher und 95 Prozent der Deutschen halten Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig, fand eine 2015 im Auftrag der Europäischen Union durchgeführte, repräsentative Befragung heraus. Etwa vier von fünf Befragten, 78 Prozent der Österreicher und 83 Prozent der Deutschen, sind der Ansicht, dass in ihrem Land das Wohlbefinden der Tiere besser geschützt werden müsste als dies gegenwärtig der Fall ist. In dieser Angelegenheit ist die große Mehrheit also theoretisch motiviert – nur engagiert ist sie leider nicht. Denn, auch wenn Tierschutz diesen Menschen wichtig ist, andere Dinge sind ihnen offenbar wichtiger. Das zeigt sich beispielsweise am Marktanteil von Bio-Fleisch, der auch heute noch, viele Jahre nach der Einführung dieses Marksegments, deutlich unter vier Prozent liegt. Das heißt, mehr als 96 Prozent des Fleisches stammen gegenwärtig aus der konventionellen Landwirtschaft, also genau den Haltungsformen, bei denen die, die es verzehren, von Tierschutzdefiziten ausgehen. Berücksichtigt man, dass Vegetarier und Veganer zusammen nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen, resultiert aus dieser Gegenüberstellung, dass bei der Ernährung gegenwärtig Wertvorstellungen und Verhalten in einem auffälligen Missverhältnis stehen.

Dieses Missverhältnis lässt sich zwar erklären, es lässt sich aber interessanterweise weder bei anderen Menschen noch in Bezug auf das eigene Verhalten akzeptieren, da das menschliche Gerechtigkeitsempfinden für jede in Anspruch genommene Leistung eine angemessene Gegenleistung fordert. Eine Gegenleistung, die wir den Tieren bislang schuldig bleiben. Obwohl also 96 Prozent des vermarkteten Fleisches aus Haltungsformen stammt, bei denen die, die es kaufen, Tierschutzdefizite vermuten, stimmten im August 2017 in einer für Deutschland bevölkerungsrepräsentativen Studie der Universität Göttingen 94 Prozent der Befragten der Aussage zu, „wenn wir Tiere nutzen, sollten wir ihnen ein gutes Leben ermöglichen“, 5 Prozent entschieden sich für „teils/teils“, abgelehnt haben diese Aussage 0 Prozent. Wir stellen also nicht nur fest, dass Wertvorstellungen und Verhalten einander widersprechen, sondern beobachten überdies eine für die betroffenen Menschen unbehagliche Dissonanz zwischen moralischem Urteil und eigenem Handeln. Da große Bevölkerungsteile den gegenwärtigen Umgang mit Tieren als inakzeptabel empfinden, während sie die „Tierproduktion“ durch die eigene Nachfrage weiter anfachen, ist die Selbsteinschätzung zum Fleischkonsum quer durch die Bevölkerung von selbstbetrügerischer Dissonanzreduktion geprägt: „Ich kaufe Fleisch nur beim Metzger, nicht das Abgepackte aus der Massentierhaltung.“ Oder: „Bei uns kommt nur Fleisch aus der Region auf den Tisch; da weiß man, was man hat.“ Dies charakterisiert in etwa die „Erfolgsbilanz“ von 200 Jahren Tierethik. Nicht mehr und nicht weniger. Die damals vollkommen neue Botschaft der Aufklärung, dass Rücksicht zu nehmen ist, nicht allein auf Menschen, sondern auf alle „empfindungsfähigen Wesen“, ist also als Theorie nachweislich in der Breite der Gesellschaft angekommen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wäre das Statement aus der Göttinger Studie von der Bevölkerung wohl mehrheitlich abgelehnt worden.

Das gegenwärtige Problem betrifft die Praxis. Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, was die Menschen daran hindert, ihr Verhalten ihren Einsichten anzupassen, ist in den letzten Jahren auch über „Sucht“ nachgedacht worden. In der Tat ähnelt die Situation des Konsumenten der des Rauchers, der um die Nebenwirkungen seines Verhaltens weiß, und doch nicht damit aufhören kann. „Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft“ verlautete es vor einiger Zeit im Hinblick auf die Gefahr staatlicher Interventionen in kritischer Selbsterkenntnis aus der Fleischindustrie. Weil das gegenwärtige Konsumentenverhalten von Dissonanzreduktion bestimmt wird, verwundert es nicht, dass auf der Angebotsseite ein Marketing-Wettkampf um die friedlichsten Bilder und die freundlichsten Assoziationen entbrannt ist, denn der innerlich zerrissene Kunde dankt für diese ethische Entlastung mit einem ungehemmten Konsum. Um billigen Nachschub made in Germany sicherzustellen, wurde 1971/72 sogar das Tierschutzgesetz an die Erfordernisse der „Massentierhaltung“ angepasst, die „im letzten Jahrzehnt weltweit erfolgte“ und von der damaligen Regierung „als ökonomisch gegeben“ postuliert wurde. Vor diesem selbstwidersprüchlichen Hintergrund aus theoretischer Zustimmung und praktischer Verweigerung diskutiert Helmut Kaplan die Frage, welche Faktoren es sind, die bislang den fairen Umgang mit Tieren verhindern, und welchen Anteil die Tierethiker der jüngeren Vergangenheit an diesem Misserfolg haben.

Als Reaktion auf die sich ab den 1950er und 60er Jahren in den Industriestaaten schnell ausbreitende Massentierhaltung und den quantitativ stark zunehmenden „Tierverbrauch“ der Forschung entstand vor etwa 50 Jahren innerhalb der Hochschulethik ein neues Feld, das man als appellierende Tierethik bezeichnen könnte. Deren Kernargument betont die Gleichheit von Menschen und anderen Tieren in Bezug auf das Empfinden von Freud und Leid, einen von naturwissenschaftlicher Seite inzwischen vielfach bestätigten Sachverhalt. Peter Singers „Animal Liberation“ gilt für viele als das erste Buch der appellierenden Tierethik, kurz darauf folgten weitere, wie Tom Regans „The Case for Animal Rights“, welches die Tierrechtsbewegung auslöste. Der Appell Singers und seiner Kolleg*innen, das Konsumverhalten zu ändern und die Interessen der Tiere als gleichberechtigt anzuerkennen, ist allerdings fast vollständig verpufft. Wie groß bzw. klein die Verhaltensänderung ausgefallen ist, demonstrieren das Bio-Fleisch-Beispiel und die Zahl der Vegetarier. Es ist fraglich, ob bei der Seltenheit dieses Verhaltens die Publikationen von Ethikern überhaupt eine nennenswerte Rolle gespielt haben, schließlich lehnte ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung die Massentierhaltung auch schon vorher bzw. von Anfang an ab.

Das Scheitern des Aufrufs zur Verhaltensänderung wirft die Frage auf, welche strategischen Fehler den Tierethikern der jüngeren Vergangenheit unterlaufen sind. Wer oder was hat außerdem noch Anteil am Verpuffen ihrer Argumente? Und wie könnte das Ruder noch herumgerissen werden? – Das sind die Fragen, denen Helmut Kaplan in diesem Essay, der auch als prickelnd-provozierende Vorlesung über Anfang und Ende der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung gelesen werden kann, nachgeht. Dass der Autor, um einen seiner Kritikpunkte selbst zu beherzigen, dafür eine allgemeinverständliche Sprache und intuitiv zugängliche Argumente verwendet, unterstreicht die Redlichkeit seines Vorhabens. Helmut Kaplan will überzeugen. Er ist selbst ein Vertreter der an Vernunft und Anstand appellierenden Tierethik, vielleicht der konsequenteste im deutschsprachigen Raum. Seit Jahrzehnten hält er an der Grundüberzeugung der Aufklärung, aus der im 18. Jahrhundert die Tierethik entstanden ist, fest: Gutes und richtiges Handeln wird von Motiven bestimmt, die vernünftiger Argumentation zugänglich sind! Jede Klärung der Gedanken sollte infolgedessen zu besseren Handlungen führen. Betrachtet man aber die knapp 50 Jahre tierethischer Appelle als ein großes gesellschaftliches Experiment, mit dem die Richtigkeit der aufklärerischen Grundannahme überprüft wird, dass gut und richtig Handeln von der Einsicht in gute und richtige Überlegungen bestimmt wird, dann finden wir uns heute bei der Auswertung dieses Experiments in dem Dilemma wieder, entweder zugeben zu müssen, dass gute und richtige Handlungen argumentativ nicht erzwungen werden können, oder dass bislang nicht die richtigen Argumente dafür gefunden worden sind. Gutes und richtiges Verhalten gegenüber Tieren kommt jedenfalls seltener vor als das Gegenteil.

Das macht nachvollziehbarerweise jeden Menschen wütend, der sich verpflichtet fühlt, auf empfindungsfähige Wesen, seien es Menschen oder andere Tiere, Rücksicht zu nehmen. Die Ursache dieser Wut ist Empörung, Empörung über Ungerechtigkeit und über Untätigkeit angesichts dieser Ungerechtigkeit. Diese Affekte stellen sich bei empathiefähigen Individuen spontan ein, wenn andere so behandelt werden, wie sie selbst nicht behandelt werden wollen, würden sie in der Haut des anderen stecken. Anders gesagt: Diese Affekte entstehen bei moralisch reifen Menschen immer dann, wenn sie eine entsprechende Behandlung ihrer Person als inakzeptabel zurückweisen würden.

Affekte sind motivierende Gefühle. Von Empörung begleitete Ungerechtigkeitsempfindungen zählen zu den stärksten Motiven menschlichen Handelns. Diese Affekte nötigen einen dazu, sowohl das eigene Verhalten rücksichtsvoll zu gestalten als auch Maßnahmen zum Schutz der ungerecht Behandelten und zur Verhaltensänderung der ungerecht Agierenden zu ergreifen. Bei den meisten Menschen wird diese uneigennützige Motivation gegen den Aufwand und die damit verbundenen Risiken abgewogen, was je nach Charakter und Tagesform nicht selten zur Folge hat, dass gar nichts passiert. Bei einigen wenigen Menschen jedoch überwiegt die Motivation, sich der Ungerechtigkeit entgegenzustellen, jedes andere Motiv. Die Historiker kennen einige Beispiele dafür. Der amerikanische Tierrechtler Tom Regan war so ein Typ – und Helmut Kaplan gehört auch dazu. Das hat fast zwangsläufig zur Folge, wenig Entgegenkommen zu praktizieren; denn etwas weniger ungerecht ist schließlich immer noch ungerecht. Diese Konsequenz ist charakteristisch für die Tierrechtsbewegung, die sich stets von faulen Kompromissen fern gehalten hat.

Die kompromisslose Linie erfordert allerdings Mut. Der seinerzeit sehr populäre Zoodirektor Bernhard Grzimek legte sich mit der mächtigen Geflügelindustrie an, als er darauf beharrte, dass die Haltung von Legehennen in Käfigbatterien für die Tiere genauso schlimm sei wie die Konzentrationslager der Nazis für die dort Inhaftierten. Für seine berühmt gewordene Redewendung der „KZ-Hühner“ musste sich Grzimek 1976 auf Betreiben eines Eierproduzenten zuerst vor dem Landgericht und dann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Grzimek bekam damals Recht. Inzwischen haben die Gerichte ihre Meinung geändert. In ethischer Hinsicht befriedigt die Ächtung des Holocaust-Vergleichs allerdings auch nicht vollumfänglich, wie die unterschiedlichen Positionen von Holocaust-Überlebenden zu dieser Frage demonstrieren. Das Neue und Erhellende an Helmut Kaplans Ausführungen, die weder für noch gegen den Holocaust-Vergleich argumentieren, besteht darin zu zeigen, wie das gegenwärtige Diskussionsklima im deutschsprachigen Raum bereits die Formulierung eines Debattenbeitrags zu dieser Thematik verhindert, was zur Folge hat, dass gegenwärtig nicht einmal im fachöffentlichen Diskurs unter Ethikern Fakten, Zusammenhänge und Blickwinkel angemessen ausgetauscht werden können. Wenn sich, wie in den letzten Jahren zu beobachten, das Diskussionsklima sogar an den Hochschulen verändert und missliebige Stimmen mundtot gemacht werden, nimmt die Auseinandersetzung existentiell bedrohliche Züge an – für den, der sich noch traut, seine Empörung in Argumente zu verwandeln, ebenso wie für die Diskussionskultur im Ganzen. In dieser „Cancel Culture“ sieht Helmut Kaplan den bislang letzten Grund für das Scheitern der Tierrechtsbewegung. Angesichts dieser, ebenfalls der Dissonanzreduktion dienenden Unsitte sei darauf hingewiesen, dass man natürlich nicht jedes Argument zu teilen braucht, aber gegebenenfalls sollte man schon ein überzeugenderes vorlegen.

Das Scheitern der tierethischen Appelle bedeutet für die Tierrechtsbewegung eine existentielle Krise. Dennoch hat sich in Deutschland die Land- und Ernährungswirtschaft, die in den 1950er und 60er Jahren die von ihr selbst so genannte „Massentierhaltung“ einführte, auf Transformationskurs begeben. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten sollen im Rahmen einer agrarökonomisch forcierten „Nutztierstrategie“ die Betriebe schrittweise umgebaut und das Tierschutzrecht schrittweise verschärft werden. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt der Leidensdruck der Landwirtfamilien, die sich mittlerweile in nur schwer erträglicher Weise gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen. Sollte sich dieses gesellschaftliche Phänomen als Ventil unter Druck geratener Konsumenten erweisen, die ihre Empörung in Stigmatisierung der Landwirte umwandeln, statt ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten zu ändern, dann hätten die Tierschutz- und die Tierrechtsbewegung am Ende doch noch eine Wirkung gehabt. Wenn auch eine, die in dieser Form sicher nicht beabsichtigt war.

Mein Fazit sieht daher nach der Lektüre dieses wichtigen und höchst aktuellen Essays wie folgt aus: Wenn wir, trotz des eingestandenen Scheiterns der bisherigen tierethischen Bemühungen, den Gedanken nicht aufgeben möchten, dass wir, Homo sapiens, den übrigen Tieren aus innerer Überzeugung bestimmte Rechte zugestehen wollen, dann sollten wir uns um ehrliche Dissonanzbeseitigung bemühen. Statt die Frage, wie unsere Lebensmittel und Medikamente erzeugt werden, zu verdrängen und die Lösung der Probleme an andere zu delegieren, sollten wir vielleicht der Empörung, die sich angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse einstellt, eine Chance geben und uns von ihr zu einem fairen Umgang mit der Welt und ihren Bewohnern motivieren lassen.

Berlin, im November 2021

Jörg Luy

Vorwort

Die bisherige Bilanz der Tierrechtsphilosophie ist desaströs: Die Situation der Tiere ist hoffnungsloser denn je. Und dass diese hoffnungslose Situation nicht wahrgenommen wird und angesichts der Werbe- und Marketingmaschinerie rund um „Bio“ und „Tierwohl“ inklusive diverser „Gütesiegel“ kaum wahrgenommen werden kann, ist der niederschmetterndste Aspekt dieser hoffnungslosen Situation. Vor diesem Hintergrund ist es erklärungsbedürftig, warum hier dennoch an der Tierrechtsidee, genauer: an einem einfachen Tierrechtskonzept, festgehalten wird. Das sind die Gründe:

In den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts hat die Tierrechtsphilosophie – biologisch, psychologisch und evolutionstheoretisch fundiert – historisch erstmalig (!) den Umgang mit Tieren als legitime und vollwertige Fragestellung in die Ethik integriert.

Damit wurde die Basis für einen möglichen ethischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Paradigmenwechsel zu Gunsten der Tiere geschaffen.

Ein solcher Paradigmenwechsel – basierend auf einem einfachen Tierrechtskonzept – wurde in den Anfangsjahren der Tierrechtsbewegung ansatzweise auch schon realisiert: regelmäßige TV-Reportagen über Jagdsabotagen, ernsthafte Diskussionen über die Schließung von Zoos, reflexhafte moralische Rechtfertigung der Menschen für das Noch-nicht-Vegetarier-Sein.

Es kann überzeugend gezeigt werden, dass aus nachvollziehbar begründeten Menschenrechten konsequenterweise Tierrechte folgen. (Kaplan, 2019 und 2020)

Tierrechte könnten faktisch sinnvoll, ethisch plausibel und rechtlich effizient an Menschenrechte „angebunden“ werden: Viele Menschenrechte der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ haben Vorbildfunktion für Tierrechte. (4.3.3, Kaplan, 2019, S. 90 ff., Kaplan, 2020, S. 74 f.)

Salzburg, im Mai 2021

Helmut F. Kaplan

Inhalt

  1. Die Tierrechtsidee und ihre Feinde
  2. Tierproduzenten und Tierkonsumenten
  3. Tierideologen
  4. Tierphilosophen
  5. Zusammenfassende Erläuterung der „Feindschaften“ gegenüber der Tierrechtsidee

1. Die Tierrechtsidee und
ihre Feinde

Zur Tierrechtsidee gelangt man, wenn man der künstlichen Kluft zwischen Tieren und Menschen, die fehlendes Wissen und falsche Glaubenssysteme geschaffen haben, jene Bedeutung beimisst, die ihr bei Lichte besehen zukommt, nämlich: keine. Tiere haben wie Menschen vielfältige Interessen und wie Menschen einen Anspruch, ein Recht, ein Leben entsprechend diesen Interessen zu führen. Tiere haben wie Menschen eigenständige, individuelle Rechte. Um es mit Worten zu sagen, die erfreulicherweise immer öfter zitiert werden: Wir brauchen für den Umgang mit Tieren keine neue Moral. Wir müssen lediglich aufhören, Tiere willkürlich aus der vorhandenen Moral auszuschließen.

Tierrechte sind der logische Endpunkt einer langen Entwicklung. Die Tierrechtsbewegung ist die konsequente Fortsetzung anderer Befreiungsbewegungen wie etwa der Befreiung der Sklaven, der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder der Emanzipation der Frauen. Immer ging und geht es darum, moralische Diskriminierungen aufgrund moralisch belangloser Merkmale zu erkennen und zu überwinden:

Warum sollte man jemanden quälen dürfen, weil er zu einer anderen Spezies gehört? Gleicher Schmerz ist gleich schlecht, egal ob er von Weißen, Schwarzen, Männern, Frauen, Kindern oder Tieren erlebt wird! Die Diskriminierung aufgrund der Spezies, der Speziesismus, ist genauso falsch wie Rassismus und Sexismus.

Dass der logische Endpunkt dieser Entwicklung, die Überwindung des Speziesismus und die Anerkennung von Tierrechten, noch immer nicht erreicht wurde, dass wir heute sogar weiter von ihm entfernt sind, als wir es schon einmal waren, könnte einen auf den Gedanken bringen, dass sich die Welt oder das Schicksal gegen die Tiere verschworen hat. Es gibt aber eine einfachere Erklärung: Die Tierrechtsidee hat besonders viele und besonders mächtige Feinde: die Tierproduzenten, die Tierkonsumenten, die Tierideologen und die Tierphilosophen. Natürlich hat die Tierrechtsidee noch mehr Feinde, die ganze Typologie, die wir überall, etwa in politischen Parteien, antreffen: Angeber, Blender, Egoisten, Opportunisten, Karrieristen, Querulanten, Narzissten, Pseudomoralisten usw. Wir wollen uns hier aber auf jene Gruppen beschränken, die ein spezifisch tierrechtlerisches strukturelles Element darstellen.

Mit der Identifizierung der Feinde der Tierrechtsidee ist es natürlich nicht getan. Ziel muss es vielmehr sein, für die strukturellen Hemmnisse, die der Verwirklichung von Tierrechten entgegenstehen, zu sensibilisieren, diese zu beschreiben und zu analysieren, um sie dann wirksam bekämpfen zu können.

2. Tierproduzenten und
Tierkonsumenten