Wild & Mild

WILD & MILD

DRUCIE ANNE TAYLOR

DIESES BUCH

Ocean Simpson flieht vor ihrem Stiefvater in die Provinz und hofft, dort ein neues Leben ohne Männer beginnen zu können, allerdings hat sie die Rechnung ohne Slade Parker gemacht. Slade ist Bullrider, doch eine Verletzung hindert ihn daran, dem Sport nachzugehen. Als er Ocean, die sich ihm unter falschem Namen vorstellt, das erste Mal wahrnimmt, ist er alles andere als angetan, denn sie wirkt zu schüchtern und unschuldig auf ihn. Doch was passiert, wenn genau das anfängt, den Bad Boy zu reizen? Und wie wird Slade reagieren, wenn er Oceans bestgehütetes Geheimnis erfährt?

INHALT

Vorwort

Prolog

1. Ocean

2. Slade

3. Ocean

4. Slade

5. Ocean

6. Slade

7. Ocean

8. Slade

9. Ocean

10. Slade

11. Ocean

12. Slade

13. Ocean

14. Slade

15. Ocean

16. Slade

17. Ocean

18. Slade

19. Ocean

20. Slade

21. Ocean

22. Slade

23. Ocean

24. Slade

25. Ocean

26. Slade

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

In diesem Buch geht es um Missbrauch, Gewalt und die Angst, die ein Opfer noch Jahre danach empfindet. Wenn du mit diesem Thema nicht umgehen kannst, bitte ich dich, Abstand von dieser Geschichte zu nehmen.

Denk immer daran: Niemand hat das Recht, dich gegen deinen Willen zu berühren. Ein Nein ist ein Nein, darüber darf sich niemand hinwegsetzen.

Wenn du Opfer sexuellen Missbrauchs geworden bist oder jemanden kennst, der deshalb Hilfe sucht, kannst du dich an das Hilfetelefon ›Sexueller Missbrauch‹ unter der 0800 22 55 530 wenden oder die Website: www.hilfeportal-missbrauch.de besuchen. Dort wird man dir weiterhelfen und dich beraten.

Herzliche Grüße

Drucie Anne Taylor

PROLOG

OCEAN

Vor acht Jahren

Ich höre ihn.

Unablässig nähern sich seine Schritte dem Bett, in dem ich versuche, den letzten Tag zu vergessen. Die Schule war stressig, ich habe mit Mom gestritten und Jake hat mich schließlich nach oben geschickt. Was will er um diese Uhrzeit in meinem Zimmer? Ich stelle mich schlafend, wie so oft in den letzten Nächten. Manchmal setzte er sich an mein Bett, andere Male berührte er mich, doch ich hielt still und ließ es über mich ergehen, weil ich jedes Mal gehofft habe, dass er mich danach in Frieden lässt.

Mein Stiefvater ist seltsam. Immer, wenn Mom Nachtschicht hat, kommt er in mein Schlafzimmer. In Jakes Gegenwart fühle ich mich unwohl. Die Blicke, die er mir zuwirft, sind nicht die, die man einer Vierzehnjährigen zuwerfen sollte. Ich rieche seine Fahne. Das schale Bier, das aus seinen Poren dringt, schnürt mir die Luft ab.

»Ocean, wach auf!«, verlangt er ruppig, als er sich auf die Bettkante setzt. Er reißt mir die Decke weg.

Ich spiele, dass ich aufwache, dann sehe ich ihn im schwachen Schein der Flurlampe an. »Jake, warum weckst du mich?«, frage ich, dabei bemühe ich mich, müde zu klingen.

Er drückt seine große Hand auf meinen Mund, mit der anderen schiebt er seine Jogginghose runter.

»Mhm«, gebe ich hysterisch, jedoch durch seine Hand gedämpft, von mir und versuche, den Kopf zu schütteln.

»Halt's Maul«, herrscht er mich an.

Mein Blick fällt auf seinen nackten Schritt. Ich kneife die Augen zu, als er meinen Slip nach unten reißt. Ich wehre mich, doch seine Hand wandert von meinem Mund zu meinem Hals, er drückt zu. »Sei still, Ocean, oder muss ich dir wehtun?«

»Nein«, stoße ich krächzend aus. Tränen rauben mir die Sicht, während die Angst meinen Körper lähmt.

»Braves Mädchen.«

1

OCEAN

VOR ZWEI JAHREN

Ich sitze in meinem Zimmer und sehe den Umschlag des Colleges an. Jake war in das Bewerbungsgespräch auf dem Campus geplatzt, hatte sich wie ein Asozialer benommen und nun habe ich eine Absage erhalten. Ich weiß nicht mehr, was ich noch unternehmen soll, um aus diesem Höllenloch rauszukommen. Er hat mein Leben zerstört und nun setzt er alles daran, dass ich in seiner Nähe bleibe. Wenn er nachts in mein Zimmer kommt, droht er mir damit, Mom etwas anzutun, sollte ich mich wehren, weglaufen oder über die Dinge reden, die er mir meist nachts antut.

Als ich einmal mit ihr über alles sprechen wollte, was er mir angetan hat und immer noch antut, bezichtigte sie mich der Lüge. Sie will es nicht wahrhaben, dabei muss sie doch genau hören, dass er laut stöhnt, wenn er sich – inzwischen auch tagsüber – an mir vergeht. Wegen seiner Drohungen habe ich mich bis heute nicht getraut, zu den Cops zu gehen. Damals in der Schule ging ich nicht zu den Lehrern, auch nicht zum Psychologen, sondern zog mich langsam immer mehr in mich selbst zurück. Nach und nach verlor ich meine Freunde, das Ansehen in der Schule und irgendwann hat man mich nicht mehr wahrgenommen. Ich war nicht einmal bei meiner eigenen Abschlussfeier, weil ich weder mit Mom noch mit ihm gesehen werden wollte.

All die Demütigungen, die ich von Jake erfahren habe; all die Schmerzen, die er mir zugefügt hat; all das muss ein Ende haben, damit ich endlich mein Leben leben kann.

Als ich seine Schritte im Flur höre, lasse ich den Briefumschlag fallen und eile zum Fenster. Ich öffne es, als er die Tür aufstößt. Meine Glieder erstarren, mein Körper verkrampft.

»Willst du schon wieder abhauen?«

Ich schüttle wortlos den Kopf.

»Dann komm her.«

Ich wiederhole es.

Jake nähert sich mir. Seine Fahne riecht man mehrere Meter gegen den Wind, weshalb ich durch den Mund atme. »Du solltest das College abhaken. Ich lasse nicht zu, dass du gehst und ich mein Spielzeug verliere«, säuselt er, als er vor mir steht. Mit seinen schmierigen Fingern streift er meinen Kiefer, weshalb ich den Kopf wegdrehe. Kaum habe ich es getan, packt er mein Gesicht und drückt meine Wangen so fest ein, dass meine Lippen ein unfreiwilliges O zeichnen. »Du siehst mich gefälligst an, wenn ich mit dir spreche oder dich berühre!«

»Hm«, gebe ich mühsam von mir, doch nicken kann ich nicht.

Seine freie Hand macht sich an meiner Bluse zu schaffen, während ich hinter mir nach der Lampe taste. Jetzt oder nie. Ich werde abhauen.

Als ich die Tischlampe ertastet habe, greife ich nach dem Stiel und ziehe sie ruckartig vor, ihm über den Schädel. Immer wieder schlage ich zu, bis Jake vor mir in sich zusammensackt. Ich breche in Tränen aus, weil ich Angst habe, dass ich ihn umgebracht habe, doch muss ich mich beeilen. Keine Ahnung, wie lange er bewusstlos bleibt oder ob er überhaupt noch mal aufwacht, deshalb werde ich nichts packen. Ich schnappe mir die Geldkassette aus der Schreibtischschublade, in der ich all das Geld verwahre, dass ich in den letzten Jahren verdient, gespart und seit Monaten in Kleinbeträgen von meinem Konto abgehoben habe, und trete ihn noch einmal. Dann hole ich die Jeansjacke und meine Handtasche vom Bett. Er rührt sich, weshalb ich aus meinem Zimmer und anschließend aus dem Haus renne. Mit schnellen Schritten eile ich zu dem Auto, das er und Mom mir zum sechzehnten Geburtstag geschenkt haben. Auf dem Weg dorthin entriegle ich mithilfe des Funkschlüssels die Türen. Ich steige ein, schaue noch einmal zur Veranda und atme auf, da ich Jake nicht sehen kann. Dennoch starte ich den Motor, setze den Wagen zurück und verlasse mit quietschenden Reifen die abgesperrte Community, in der wir leben. Ich warte nicht darauf, dass sich die Schranke hebt, sondern krache mit dem Mustang direkt hindurch. Es ist mir scheißegal, dass die Kosten Jake und meiner Mutter auferlegt werden. Durch ihre Hochzeit mit ihm hat sie genug Geld zur Verfügung.

Ich will nur noch weg.

Ich war fast drei Stunden unterwegs, aber nun bin ich in Everglades City. Nicht mehr lange und ich habe das Sumpfgebiet erreicht. Dort werde ich mein Auto los, täusche meinen Tod vor und verschwinde einfach in einen anderen Bundesstaat. Meine Haare habe ich unter einem Basecap verborgen, sobald ich mich in Sicherheit wiege, werde ich sie dunkel färben und hoffen, dass Jake mich niemals suchen wird, weil er nicht an meinen Tod glaubt. Zuhause habe ich es nicht mehr ausgehalten. Wäre ich vorhin nicht brutal geworden, hätte er sich bestimmt ein weiteres Mal an mir vergangen, aber ich will nie wieder seinen Bieratem in meinem Gesicht und sein Gewicht auf meinem Körper spüren. Dieser Mann hat mir genommen, was mir nur jemand hätte nehmen dürfen, den ich liebe und der mich liebt. Ich hätte es freiwillig hergeben müssen, doch er beraubte mich ihr einfach.

Meiner Unschuld.

Ich atme tief durch. Mit dem Auto bin ich, so weit ich konnte, ins Sumpfgebiet gefahren, nun stehe ich in der Nähe des Sumpfs und sehe die Alligatoren, die sich in diesem tummeln. Prädatoren, die nur darauf warten, dass ein ahnungsloses Beutetier auf ihre Tarnung hereinfällt und arglos ihr Revier betritt. Ich steige aus dem Mustang, das Verdeck ist unten. Ich habe mir neue Klamotten und einen Sack mit Fleisch besorgt, das ich in die Kleidung, die ich noch getragen habe, als ich abgehauen bin, gestopft habe. Ich stelle es auf den Fahrersitz und schnalle die prall mit Steaks und anderem Fleisch gefüllte Bluse fest, meine ebenso befüllte Jeans lege ich in den Fußraum. Ich weiß, dass der Geruch die Raubtiere anlocken wird. Die gefräßigen Biester werden ihr Übriges tun, um meinen Wagen so zuzurichten, dass es aussieht, als hätten sie mich vom Sitz gerissen. Um das Ganze perfekt zu machen, nehme ich das Taschenmesser aus meiner Handtasche, klappe es auf und setze die Klinge an meiner linken Handfläche an. Mit zusammengebissenen Zähnen ziehe ich sie fest über meine Haut, schneide in mein Fleisch und das Blut strömt über meine Hand. Eilig wische ich übers Lenkrad, den Türgriff, meine Kleidung und die Windschutzscheibe. Es muss realistisch aussehen, auch wenn ein großer Teil des Bluts vom Wasser gelöst werden wird, nachweisen kann die Polizei es trotzdem. Nachdem ich das getan habe, wickle ich das neue Halstuch um meine Handwurzel, starte den Motor und hebe einen Stein aufs Gaspedal, während ich die Bremse mit einem schweren Stock blockiere.

Ich richte mich auf, werfe noch einen Blick auf die Alligatoren und atme tief durch. »Lasst es euch schmecken.« Als ich den Stock aus dem Fußraum ziehe, rollt mein Mustang los. Direkt ins Wasser. Ich ziehe die Kapuze der Sweatjacke, die ich vorhin nebst einem neuen Outfit gekauft habe, über den Kopf, sodass das Basecap, das ich trage, darunter verborgen ist, dann ziehe ich den Riemen meiner Handtasche höher auf meine Schulter. Anschließend setze ich meine neue Sonnenbrille auf.

Ich wende mich von meiner Vergangenheit ab, hebe den Blick zur Sonne und zum ersten Mal seit Jahren liegt ein Lächeln auf meinen Lippen.

2

SLADE

HEUTE

Meine Schulter macht mir zu schaffen. Wieder einmal. Ich hätte besser aufpassen müssen, als ich das letzte Mal auf Beast saß. Dieses verdammte Vieh hat mich abgeworfen und wortwörtlich auf die Hörner genommen. Ich bin froh, dass ich bloß die Schulter zertrümmert hatte, denn der Stier hätte mich problemlos ins Jenseits befördern können. Doch die Schmerzen, die ich auch nach sechs Operationen noch habe, sind zum Kotzen. Ich betäube sie mit Alkohol und Schmerzmitteln, beides will nicht helfen, aber es macht meinen Kopf wunderbar schwer, sodass ich nicht mehr allzu viel nachdenken muss. Es passiert viel zu oft, dass ich einen über den Durst trinke, mich regelrecht besaufe, aber anders ertrage ich es einfach nicht mehr. Es macht mich fertig, dass ich meinem Job momentan nicht nachgehen kann und darf. In Ordnung es ist bloß ein Zweitjob, denn hauptberuflich bin ich auf der Farm meines Onkels tätig, aber auch ihm kann ich nicht viel zur Hand gehen. Er sagt, es sei kein Problem und ich solle mich ausruhen, aber ich sehe, dass er die Arbeit allein kaum bewältigen kann. Er hat keine eigenen Kinder und meine Tante ist vor zehn Jahren gestorben, weshalb ich als Achtzehnjähriger zu ihm gezogen bin. Meine Eltern kenne ich nicht. Sie waren Säufer und sind abgehauen, nachdem sie mich vor die Tür meiner Großeltern gelegt haben. Ich bin froh, dass ich bei ihnen aufgewachsen bin, denn sie gaben mir all das, was meine Eltern mir verwehrt hätten. Dennoch bin ich kaputt. Ungeliebt, nicht gewollt, abgeschoben. Inzwischen habe ich mir einen Panzer angelegt, niemand kommt an mich heran. Ich lasse keinen Menschen in mein Innerstes blicken, denn ich habe keinen Bock mehr, mich verletzbar zu machen. Meine Ex hat mir das Herz gebrochen, als sie schlussgemacht hat. Und vier Jahre später heiratet sie meinen besten Freund. Wie gestört kann das Leben sein? Ich glaube, entweder ist mein Jahrgang kaputt, denn Fletch – mein bester Freund – und auch Lane – meine Ex – sind genauso alt wie ich, oder nur ich bin es. In einer Kleinstadt kann es zwar passieren, dass man sich in die Ex seines Besten verliebt, aber krank bleibt es. Er hat damit den Bro Code verletzt, denn der Bruder kommt gefälligst vorm Luder. Klar fragte er mich damals, ob ich ein Problem damit hätte oder einverstanden sei, aber hätte ich Nein gesagt, wäre ich das Arschloch gewesen. Darauf hatte ich gern verzichtet.

»Slade?«, ruft Graham, mein Onkel.

»Was ist?«, erwidere ich und erhebe mich. Wie so oft saß ich im Schaukelstuhl auf der Veranda, um meinen Blick in die Ferne schweifen zu lassen.

»Könntest du mir die Rohrzange reichen? Ich muss die Dichtung festhalten, sonst haben wir gleich eine Riesensauerei in der Küche.«

Ich begebe mich zu ihm, sehe ihn unter dem Spülbecken liegen und greife in den Werkzeugkasten. Als ich die Rohrzange habe, reiche ich sie ihm. »Hier.«

»Danke, Junge.«

»Kein Ding.« Anschließend hole ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und nehme am Küchentisch Platz. »Was soll das werden?«

»Der Abfluss war verstopft, also musste es repariert werden. Oder willst du ewig alle Nudeln, die wir kochen, im Gäste-WC abschütten?«

»Für mich war's kein Problem, denn ich koche nicht und du für gewöhnlich auch nicht«, halte ich dagegen und trinke einen großen Schluck Budweiser.

»Du bist ja auch eine faule Socke, die nichts macht und dann noch alles auf diese alte Verletzung schiebt.«

»Die Verletzung macht mich immer noch fertig. Laut Arzt kann ich mir diese Saison abschminken und die nächste wahrscheinlich auch.«

»Also kein Bullriding mehr für dich?«

»Dieses Jahr jedenfalls nicht mehr«, entgegne ich genervt,

»Dann solltest du zusehen, dass du ein paar mehr Aufgaben übernimmst. Du musst ja nichts machen, was deine Schulter in Mitleidenschaft zieht.«

»Und welche Aufgaben schweben dir so vor?«

»Du kannst die Tiere auf die Weide und zurück in den Stall treiben«, sinniert er.

»Das mache ich sowieso schon.«

»Du könntest den Hühnerstall streichen, der hat es mal wieder nötig. Dafür brauchst du nur deinen rechten Arm, den linken kannst du schonen«, sagt Onkel Graham.

»Na gut, das kann ich machen. Wann soll ich damit loslegen?«

»Am besten sofort.«

»Was brauche ich dafür alles?«

Graham schnaubt. »Junge, sieh im Schuppen nach, ob dort noch Farbe und Versiegelungslack sind. Wenn nicht, fährst du zu James und holst die Sachen.«

»Alles klar.« Ich räuspere mich. »Kommst du heute Abend mit zu Colin?«

»Warum? Willst du dich wieder besaufen?«

»Nein, aber Fletcher hat Geburtstag und er wollte feiern. Ich dachte, wir könnten gemeinsam hingehen.«

»Bin ich überhaupt eingeladen?«

»Ja sicher! Er sagte, ich soll dich mitbringen, sofern ich komme«, antworte ich halbwegs aufrichtig. Fletch ist ein Mensch, der keine direkten Einladungen ausspricht, sondern sagt, man kann jemanden mitbringen, falls man will. Für mich gilt es nicht, ich bin sein bester Freund und er hatte noch nie ein Problem damit, wenn ich eine Frau oder meinen Onkel mitgebracht habe. Abgesehen davon kommt Graham so auch mal aus dem Haus, ohne dass er nur meinen besoffenen Arsch aus dem Rider's Pub hieven muss. Heute Abend hätte er immerhin Hilfe dabei, denn Fletcher und Lane sind auch dort.

»Alles klar, dann begleite ich dich.«

»Super, du fährst.«

»War ja klar«, brummt er, zieht die Dichtung fest und kommt unter der Spüle hervor.

»Super, dann kann ich mich wirklich betrinken, damit ich Lane nicht dabei zusehen muss, wie sie Fletch das Ohr ausleckt.«

»Wenn wir nicht miteinander aufgewachsen wären und du mir nicht so gut zur Hand gehen würdest, wenn du mal nicht jammerst, hätte ich dich schon längst rausgeschmissen.« Er sieht mich ein wenig genervt an, aber ich weiß, dass das alles nur Fassade ist. Er war zehn Jahre alt, als meine Eltern mich vor die Tür meiner Großeltern gelegt haben. Meine Mutter war 16, sie hat mich viel zu früh bekommen und jetzt liegt sie sicher schon in ihrem Grab. Ich will nichts mit dieser Frau zu tun haben, denn sie war die Erste, die mich in meinem Leben enttäuscht hat. Und ihr sind unsagbar viele gefolgt, bis ich mich dazu entschlossen habe, dass ich Frauen nur noch fürs Bett benutze. Ich ficke sie, dann schicke ich sie weiter. So läuft es ganz gut und bisher war keine dabei, die mein Herz berühren konnte. Abgesehen davon will sowieso niemand mein vertrocknetes Herz wieder zum Schlagen bringen.

»Junge, was ist los?«

Ich hebe den Blick vom Etikett der Bierflasche und schaue ihn an. »Nichts, hab nur nachgedacht.«

»Heißt?«

Ich ziehe einen Mundwinkel hoch und zeige ihm ein halbherziges Grinsen. »Dass ich denken kann.«

»Alles klar, dann lass ich dich mal mit deinen Gedanken allein und kümmere mich um den Traktor.«

»Ist der schon wieder kaputt?«, möchte ich wissen.

Mein Onkel verdreht die Augen. »Die Benzinpumpe, mal wieder.«

»Fuck.«

»So kann man es sagen«, stimmt er mir zu und seufzt. »Wann wolltest du ins Rider's?«

»Gegen halb zehn. Fletch wird auch nicht früher dort sein.«

»Alles klar.«

»Das heißt, wir sollten uns um neun auf den Weg machen«, lasse ich ihn wissen.

»In Ordnung, Slade.«

Ich leere das Bier, stelle die Flasche weg und erhebe mich. »Ich gehe dann mal den Schuppen plündern.«

Graham sieht mich mit gehobener Augenbraue an, anschließend verschwindet er kopfschüttelnd.

Grinsend verlasse ich ebenfalls das Haus, um mich im Schuppen nach dem Holzlack und der Farbe umzusehen. Vorher sollte ich noch den Hühnerstall in Augenschein nehmen. Denn gegebenenfalls muss ich das Holz abschleifen, um es überhaupt streichen zu können, sofern der Lack schon wieder abgeblättert ist. Ich habe den Stall das letzte Mal vor fünf Jahren gestrichen, davor, als ich gerade hergekommen war. Eigentlich mache ich die Arbeit auf der Farm gern, aber manchmal nervt sie. Streichen gehört nicht zu dem, was ich besonders gern mache, allerdings muss auch das erledigt werden. Und ich bin froh darüber, dass es diesmal nur der Hühnerstall ist und nicht die Scheune, wie letztes Jahr.

»Soll ich dir helfen, Slade?«, fragt James, der Inhaber des Handwerkerbedarfs, als ich mich mit der Auswahl der Farbe schwertue. Ich finde, der Hühnerstall könnte einen vollkommen neuen Look vertragen. Vielleicht sollte ich ihn dunkelgrün streichen, denn das Rot ist inzwischen langweilig geworden.

»Nein, ich komme schon klar.«

Trotzdem kommt James zu mir. »Was suchst du denn?«

»Ich habe vor, den Hühnerstall zu streichen, aber ich kann mich nicht entscheiden, welchen Grünton ich nehme. Dunkelgrün gibt es ja nicht, sondern nur wald-, moos-, tannengrün und so was«, erwidere ich überfordert.

Er lacht. »Das sind nur kleine aber feine Unterschiede. Am besten nimmst du wald- oder tannengrün. Das sind eigentlich die gleichen Töne.«

»Ah, wieso gibt's dann beide, wenn sie identisch sind?«, hake ich mit einer gehobenen Augenbraue nach.

»Geldmacherei«, entgegnet er. »Wie viele Eimer brauchst du für den Hühnerstall?«

»Ich denke, vier sollten reichen und ich nehme das tannengrün.«

»Soll ich dir beim Tragen helfen?«

Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Nicht nötig. Ich krieg's hin. Wo hast du den klaren Holzlack hingeräumt?«

»Ich habe den Farbton auch als Holzlack, dann musst du nicht doppelt ran«, lässt er mich wissen, bevor ich einen Farbeimer von der Palette nehmen kann.

»Super, wo steht der?«

»Wie viele Dosen brauchst du? Dann hole ich sie dir.«

»Kommt drauf an, wie viel da drin ist.«

»Fünf Liter.«

»Kostenpunkt?«

»Ich gebe sie dir für denselben Preis wie die Farbeimer, okay?«

»Insgesamt oder pro Dose?«, hake ich interessiert nach.

»Insgesamt«, sagt er seufzend. »Aber nur, weil Graham und du so gute Kunden seid und dein Onkel und ich seit unserer Jugend befreundet sind.«

»Wie viel kriege ich mit einer Dose gestrichen?«

»Bei einem einmaligen Anstrich etwa zehn Quadratmeter.«

Ich rechne kurz zusammen, wie viel Fläche ich mit dem Lack streichen muss, bedenke auch, dass ich gegebenenfalls zweimal ran muss. »Ich denke, dann nehme ich erst mal sechs Dosen und komme wieder, falls ich mehr brauche.«

»Alles klar. Ich hole sie und bringe sie dir dann zum Pick-up.«

»Super, danke, James. Ich gehe schon mal an die Kasse.« Manchmal ist es unangenehm, dass die Leute einen so gut kennen. James gehört zu jenen Freunden meines Onkels, die mich kennen, seit ich in die verdammten Windeln geschissen habe. Ich bin froh, dass er lange nicht mehr mit allen davon Kontakt hat, denn so einige haben mir meine Kindheit ziemlich schwer gemacht. Etwa Porter, der mich noch als Jugendlicher Windelscheißer nannte, oder Caleb, der meinte, mich drangsalieren zu müssen, wenn Graham nicht hingesehen hat. Heute wehre ich mich, mit sechs Jahren konnte ich es nicht. Ich lasse mir nichts mehr gefallen.

3

OCEAN

Aus dem Ozean wurde der Himmel. Ich habe mir eine neue Identität beschafft und seit einem Jahr lebe ich in Hot Springs in Arkansas. Ich bin über eintausend Meilen von Zuhause weg und froh darüber, dass Jake mich noch nicht gefunden hat. Vorher war ich überall in den Staaten unterwegs, habe mehrere Jobs gemacht, um mich schließlich hier niederzulassen. Die Stadt ist klein, dennoch interessiert sich kaum jemand für den anderen, außerdem kann ich mir hier problemlos eine Wohnung leisten, ohne an meine Ersparnisse gehen zu müssen. Ich arbeite in einem Pub, in dem sich häufig Bullrider, Biker und viele andere Menschen treffen, harte Kerle mit oftmals besonders weichen Kernen, die mit dem Trinkgeld äußerst großzügig sind. Inzwischen mache ich eine Therapie, um mit meiner Vergangenheit fertigzuwerden, doch oft träume ich noch von Jakes Übergriffen. Einen Partner hatte ich nicht, seit ich von Zuhause abgehauen bin. Es fällt mir schwer, Männern zu vertrauen und Colin – mein Boss – ist der Einzige, der dieses Privileg genießt. Meine Kollegin Conny, mit der ich gemeinsam im Rider's Pub angefangen habe, kennt meine Geschichte. Ich habe mich eines abends, als sie mich mit Heaven ansprach, verquatscht und ihr gesagt, dass das eigentlich nicht mein Name sei. Natürlich wollte sie alles ganz genau wissen und ich kam nicht umhin, ihr mein Leben anzuvertrauen. Ich habe einen Menschen noch nie so sehr weinen sehen, auch habe ich nie so viel Mitleid erfahren. Doch genau das möchte ich nicht. Ich will nicht wegen meines Schicksals bemitleidet werden, sondern man soll mich ganz normal behandeln. Heute bin ich froh darüber, dass ich in ihr eine Vertraute gefunden habe. Wir treffen uns abseits der Arbeit ein- bis zweimal pro Woche auf einen Kaffee, um zu reden, aber immer nach meinen Therapiesitzungen, damit sie mich wieder aufbauen kann, wenn es mir besonders schwergefallen ist, mich Dr. Whitmore anzuvertrauen.

Manchmal halte ich mich für ein Wrack, dann wieder für stark, aber letztlich weiß ich nicht, wie meine mentale Verfassung ist. Es gibt vieles, was mich aus der Fassung bringt. Wenn Männer mich anstarren, fühle ich mich schnell unwohl. Ihren Flirtversuchen gehe ich aus dem Weg, blocke sie ab oder sage ihnen, dass ich lesbisch sei. Conny macht das Spiel glücklicherweise immer mit, wenn wir eine gemeinsame Schicht haben, und auch ihr Lebensgefährte Keith, Colins Bruder, geht darauf ein und behauptet gern mal, dass wir in einer polygamen Beziehung leben. Sonst gibt Colin sich gern als mein Beschützer aus. Ich bin froh, dass ich so gute Freunde gefunden habe, auch wenn Colin und Keith nicht Bescheid wissen und sicher nicht ansatzweise ahnen, warum es mich nach Hot Springs verschlagen hat. Ihnen konnte ich mich bisher einfach nicht anvertrauen, obwohl sie mir nie einen Grund gegeben haben, ihnen zu misstrauen. Manchmal gehen wir nachts, wenn der Pub geschlossen ist, miteinander aus oder morgens gemeinsam frühstücken. Meistens aber bleiben wir einfach im Rider's, setzen uns an einen Tisch und während Keith und Colin die Einnahmen zählen und in den Safe schließen, unterhalten Conny und ich uns. Heute wird es vielleicht auch so sein, andererseits wird sicher viel los sein, denn Fletcher Cavanaugh hat den Laden wegen seines Geburtstags gemietet. Es ist gut möglich, dass ich nicht vor morgen früh nach Hause komme.

»Hey, Heav, kannst du mir im Keller helfen?«, fragt Colin, nachdem ich den Pub betreten habe. Noch sind keine Gäste hier, da wir erst um acht Uhr öffnen, jetzt ist halb sieben und ich bin wie immer viel zu früh.

»Klar«, entgegne ich, als ich zu ihm an die Theke gehe. »Ich bringe nur meine Sachen nach hinten.«

Mein Boss nickt mir zu. »Warum trägst du immer so lange Sachen?«

Ich schaue an mir runter. »Das ist doch nur der Strickmantel.«

»Ja, aber der ist lang und bedeckt deine Kurven. Man kann deine Weiblichkeit nur erahnen.«

Ich seufze resigniert, da er das bisher nicht nur einmal angesprochen hat. »Wie oft willst du mir das noch sagen?«

»Solange, bis du mal in einem Kleid hier reinkommst. Conny hat ständig Kleider an.«

»Ich bin aber nicht Conny und ich habe noch nie gern Kleider getragen.«

»Das ist schade.«

»Es gibt Schlimmeres.« Ich zeige zur Kammer, in der wir immer unsere Sachen ablegen. »Ich bringe mein Zeug weg.«

»Sicher.«

Ich stoße mich vom Tresen ab, dann gehe ich in die Kammer. Meine Sachen lege ich in das Regal, das direkt neben der Tür steht. Die Zigaretten hole ich aus meiner Handtasche, platziere sie neben ihr, genauso mein Handy. Ich will die Sachen in den kurzen Pausen, die Colin uns zugesteht, direkt greifen können, damit ich keine Zeit verschwende. Wir können mehrere kleine machen, aber keine längeren, obwohl ich die manchmal wirklich dringend nötig habe. Anfangs habe ich gedacht, der Job würde mich nach kurzer Zeit umbringen, weil ich in meinem Leben nie solche Rücken- und Fußschmerzen hatte, doch mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, wie mein Dad immer so schön sagte.

Dad.

Er fehlt mir und ich wünschte, er würde noch leben, dann wären mir Jakes Übergriffe bestimmt erspart geblieben. Er starb an Krebs, genaugenommen an Leukämie, und man konnte ihm mehr oder weniger beim Sterben zusehen. Irgendwann habe ich mich nicht mehr getraut, ihn zu besuchen, weil ich ihn nicht schwach und kränklich in Erinnerung behalten wollte, doch Mom zwang mich dazu. Letztlich bin ich ihr sogar dankbar dafür, denn kurz nach meinem letzten Besuch ist er gestorben. Ich war acht Jahre alt, als er mir genommen wurde. Zwölf, als Jake in Moms und somit auch in mein Leben trat. Sechzehn, als sie an Krebs erkrankte und mein Stiefvater sich weigerte, sich um sie zu kümmern. Ich habe das übernommen und sie gepflegt, dadurch die Collegebewerbungen und die Schule vernachlässigt und letztlich keinen besonders guten Abschluss gemacht. Und als es ihr endlich besser ging, bin ich noch mal zur Abendschule gegangen, um mich zu verbessern, habe mich wieder beim College beworben und dann tauchte Jake beim Vorstellungsgespräch auf, um mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der Kerl wollte mein Leben vollkommen zerstören, es hat ihm nicht gereicht, dass er mir bereits meine Kindheit, die unbeschwert hätte sein sollen, nahm, als er an jenem Abend zum ersten Mal in mein Bett kam.

Kopfschüttelnd verwerfe ich die Erinnerungen und verdränge Jake aus meinem Bewusstsein, denn seine Anwesenheit in eben jenem will ich nur zulassen, wenn ich bei meiner Therapeutin bin.

»So, da bin ich«, verkünde ich, als ich zurück in den Gastraum komme. Ich trage nebst meiner Strickjacke ein Longshirt mit dreiviertellangen Ärmeln, das figurbetont ist, allerdings hat es keinen weiten Ausschnitt, denn darauf verzichte ich. Immer. Ich trage schon Minimizer-BHs weil ich nicht will, dass Männer auf meine üppigen Brüste starren. Die Blicke sorgen dafür, dass ich mich unwohl fühle und Conny gab mir den Tipp mit der speziellen Unterwäsche. Seitdem ich sie trage, hat das Starren aufgehört. Ich bin meiner Kollegin äußerst dankbar dafür, denn sie wusste, wie abartig sich das Starren für mich angefühlt hat. Je figurbetonter wir angezogen sind, desto mehr Trinkgeld gibt's, völlig egal, wie groß der Busen ist. Die Kerle wollen etwas sehen. Zum Glück sind die meisten nur auf Blicke und nicht aufs Grapschen aus, aber Grapscher gibt es gelegentlich auch unter den Gästen. Colin schmeißt sie raus, wenn sie es nach einer Ansage nicht gelernt haben, dennoch bleibt es unangenehm. Insbesondere dann, wenn man die Erfahrungen hat, die ich zwangsweise sammeln musste.

»Super.«

»Wobei soll ich dir eigentlich helfen?«

»Ich muss die Bierfässer zur Anlage bringen und das Lager ein wenig aufräumen. Du kannst in der Zeit schon mal die Sirupkartons für die Softdrinkanlage nach oben bringen.«

»Alles klar.« Ich räuspere mich. »Also mir fällt es leichter, die Fässer zu rollen, statt Zwanzig-Liter-Kartons zu hieven. Deshalb wär's nett, wenn ich das Anschließen der Bierfässer übernehmen könnte.«

Colin legt den Kopf schief. »Kannst du das denn?«

»Sicher. Ich habe schon öfter Fässer angeschlossen«, erwidere ich lächelnd.

»Wer hat dir das gezeigt?« Er klingt überrascht, aber das schiebe ich auf den Stress, den er wegen Fletcher Cavanaughs Party im Vorfeld hatte.

Daraufhin hole ich tief Luft, um keine freche Antwort zu geben. »Du warst es, kurz nachdem ich hier angefangen habe.«

Seine Miene gefriert, während er mich völlig irritiert ansieht. »Wirklich?«

»Ja, wenn ich es dir doch sage.«

»Alles klar. Dann lass uns nach unten gehen.« Colin winkt mich zu sich, damit wir gemeinsam über die Treppe hinter der Theke nach unten laufen können. Es ist eine enge Wendeltreppe und ich hasse es sie hoch und runter zu müssen, denn ich bin schon das eine oder andere Mal auf den Metallstufen ausgerutscht.

»Ja, Chef.«

Amüsiert kopfschüttelnd nimmt er vor mir die Stufen in den Kellerraum, der als Lager verwendet wird.

Ich hoffe nur, dass die Zapfanlage heute nicht wieder herumzickt. Letztes Wochenende ging es so weit, dass wir das ganze Flaschenbier verkaufen mussten, weil nichts mehr aus der Anlage kam. Letztendlich war das Mistding verstopft, wie auch immer so was funktionieren kann, denn es läuft bloß Flüssigkeit durch die Schläuche.

Wir erreichen das Lager und ich gehe sofort zu den Bierfässern, die den angeschlossenen gegenüber stehen. »Sind die Fässer denn leer?«

»Nein, aber du kannst trotzdem schon zwei neue zur Anlage rollen, damit ich das später nicht übernehmen muss. Wenn Fletcher wirklich so viele Gäste erwartet, wie er angekündigt hat, dann läuft heute Abend mehr Bier dadurch, als sonst in der ganzen Woche«, erklärt Colin.

»Alles klar.« Das scheinen ja ganz schön mächtige Säufer zu sein, aber gut, Fletcher gehört auch nicht zu den Männern, die einem Bier abgeneigt sind, und manches Mal hat er auch schon den einen oder anderen Drink über den Durst getrunken. Ich kenne ihn nicht persönlich, also habe mich nie mit ihm unterhalten, aber er kann ziemlich gut bechern. Wenn er vorbeikommt, grüße ich ihn bloß und nehme seine Bestellungen auf – das war's. Manchmal wird er von einem bärtigen Kerl begleitet, der noch mehr säuft als er. Gesprochen habe ich noch nie mit ihnen, wahrgenommen haben sie mich wohl auch nie richtig. Zumindest bleiben mir so seltsame Fragen erspart, denn oftmals muss ich falsche Handynummern aufschreiben, damit mich die männlichen Gäste in Ruhe lassen, weil die Polygamienummer oder die vorgeschobene Homosexualität nicht ziehen. Das Einzige, was Colin mächtig an dem Bärtigen stört, ist, dass er häufig jemanden anrufen muss, damit er abgeholt wird. Graham heißt sein Abholer und ist sehr freundlich. Oft trinkt er noch eine Cola, wenn er das Betrunkenen-Taxi spielen muss. Ich weiß nur, dass der bärtige Kerl sein Neffe ist. Ich glaube, sie nennen ihn Snake oder so ähnlich. Ich weiß es nicht, aber ich war noch nie besonders gut darin, mir Namen zu merken. Es hat Wochen gedauert, bis ich Keith und Colin auseinanderhalten konnte, bloß Conny hat sich mir sofort ins Gedächtnis gebrannt, weil ich ihren Namen ständig rufen musste, als ich gerade hier angefangen hatte.

Die Fässer, die ich vorhin zur Zapfanlage rollen musste, sind inzwischen angeschlossen und Colin und Keith haben sich unter das Partyvolk gemischt, da Fletcher wohl auch mit ihnen gut bekannt ist. Der Bärtige sitzt am Tresen und starrt in sein Bierglas. Scheinbar geht es ihm nicht besonders gut, denn es ist immer noch sein Erstes, obwohl er schon seit einer ganzen Weile an der Bar sitzt.

»Heaven, kannst du vielleicht zum nächsten Supermarkt fahren und ein paar Flaschen Wodka und Sambuca kaufen? Der Lieferant konnte beides nicht liefern und die Gäste ordern es ständig«, sagt Keith, nachdem er zu mir gekommen ist.

Ich schaue zu ihm hoch, da er mich um gut einen Kopf in der Körperlänge überragt. »Kannst das nicht du oder Colin machen? Du siehst doch, was hier los ist. Ich kam noch nicht einmal von hier weg, weil ich im Akkord Bier zapfen muss.«