15 Beiträge von Studierenden der U3L Frankfurt zum Thema Stadtf orschung in vier Seminaren „Projektlabor ÜberLebensKunst“ vom Sommersemester 2020 bis Wintersemester 2021/2022 unter der Leitung von Dr. Elke Wehrs und Dr. Kersti n Bußmann. Ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant, fand das Projektlabor vorwiegend online statt!

Mit Beiträgen von

Thomas Brand

Rudolf Dederer

Anett Dederer-Lassen & Hans-Christi an Lassen

Christel Enders

Renate Goldbach & Julius Jonasch

Irma Hansmann

Winfried Obermeier

Beate Stahl

Katrin Swoboda

W. W.

Elke Wehrs & Kersti n Bußmann

Anita Wessling

Marti n Willenbacher

Anne Winckler

Screenshot einer Video-Sitzung mit ZOOM (Montage Helmut Röll)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7562-8045-2

© 2022 Elke Wehrs

Umschlaggestaltung und Satz: Helmut Röll
Titelbild: Helmut Röll
Rückseite: Christel Enders
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhalt

Einblick, Überblick und Ausblick

Dr. Kerstin Bußmann & Dr. Elke Wehrs
„Projektlabor ÜberLebensKunst“: Gemeinsames Forschen an der U3L

Dr. Elke Wehrs
Stadterkundung – Sehen, Beschreiben, Verstehen

Frankfurter Augen-Blicke –
Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der U3L

Frankfurter Augen-BLICKE

BLICK von außen

Christel Enders
Faszination Skyline

BLICK auf verborgene Plätze

Thomas Brand
Lost Places

BLICK auf vertraute Plätze

Anita Wessling
Bethmannpark – Ein Bürgerpark in Frankfurt

Rudolf Dederer
Goethe, Schiller, Stoltze in Frankfurt. Oder: Öfter mal was Neues

BLICK hinter die Kulissen

Martin Willenbacher
Streifzug zum Thema Essen in Frankfurt

Renate Goldbach & Julius Jonasch
Genügend öffentliche Toiletten?

BLICK in den Untergrund

Winfried Obermeier
Der Blick unter die Erde. Der Zoo beginnt unter der Erde

BLICK zurück (in die Geschichte)

Anne Winckler
Auf Pilgerpfaden unterwegs in Frankfurt

Beate Stahl
Scherenschnitte von Hannelore Uhse

Rudolf Dederer
„Von Frankfurts Macht und Größe“
Von Friedrich Stoltze, der mit der Nas druffgestumpt worn is von seim Großvater

Anne Winckler
Wer ist Louisa? Auf Spurensuche auch in der Frankfurter Geschichte

BLICK auf einzelne Stadtteile

Katrin Swoboda
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Soulfood in Bockenheim:
Eine kleine kulturell-kulinarische Speisekarte alphabetisch

Anett Dederer-Lassen & Hans-Christian Lassen
Leseratte und Bücherwurm als Flaneure –
Frankfurt und seine öffentlichen Bücherschränke

BLICK in Musikkneipen und Tanzsäle

Irma Hansmann
Meine privaten Musikerlebnisse in Frankfurt:
In Kneipen und an schönen Orten, die ich teils schon seit Jahrzehnten
gern zum Musikhören besuche

W. W.
Frankfurt – die Stadt und Tango Argentino:
Bewegung in der Stadt und Natur am Beispiel Frankfurt am Main

Rückblick und Danksagung

Anne Winckler
Meine persönliche Bilanz
nach vier Semestern „Projektlabor Überlebenskunst“

Dr. Elke Wehrs
Danksagung

„Projektlabor ÜberLebensKunst“ – gemeinsames Forschen an der U3L

Dr. Kerstin Bußmann, Dr. Elke Wehrs

Dr. Kerstin Bußmann

Dr. Elke Wehrs

Das Programm der Universität des 3. Lebensalters (U3L) an der Goethe-Universität in Frankfurt richtet sich an ältere Erwachsene. „Lebenslanges Lernen“ bedeutet für sie einen Zugewinn von Wissen, Qualifikation, Kompetenzen und Lebensqualität. Große Bedeutung erlangt dabei die Teilhabe am sozialen Leben, wozu die gemeinsame Erfahrung von anderen Sichtweisen, die Diskussion über den eigenen, immer wieder auch zu reflektierenden Blick und, nicht zuletzt, das Schließen neuer Freundschaften gehören.

Darüber hinaus ermöglicht die U3L den Studierenden die aktive Teilnahme an Forschungsprojekten. Das Format, „über Leben und Kunst“ in einem „Projektlabor“ zu reflektieren, eröffnet über mehrere Semester Experimentierräume, in denen eigenes (Er-)Forschen von Themenschwerpunkten möglich wird. Kreativität, kritisches Hinterfragen, Flexibilität, Teamfähigkeit und Eigenständigkeit können durch dieses „Forschende Lernen“ erprobt und positive Bildungserfahrungen erreicht werden.

Eine virtuelle Veranstaltung

Ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant, mit dem Ziel, sich als Teilnehmende und Dozentinnen regelmäßig vor Ort auszutauschen, kennenzulernen und in Kleingruppen Schwerpunktthemen zu erarbeiten, findet das Projektlabor derzeit online statt. Der Gedanke, einen besonders engen, persönlichen Kontakt durch Präsenz zu etablieren, war aufgrund der Pandemie leider nicht möglich. Es stellte sich aber heraus, dass auch andere Formate wie Online-Seminare es ermöglichen, neue Spielräume zu eröffnen. Das neu implementierte Projektlabor als auch die besondere Art der rein digitalen Treffen per Zoom stellten für die Beteiligten ein Novum dar, es gelang aber über einen längeren Zeitraum ein Gefühl von Vertrauen und Wertschätzung zu erfahren.

Allerdings bleibt die Sehnsucht der Teilnehmenden nach gelegentlichen Präsenzveranstaltungen durchaus bestehen.

Stadtforschung

Unter dem Schwerpunkt „Mensch und Natur“ einigten sich die Teilnehmenden gemeinsam mit zwei Lehrenden aus unterschiedlichen Disziplinen (Kulturanthropologie und Kunstgeschichte) auf den Fokus der Entdeckung der Stadtkultur Frankfurts. Dazu wurden theoretische Grundlagen und Fragestellungen im lebendigen Diskurs zu Aspekten der kulturanthropologischen Stadtforschung, der bildenden Kunst und Architektur gemeinsam im Projektforum entwickelt. Stadtforschung bedeutet städtische Räume für sich zu erkunden und ihre Bedeutung für den Menschen aufzuzeigen. Stadtraum setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen: aus Baukörpern, aus genutzten Funktionsflächen, privaten und öffentlichen Bereichen, genutzten und ungenutzten Arealen, Grünanlagen und Niemandsland. Ausgangspunkt der Stadtforschung wäre dann: Gibt es in der Stadt (in unserem Projekt Frankfurt) Räume für ein urbanes Lebensgefühl, Orte für Natur und Kunst? Letztere umfasst im öffentlichen Raum auch die Architektur, genau wie Denkmäler und Brunnen und deren Stellenwert für „Stadtvisionen“.

Teilnehmer bei einer Führung auf dem Campus Westend durch einen Seminarteilnehmer Foto Helmut Röll

Im Projektlabor wurde über Themen wie „Stadt und Natur als Denk-, Frei- und Spielraum“ reflektiert, zum Beispiel: „Hängt die Schwärmerei für die Natur von der Unbewohnbarkeit der Städte ab? Wie wirkt die städtische bzw. ländliche Umgebung auf den Menschen? Welche Gestaltungsmöglichkeiten im städtischen Raum gibt es?“ Im zweiten und dritten Semester begannen die Studierenden mit der Erprobung der gelernten Theorien in der Praxis. Das bedeutete für sie, sich alleine oder zu zweit als Flaneure und in einem „nosing around“ (Herumbummeln, „Herumschnüffeln“) auf Spurensuche zu begeben. Die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen zur Stadt Frankfurt wurden mit dem „fremden Blick“ ergänzt und führten zu neuem Erleben einer sich wandelnden Stadt. Im Wintersemester 2021/22 kam „ÜberLebensKunst – das Projektlabor“ zum Abschluss. Im Mittelpunkt stand die Zusammenstellung der Dateien mit dem Ziel eines Stadtführers in Buchform, der Frankfurt für Einheimische, Gäste und Durchreisende kurz und informativ oder anders gesagt „unsere Stadt mit unseren Augen“ zeigt.

Ausdrücklich gewünscht von den Teilnehmenden möchten sie – nach der Arbeit in einer virtuellen Veranstaltung – ein sinnlich reizvolles Druckerzeugnis in den Händen halten, welches zum Blättern, Entdecken und auch bei der Stadterkundung mitgenommen werden kann. Neben der Ausarbeitung von Forschungsergebnissen wurden dazu auch redaktionelle Kompetenzen benötigt und erfahren: Wie entsteht ein Buch? Wie werden die Texte redigiert, Fotos, Graphiken zusammengestellt? Welche Bedingungen müssen die Beiträge erfüllen? Wie findet sich ein Verlag, wie sieht die Öffentlichkeitsarbeit aus, wie läuft die Vermarktung? Vor der endgültigen Fertigstellung des geplanten Buches verfassten die Teilnehmenden des Projektlabors Kurzpräsentationen (Abstracts) der Teilprojekte auf der Homepage https://www.elkewehrs.de/. Dies eröffnet die Möglichkeit, die entstandenen studentischen Arbeiten in Kurzform sowohl an der Universität des 3. Lebensalters als auch anderen potentiellen Buchsponsoren zu präsentieren, um so dem Ziel der Veröffentlichung auch finanziell gesehen den Weg zu bereiten.

Das Resümee aus vier Semestern Projektarbeit

Unser „Projektlabor ÜberLebensKunst“ biegt in die Zielgerade ein. Grund genug, ein kurzes Resümee zu ziehen. Als praktizierte Lehre bei der U3L leistete das Projektlabor einen Beitrag zum „Forschenden Lernen“. Es ging darum, gemeinsam ein Forschungsprojekt mit einzelnen Teilprojekten zu entwickeln. Auf dieser Basis entstanden auf eigenen Erfahrungen beruhende Untersuchungen, die von Lehrkräften betreut und in einen mehrsemestrigen Projektrahmen integriert wurden. Forschungsprojekte im Bereich des Forschenden Lernens bedeuten, sich mit eigenen Ideen und Themen einbringen zu können, gemeinsam an Fragestellungen beteiligt zu sein, einen Begegnungsort für gelungenes gemeinsames Forschen und Interpretieren zu installieren. Ausgehend von Fragestellungen, die den Themenbereich der Stadtforschung umfassen, verstand sich das Projektlabor, mit dem Fokus „Über Leben und Kunst“ in Frankfurt, als natürlicher Forschungsprozess mit zunächst offenem Ende, auf den sich die Studierenden und die Lehrenden gemeinsam einlassen wollten (Lehr-Forschungsprojekt). Bisher konnten unsere angedachten Ziele, trotz der Besonderheit einer rein digitalen Onlineveranstaltung, realisiert werden.

Es ist uns ein Anliegen, nicht nur unsere Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, sondern auch Anregungen für die Praxis zu geben. Dazu gehört für uns: Studierende publizieren der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit ihre Forschungsergebnisse in einem „Aufsatzband“. Dies umfasst zudem den Wunsch des Austausches zwischen den Seminarteilnehmenden und einer interessierten Zuhörerschaft (zum Beispiel aus Geschäftsleitung, Vorstand und TeilnehmerInnen anderer Seminare und Projekte an der U3L). Neben der Veröffentlichung könnten Podiumsdiskussionen, Vortragsveranstaltungen, Frankfurt-Führungen, eine Ausstellung oder ähnliches ein Weg sein, Öffentlichkeitsarbeit als integralen Teil der Weiterbildung der Studierenden zu verstehen. Dabei geht es einerseits darum, Frankfurt durch ein Forschungsprojekt mit „fremdem Blick neu zu erkunden“ und dadurch zu eigenen neuen Erkenntnissen zu gelangen, andererseits Frankfurt anders zu erforschen, diesen Blickwinkel weiter zu vermitteln und damit auch den „Anderen“ neue Blickwinkel zu erschließen.

Frankfurt am Main, im Februar 2022

„Die Stadterkundung beginnt am Frankfurter Hauptbahnhof“, Foto Kai Wehrs

Stadterkundung –
Sehen, Beschreiben, Verstehen

Dr. Elke Wehrs

Wer sich für Stadtkultur interessiert, landet unwillkürlich bei dem deutschen Kulturanthropologen Rolf Lindner und dessen Buch „Die Entdeckung der Stadtkultur. Soziologie aus der Erfahrung der Reportage“. Als Grundlagenliteratur in unserem Seminar lieferte es einen Überblick zur Geschichte der Stadt(er)forschung seit dem 19. Jahrhundert. An zahlreichen Beispielen führt Lindner in die Methoden und Analysen der Stadtethnographie ein. In seinem Fokus steht neben der Stadtforschung auch die Figur des Forschers, dem sich der „Zauber der Metropole“ in zahlreichen Spaziergängen immer wieder neu erschließt.

Grundlegende Verfahren zur Entdeckung der sozialen Welten der Stadt wurden in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts in der Chicago School etabliert. Der Umgang mit Interviews, das sogenannte „Mapping“ („Mental Maps“), die Dokumentenanalyse, die Feldforschung und die Teilnehmende Beobachtung gehörten zu den Erhebungsmethoden, zu denen Robert Ezra Park seine Studierenden anhielt. Bevor die Studierenden gezielt Methoden anwenden sollten, galt es erst einmal im Feld „herumzuflanieren“ und sich überraschen zu lassen. Das „Herumschnüffeln“ („nosing around“) bedeutet, seine Vororientierungen aufzugeben und die Stadt mit allen Sinnen wahrzunehmen.

Das „nosing around“ hat Robert Ezra Park geliebt. Park war ein unermüdlicher Fußgänger, der die Stadt Chicago kreuz und quer nach allen Richtungen hin durchstreift und seine Beobachtungen notiert hat. Das erinnert an die Figur des „Flaneurs“, die von Walter Benjamin gezeichnet wurde. Nosing around ist eine Wendung aus dem Reporter-Jargon. Park hat als Journalist angefangen, später aber die prekäre Berufssituation von Journalisten betont, wenig Verdienst und kaum Aufstiegsmöglichkeiten, und den Journalisten zudem ein heimliches Suchmotiv unterstellt: der Reporter als Interim auf dem Weg zum Schriftsteller. Als die „University of Chicago“ 1896 den Lehr- und Forschungsbetrieb aufnahm, begann Park seine Lehrtätigkeit an der Chicagoer Schule der Stadtethnographie. Geprägt durch seine Erfahrungen im Journalismus und der Reportage hat Park eine ganz besondere Art der Entdeckung der Stadtkultur entwickelt.

An diesen Punkt der Projektarbeit mit Studierenden an der Universität des 3. Lebensalters knüpften die Vermittlung von Grundlagenforschung und die Aneignung von angewandter Forschung an. Den Studierenden waren Begriffe und Methoden der Kunstwissenschaft und der Kulturanthropologie weitgehend unbekannt, somit war ihnen der Umgang damit auch teilweise nicht vertraut. Eine reine Methodenlehre erschien nicht zielführend. Dementsprechend wurde in die Forschung durch „learning by doing“ eingeführt. Ziele waren Erkenntnisgewinn und Freude an einem selbstständigen Forschungsprozess unter wissenschaftlicher Anleitung zweier Dozentinnen.

Zur Sammlung von Eindrücken der Sinneswahrnehmung im Feld und zur reflexiven Raumerforschung und Orientierung wurde mit einem „Wahrnehmungsspaziergang“ begonnen. Auch wenn die Begleitumstände der Corona-Pandemie gemeinsame Spaziergänge nicht erlaubten, so wurde doch gemeinsam im Onlineforum über diese Erfahrungen reflektiert.

Die Erforschung der Stadt mit praxisnahen Methoden und der gemeinsam erlebte Gruppenprozess in einer Onlineprojektforschung sind das Ergebnis des „Projektlabors ÜberLebensKunst“. Zu diesen Forschungsmethoden zählen neben den individuellen Erfahrungen der Studierenden auch das Beschreiben des Forschungsfeldes, und vor allem, worin sich das persönliche Interesse an diesem Forschungsfeld begründet.

Entstanden sind, methodisch gesehen am Beispiel der Erforschung der Stadt Frankfurt, sogenannte „Autoethnographien“. Ihr Sinn ist es, persönliche Erfahrungen zu beschreiben, sich damit auseinanderzusetzen, zu verstehen, um damit für sich selbst zu neuen Einsichten durch den Forschungsprozess zu gelangen.

In den Onlineprojektlaborstunden wurde auf die Verstehens- und Interpretationsprozesse der beteiligten Akteure fokussiert und dabei versucht, anhand der eigenen Reflexion zu erkennen, welche große Rolle der Diskurs und seine Analyse im Verstehensprozess spielen.

Zu einem wesentlichen Bestandteil geriet die „Erhebung von Bildmaterial“. Visuelles Forschen, die Stimulierung des Gedächtnisses, um Erinnerungsarbeit zu leisten, war ein sehr erfolgreicher Weg, um auch den Mitstudierenden Eindrücke zu vermitteln und bestimmte Forschungsfelder sichtbar werden zu lassen.

In den Projektlaborstunden wurden zunächst Bilder zum Beobachtungsgegenstand gezeigt und dazu erläuternde „Feldnotizen“ angeführt. Vor dem endgültigen Schreiben eines Beitrags hatte jeder der Teilnehmenden zunächst seine Eindrücke, Erwartungen und Befindlichkeiten bei der Erhebung notiert. Diese wurden dann in selbstreflexiver Art und Weise den Projektteilnehmern präsentiert. Bei den Beteiligten führte das zur Sensibilisierung für das Forschungsfeld, aber auch zur Fremd- und Eigenanalyse des Forschungsprozesses.

Einige Projektteilnehmende nutzten „Mental Maps“, um ihre räumlichen Beschreibungen zu skizzieren und um ihr persönliches Erleben der räumlichen Umgebung darzustellen. In zahlreichen Onlinegesprächen wurde deutlich, wie wesentlich für den eigenen Forschungsprozess und das Weitergeben des Erlebten solche skizzierten Wahrnehmungsperspektiven und auch emotionell erlebte Eindrücke sind.

In unserem Forschungskreis, der in der Regel aus ca. 25 teilnehmenden Schreibenden und beobachtenden Nichtschreibenden bestand, wurde spielerisch in die Methode des „Qualitativen Interviews“ eingeführt. Der jeweils sein erforschtes Gebiet Vortragende wurde als „Experte“ für seine Feldforschungen von uns betrachtet. Dabei konnten wir in narrative, erzählende und biografisch erlebende Gesprächssituationen eintauchen, die für alle Anwesenden die Erschließung des Feldes und der dabei gemachten Erfahrungen ermöglichten.

Auch die „Teilnehmende Beobachtung“ konnte während unserer Diskussionen in den Semesterstunden erfahren werden. Da geriet der Seminarraum zum Forschungsaufenthalt, mit den systematischen Beobachtungen von Erfahrungen einer gemeinsam erlebten Gruppenarbeit. Dieser Gruppenprozess hat sicherlich jedem Teilnehmenden einen anderen Blickwinkel auf das Forschungsfeld Frankfurt, auf die gemeinsame Arbeit in einem Onlineprojektlabor, auf weitere eigene Erkenntnisse über sich selbst ermöglicht. Zuweilen bekam da das Thema der „ÜberLebensKunst“, ursprünglich eine Wortkombination aus „Über Leben und Kunst“, eine nochmals ganz andere Konnotation.

Literatur:

Lindner, Rolf: Die Entdeckung der Stadtkultur. Soziologie aus der Erfahrung der Reportage. Frankfurt am Main 1990

Frankfurter Augen-Blicke –
Ergebnisse der Projektforschung an der U3L

Dr. Elke Wehrs

Wer Frankfurt besucht und erlebt, der findet noch malerische Hinterhöfe, weniger bekannte Parks, Geheimnisse noch nicht erschlossener Namen und Hinweise auf diese. Goethe konnte sich für die Italienreise zwei Jahre Zeit nehmen. Neben bekannten Sehenswürdigkeiten verfolgte er auch eigene Interessen und forschte nach touristisch wenig erschlossenen Besonderheiten. Auch unsere Forschungsreise im „Projektlabor ÜberLebensKunst“ war auf zwei Jahre begrenzt, mit dem analogen Ziel, Frankfurt anders zu entdecken und auf eine spannende und unterhaltsame Art und Weise zu beschreiben. Dabei zeigten sich sowohl Alleinstellungsmerkmale als auch Besonderheiten, die Frankfurt von anderen Städten unterscheiden. Frankfurt einmal ganz anders betrachtend zeigt metaphorische und reale Bilder eines gesellschaftlichen Wandels einer Stadt. Präsentiert und thematisiert wird das Bild, das sich Projektteilnehmer*innen von der Stadt Frankfurt gemacht haben. Ihr Stadtbild ist geprägt durch die eigene Identität, durch die der Stadtbewohner und die der potentiellen Besucher oder Reisenden. Somit also durch alle, die eine Stadt und ihr Erscheinungsbild als unverwechselbar erleben oder erlebbar machen wollen.

Frankfurt mit eigenen Augen gesehen

Ein Projekt gestaltet sich nach und nach. Es wird geschrieben, redigiert, nochmals geschrieben, dann ist es irgendwann – wenn alles gut geht – druckreif. Bis dahin liegt ein spannender, manchmal auch dornenreicher Weg vor den Projektteilnehmer*innen. Aber wie heißt es immer so schön: „Alles wird gut am Ende und wenn nicht, dann ist es noch nicht das Ende …”

Der Wandel, die Erwartungen, das frühere und das heutige Bild Frankfurts, aus dem individuellem Erleben, aus der Position eines „Beobachters“ oder „Flaneurs“, so war unser Einstieg in das Forschungsprojekt „Projektlabor ÜberLebensKunst“. Das Flanieren scheint aus der Mode gekommen, wenn es mit einem bestimmten Bild verbunden wird; dem des Pariser Flaneurs, dem des elegant gekleideten Bohemiens der Belle Epoque in Paris, der scheinbar ohne Zeit und Raum durch die Boulevards und Avenues schlendert. Wir aber hatten ein anderes Bild vor Augen, das des aufmerksamen Spaziergängers der Gegenwart. In Frankfurt am Main treibt ihn die Neugierde dazu, Geschichten zu sammeln, um sie später aufzuschreiben. Beobachtend nimmt er die Umgebung auf, er streift durch die Straßen und Parks, setzt sich in ein Café und genießt den „Augen-Blick“, ist entspannt und doch neugierig und aufmerksam für alles, was um ihn herum geschieht. Mit wachem Blick nimmt er am Frankfurter Alltag teil, wird selbst zum Teil des städtischen Lebens, in Vergangenheit und Gegenwart.

Die Zeil im April 2002, Foto Helmut Röll

Flanieren, das ist mehr als eine Tätigkeit, das ist eine besondere Haltung, die sowohl Flaneurinnen als auch Flaneure betrifft. Wird der Blick auf die Stadt von Frauen anders wahrgenommen? Fokussieren sich Flaneurinnen auf andere „Augen-Blicke“? Das können Sie selbst anhand der folgenden Beiträge herausfinden. Unser „Frankfurter-Augenblick“ ist jedenfalls nicht nur Literaten wie Baudelaire oder Benjamin vorbehalten, sondern gibt fotografisch und beschreibend ein Bild von dem, was uns an Frankfurt besonders „bewegt“ hat und wir gerne mit Ihnen als Spaziergänger durch Frankfurt teilen möchten.

Der Blick von außen – Faszination Skyline

Die Stadt Frankfurt ist durch ein bestimmtes Stadtbild geprägt. Die Stadtfront, ob vom Feld oder vom Ufer des Mains oder gar auf dem Main betrachtet, zeigt immer eine Vielzahl beeindruckender Hochhäuser, aus denen sich eine charakteristische Silhouette ergibt, die von hoher Prägnanz und Wiedererkennbarkeit ist. Der Reiz dieser unterschiedlichen Perspektiven – vielleicht sogar ergänzt durch die der Vogelperspektive – führt dazu, auf die innere Organisation Frankfurts spontan schließen zu können: Beitrag Christel Enders Faszination Skyline. Vor unserem geistigen Auge entstehen Verkehrsadern, öffentliche Hochhäuser und Hauptplätze. Diese von den Projektteilnehmer*Innen (neu-)erfahrene und erlebte Wahrnehmung Frankfurts weckt Erwartungshaltungen, Vergleichbarkeiten, regt zu Blicken und Einblicken an, die bis zurück ins Familienalbum führen.

Blick in den Untergrund und auf verborgene Plätze

Die Bilder, die bei den Forschungen zu Frankfurt im „Projektlabor ÜberLebensKunst“ entstanden sind, aktivieren Erinnerungen, sedimentierte Empfindungen und Prägungen. Fotografien lassen Denken und Fühlen ineinander übergehen, Momente und bestimmte Lebenssituationen bewirken eine Wahrnehmung unseres Selbst und stoßen gleichzeitig Denkprozesse an, die uns mit unserer Außenwelt verbinden. Oder um es mit den Worten von Novalis, dem deutschen Schriftsteller und Philosophen zu sagen: „Die Vorstellungen der Innen- und Außenwelt bilden sich parallel fortschreitend – wie rechter und linker Fuß“. Die Autoren unseres Projektlabors haben nicht nur geschrieben, sondern allesamt fotografiert und damit Schritt für Schritt fortschreitend gezeigt, dass sie sich für die sichtbare Welt Frankfurts interessieren. Durch die fotografischen Bilder haben sie versucht, das zu vermitteln und zu interpretieren, was sie mit ihren Augen wahrnehmen konnten. Jedes der gezeigten Motive ist der Wunsch, Sichtbares festzuhalten und gleichzeitig Persönliches zum Ausdruck zu bringen, über das Geschriebene hinaus das zu vermitteln, was ihnen als Fotografen selbst widerfahren ist.

Ein reichlich bebildertes Beispiel bietet der Beitrag zur Frankfurter U-Bahn. Sie ist mehr als ein Ort des Umsteigens, des Spiels mit Ober- und Unterwelt, Licht und Dunkelheit, Stillstand und Bewegung, Masse und Anonymität, sondern auch Schauplatz für „wilde Tiere“ und narrative Mythologie: Beitrag Winfried Obermeier Der Blick unter die Erde. Der Zoo beginnt unter der Erde. Ein Ort, der paradigmatisch für die Großstadt steht und schon deshalb das besondere Interesse des Forschenden erregt hat, ist die U-Bahn in ihrer besonderen Atmosphäre von Dunkelheit und künstlicher Beleuchtung. So bietet sie einen Raum des Nutzens und Erlebens. Schon der französische Ethnologe und Philosoph Marc Augé hat 1988 in „Ein Ethnologe in der Metro“ die U-Bahn in den Mittelpunkt seiner Erkundungen gestellt. Und besonders für die U-Bahnhöfe in Frankfurt gilt: Sie sind zugleich Architekturraum, Schauplatz für großstädtische Wahrnehmungsweisen und wie der Beitrag zeigt, auch ein Raum für persönliche Begegnungen und individuelle Vorstellungen.

Diese erlebten und auch beschriebenen Stadtbilder sind mehr als reine Dokumentation. Sie idealisieren, werden zu Erinnerungsträgern, zu Zeugen von Bedrohtem und Vergessenem. Es ist die Faszination der „verlorenen Orte“, die der wenig bekannten, verlassenen Plätze, die darauf warten von den „Urbexern“ bzw. Lost-Places-Jägern (wieder-)entdeckt zu werden: Beitrag Thomas Brand Lost Places.

Blick zurück in die Geschichte

Beitrag Anne Winckler Wer ist Louisa? Auf Spurensuche in der Frankfurter Stadtgeschichte