Blutige Spur durch Berliner Bars Berlin 1968 Kriminalroman Band 46

A. F. Morland and Tomos Forrest

Published by BEKKERpublishing, 2021.

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Blutige Spur durch Berliner Bars

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Blutige Spur durch Berliner Bars

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Berlin 1968 Kriminalroman Band 46

von Tomos Forrest & A. F. Morland 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten. 

Wieder einmal gibt es Schutzgelderpressungen bei Barbesitzern in West-Berlin. Aber diesmal gehen die Täter mit ungewöhnlicher Härte vor. Wer trotz massiver Drohung nicht zahlen will, wird kaltblütig ermordet. Da ist Bernd Schuster plötzlich in eine Geschichte verwickelt, die er sich so nicht vorgestellt hatte. Aber warum wurde der alte Barkeeper umgebracht? Er war doch nur ein kleiner Angestellter! Nicht nur die Kripo tritt auf der Stelle, auch Berlins bester Privatdetektiv findet sich nicht zurecht...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

Nach einem Roman-Motiv von A. F. Morland, 2021

Cover: Nach Motiven und Grischa Georgiew 123rf – Steve Mayer, 2021

Titel/Charaktere/Treatment © by Marten Munsonius & Thomas Ostwald, 2021

Roman – Nach Motiven – by Tomos Forrest, 2021

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Eigentlich schien alles auf einen ruhigen Abend hinzudeuten.

Bernd Schuster hätte ihn gern mit Franziska verbracht, aber die hatte sich mit einer Freundin verabredet. Dann scheiterte auch sein Versuch, seine siebzehnjährige Tochter Lucy zu einem gemütlichen Abend bei Pizza und Cola einzuladen. Lucy war ebenfalls mit einer Freundin verabredet – man wollte gemeinsam für eine Mathe-Arbeit büffeln. Also blieb Bernd noch im Büro sitzen und arbeitete sich durch ein paar alte Akten, als sein Telefon gegen 19 Uhr klingelte.

Verwundert sah Bernd auf seine Armbanduhr, dann nahm er den Hörer ab.

„Hier ist Michael Staudt, Herr Schuster“, sagte eine vibrierende Stimme. Das hörte sich zweifellos nach Angst an.

„Ja, Herr Staudt?“, sagte Bernd Schuster. Der Mann war seit vierundzwanzig Stunden sein Klient. Bernd hatte versprochen, ihm zu helfen. Es hatte sich aber noch keine Möglichkeit ergeben, dieses Versprechen einzulösen.

Wurde Staudt etwa schon ungeduldig? Auch solche Klienten gab’s hin und wieder. Denen sagte Bernd dann zumeist, dass gut Ding Weile brauche. Er konnte schließlich nicht hexen.

„Was gibt’s, Herr Staudt?“, fragte Bernd.

Der Mann am anderen Ende des Drahtes druckste herum.

„Immer frei von der Leber weg“, ermunterte ihn Bernd Schuster. „Was haben Sie auf dem Herzen?“

„Hören Sie, Herr Schuster, es liegt mir fern, Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber es war vielleicht doch ein Fehler, Sie zu engagieren.“

„Finde ich nicht.“

„Sie sind bestimmt ein großartiger Privatdetektiv ... aber ... Naja, ich meine, selbst Sie können Ihre Augen nicht überall haben. Verstehen Sie mich?“

„Nein“, sagte Bernd, obwohl er sehr gut heraushörte, was Staudt wollte. „Drücken Sie sich ein bisschen klarer aus“, verlangte er.

„Also, es ist etwas im Gange, und ich war gestern bei Ihnen und bat Sie um Hilfe.“

„Kann sein, dass Sie’s nicht für möglich halten, aber daran erinnere ich mich noch.“

„Sehen Sie, und heute möchte ich Sie bitten, zu vergessen, dass ich bei Ihnen war. Ich habe die Angelegenheit zu eng gesehen und darauf etwas hysterisch reagiert. Mittlerweile hatte ich genug Zeit, mir die Geschichte in aller Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. Ich denke jetzt, dass kein Grund vorliegt, deswegen gleich einen Mann wie Sie zu bemühen. Sie haben bestimmt Wichtigeres zu tun.“

„Zufälligerweise gerade nicht“, gab Bernd Schuster ärgerlich zurück.

Michael Staudt wollte ihn für dumm verkaufen, und dagegen hatte er etwas. Dem Vibrato seiner Stimme war unschwer anzumerken, dass er immer noch Angst hatte.

Gestern hatte diese Angst Staudt in Bernds Büro getrieben, und heute veranlasste sie ihn, die Sache wieder abzublasen, weil er befürchtete, jene Leute, denen Bernd auf die Füße treten sollte, könnten von seinem waghalsigen Schritt Wind bekommen.

„Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir einen Vertrag haben, Herr Staudt“, sagte Bernd.

„Wir werden keinen Richter brauchen, okay? Sagen Sie mir, was Sie von mir kriegen, und ich überweise den Betrag auf Ihr Konto. Ich möchte natürlich nicht, dass Sie durch meine Schuld einen Schaden haben.“

„Augenblick noch, Herr Staudt“, sagte Bernd Schuster schneidend. „Sie scheinen mich für einen Hampelmann zu halten, der sich bewegt, wenn man Lust hat, an seinen Fäden zu ziehen. Hat man keine Lust, dann hängt er eben bloß an der Wand, und man kann ihn vergessen.“

„Aber Herr Schuster, ich ...“

„lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Staudt“, fiel Bernd Schuster dem Klienten ins Wort. „Ich besitze keinen Kindergarten, sondern eine Privatdetektei, und wenn jemand, der zu mir kommt, heute weiß und morgen schwarz sagt, dann mache ich mir auch meine Gedanken.“

„Meine Güte, man wird doch noch seine Meinung ändern dürfen, Herr Schuster.“

„Sie haben sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden um hundertachtzig Grad gedreht.“

„Na und? Niemand kann mir verbieten, über Nacht klüger zu werden.“

„Was für einen Grund haben Sie für diesen gewaltigen Kurswechsel, Staudt?“, fragte Bernd eindringlich. „Hat man Sie inzwischen unter Druck gesetzt?“

„Nein. Nein, wie kommen Sie denn darauf?“

„So etwas soll schon vorgekommen sein.“

„Ich schwöre Ihnen, es ist alles in Ordnung. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“

„Was hat Sie veranlasst, Ihren Auftrag zurückzuziehen, Herr Staudt?“, versuchte Bernd weiter in den angsterfüllten Mann zu dringen. „Befürchten Sie, man könnte ein Exempel statuieren?“

„Also ich kann mich doch noch frei entscheiden, oder?“, begehrte Michael Staudt auf. „Ich kann einen Privatdetektiv engagieren, kann ihm den Auftrag aber auch wieder entziehen, und das tue ich hiermit. Tut mir leid, wenn Ihnen das nicht passt, aber Sie müssen sich damit abfinden.“

„Oh, so einfach geht das nicht“, widersprach Bernd Schuster. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Staudt. Ich setze mich jetzt in meinen Wagen, komme zu Ihnen, und dann sprechen wir das Problem in aller Ruhe durch.“

„Bleiben Sie, wo Sie sind, Schuster!“, schrie Staudt mit schriller Stimme. Klar hatte der Mann Angst, und Bernd hoffte, sie ihm bei einem ausführlichen Gespräch nehmen zu können.

Er legte auf und erhob sich, um sein Büro zu verlassen.

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Der dunkelblaue Mercedes rollte in einer dämmerigen Seitenstraße aus. Zwei Männer verließen das Fahrzeug.

Die Männer waren auf dem Weg zu Michael Staudt, denn es war richtig, was Bernd Schuster vermutete: Es sollte ein Exempel statuiert werden, damit nicht noch jemand auf die Idee kam, sich an einen Schnüffler zu wenden.

Die beiden Männer waren nicht im Geringsten nervös. Für sie war das, was sie vorhatten, ein Job wie jeder andere. Ihre Gewissenhaftigkeit war beängstigend.

Wo immer sie auftauchten, blieb ein Toter zurück, und die Polizei hatte einen Fall mehr, den sie unerledigt zu den Akten legen musste.

Die beiden Profis schritten gelassen den Bürgersteig entlang.

Sie erreichten den Notausgang eines Wohnhauses. Die Tür ließ sich normalerweise nur von innen öffnen, doch die beiden überlisteten die Sperre mit einem kleinen Trick und betraten unbemerkt das Gebäude, in dem Michael Staudt wohnte.

Mit grüner Ölfarbe gestrichene Wände umgaben die Männer. Einer der beiden holte seine Pistole aus der Jacke und schraubte einen klobigen Schalldämpfer auf den Lauf.

Sein Komplize hatte das bereits im Wagen erledigt. Er zog die Waffe nun ebenfalls, und dann stiegen sie die Treppe hoch. Auf weißen Feldern prangten große schwarze Ziffern, die verrieten, in welchem Stock man sich befand.

Die Profis ließen die ersten drei Etagen hinter sich und erreichten die vierte Etage. Staudts Etage. Sie öffneten die Tür, die in den Gang führte.

Stimmen. Schritte. Ein Mann und eine Frau begaben sich zum Fahrstuhl. Sie mit Schmuck überladen und grell geschminkt. Er übergewichtig, kurzatmig und schwitzend. Der dunkle Anzug hätte ihm gepasst, wenn er zehn Pfund weniger gewogen hätte.

Die Frau war nervös und machte ihm Vorhaltungen, zu lange telefoniert zu haben. Seinen Einwand, es wäre ein geschäftlich sehr wichtiges Telefonat gewesen, ließ sie nicht gelten.

Sie schimpfte über den Fahrstuhl, der nicht schnell genug zur Stelle war, meckerte über das scheußliche Muster der Krawatte ihres Mannes und ließ an seinem Anzug kein gutes Haar.

Der Mann bewies, dass er eine Eselsgeduld hatte. Er ließ die Nörgelei seiner Frau gottergeben über sich ergehen. Sie schimpfte noch weiter, als sie in den Fahrstuhl stiegen, und als sich der Lift in Bewegung setzte, drang die keifende Frauenstimme immer noch durch die geschlossene Aufzugtür.

„Die sollte zu mir gehören“, sagte einer der beiden Gangster und grinste. „Ich würde ihr mit Vergnügen den Hals umdrehen.“

Sie setzten ihren Weg zu Michael Staudt fort. Vor seiner Tür blieben sie stehen, und einer der beiden nahm sein Werkzeug für das Schloss heraus.

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Michael Staudt goss reichlich von der klaren Flüssigkeit in ein Glas. Er war ein schlanker Mann von etwa vierzig Jahren, hatte glattes, kurz geschnittenes Haar und sah gut aus.

In seinem Schrank hingen jede Menge Anzüge, er besaß einen teuren Wagen, hatte Geld auf der Bank und keine Schulden. Eigentlich hätte er zufrieden sein können, und das war er auch bis vor Kurzem gewesen, doch nun hatte sich einiges geändert, und Staudt hatte Angst und Sorgen.

Ihm gehörte eine Bar in Steglitz, in der er gute Umsätze erzielte. Das Lokal lag sehr günstig und verfügte über einen eigenen Parkplatz. Vor und nach den Kinovorstellungen herrschte Hochbetrieb in seiner Bar, und wenn jemand den Lärm einer ebenfalls nahen Disco nicht mehr ertragen konnte, wechselte er auch zu Michael Staudt über.

Er verdiente auf seriöse Art gutes Geld und hatte eigentlich nie daran gedacht, dass über ihm düstere Wolken auftauchen könnten. Doch genau dazu war es gekommen.

Mit dem Glas in der Hand wandte sich Staudt um. Sein Blick heftete sich auf das Telefon, und er hoffte, Bernd Schuster abgewimmelt zu haben. Wie hatte er bloß so verrückt sein können, dieses hohe Risiko einzugehen?

Hatte er im Ernst geglaubt, Bernd Schuster könnte ihm so umfassend helfen, dass ihm keine Gefahr mehr drohte? Dieses Kunststück brachte nicht einmal Berlins bester Privatdetektiv zustande.

Okay, Schuster konnte versuchen, an die Wurzel des Übels zu gelangen. Doch bis er sie erreichte, würde viel Zeit vergehen, in der jene Leute, die Staudt im Moment Kummer bereiteten, nicht untätig sein würden.

Und sie würden mit Sicherheit nicht Bernd Schuster aufs Korn nehmen, sondern denjenigen, der den Privatdetektiv engagiert hatte. Der war ja schuld daran, dass Schuster ihnen Unannehmlichkeiten zu machen versuchte.

„Schuster, bleib bei deinen Leisten und kümmere ich nicht um andere Fälle“, brummte Staudt. „Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben. Das ist mir zu gefährlich. Ich habe nur ein Leben, und das möchte ich behalten.“

Er setzte sein Glas an die Lippen und trank. Langsam schlenderte er durch das Wohnzimmer, das von einer fliederfarbenen Sitzgruppe beherrscht wurde. An der Wand zwischen den Fenstern hingen alte Bilder, die Staudt in einem Trödelladen entdeckt hatte. Sie zeigten Ansichten europäischer Städte: Wien, Rom, Paris, Lissabon.

Staudt trat an eines der beiden Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Obwohl der Betrieb seiner Bar um diese Zeit bereits auf Hochtouren lief, hatte er es sich zur Regel gemacht, erst gegen 21 Uhr dort zu erscheinen.

Da das Lokal bis vier Uhr früh geöffnet hatte, verbrachte er noch genug Stunden dort. Auf der Straße rollte ein silbergrauer Wagen heran. Staudt gab es unwillkürlich einen Stich. Er atmete erst erleichtert auf, als er erkannte, dass es sich bei diesem Fahrzeug um keinen Mercedes 450 SEL handelte, denn diesen Exoten fuhr Bernd Schuster.

Nervös drehte er sich um. Er leerte sein Glas und vernahm plötzlich ein metallisches Schnappen. Ein eisiger Schreck fuhr ihm in die Glieder. Seine Augen weiteten sich. Er hielt furchtsam an und lauschte.

Machte sich jemand an der Wohnungstür zu schaffen? Wollte sich jemand Einlass in seine Wohnung verschaffen? Michael Staudt bekam eine Gänsehaut. Hatte man ihn etwa bereits auf die Abschussliste gesetzt?

Beunruhigt stellte er das Glas auf einen Rauchtisch und schlich auf Zehenspitzen zur Wohnzimmer-Tür. Es kostete ihn einige Überwindung, sie zu öffnen.

Unzählige Gedanken gingen ihm wie ein Mühlrad durch den Kopf. Man hatte keine Möglichkeit, sich in dieser Stadt vor verbrecherischen Elementen zu schützen.

Die Chance, zu überleben, lag darin, dass man sich fügte. Doch genau das hatte Michael Staudt nicht getan, und dieser Ungehorsam sollte ihm, so meinte er, nun zum Verhängnis werden.

Langsam schwang die Tür, von Staudts Hand bewegt, zur Seite. Er blickte in einen stillen, leeren Flur. Hatte er sich das metallische Schnappen nur eingebildet?

Bei seiner hochgradigen Nervosität war das durchaus möglich. Er erschrak ja beinahe schon vor seinem eigenen Schatten. Aufgeregt biss er sich auf die Unterlippe, während er das Wohnzimmer verließ.

Sein Ziel war die Wohnungstür. Er beabsichtigte, einen Blick durch den Spion zu werfen, um zu sehen, ob jemand draußen stand. Sein Herz schlug kräftig gegen die Rippen. Ein dünner Schweißfilm legte sich auf seine Stirn.

Herrgott noch mal, welcher Teufel hatte ihn geritten, als er sich entschloss, Bernd Schuster einzuschalten! Er hätte doch wissen müssen, dass diese Leute ein Auge auf ihn haben würden.

Er hatte bestimmt keinen Schritt tun können, über den sie nicht Bescheid wussten, und er hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sich zu Bernd Schuster zu begeben.

So viel Dummheit musste sich ja rächen. Staudt erreichte die Tür. Vorsichtig brachte er sein Auge an den Spion, und er spürte eine große Erleichterung, als er feststellte, dass sich niemand draußen befand.

Junge, du fängst an, dich selbst verrückt zu machen, sagte er sich, während er sich entspannte, doch im nächsten Augenblick übersprang sein Herz einen Schlag, denn ihm fiel auf, dass die Tür nur angelehnt war.

Jemand hatte sich bereits Einlass in seine Wohnung verschafft und musste sich in einem der Räume versteckt haben, die man vom Flur aus erreichte! Diese Erkenntnis traf Michael Staudt mit der Wucht eines Keulenschlages.

Er begriff sofort, dass er keine Sekunde länger in seiner Wohnung bleiben durfte. Blitzschnell riss er die Tür auf und wollte hinausstürmen, aber da traten die Männer aus der Küche.

Er hörte sie und reagierte in seiner panischen Angst falsch. Statt loszuhetzen, wirbelte er herum, und als er in die Waffenmündung blickte, fing er an wie von Sinnen zu schreien.

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Bernd Schuster fuhr mit dem Lift vom 14. Stock zur Tiefgarage hinunter. Er schloss seinen Mercedes auf, ließ sich hinter das Steuer fallen, gurtete sich an und startete den Motor.

Augenblicke später rollte das Fahrzeug durch die Garage und auf die Auffahrt zu. Sobald Bernd Schuster die Kurfürstenstraße erreichte, musste er kurz warten. Er nützte die Zeit, um sich eine Roth Händle anzustecken, dann fädelte er sich in den Verkehr ein und schwamm im Strom nach Norden mit.

Als Bernd die Gegend erreichte, drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. In einer Minute würde er das Haus erreichen, in dem Michael Staudt wohnte.

Er war gespannt, wie sich Staudt verhalten würde. Würde er ihn gar nicht erst in seine Wohnung lassen, sondern ihm die Tür vor der Nase zuschlagen? Oder würde er sich überreden lassen, den Auftrag nicht zurückzuziehen und die Sache mit Courage durchzustehen?

Bernd hielt bereits nach einer Parkmöglichkeit Ausschau. Kaum befand sich der Mercedes in der Parklücke, stoppte neben ihm ein Wagen mit kreischenden Rädern, und der Fahrer drückte wütend auf den Hupring.

Bernd stieg aus. „Sehr schöne Hupe“, sagte er.

Der andere Autofahrer sprang aus seinem Wagen. „Verdammt noch mal, das gibt’s ja nicht! Ich fahre nur mal um den Block, und schon nimmt mir einer meinen Parkplatz weg.“

„Tut mir leid“, sagte Bernd. „Damit müssen wir Berliner leben.“

„Wie wär’s, wenn Sie sich eine andere Parkmöglichkeit suchen würden, Herr?“

„Denselben Vorschlag wollte ich gerade Ihnen machen“, erwiderte Bernd Schuster und ging seines Weges.

„Ich lass dir die Luft aus den Rädern, du sturer Hund!“, schrie ihm der Mann nach.

Bernd zuckte nicht einmal mit den Schultern. Er wusste, dass der Typ das nicht wirklich tun würde. Sollte er sich aber doch hinreißen lassen, dann hatte Bernd sich sicherheitshalber das Kennzeichen des andern gemerkt, damit er dafür sorgen konnte, dass der Bursche eine Menge Ärger kriegte.

Bernd überquerte die Straße und betrat wenig später das Gebäude, in dem Staudt wohnte. Seine Schritte hallten von den Wänden wider, als er sich zum Fahrstuhl begab.

Er fuhr zur vierten Etage hoch, orientierte sich kurz und steuerte dann die Tür von Staudt an. Als er läuten wollte, fiel ihm auf, dass die Tür nicht ganz geschlossen war.

Sofort breitete sich ein unangenehmes Kribbeln zwischen seinen Schulterblättern aus. Michael Staudt hatte Angst, und ein Mann, der sich fürchtet, lässt seine Tür nicht offen, damit jeder, dem es gefällt, in seine Wohnung gelangt.

Bernd tat zwei Dinge gleichzeitig: Er zog seine Pistole aus dem Schulterholster und drückte die Wohnungstür vorsichtig auf. Zunächst stieg ihm der Geruch von verbranntem Kordit in die Nase, und dann entdeckte er auf dem PVC-Belag Bluttropfen.

„Herr Staudt?“

Er bekam keine Antwort.

Bernd beging nicht den Fehler, einfach loszustürmen. Wenn er die Zeichen richtig deutete, war Michael Staudt angeschossen worden, und vielleicht befand sich der Schütze noch in der Wohnung.

Bernd ging an keiner Tür vorbei, ohne einen Blick in den Raum zu werfen, in den sie führte. Er war kein Freund von unliebsamen Überraschungen. Mit wachsender Spannung näherte er sich dem Wohnzimmer. Darauf führte die Blutspur zu.

Als er seinen Fuß in den Raum setzte, spannte sich seine Kopfhaut. Er sah zwei Beine, und als er zwei weitere Schritte vorging, sah er den Mann: Michael Staudt.

Er lag auf dem Bauch, seine Finger waren in den Teppich gekrallt. Mit gebrochenen Augen starrte er die weiße Wand an. Verletzt war er wahrscheinlich draußen im Flur worden.

Er schaffte es noch, sich in sein Wohnzimmer zu schleppen. Vermutlich wollte er telefonieren, denn der Apparat stand nur einen Meter von ihm entfernt auf einem kleinen Tischchen. Er hatte ihn nicht mehr erreicht.

Bernd beugte sich über die Leiche. Er drehte den Toten um. Sechs, sieben Kugeln hatten ihn getroffen. Ein Mörder mit zwei Waffen? Oder zwei Mörder?

Im Moment mussten diese Fragen unbeantwortet bleiben. Mit der Waffe in der Hand richtete er sich auf.

Da schnarrte hinter ihm jemand: „Keine Dummheiten, Mann, sonst geht’s dir schlecht!“

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Bernd spürte einen Kloß im Hals. Er spreizte die Arme ab, denn er war sicher, dass der Mann hinter ihm eine Waffe in der Faust hielt, und er war nicht scharf auf eine Kugel.

Langsam drehte er sich um, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, und er spürte eine gewisse Erleichterung, als er sich zwei Polizisten gegenübersah. Sie zielten zwar mit ihren Dienstwaffen auf ihn, aber sie würden nicht abdrücken, wenn er ihnen keine Veranlassung dazu gab.

Er hob die Hände. Die Polizisten verfolgten gespannt jede seiner Bewegungen. „Okay, Freundchen“, sagte einer der beiden. „lass fallen!“

Bernds Finger öffneten sich, und die Pistole fiel auf den Teppich. Dem Polizist genügte das aber noch nicht. Er wedelte mit seiner Waffe.

„Da hinüber! Hände an die Wand!“

Bernd kam auch dieser Aufforderung folgsam nach. Er begab sich zur Wand und legte die Handflächen darauf.

„Einen Schritt zurück!“, verlangte der Uniformierte. „Und Beine grätschen!“

Bernd gehorchte.

„Fritz, sieh mal nach, ob er sauber ist!“

Fritz, der jüngere Beamte, näherte sich Bernd mit großer Vorsicht.

Als er den Detektiv erreichte, setzte er ihm erst einmal die Waffe an die Rippen, und dann durchsuchte er Bernd so, wie man es ihm auf der Polizeischule beigebracht hatte.

„Sauber“, sagte Fritz.

„Hätte ich euch gleich sagen können“, bemerkte Bernd, „aber ihr hättet es mir nicht geglaubt.“

„Tja, unser Misstrauen hält uns am Leben“, sagte der Uniformierte, der Fritz vorgeschickt hatte. „Warum hast du den Mann umgelegt?“