Love is for Losers

Wibke Brueggemann

Love is for Losers

Also echt nicht mein Ding

Aus dem Englischen von Michelle Landau

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Wibke Brueggemann

Wibke Brueggemann ist in Norddeutschland und den USA aufgewachsen, aber London ist ihr Zuhause. Sie hat Schauspiel studiert und im Rahmen des Masters Literarisches Schreiben für junge LeserInnen der Uni Bath Phoebe und Emma zum Leben erweckt.

Über das Buch

Hormone, nein danke!

Denkt Phoebe, denn die lästigen Botenstoffe machen ihr das Leben gerade zur Hölle, und das, obwohl sie sich eigentlich auf die Prüfungen vorbereiten muss:

 

– Ihre beste Freundin ist zum ersten Mal verliebt und scheint Phoebe aus ihrer Erinnerung gelöscht zu haben.

– Ihre Mutter hat extreme Muttergefühle – bloß nicht für sie, sondern für alle anderen Menschen auf der Welt. Deshalb ist sie aktuell in Syrien und hat Phoebe wieder bei Tante Kate geparkt.

– Das wäre eigentlich ganz okay, wenn Kate nicht ständig über Sex reden würde …

 

Phoebe ist eins klar: Offensichtlich lösen Hormone im Gehirn einen chemischen Shitstorm aus. Und das kann sie echt nicht gebrauchen, neben den Prüfungen und so! Doch dann trifft sie Emma – und wird selbst zum Opfer …

Impressum

© 2021 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

© 2020 Wibke Brueggemann

Titel der englischen Originalausgabe:

›Love is for Losers‹,

2020 erschienen bei Macmillan Children’s Books,

an imprint of Pan Macmillan, London

© für die deutschsprachige Ausgabe:

2021 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Umschlagillustration und -gestaltung: Alexandra Bowien, dtv

 

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eBook-Herstellung: Greiner & Reichel, Köln (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-43969-5 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-74071-5

ISBN (epub) 9783423439695

Montag, 1. Januar #FrohesNeuesFürMich

Wusstest du, dass man sich selbst heiraten kann? Wie seltsam/genial ist das denn bitte? »Sologamie« heißt das dann und ist die beste Idee überhaupt, weil:

 

… du selbst die einzige Person bist, der du irgendwas schuldig bist und mit der du klarkommen musst.

… niemand dich jemals verlassen, enttäuschen oder verletzen wird.

… wir sowieso alle allein sterben.

 

Dass ich Sologamie momentan ernsthaft in Erwägung ziehe, liegt nicht daran, dass ich heimlich davon geträumt habe, eines Tages mal Polly zu heiraten (wäh, Mann!), sondern daran, dass ich aufgrund des ziemlich überraschenden Endes unserer Freundschaft gerade ein paar wichtige Lebenslektionen lerne. Und es kann echt keiner behaupten, ich wäre nicht lernfähig.

Solange ich denken kann, waren wir immer Phoebe und Polly, Polly und Phoebe – die zwei Power Ps. Keine von uns existierte überhaupt ohne die andere – BFFs von Geburt an sozusagen.

Und dann plötzlich, ding, dong, läutet Big Ben das neue Jahr ein und Tristan Kann-nicht-mal-Fahrrad-fahren Murphy platzt mit der alles verändernden Frage raus: Polly, willst du meine Freundin sein? Und einfach so, mit diesem einen Satz, wurde ich wortwörtlich aus Pollys Gehirn gelöscht.

Ich bin nicht mal sauer auf Polly, weil sie den Verstand verloren hat. Ich in sauer auf mich selbst, weil ich überhaupt sauer bin. Weil ich doch wusste (ganz genau wusste), dass es so weit kommen würde.

Ich wusste es, als Polly zu mir gesagt hat: »Lass uns zusammen an der Themse das Feuerwerk anschauen.« Denn was sie eigentlich sagen wollte, war: »Bitte, Phoebe, kommst du mit, damit es nicht total offensichtlich ist, dass ich Tristan auf ein richtiges Date einlade, obwohl ich genau das mache, weil ich eigentlich unbedingt mit ihm allein sein will, damit wir ›den nächsten Schritt‹ in unserer Beziehung – oder was auch immer das zwischen uns ist – machen können.«

Kotz!

Ich hätte echt nicht mitgehen sollen.

Polly hat mir noch nicht mal ein frohes neues Jahr gewünscht.

Liegt vermutlich daran, dass sie mich zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr wahrgenommen hat. Denn als das Ufer der Themse in einem extravaganten Meteoritenschauer aus Feuerwerk explodiert ist – das den Steuerzahler Millionen gekostet haben muss –, hat für sie nur noch Tristans Mund existiert.

In Filmen sehen solche Kussszenen ja immer megasexy und einfach umwerfend aus (vermutlich nur, weil die Schauspieler sexy und umwerfend sind). Tja, bei den beiden sah es eher so aus, als wollte Tristan Pollys ganzen Kopf in seinen Mund einsaugen.

Ich hätte echt fast gekotzt.

Ein Gutes hatte das Ganze aber immerhin. Da ich mich zur U-Bahn durchgedrängt habe, während alle noch wie festgewurzelt dastanden und in die andere Richtung geschaut haben, war ich, abgesehen vom Fahrer, um 00:08 die einzige Person in der District Line.

Bis morgen wohne ich noch bei Kate, weil Mum arbeitet und bei irgendeinem Syrien-Krisen-Meeting ist.

Als ich die Haustür aufgesperrt habe, meinte Kate so: »Was ist denn mit dir passiert?«

Ich: »Polly hat jetzt einen Freund und kein Interesse mehr an meiner Gesellschaft.«

Kate: »Ich wollte dich doch von der U-Bahn abholen.«

Ich: »Bin gelaufen.«

Kate: »Du hättest mich anrufen sollen.«

Ich: »Hab ich aber nicht.«

Kate: »Falsche Antwort.«

Ich: »Sorry. Und sorry.«

Kate: »Du solltest Polly schreiben, dass du gut angekommen bist.«

Ich: »Ist der doch egal.«

Kate: »Schreib ihr.«

Ich: »Ich geh schlafen.«

Kate: »Frohes neues Jahr, Phoebe. Ich hab dich lieb. Schreib Polly.«

 

Als ob ich ihr jetzt schreiben würde …

 

2:05 Uhr

Polly hat mich gerade aus der U-Bahn angerufen.

Sie meinte: »Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du gegangen bist.«

Und dann: Tristan dies, Tristan das, Tristan sagt Hi, OMG, Tristan und ich sind so happy.

Und ich nur so: »Wer ist da? Kann ich bitte mit Polly sprechen?«

 

Was passiert bloß mit den Leuten, wenn sie sich verlieben?

Es ist, als hätten sie einen Kurzschluss im Gehirn oder einen Schlaganfall oder so was.

Das war das beschissenste Silvester seit 15 Jahren.

Es war sogar noch beschissener als letztes Jahr, und da hat Polly in meinen Schoß gekotzt, weil sie zu viele Shots Sauren Apfel getrunken hat.

 

03:30 Uhr

Ich habe gerade noch ein bisschen zum Thema Sologamie recherchiert, und auch wenn das echt eine geniale Idee ist … die Leute, die das gemacht haben, sehen alle aus wie Vollidioten.

PS: Polly hat mir immer noch kein frohes neues Jahr gewünscht.

 

PPS: Ich glaube, die Leute drehen alle durch, sobald sie 16 sind. Polly war nämlich völlig normal bis zu ihrem Geburtstag im November.

 

PPPS: Ich schwöre, wenn ich 16 bin, werde ich garantiert nicht so ein Opfer der Liebe, und wenn es das Letzte ist, was ich tue … oder besser gesagt nicht tue.

Dienstag, 2. Januar #DasNeueJahrGehtFröhlichWeiter

Es gibt fast acht Milliarden Menschen auf der Erde.

Das sind acht Millionen Millionen. Kann mir mal jemand verraten, wieso meine Mum trotzdem denkt, dass ausgerechnet sie bei jeder Katastrophe zur Rettung eilen muss?

Es läuft immer gleich ab:

Erdbeben in Italien:

»Tut mir leid, Phoebe, ich bin dann mal weg, um ein paar Nonnen aus einem Haufen Schutt zu buddeln.«

(Lädt mich bei Kate ab.)

Hurrikan in Haiti:

»Tut mir leid, Phoebe, ich bin dann mal weg, um den Leuten zu helfen, die nicht weggeweht wurden.«

(Lädt mich bei Kate ab.)

Choleraausbruch im Kongo:

»Tut mir leid, Phoebe, ich bin dann mal weg, um die Dritte Welt zu rehydrieren.«

(Lädt mich bei Kate ab.)

Ebola in Afrika:

»Tut mir leid, Phoebe, da ist gerade eine tödliche Krankheit ausgebrochen, die möglicherweise über die Luft übertragen wird, und da muss ich einfach hin.«

(Lädt mich bei Kate ab.)

 

Tja, rate mal, was passiert ist, als Mum mich heute Morgen bei Kate abgeholt hat.

Jap. Ich wusste sofort, was los war, als ich zu ihr ins Auto gestiegen bin, aber ich habe nichts gesagt, weil ich mir dachte: Wenn du glaubst, ich mache das jetzt irgendwie leichter für dich, hast du dich so was von getäuscht.

Als wir dann zu Hause waren, hat Mum ganz verlegen getan und meinte so: »Setz dich mal für einen Moment zu mir, Phoebe.«

Ich: …

Mum: »Also, ich habe die Möglichkeit, für sechs Monate nach Syrien zu gehen und dort beim Aufbau eines Ärztezentrums in einem Flüchtlingslager zu helfen.«

Ich: …

Mum: »Ich weiß, sechs Monate sind lang, aber bis zu deinem Geburtstag bin ich wieder zurück.«

Ich: …

Mum: »Ich habe schon mit Kate gesprochen und sie freut sich tierisch darauf, dich wieder bei sich zu haben.«

Ich: …

Mum: »Phoebe, sag doch was.«

Ich: »Was denn? Du hast doch sowieso schon entschieden, dass du gehst, also geh. Tschüss.«

Mum: »Phoebe, ich … Die Menschen in Syrien brauchen Hilfe und … ich bin Ärztin. Ich helfe Menschen.«

Ich: »Wann muss ich gepackt haben?«

Mum: »Ich fliege morgen nach Ankara.«

Ich (den Raum verlassend): …

Mum: »Phoebe …«

Ich: »Was? Ich hab gesagt, es ist okay, also ist es okay. Tschüss.«

Mum: »Es tut mir leid, Phoebe.«

 

Es tut ihr leid? LOL.

Darüber sind wir längst hinaus.

Wenn ich Leuten erzähle, dass meine Mum für die Ärzte ohne Grenzen arbeitet, sind alle immer so: »Wow, das ist ja toll – du musst so stolz auf sie sein.« Nie sagt jemand: »Man, das muss echt beschissen sein, wenn deine Mum ANDAUERND MONATELANG weg ist, vor allem, weil sie immer genau dahin geht, wo es BOMBEN gibt und ALLE STERBEN

Niemand interessiert sich dafür, wie es mir damit geht.

Ich bin quasi ohne Mutter und Vater aufgewachsen. Mein Dad ist aber immerhin tot und hat damit eine viel bessere Entschuldigung für seine Abwesenheit als Mum mit ihrem ständigen Mutter-Theresa-Komplex.

Wieso bekommt man überhaupt ein Kind, wenn man eh keine Zeit mit ihm verbringen will?

Das liegt übrigens bei uns in der Familie. Oma und Opa sind zurück nach Hongkong gezogen, als Mum angefangen hat zu studieren, weil: »Wir sind und bleiben Auswanderer, toodle-oo und lang lebe die Queen.«

Ich werde niemals Kinder haben.

Ich wünschte, ich könnte Polly anrufen, aber nach gestern Nacht spreche ich ganz bestimmt nicht mehr mit ihr.

Und sie hat mir immer noch kein frohes neues Jahr gewünscht.

Mittwoch, 3. Januar #BisBaldOderAuchNicht

Heute Morgen hat mich meine Mum bei Kate abgeliefert.

Im Auto war sie die ganze Zeit so: »Phoebe, ich weiß, der Zeitpunkt ist jetzt wirklich blöd. Ich weiß, dass die Prüfungen für den mittleren Schulabschluss anstehen, und ich weiß, wie stressig das ist, und wenn du mich deswegen hier brauchst, bleibe ich natürlich. Kannst du bitte wenigstens mit mir reden?«

Aber ich meinte bloß: »Du musst nicht für mich hierbleiben. Überhaupt muss niemand irgendwas für mich tun.« Und dann habe ich so getan, als würde ich mich voll auf mein Handy konzentrieren.

Bei Kate angekommen, habe ich gleich meine ganzen Sachen in mein Zimmer hochgetragen (ich bin die einzige Person, die ich kenne, die ein eigenes Zimmer im Haus ihrer Patentante hat) und die Tür hinter mit zugemacht. Ich habe mich nicht mal von Mum verabschiedet, aber das ist ihr offensichtlich egal, denn sie hat

  1. weder geklopft

  2. noch versucht, die Tür einzutreten.

Mum ist Ärztin durch und durch – und Mutter nur so nebenbei.

Das wusste ich schon immer.

Und deswegen habe ich schon vor Ewigkeiten aufgehört, mich zu verabschieden.

Donnerstag, 4. Januar #NichtsAlsFellknäule

Eigentlich macht es mir ja gar nichts aus, bei Kate zu wohnen. Die positiven Aspekte überwiegen die negativen nämlich folgendermaßen:

 

Vorteile daran, bei Kate zu wohnen:

 

Nachteile daran, bei Kate zu wohnen:

 

Wie kann es bitte sein, dass ich diese Katzen schon seit Ewigkeiten kenne und immer noch nicht sagen kann, welche welche ist? Ich kann sie nur auseinanderhalten, wenn sie direkt nebeneinandersitzen. Genauso wie bei Kayleigh und Melody Sessions (Schuluniformen sind echt nicht hilfreich bei eineiigen Zwillingen).

Die Designerkatzen werden in den nächsten Wochen sogar noch nerviger sein als sonst, denn sie sind

  1. gerade rollig und

  2. unter striktem Hausarrest (und deswegen voll am Durchdrehen), weil Kate ein Rammelfest in High Barnet für die geplant hat, damit die beiden gleichzeitig Designerkatzenbabys bekommen.

 

Und weil die Katzen denken, dass mein Zimmer eigentlich ihr Zimmer ist, kratzen sie andauernd an der Tür und heulen dann rum, weil sie sie nicht aufbekommen.

Manchmal ist es hier wie in einem Irrenhaus, das von einer durchgeknallten Schottin geleitet wird.

Katze 1: Miau, miau, jammer, jammer, kratz, kratz.

Kate: »Mimi, Mimi, lass Phoebe in Ruhe. Mimi, Mimi, braves Mädchen. Wer ist ein braves Mädchen?«

Katze 2: Miau, fauch, kratz, jammer.

Kate: »Sassy, Sassy, komm zu Mama. Braves Mädchen, Sassy. Wer ist ein braves Mädchen?«

Katze 1 (rastet voll aus und schmeißt alles in Reichweite um, das nicht festgeklebt ist): …

Kate: »Himmelherrgott noch mal, du saublödes Mistvieh. Soll ich dich etwa in deine Kiste stecken?«

Ich: …

 

Mum macht immer Witze darüber, dass Kate irgendwann mal als verrückte Katzenlady enden wird, aber – Hallo! – das ist doch schon längst passiert.

Wer kutschiert seine Katzen bitte den ganzen Weg bis nach High Barnet, damit sie gevögelt werden?

Dort gibt es nämlich einen Designer-Kater (auch ein Perser, was sonst!), der die Designerkatzen das ganze Wochenende über durchvögeln wird, und dann verkauft Kate die Designerkatzenbabys für 500 Pfund – pro Stück!

Stell dir mal vor, sie bekommt acht Katzenbabys. Das sind dann 4000 Pfund.

Hier wird es vor Fellknäulen nur so wimmeln.

Oh, und nur so nebenbei, das Abartigste an der Sache ist, dass die beiden Katzen Mutter und Tochter sind. Stell dir mal vor, du hast eine Orgie mit deiner Mum … und außerdem: Wenn du ein Baby vom Freund deiner Mutter bekommst und deine Mum auch ein Baby von ihm bekommt, dann hätte dein Kind denselben Vater wie dein Bruder/deine Schwester und, mal ehrlich, wie krass ist das denn bitte?

Freitag, 5. Januar #Familie

Mum hat eine E-Mail aus Ankara geschickt und mir von all den ach so tollen Leuten in ihrem Team vorgeschwärmt. Schön für sie, dass sie von so großartigen Leuten umgeben ist. Und noch schöner für die, dass sie so viel Zeit mit meiner Mutter verbringen. Vielleicht können die mir ja irgendwann mal erzählen, wie sie so ist.

Ich habe immer noch nichts von Polly gehört.

So lange haben wir noch nie nicht miteinander gesprochen. Vielleicht sollte ich mal rausfinden, ob Tristan Stützradfahrer Murphy sie gegen ihren Willen gefangen hält oder so.

Samstag, 6. Januar #HöllischerHormoncocktail

Ich habe Polly immer noch nicht geschrieben.

Ich wollte sie erst fragen, ob wir zusammen zu Starbucks gehen, aber dann dachte ich mir, dass ich mich nur noch mieser fühle, wenn sie so was antwortet wie: »Oh, tut mir leid, Phoebe. Ich bin schon mit Tristan bei Starbucks verabredet, weil Tristan jetzt mein fester Freund ist und sich mein ganzes Leben nur noch um Tristan dreht.«

 

16:00 Uhr

Ich habe Kates alte Medizinbücher gefunden und die verändern gerade mein Leben.

So wie’s aussieht, hat Polly total den chemischen Shitstorm in ihrem Gehirn.

Die Phenylethylamine laufen da drin gerade über und haben ihr quasi eine Gehirnwäsche verpasst. Bevor ihre Hirnchemikalien hochgekocht sind, war sie eine ganz normale Person, die so jemanden wie Tristan genau als das gesehen hat, was er ist: ein 16-jähriger Loser, der nicht Fahrrad fahren kann.

Aber plötzlich – krach, peng, krawumm. Die Liebeshormone werden losgelassen und jetzt ist sie auf einmal nur noch so: »OMG, Tristan ist so sexy, Tristan ist so klug, Tristan ist einfach alles.«

Für mich ist die Sache also klar: Ganz offensichtlich ist es für Polly schon zu spät (mögen ihr Humor, ihr wunderbarer Verstand und ihre unfassbar umwerfende Persönlichkeit in Frieden ruhen). Aber ich kann mich zumindest 100 Prozent davor schützen, auch Opfer dieses bescheuerten Zustands zu werden, weil ich den chemischen Vorgang in meinem eigenen Gehirn jetzt erkennen und deswegen entsprechend darauf reagieren kann.

Sonntag, 7. Januar #DieEvolutionstheorieWiderlegen

Dass Polly sich in Tristan Stützradfahrer Murphy verliebt hat, ergibt biologisch gesehen echt überhaupt keinen Sinn.

Anscheinend sorgt unser Unterbewusstsein nämlich dafür, dass wir vor allem die Menschen attraktiv finden, mit denen wir die besten Babys machen können, damit der Genpool bereichert und die menschliche Rasse immer stärker und besser wird.

Aber Tristan kann noch nicht mal Fahrrad fahren.

An sich wäre das ja gar nicht so schlimm/fragwürdig/problematisch, wenn er stattdessen zum Beispiel ein Flugzeug fliegen könnte. Kann er aber nicht. Was ist da also los?

Und wieso hat Polly mich die ganze Woche über nicht angerufen?

Vielleicht hat ihr Gehirn einen totalen Totalschaden.

PS: Morgen geht die Schule wieder los und dann klärt sich das sicher alles auf.

 

PPS: Ich hasse es, dass ich den Bus nehmen muss, weil ich deswegen eine ganze Stunde früher aufstehen muss als sonst.

 

PPPS: Vielen Dank auch, Mum.

Montag, 8. Januar #ZurückInDieSchulhölle

Ich bin so tief gesunken, dass ich heute Mittag in der Mensa mit Miriam Patel und ihren Minions an einem Tisch sitzen musste.

Sie hat gesehen, dass ich allein dasaß, und hat mich an ihren Tisch eigeladen, mit theatralisch weit geöffneten Armen, als wäre sie Jesus persönlich, der das letzte Abendmahl hält.

Später mussten sich dann alle an Polly und Tristan vorbeiquetschen, die direkt vor der Bibliothek rumgeknutscht haben.

Kotz!

Echt mal, Pollys Hormoncocktail muss nicht nur megastark sein, sondern auch einfach weit über das Haltbarkeitsdatum hinaus, denn Tristan ist wirklich eklig. Im Vergleich zu Polly jedenfalls.

Auf dem Weg zu Bio habe ich Polly gesagt, dass mir ihre Tristanitis jetzt schon auf die Nerven geht. Normalerweise würde sie nämlich so was sagen wie: »Ich kann mir den Begriff ›Chloroplast‹ nur merken, weil das wie ein Superkleber klingt, aber keiner ist.« Aber alles, was sie heute zu mir gesagt hat, war: »Tristan denkt, Tristan sagt, Tristan will …«

Ich: »Kannst du nicht mal einen einzigen Satz ohne Tristan sagen?«

Polly: »Du verstehst das nicht, Phoebe, Tristan und ich sind verliebt.«

 

Oh Gott.

Dienstag, 9. Januar #Glittergitter

Miriam Patel hat eine neue neonpinke Zahnspange, die sie offenbar mehr liebt als ihr eigenes Leben. Sie rennt den ganzen Tag mit einem aufgesetzten Grinsen durch die Schule, wie diese Teeny-Idioten auf Nickelodeon, die so tun, als wären sie 12, obwohl sie mindestens 18 sind.

Miriam Patel: »Oh, hi Phoebe.«

Ich: »Oh, hi Miriam.«

Miriam: »Ich freue mich total für Polly. Du nicht?«

Ich: »Totaaal.«

Miriam Patel (grinsend, weil sie einfach fies ist): …

Ich (grinsend, weil ich an meinem Hass fast ersticke): …

 

Ich hätte natürlich auch einfach Polly und Tristan beim Knutschen zuschauen können, während ich mein Sandwich esse. Andererseits ist das vermutlich eher schwierig mit meinem ausgeprägten Würgereiz.

Mittwoch, 10. Januar #Vollidiot

Als ich heute Abend ferngesehen habe, hat Kate sich zu mir aufs Sofa gesetzt und mich mit ihrem Fuß angestupst, bis ich mich zu ihr umgedreht habe.

Ich: »Was?«

Kate: »Wieso habe ich noch gar nichts von Polly gehört oder gesehen? Normalerweise zieht sie doch an den Wochenenden immer hier ein, wenn du da bist.«

Ich: »Hab ich dir doch gesagt. Sie hat jemanden gefunden, den sie mehr liebt als mich. Er heißt Tristan.«

Kate: »Ah, ich verstehe.«

 

Ich habe ihr dann erzählt, dass Polly noch nicht mal weiß, dass Mum in Syrien ist, und dass sie mir immer noch kein frohes neues Jahr gewünscht hat und dass Tristan im Prinzip alles ruiniert hat und dass er ständig da ist und Polly anfasst und dass ich sie überhaupt nie mehr für mich allein habe. Und dass er nicht Fahrrad fahren kann.

Kate hat nur gesagt: »Was für ein absoluter Vollidiot.« Und dann hat sie mir eine der Designerkatzen auf den Schoß gesetzt und noch gesagt, dass ich sie streicheln soll, weil man sich dadurch angeblich besser fühlt.

Tut man nicht.

Donnerstag, 11. Januar #NeinDanke

Heute Morgen habe ich mich ausgeschlossen und musste deswegen nach der Schule bei Kates Secondhandladen vorbeigehen, um mir ihren Schlüssel zu holen.

Abgesehen von Pat, die ich schon mein ganzes Leben lang kenne und genauso lange hasse, gibt es noch einen anderen Grund, wieso ich nicht der größte Fan des Ladens bin: Die meisten Klamotten, die dort verkauft werden, sind von toten Leuten, die womöglich sogar darin gestorben sind. Die Verwandten stopfen diese Klamotten dann zusammen mit dem restlichen Besitz des Toten in Müllsäcke und laden sie mitten in der Nacht vor Kates Laden ab (und wir wissen alle, was mit Müllsäcken passiert, die nachts draußen stehen: Viecher, Kotze, Vandalismus).

Du solltest mal die Ansammlung von Krimskrams sehen, die im Lager des Ladens rumliegt (»Krimskrams« ist übrigens nur der nette Ausdruck für »irgendwelcher Schrott, den kein Mensch mehr braucht«). Hier ein paar Beispiele:

 

Und zu guter Letzt, mein persönlicher Favorit und für nur 3 Pfund ein echtes Schnäppchen:

 

Als ich in den Laden gekommen bin, dachte ich so: »Juhu!«, weil nicht Pat hinter der Kasse stand, sondern ein Junge mit Downsyndrom, der nur ein paar Jahre älter aussah als ich.

Er hat mich nicht begrüßt, also habe ich auch nichts gesagt, was meiner Meinung nach voll okay war, denn immerhin waren wir ja in einem Secondhandladen und nicht bei Lush, wo die Verkäufer dir mit ihren fröhlichen Hallos mindestens eine halbe Stunde lang auf die Pelle rücken, bevor sie aufgeben.

Ich konnte Kates Stimme durch die offene Tür zum Lagerraum hören und wollte einfach direkt nach hinten durchgehen. Aber als ich an der Kasse vorbeigegangen bin, hat der Typ plötzlich tief Luft geholt und dann gerufen: »Kate! Kundin!«

Ich hab echt fast einen Herzinfarkt bekommen, bin zu ihm rumgewirbelt, um was zu sagen – keine Ahnung, was überhaupt –, und hab ihm direkt in die Augen geschaut.

Er (so laut!): »Kate! Kundin!«

Ich: …

Er (noch lauter): »Kate! Kundin! Kate! Kundin!«

Ich: »Halt die Klappe!«

Er: …

In dem Moment ist ein Mädchen in Schuluniform und mit den blausten eisblauen Augen, die ich jemals gesehen habe, aus dem Lager gekommen und hat mich angeschaut, so nach dem Motto: Hast du gerade echt einem Jungen mit Downsyndrom gesagt, er soll die Klappe halten? Und ich hab zurückgeschaut so: Na ja, ja, wieso sollte ich ihn diskriminieren, nur weil er eine Behinderung hat?

Dann hat sie zu ihm gesagt: »Alles okay, Alex?«

Und zu mir: »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«

Und ich habe ihr gesagt, dass ich zu Kate will, und auf einmal hat sie mich angeschaut, als wüsste sie ganz genau, wer ich bin, und meinte so: »Bist du Phoebe? Ich bin Emma. Kate ist hinten – willst du einfach durchgehen?«

Ich habe genickt, und in dem Moment, als ich mich in Bewegung gesetzt habe, hat Alex wieder gerufen: »Kate! Kundin!« So laut, dass der ganze bescheuerte Krimskrams im Laden geklirrt hat.

Ich bin voll zusammengezuckt, was Emma offensichtlich megalustig fand. Ich habe gesehen, wie sie sich auf die Lippe gebissen hat, so als wollte sie mir nicht direkt ins Gesicht lachen.

Ich (zu Alex): »Musst du so laut sein?«

Alex: »Ich bin Alex.«

Ich: »Ich weiß.«

Alex: »Hallo. Schön, dich kennenzulernen.«

Ich: …

Alex: »Wer nicht gesehen wird, muss gehört werden.«

Emma (nickend): …

Ich: …

 

Es hat sich dann auch noch herausgestellt, dass ich Pat leider doch nicht entkommen bin: Sie war nämlich mit Kate hinten im Lager. Offensichtlich arbeitet sie neuerdings nicht mehr vorne an der Kasse, weil sie inzwischen mehr »Verwaltungsaufgaben« übernommen hat (d.h. Preisschilder auf Krimskrams kleben).

Sie hat mich wie immer von oben bis unten gemustert und es war offensichtlich, dass sie jede Menge auszusetzen hat an:

 

Ich nur so: »Pat.« Und sie zurück: »Phoebe.«

Kate hat versucht, mich zu überreden, ein bisschen zu bleiben und mitzuhelfen, aber ich meinte nur: »Nein danke, ich hab was vor.« (Gelogen.)

Sie hat noch gesagt, dass Emma und Alex total nett sind und dass es doch toll wäre, neue Freunde kennenzulernen, aber ich war nur so: »Danke, aber ich brauche keine Freunde, die Lektion habe ich gelernt. Außerdem: Pat.«

PS: Als ich gegangen bin, war Emma superfreundlich, so nach dem Motto: »Es war schön, dich kennenzulernen, Phoebe«, was mich total verwirrt hat, denn rückblickend war die Art, wie ich mit Alex geredet habe, vielleicht doch nicht so ideal.

Am Ende habe ich mich von keinem von beiden verabschiedet.

 

PPS: Ich glaube, meine sozialen Fähigkeiten sind etwas unterentwickelt.

Freitag, 12. Januar #Doppelmoral

Ich habe den Eindruck, dass manche Menschen, seit wir unser Essen nicht mehr selbst jagen müssen, sogar zu dumm geworden sind, sich Essen zu kaufen. Und das sollte sich, meiner Meinung nach, doch echt auf die Evolution auswirken.

Ich habe heute im Supermarkt eine Frau beobachtet, die total ausgerastet ist, weil sie die Selbstbedienungskasse benutzen sollte.

Sie so: »Ich lehne es einfach ab, diese neuen Dinger zu benutzen!«

Ich wette, sie würde es nicht »einfach ablehnen«, wenn die Ärzte die neuste medizinische Technik benutzen, falls sie mal eine OP braucht.

 

Ich wollte Polly schreiben und ihr davon erzählen, hab’s dann aber gelassen.

PS: Mum hat heute Nachmittag eine WhatsApp-Nachricht geschickt, aber ich hab sie noch nicht gelesen.

Samstag, 13. Januar #DesignerKatzenHölle

Da ich die gesamte Woche über mit dem Bus zur Schule gekommen bin, hat Polly ganz clever geschlussfolgert, dass ich mal wieder bei Kate wohne, und hat gestern Abend so gefragt: »Ist deine Mum lange weg?«

Ich: »Sie ist in Syrien, wer weiß also schon, wann sie zurückkommt. Ob sie überhaupt zurückkommt.«

Polly: »Phoebe, sag so was nicht. Das kannst du doch nicht sagen.«

Ich: »Hab ich aber.«

 

Ich habe echt mehr von Polly erwartet. Wieso haben die Leute immer so ein Problem mit der Wahrheit? Mums Job ist gefährlich, das weiß jeder. Aber statt das einfach zuzugeben, meinen alle immer nur: »Wird schon gut gehen.«

Laut Internet sind in Syrien schon über 400000 Menschen gestorben. Das ist fast die gesamte Bevölkerung von Manchester. Und ich bin mir sicher, auch deren Freunde und Familie waren vorher so: »Oh, wird schon alles gut gehen.«

Es trifft immer nur die anderen, bis es plötzlich dich trifft.

Also, ja, ich hasse diese Situation, aber zumindest stecke ich nicht den Kopf in den Sand und ignoriere das alles. Wenn Mum wirklich mal irgendwas passiert, bin ich wenigstens emotional darauf vorbereitet.

 

Anderes Thema: Die Designerkatzen sind in mein Zimmer eingebrochen und haben sich auf meiner Schuluniform gewälzt.

Wie kann es bitte sein, dass Kate keine Fusselrolle besitzt?

Ich habe eine ganze Rolle Tesafilm verbraucht, um diese beigen Designerkatzenhaare wieder abzubekommen.

Ich sollte meine Tür einfach zuschließen, aber dann denkt Kate am Ende nur, dass ich antisozial bin (was vermutlich auch so ist und vielleicht der wahre Grund dafür, wieso ich Sologamie und Selbstbedienungskassen so toll finde).

Sonntag, 14. Januar #HalloVonDerAnderenSeite

Mum hat angerufen.

Sie ist immer noch in Ankara, und anscheinend ist es da gerade schweinekalt und sie hat echt keinen Spaß.

Gut.

PS: Polly hat mir das ganze Wochenende über nicht geschrieben.

Stattdessen hat sie eine neue Instagram-Story gepostet, wie sie und Tristan sich gegenseitig mit Pizza füttern.

Und alle in den Kommentaren so: »Oh! Ihr seid so ein süßes Paar.«

Lügen.

Tristan ist widerlich.

Außerdem: Könnt ihr eure Pizza nicht wie normale Menschen essen?

Montag, 15. Januar #Hysterie

Als wir heute in der Schule zusammen auf dem Klo waren, ist Polly auf einmal voll dramatisch geworden. Sie hat sich selbst im Spiegel angestarrt und hat dann ernsthaft gesagt: »Ich liebe Tristan. Meinst du, es ist zu früh, ihm das zu sagen?«

Und ich so: »Ihr seid erst seit zwei Wochen zusammen. Ja, es ist viel zu früh.«

Polly ist dann megasauer geworden: »Wie kannst du so was sagen, Phoebe? Du bist doch meine beste Freundin.«

WTF. Was geht denn eigentlich zurzeit ab mit allen?

Ich habe mal »wahre Freundschaft« gegoogelt und bin dabei auf diese Definition gestoßen: Ein wahrer Freund ist jemand, der in einer Krisensituation zu dir steht und nur dein Bestes will.

Polly war offensichtlich in einer Krisensituation und ich habe ihr die Wahrheit gesagt, weil ich nur das Beste für sie will.

Echt Mann, die sollen sich alle mal wieder beruhigen.

Außerdem weigere ich mich, wegen so unwichtigem Schwachsinn zu lügen.

Dienstag, 16. Januar #DesignerKatzenDesaster

Die Katze ist abgehauen. Oh Gott!

Damit habe ich jetzt bestimmt Kates Traum vom vorgezogenen Ruhestand zerstört, weil die Katze vermutlich schon von irgendeinem wilden Nicht-Designer-Kater gevögelt wird, während ich das hier schreibe.

Ich habe die Tür echt nur für eine Millisekunde offen gelassen, während ich den Müll rausgebracht habe, und bevor ich überhaupt kapiert habe, was passiert, ist die Katze schon aus dem Haus geschossen wie Wolverine auf Speed. Ich habe noch versucht, sie zu erwischen – aber versuch mal, eine sexgeile Katze einzufangen.

Mir ist nichts anderes übrig geblieben, als dem beigen Designer Katzenarsch nachzuschauen, wie er über den Gartenzaun gesprungen ist.

Neeeeeeiiiiin!

Ich habe Ewigkeiten nach der blöden Katze gerufen. Eine geschlagene Stunde lang bin ich sogar die Straße hoch und runter gelaufen und habe sie gesucht – aber keine Chance.

Als Kate dann nach Hause gekommen ist, hab ich also voll rumgeheult: »Es tut mir echt total leid, aber die Katze ist abgehauen und ich kann sie nirgendwo finden, ich habe es wirklich versucht, ehrlich.«

Kate: »Oh nein. Welche denn?«

Ich: …

Kate (kopfschüttelnd und missbilligend mit der Zunge schnalzend, weil sie genau weiß, dass ich keine Ahnung habe, welche es war): …

Ich: »Es tut mir so leid!«

Kate: »Schon gut, es war ja bestimmt keine Absicht.«

Ich: »Ehrlich gesagt bin ich mir ziemlich sicher, dass die Katze das geplant hat.«

Kate: …

Ich: »Nicht witzig, ich weiß. Es tut mir wirklich so, so leid, Kate. Sie ist einfach rausgerannt.«

Kate: »Tja, da kann man jetzt nichts mehr machen.«

 

Kennst du das, wenn jemand sagt »Ich bin nicht sauer. Ich bin nur enttäuscht.«?

Genau das.

Kate meint, die Katze kommt erst wieder nach Hause, wenn sie Sex hatte. Natürlicher Instinkt und so. Also wird jetzt nur noch eine Katze Designer-Babys bekommen und die andere bekommt billige Fakes.

Statt Chanel werden wir sie Shanel nennen müssen.

PS: Mir ist schon klar, dass das eigentlich nicht witzig ist.

Mittwoch, 17. Januar #EsKannNurBergaufGehen

Ich habe so ein schlechtes Gewissen wegen dem ganzen Designerkatzen-Desaster, dass ich beschlossen habe, mir so schnell wie möglich einen Job zu suchen, damit ich Kate das Geld zurückzahlen kann, das ihr dank mir jetzt entgeht.

In einer idealen Welt hätte die Designerkatze vier Babys bekommen, und wenn so ein plattnasiges Perserkatzenbaby durchschnittlich 500 Pfund kostet, dann heißt das, dass ich Kate 2000 Pfund schulde. Obwohl es realistisch gesehen sogar noch mehr ist, weil Kate die Fake-Babys vermutlich nicht verkaufen können wird und sie dann auch noch durchfüttern muss. So wie ich Kate kenne, würde sie die unvermittelbaren Katzenbabys nämlich niemals

  1. ins Tierheim geben oder

  2. sie ertränken.

 

Hier mein Plan: Wenn man noch nicht 18 ist, bekommt man den Mindestlohn von 4,20 Pfund die Stunde. (Abzocke!)

£ 2000 ÷ £ 4,20 = 476,19

Das heißt 476 Stunden Arbeit, bis ich genug zusammenhabe.

Wenn ich einen Wochenendjob finde und, sagen wir mal, zwölf Stunden arbeite, wären das 50,40 Pfund die Woche.

£ 2000 ÷ £ 50,40 = £ 39,68

Ergebnis: Es wird knappe 40 Wochen dauern, bis ich Kate alles zurückgezahlt habe.

Das ist fast ein ganzes Jahr. Ziemlich deprimierend.

Donnerstag, 18. Januar #Lebenslauf

Ich habe mal meinen Lebenslauf geschrieben, und der ist echt ziemlich beschissen.

 

Phoebe Alexandra Davis

Lebenslauf

 

3 Rochdale Close, Wimbledon,
London SW19 1AL

Telefon: 07965500713
E-Mail: phoebead666@gmail.co.uk

 

Ich bin fünfzehn Jahre alt und momentan auf der Suche nach einem Nebenjob, entweder abends oder am Wochenende.

 

Ausbildung

Derzeit besuche ich die Oberstufe der Kingston High School. Einser-Schülerin (abgesehen von Englischer Literatur, Kunst und Geschichte)

 

Sonstiges

In der 5. Klasse habe ich meine Fahrradprüfung erfolgreich bestanden.

In meiner Freizeit gehe ich gerne ins Kino.

 

Zeugnisse sind auf Anfrage verfügbar.

 

Ich würde mir nicht mal selbst einen Job geben. Aber was soll ich denn da bitte reinschreiben, damit ich irgendwie interessanter wirke? Ich habe einfach überhaupt nichts Sinnvolles gemacht in meinem Leben.

Freitag, 19. Januar #DieRückkehrDerDesignerKatze

Die Ausreißer-Designerkatze ist wieder da!

Offensichtlich hat sie nur 72 Stunden gebraucht, bis sie jemanden zum Vögeln gefunden hat.

 

Heute hat Polly so gemeint, dass sie das Gefühl hat, dass wir schon ewig nichts mehr zusammen gemacht haben.

Keine Ahnung, wie sie darauf kommt …

Wie auch immer, ich habe beschlossen, nachsichtig mit ihr zu sein – wegen ihrem ganzen hormonellen Chaos –, und gehe deswegen morgen mit ihr und dem Stützradfahrer ins Kino.

Allerdings komme ich mir jetzt vor wie diejenige mit dem hormonellem Chaos im Kopf – wieso um alles in der Welt habe ich denn dazu Ja gesagt?!

Samstag, 20. Januar #KinoDateHölle

Ich bin viel zu früh in Kingston angekommen, weil ich vergessen habe, dass der Bus am Samstag nur 15 Minuten braucht und nicht eine knappe Stunde wie an Schultagen. Ich bin dann ins Bentall Shoppingcenter gegangen, um die Zeit totzuschlagen – und rate mal, wen ich da vorm Starbucks getroffen habe?

Miriam Patel, die so getan hat, als würde sie telefonieren.

Und sie hat das winzigste bauchfreie Top angehabt, das man sich überhaupt vorstellen kann. Ohne Mantel, dabei waren es draußen minus drei Grad oder so.

Ich (in Gedanken: Wiiiiieso bist du einfach überall?): …

Miriam Patel (ihr Fake-Telefonat beendend): »Oh, hi Phoebe. Bist du ganz allein unterwegs? Ich treffe mich gleich mit den Mädels bei Starbucks. Du kannst gerne mitkommen, wenn du magst.«

Ich: »Oh, hi Miriam. Nein, danke. Ich gehe mit Polly und Tristan ins Kino.« (Wieso musste ich unbedingt erwähnen, dass er auch mitkommt?)

Miriam Patel (ihr Gesicht verziehend, als hätte sie in eine Zitrone gebissen): »Echt? Aber du weißt doch, was man sagt, oder? Drei sind einer zu viel.«

 

Ich weiß, dass sie solche Sachen nur sagt, um irgendeine Reaktion zu bekommen, und ich wünschte wirklich, sie würde mich nicht so sehr nerven, aber leider tut sie das. Sie macht mich einfach wahnsinnig. Ich hoffe, sie ist in ihrem winzig kleinen Top erfroren.

Wenig überraschend (weil mir das eigentlich von vornherein klar war) wurde es danach nur noch schlimmer. Es war von Anfang an einfach megaunentspannt mit Polly und dem Stützradfahrer. Wie kann es sein, dass zwei Menschen, die seit Anbeginn der Zeit jeden Tag stundenlang miteinander gequatscht haben, sich auf einmal nichts mehr zu sagen haben?

Polly hat verzweifelt versucht, irgendwie ein Gespräch zwischen uns dreien zum Laufen zu bringen, aber alles, was ich in ihren riesigen dunklen Augen sehen konnte, war die stumme Entschuldigung dafür, dass ich nicht mehr ihr Lieblingsmensch bin.

Und das ist okay.

Ich verstehe es ja.

Dinge verändern sich eben.

Aber was danach passiert ist, war alles andere als okay.

Wie sich schnell herausstellte, interessierten sich Polly und Tristan überhaupt nicht für den Film, sondern wollten einhundertundzwanzig Minuten wild neben mir rumzuknutschen.

Alles, was ich mit meinem linken Ohr gehört habe, waren nasse, schmatzende, zungenkussige Geräusche, und ich schwöre, einmal hat Polly sogar ihre Hand in Tristans Schritt gelegt, was einfach nur … Nein!

Das werde ich Polly niemals verzeihen.

Vor Tristan hätte sie sich nie so verhalten. Sie hätte niemals jemanden eingeladen, nur um denjenigen dann so auszuschließen. Sie war der beste Mensch, den ich jemals gekannt habe. Und jetzt ist sie so wie all die anderen: nur mit sich selbst beschäftigt und alles dreht sich um Sex, Sex, Sex.

 

Zu Hause bin ich direkt in mein Zimmer gegangen und habe die Tür hinter mir zugeschlagen. Kate hat kurz danach geklopft, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist und ob ich vielleicht eine Katze streicheln will. Ich habe ihr gesagt, dass alles okay ist, aber ich glaube, sie weiß, dass das nicht stimmt.

Ich bin mir nicht mal sicher, was mich am meisten aufregt: dass Polly in Tristans Schritt gegriffen hat oder dass Miriam mit ihrem blöden »Drei sind einer zu viel« recht hatte.

Sonntag, 21. Januar #ÄrzteOhneGrenzen

Mum hat heute per WhatsApp-Videochat aus Ankara angerufen.

Sie sieht jetzt schon scheiße aus, dabei sind sie noch nicht mal in Syrien angekommen. Morgen geht es wohl endlich los.

Sie hat dann noch gemeint, dass sie nicht weiß, wann sie das nächste Mal anrufen kann. Bla, bla, bla, das kenn ich alles schon auswendig. Gähn.

Montag, 22. Januar #IchHasseAlleMenschen

Ich werde ab sofort keine Nachrichten mehr schauen.

Ich meine, irgendwelche Seuchen oder Erdbeben, Hurrikane, Taifune, Vulkanausbrüche etc. sind die eine Sache. Aber Kriege?

Sie haben heute Aufnahmen von Aleppo gezeigt, oder besser gesagt von dem, was früher mal Aleppo war, als es noch eine richtige Stadt mit Häusern und Geschäften und Schulen war, denn jetzt ist da nur noch ein riesiger Trümmerhaufen. Die Stadt wurde wortwörtlich zu Staub zerbombt.

Man hat eine Frau ohne Beine gesehen, die in einem klapprigen, zerbeulen Rollstuhl durch eine zerstörte Straße geschoben wurde. Das provisorische Krankenhaus, in das man sie gebracht hat, war im Prinzip nur ein großer Raum, in dem die Leute auf Holzbrettern lagen.

Wieso tun wir uns das gegenseitig an?

Und dann ist es auch noch im Fernsehen und wir schauen es so nebenbei, während wir gemütlich beim Abendessen sitzen.

PS: Ich glaube, Polly ist klar, dass es gestern nicht so toll gelaufen ist, denn heute Morgen war sie so: »Wollen wir zusammen Mittag essen?«

Aber ich meinte nur: »Sorry, kann nicht. Ich muss noch in die Bibliothek.«

Ich weiß nicht mal genau, wieso ich das gesagt habe. Für einen Moment habe ich überlegt, doch mitzugehen, aber dann habe ich gesehen, wie sie Tristan mit Karottenstückchen gefüttert hat, und habe mich innerlich zu meiner Entscheidung beglückwünscht.

Dienstag, 23. Januar #NichtNett

Ich habe heute Plastikhüllen für meine Lebensläufe gekauft.

Kate so: »Die Präsentation macht zumindest schon mal einiges her, Phoebe. Nicht schlecht. Aber vielleicht lächelst du auch mal, wenn du mit den Leuten sprichst.«

OMG.

Mittwoch, 24. Januar #JobsucheDieErste

Januar ist offenbar der schlechteste Monat im ganzen Jahr, um auf Jobsuche zu gehen.

Nirgendwo gibt es offene Stellen.

Ich bin heute nach der Schule das ganze Bentall Shoppingcenter abgelaufen, und in jedem einzelnen Laden haben sie gesagt: »Tut uns leid, aber wir mussten gerade erst die ganzen Weihnachtsaushilfen entlassen, deswegen stellen wir im Moment niemanden ein.«

Waaaruuuum?

Donnerstag, 25. Januar #JobsucheDieZweite

Heute habe ich die ganze Lebenslaufsache noch mal in Wimbledon durchgezogen.

Wenn das so weitergeht, bekomme ich nur einen Job, wenn jemand genau in dem Moment tot umfällt, wenn ich gerade meinen Lebenslauf abgebe.

Was das Ganze noch zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass viele Läden niemanden unter 16 einstellen. Das ist echt unfair, weil ich doch in derselben Jahrgangsstufe bin wie die ganzen Leute, die schon arbeiten dürfen, es aber nicht wollen/müssen.

Auf dem Heimweg bin ich am Secondhandladen vorbeigelaufen und habe durchs Fenster geschaut, um zu sehen, ob Kate vielleicht da ist, aber sie muss irgendwo hinten gewesen sein.

Alex stand wieder an der Kasse und hat mit Emma geredet, die eine ganze Ladung Blusen auf Kleiderbügeln in den Armen hatte.

Natürlich haben sie mich dabei ertappt, wie ich so voll stalkermäßig vor dem Fenster stand, und Alex hat mir zugewinkt. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun soll, habe ich zurückgewinkt und dann hat Emma mir signalisiert, dass ich doch reinkommen soll, aber ich habe nur so zurückgestikuliert: Sorry, muss weiter.

Vielleicht hätte ich doch kurz Hallo sagen sollen.

 

Mum hat geschrieben, dass sie Ewigkeiten brauchen, um durch die Türkei nach Syrien zu fahren. Anscheinend ist das Wetter echt mies und ihre Autos und Transporter bleiben dauernd irgendwo stecken.

Ich habe ihr erzählt, dass ich einen Job suche, weil die blöde Katze abgehauen ist.

Freitag, 26. Januar #ErwartungenErfüllen

Ich habe Kate meinen Lebenslauf gegeben, damit sie mal drüberschaut und sie meinte so: »Ja …, aber nein.«

Eine halbe Stunde später hat sie mir das hier gemailt:

 

Phoebe Alexandra Davis

Lebenslauf

 

3 Rochdale Close, Wimbledon,
London SW19 1AL

Telefon: 07965500713
E-Mail: phoebead666@gmail.co.uk

 

Als enthusiastische und erfahrene Kundenbetreuerin arbeite ich sehr gerne im Team. Meine ausgeprägte Arbeitsmoral, Ambition, Zielorientierung und schnelle Auffassungsgabe machen mich zur idealen Bewerberin für diese Stelle. Eine selbstständige Arbeitsweise und hohe Motivation gehören überdies zu meinen Stärken. Auch in Stresssituationen behalte ich den Überblick und arbeite effizient. Ich bin verlässlich und pünktlich und verfüge über ein ausgezeichnetes Organisationstalent sowie hervorragende Kundenorientierung.

 

Derzeit bin ich auf der Suche nach einer Wochenendanstellung.

 

Ausbildung

 

Kingston Highschool