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Der Autor und die Autorin

Prof. Dr. Michael May (geb. 1973) ist Professor für Didaktik der Politik an der Universität Jena, geschäftsführender Direktor des dortigen Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung sowie Mitglied des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen normative Grundlagen und Konzeptionen politischer Bildung, Demokratiegefährdung und politische Bildung sowie empirische Fachunterrichtsforschung. Zudem ist er in der Lehrerweiterbildung aktiv. Vor seiner wissenschaftlichen Laufbahn war er als Lehrer und Fachleiter am Studienseminar tätig.

Dr. Gudrun Heinrich (geb. 1965) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin der Arbeitsstelle Politische Bildung an der Universität Rostock sowie Mitglied im »Netzwerk Bildung und Demokratie« des landesweiten Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Rechtsextremismusprävention und Demokratiebildung. Sie ist bei der Konzeption und Organisation von Fortbildungen im Bereich der schulischen und außerschulischen politischen Bildung tätig.

Michael May
Gudrun Heinrich

Rechtsextremismus pädagogisch begegnen

Handlungswissen für die Schule

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037222-1

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pdf:      ISBN 978-3-17-037223-8

epub:   ISBN 978-3-17-037224-5

mobi:   ISBN 978-3-17-037225-2

Inhaltsverzeichnis

 

  1. 1   Einleitung
  2. 2   Rechtsextremismus und Co. in der Schule – Worum geht es (nicht)?
  3. 2.1   Rechtsextremismus und Schule
  4. 2.2   Vorurteile, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hate Speech
  5. 2.3   Rechtspopulismus
  6. 2.4   Worum es nicht geht – Mobbing und Gewalt an Schulen
  7. 2.5   Zusammenfassung
  8. 3   Ursachen und Risikofaktoren als Schlüssel der Präventionsarbeit
  9. 3.1   Ohne Diagnose keine Therapie
  10. 3.2   Ansätze zur politischen Kultur: Geschichte und aktuelle Diskurse als Rahmenbedingungen
  11. 3.3   Sozialisationstheoretische Ansätze: Verarbeitung von Individualisierung, Modernisierung und Deprivation
  12. 3.4   Psychologische Ansätze: Autoritarismus und autoritäre Reaktion
  13. 3.5   Risikofaktoren für die Verbreitung und Verfestigung rechtsextremer Einstellungen
  14. 3.6   Lässt sich das Phänomen des Rechtspopulismus erklären?
  15. 3.7   Zusammenfassung
  16. 4   Pädagogische Präventionsarbeit
  17. 4.1   Begriffe und Definitionen
  18. 4.2   Anerkennung als Schlüsselkonzept schulischer Präventionsarbeit
  19. 4.3   Systembezogene Strategie: Entwicklung einer Partizipationskultur in Schule und Unterricht
  20. 4.4   Interaktionsbezogene Strategie: Entwicklung einer wertschätzenden und zugewandten Interaktionsqualität in Schule und Unterricht
  21. 4.5   Personenbezogene Strategie – Universelle Konzepte
  22. 4.6   Personenbezogene Strategie – Selektive Konzepte und reaktives Handeln
  23. 5   Wenn Prävention alleine nicht mehr ausreicht
  24. 5.1   Wenn die »Rote Linie« überschritten ist – Der Umgang mit manifest rechtsextremen Schüler/innen und Eltern
  25. 5.2   Ordnungsmaßnahmen als pädagogische ultima ratio
  26. 5.3   Hinzuziehung staatlicher Ordnungsbehörden
  27. 6   Präventionsarbeit als Schulentwicklungsaufgabe – und darüber hinaus
  28. 7   Pathologisierung und Therapie – der richtige Weg?
  29. 8   Zusammenfassung und Fazit
  30. Danksagung
  31. Literaturverzeichnis

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Einleitung

 

Das Handeln in Schule und Unterricht ist wertegebunden. Es orientiert sich an den Werten der Demokratie und der Völkerverständigung. In allen Schulgesetzen der Bundesländer finden sich entsprechende Aussagen an prominenter Stelle und stecken den Werterahmen des Schulsystems ab, so beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern:

»Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen wird bestimmt durch die Wertentscheidungen, die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern niedergelegt sind. Zu ihnen gehört eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der wertschätzenden Kommunikation, die die Würde der Schülerpersönlichkeit wie der Lehrpersönlichkeit achtet. Ziel der schulischen Bildung und Erziehung ist die Entwicklung zur mündigen, vielseitig entwickelten Persönlichkeit, die im Geiste der Geschlechtergerechtigkeit und Toleranz bereit ist, Verantwortung für die Gemeinschaft mit anderen Menschen und Völkern sowie gegenüber künftigen Generationen zu tragen« (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur MV 2019, § 2 (1)).

Damit wird auch eine Anforderung an die Professionalisierung der Mitarbeiter/innen1 des Schulsystems deutlich, von den Lehrer/innen sämtlicher Fächer und Funktionen, anderen pädagogischen und nicht-pädagogischen Mitarbeiter/innen bis hin zur Bildungsverwaltung. Schule und Unterricht sollen so gestaltet werden, dass Schüler/innen im Geiste von Demokratie und Völkerverständigung aufwachsen können. Schule und ihr Personal sind damit per Gesetz für die Vermittlung demokratischer Einstellungen und Kompetenzen bei den Schüler/innen zuständig. Es ist somit auch Teil des Professionalisierungsprozesses von (angehenden) Lehrer/innen, sich mit dieser Aufgabe auseinanderzusetzen. Politische Bildung ist nicht eine zusätzliche Aufgabe, die zur Perspektive des eigenen Unterrichtsfaches noch hinzukommt. Vielmehr stehen die demokratische Schul- und Unterrichtsarbeit sowie die politische Bildung im Zentrum des professionellen Auftrages von Lehrer/innen.

Bildungstheoretisch kommt in der Anbindung des Schulsystems an die Werte der Demokratie und der Völkerverständigung zum Ausdruck, dass die Schule einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt und – unter anderem – für die Stabilisierung und Weiterführung der zentralen Prinzipien und Werte unseres Zusammenlebens Verantwortung trägt. Um Demokratie zu erhalten, muss die heranwachsende Generation – auch eine Lehre aus der deutschen Geschichte – diese Prinzipien und Werte teilen. Die Gesellschaft und das Verbindende zwischen den Gesellschaftsmitgliedern ist indes nur ein Bezugspunkt pädagogischen Handelns. Hinzu kommt die Aufgabe, es den einzelnen Schüler/innen zu ermöglichen, sich in Auseinandersetzung mit den Prinzipien und Werten der Gesellschaft zu entfalten und einen eigenen, individuellen Weg im Leben zu finden. Der Pädagoge Friedrich D. E. Schleiermacher hat dies die »universelle« und die »individuelle« Seite der Erziehung genannt (Schleiermacher 1994: 67 ff.).

Gerade die »universelle« Seite der Erziehung, die Stabilisierung und intergenerationelle Weitergabe demokratischer Prinzipien, scheint dabei mit der »individuellen« Seite, der Entwicklung eigener Perspektiven und Lebenswege der Schüler/innen, nicht immer zu harmonieren. Aber: Nur die Demokratie mit ihren verbürgten Selbstentfaltungs- und Mitbestimmungsrechten ermöglicht es den Menschen und auch den Schüler/innen, eigene Weltzugänge und Lebensentwürfe zu entwickeln und in die Tat umzusetzen.

Angesichts der skizzierten Zuständigkeit von Schule und Unterricht stellen rechtsextreme Einstellungen und Handlungen im Kontext der Schule eine Herausforderung dar, denn Rechtsextremismus lehnt die zentralen Prinzipien und Werte der Demokratie ab. Dabei ist Rechtsextremismus als kohärentes und verfestigtes Weltbild (image Kap. 2) zwar eher ein Randphänomen, aber viele Einstellungsfacetten und Versatzstücke rechtsextremen Denkens sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Bei allen Vorbehalten, die man gegenüber dem Vorgehen der empirischen Rechtsextremismusforschung haben kann, geben die empirischen Ergebnisse doch einen Hinweis auf die Realität der pädagogischen Herausforderung. Die Leipziger Mitte-Studien haben zwischen 2002 und 2018 einen kleiner werdenden Teil von Menschen identifizieren können, der über ein umfassendes rechtsextremes Weltbild verfügt (seit 2014 5 bis 6 %). Manifest ausländerfeindlich eingestellt waren in diesem Zeitraum aber relativ stabil 18 bis 27 % der Bevölkerung, chauvinistisch eingestellt (= übersteigertes Nationalgefühl) waren zwischen 14 und 19 % – wobei die Werte in den ostdeutschen Bundesländern teilweise deutlich höher liegen (Decker et al. 2018: 82 f.). Das Pew Research Center stellt fest, dass 24 % der Deutschen eine negative Sicht auf Muslime haben (36 % in den neuen Ländern) (Pew Research Center 2019: 80, 87).

Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft und kann angesichts ihres demokratischen Auftrages vor rechtsextremen Einstellungen und Handlungen nicht die Augen verschließen. Neben der Aufgabe, die Prinzipien und Werte der Gesellschaft zu vermitteln sowie Möglichkeiten der Selbstentfaltung zu eröffnen, müssen sich die Akteure auch Gedanken über den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen in der Schule machen. Dieses Buch möchte dabei eine Unterstützung bieten. Was ist unter Rechtsextremismus zu verstehen, welche Ursachen hat er, wie ist er etwa von Rechtspopulismus abzugrenzen? Was kann getan werden, um die Schüler/innen vom Rechtsextremismus abzuhalten, wie kann man mit Schüler/innen arbeiten, bei denen bereits rechtsextreme Einstellungsfacetten zum Vorschein kommen? Ist Schule Teil der Lösung oder eher Teil des Problems? Was können Schule und Unterricht gegen die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen und Verhaltensweisen bewirken? Diese und weitere Fragen sollen in diesem Buch diskutiert werden. Wie nicht anders zu erwarten, werden dabei keine Patentlösungen angeboten. Es muss darum gehen, das pädagogische und didaktische Handeln in Unterricht und Schule vor dem Hintergrund der Wirkungen auf die politische Sozialisation Jugendlicher und speziell auf Prozesse des Entstehens und Verfestigens von rechtsextremen Einstellungen zu reflektieren.

Dabei erwartet den/die Leser/in keine Forschungsarbeit und systematische Darstellung des Forschungsstandes im engeren Sinne. Jedoch fließen relevante Erkenntnisse aus der (teils eigenen) Forschung in die Ausführungen ein. Wir verstehen das vorliegende Buch als eine Einführung in das Problemfeld Rechtsextremismus und Schule. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sollen Überlegungen zum Umgang mit Rechtsextremismus in der Schule angestellt und Vorschläge unterbreitet werden. Gemäß unserer Überzeugung, dass auch die akademische Forschung die Praxisperspektive nicht aus dem Blick verlieren darf, schlagen wir einen Bogen von begrifflich-theoretischen Klärungen und empirischen Evidenzen hin zu Anregungen für die Praxis, die die Handlungsperspektiven der Professionellen berücksichtigen. Dabei greifen wir auch auf ausgewählte, bereits vorhandene Vorschläge der Praxisgestaltung zurück.

Mit dem Buch streben wir zudem an, eine Lücke zu schließen. Zwar sind nach einer langen Zeit, in der das Thema Rechtsextremismus und Schule nur eine sehr geringe Beachtung fand, nun wieder mehr Publikationen zu verzeichnen (z. B. Besand 2019; Schedler et al. 2019; Hunecke et al. 2020), was auch mit dem Aufkommen rechtspopulistischer Bewegungen und deren zum Teil schwierigen Abgrenzungen gegenüber dem Rechtsextremismus zu tun hat. Der Versuch einer kohärenten Gesamtdarstellung mit klarer Praxisperspektive liegt bislang aber noch nicht vor.

Das nun folgende, zweite Kapitel widmet sich dem Phänomenbereich »Rechtsextremismus in der Schule« und zielt auf der Grundlage zu klärender Begrifflichkeiten darauf ab, Erscheinungsformen des Phänomens bei Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen zu umreißen. In engem Zusammenhang damit sind auch Phänomene wie Vorurteilsstrukturen zu betrachten, die als »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« analytisch gefasst werden. »Hate Speech« bezieht sich nach unserem Begriffsverständnis nicht nur auf die Online-Welt und muss daher ebenso berücksichtigt werden wie Fragen des Rechtspopulismus. Gleichzeitig werden aber auch die Phänomene abgegrenzt, die zwar mitunter im Zusammenhang mit rechtsextremen oder menschenfeindlichen Einstellungen auftreten, aber nicht mit diesen gleichgesetzt werden können (z. B. Mobbing).

Das dritte Kapitel befasst sich mit den Ursachen rechtsextremer Einstellungen und Verhaltensweisen, weil wir davon ausgehen, dass erfolgreiches pädagogisches Handeln nur unter Berücksichtigung von Ursachen möglich wird. Die unterschiedlichen Erklärungen werden dabei von uns unterteilt in Ansätze der politischen Kultur, sozialisationstheoretische Ansätze und psychologische Ansätze. Die hiermit in Zusammenhang stehenden Risikofaktoren werden nach den Sozialisationsinstanzen Familie, Schule bzw. Bildung und Peers zusammengefasst.

Auf dieser Grundlage werden im vierten und längsten Kapitel des Bandes unterschiedliche Handlungsstrategien vorgestellt. Dabei werden systemorientierte, interaktionsorientierte und personenorientierte Präventionsmaßnahmen nicht nur konzeptionell sowie mit dem Verweis auf empirische Erkenntnisse erläutert, sondern auch exemplarisch mit Praxis- und Übungsbausteinen versehen. Bei den »Praxisbausteinen« handelt es sich um Vorschläge und Hinweise für die Gestaltung schulischer und unterrichtlicher Praxis, während die »Übungsbausteine« Reflexionshilfen für die Lehrer/innen sind – die auch in den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung zum Einsatz kommen können.

Im fünften Kapitel thematisieren wir schulische Ordnungsmaßnahmen als ultima ratio sowie die Möglichkeit der Hinzuziehung staatlicher Ordnungsbehörden. Weil pädagogische Strategien nur fruchten können, wenn sie in einen unterstützenden schulischen Kontext eingebettet sind, beleuchten wir im sechsten Kapitel auch die Rolle und Spannungsfelder von Schulentwicklungsarbeit.

Das siebte Kapitel ordnet die von uns vorgestellten Ansätze der Rechtsextremismusprävention in einen größeren Kontext ein. Hierbei wird deutlich, dass die Ansätze vornehmlich als therapeutische sowie wissens- und kompetenzorientierte Strategien zu deuten sind. Die Frage nach Chancen und Fallstricken wird vor dem Hintergrund der Kritik an diesen Strategien diskutiert. Im achten und letzten Kapitel fassen wir die zentralen Erkenntnisse noch einmal zusammen.

1     Die hier gewählte Variante geschlechtergerechter Sprache setzen wir im gesamten Buch um. Bei zusammengesetzten Wörtern verzichten wir allerdings in der Regel auf dieses Vorgehen, um weniger kompliziert zu formulieren und eine bessere Lesbarkeit zu wahren. In diesen Fällen verwenden wir das generische Maskulinum, das das Geschlecht abstrahiert. Die Zitate in den Praxis- und Übungsabschnitten haben wir entsprechend vereinheitlicht.

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Rechtsextremismus und Co. in der Schule – Worum geht es (nicht)?

 

Wann sind Aussagen von Schüler/innen rechtsextrem, und wann finden »nur« diffuse Vorurteile ihren Ausdruck? Wann sprechen wir von Rechtspopulismus und wann von Rechtsextremismus? Im Rahmen dieses Kapitels werden zentrale Phänomene und Begrifflichkeiten erklärt. Ziel ist es, einen Überblick zum auf den Sozialraum Schule bezogenen Kenntnisstand über Rechtsextremismus und seine Facetten zu geben. So können Erlebnisse und Beispiele aus dem eigenen Schulalltag besser eingeschätzt und eingeordnet werden.

2.1       Rechtsextremismus und Schule

Eine unumstrittene Definition des Begriffs »Rechtsextremismus« existiert nicht. Im Mittelpunkt aller definitorischen Überlegungen steht jedoch die Überzeugung, dass Verhaltensweisen und Einstellungen als »rechtsextrem« gekennzeichnet werden, welche die Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Der vor allem vom Verfassungsschutz und von den Vertreter/innen der Extremismustheorie genutzte Begriff sieht im Rechtsextremismus »Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben« (Stöss 2005: 17). Diese Negativ-Definition eignet sich vor allem als behördliches Instrument, ist aber eingeschränkt hilfreich, Rechtsextremismus im sozialwissenschaftlichen oder pädagogischen Sinn zu beschreiben und zu bearbeiten. Das Ziel eines sozialwissenschaftlichen Begriffsverständnisses ist es, Rechtsextremismus als umfassendes Phänomen zu betrachten und dabei Einstellungen, Verhaltensweisen, ideologische Konstrukte und Organisationsformen in den Blick zu nehmen. Dabei gilt es auch, Rechtsextremismus im Entstehungsprozess identifizieren zu können, um Ursachen, fördernde Rahmenbedingungen und schließlich auch sinnvolle Präventionsmaßnahmen zu erkennen. Als sozialwissenschaftlich breit rezipierte Definition ist daher auf Hans-Gerd Jaschkes Beschreibung zurückzugreifen:

»Unter ›Rechtsextremismus‹ verstehen wir die Gesamtheit von Einstellungen und Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen. Unter ›Rechtsextremismus‹ verstehen wir insbesondere Zielsetzungen, die den Individualismus aufheben wollen zugunsten einer völkischen, kollektivistischen, ethnisch homogenen Gemeinschaft in einem starken Nationalstaat und in Verbindung damit den Multikulturalismus ablehnen und entschieden bekämpfen. Rechtsextremismus ist eine antimodernistische, auf soziale Verwerfungen industrie-gesellschaftlicher Entwicklungen reagierende, sich europaweit in Ansätzen zur sozialen Bewegung formierende Protestform« (Jaschke 2001: 30).

Die Vorstellung der Ungleichheit von Menschen kann rassisch oder ethnisch bedingt sein – somit reicht das Spektrum von einem völkisch-biologistisch begründeten Menschenbild bis zu einem eher kulturell argumentierenden Ungleichwertigkeitskonstrukt. Die Idee eines homogenen Volkes ist dabei die Leitidee des Rechtsextremismus, die in klarem Widerspruch zu liberalen Gesellschafts- und Staatsmodellen wie auch demokratischen Werteordnungen steht. Breiter, als dies durch die extremismustheoretische Definition möglich ist, wird hier von der Ablehnung des »Wertepluralismus« und einer »liberalen Demokratie« gesprochen, wodurch man sich von der Fokussierung auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung löst. Zentral an Jaschkes Definition ist darüber hinaus, dass er Einstellungen sowie auch Verhaltensweisen und Aktionen einbezieht. Von Rechtsextremismus ist also nicht nur beim Vorliegen von rechtsextremen Einstellungen (siehe in diesem Kapitel unten) auszugehen, sondern auch bei spontanen und individuellen Aktionen oder Aktivitäten von Organisationen, die ihre Handlungsmotivation aus rechtsextremen Einstellungen beziehen (vgl. Stöss 2005: 21; image Tab. 1).

Verzichtet Jaschke darauf, die Bereitschaft zur Gewaltanwendung explizit in seine Definition aufzunehmen, so ist für andere wichtig, die Verbindung von »Menschenfeindlichkeit« mit der Bereitschaft »Gewalt gegen Fremdgruppen zu billigen, zu rechtfertigen und/oder auszuüben« (Zick/Küpper 2009: 286) zu betonen.

Ob Rechtsextremismus auch als klassische Ideologie bezeichnet werden kann, ist umstritten, lässt sich doch ein variables und nicht komplett konsistentes Konstrukt erkennen. Dieses wird von einem

Tab. 1: Rechtsextremismus als Phänomen

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EinstellungenVerhalten

eher schwachen ideologischen Band zusammengehalten, wodurch ein heterogenes Netz rechtsextremer Organisationen, Gruppierungen und Begründungszusammenhänge entsteht.

Themen und Begründungskontexte des Rechtsextremismus

Rechtsextreme Gruppen und Akteure zielen in ihrer Diskursstrategie darauf ab, durch die immer wiederkehrende Thematisierung bestimmter Fragen bekannt zu werden, Expertise für diese Themen zugesprochen zu bekommen und damit den öffentlichen Diskurs (mit-)bestimmen zu können.

Im Mittelpunkt ihres Themenspektrums steht die Debatte um das Volk. Die rechtsextreme Vorstellung geht dabei von einem homogenen Volkskörper aus, der in der biologistischen Variante durch Einheitlichkeit der Abstammung und in der moderneren Variante durch kulturelle Homogenität begründet ist. Ein Volk ist nach diesen Vorstellungen nur überlebensfähig, wenn es seine biologische oder kulturelle »Identität« bewahrt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Narrativ des sogenannten »Volkstodes« durch Migration, womit die Vorstellung verbunden ist, dass Zuwanderung den Charakter eines homogenen Volkes zerstöre und damit dessen Untergang bewirke. Die Ermöglichung von Zuwanderung ist im Rahmen dieser verschwörungstheoretischen Vorstellung »Mord am Volk«. So wird auch der Ruf »Multikulti tötet« auf Demonstrationen von Rechtsextremist/innen begründet.

Letztlich spiegelt diese Vorstellung ein rassistisches Menschenbild wider: »Unter Rassismus im engeren Sinne verstehen wir die […] Überzeugung und daraus resultierende Haltung, dass Menschen aufgrund naturwissenschaftlich definierter Merkmale angeblich ungleich sind: Die Ungleichheit, genetisch bedingt und daher unabänderlich, sollte unterschiedliche Wertigkeit konstituieren« (Benz 2019: 60). Die Vorstellung der Existenz von Menschenrassen ist längst widerlegt. So wird die Grenzziehung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkünfte inzwischen häufig mit dem Begriff der Ethnie begründet oder in neuerer Zeit das Definitionsmerkmal der »Kultur« bemüht, um Abwertungen und Ausgrenzung zu begründen (Benz 2019: 62). »Rasse« und »Rassismus« werden damit zunehmend zu kulturell konstruierten Konzepten (Hummrich/Terstegen 2020).

Die Abgrenzung und Ausgrenzung von Gruppen folgt teilweise auch einer ›ethnopluralistischen‹ Argumentation. Ethnopluralismus setzt an der Kritik des Rassismuskonzeptes an und behauptet, die Bedeutung ethnischer Einheiten von Menschen nicht mit einer Bewertung dieser zu verbinden, zugleich aber für die Erhaltung der kulturellen Identität sogenannter Ethnien einzutreten. Die Idee einer heterogenen Welt ethnisch homogener Nationalstaaten ist in rechtsextremen Kreisen attraktiv, da sie vorgibt, biologistische oder rassistische Gedanken überwunden zu haben.

Innerhalb des rechtsextremen Spektrums findet sich ein vom liberalen, pluralistischen Konzept unterschiedenes Demokratie-Verständnis. Demokratie gilt – mit Bezug auf Carl Schmitts Konzept der »wahren Demokratie« – nur dann als verwirklicht, wenn eine Einheit von Regierenden und Regierten vorliegt, die daraufhin auf Machtbegrenzung und Machtkontrolle verzichten kann. In der angestrebten Gesellschaftsform einer »organischen Volksgemeinschaft« (Botsch 2016: 6) gibt es nach dieser Vorstellung den einheitlichen Willen eines homogenen Volkes. Wenn ein Staat in der Lage ist, den einheitlichen Volkswillen im Sinn einer ›volonté générale‹ abzubilden, so erübrigen sich Meinungsfreiheit, Pluralismus und Partizipation. Auch wenn der Ruf nach direkter Demokratie und damit nach einer Stärkung der Instrumente von Volksbefragungen und Volksentscheiden aus rechtsextremen Gremien immer wieder laut ertönt, ist die Demokratievorstellung der rechtsextremen Ideenwelt anti-pluralistisch und totalitär.

Die zunehmende Thematisierung der sozialen Frage durch Parteien wie die NPD erklärt sich zum einen aus dem Ziel, ein inhaltliches Angebot für breite Kreise der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen – im Fall der NPD sicherlich außerdem, um dem eigenen sozialistischen Anspruch gerecht zu werden. Unter dem Motto »sozial geht nur national« (Franz o. J.) versucht die NPD schon seit Jahren, das soziale Profil als Rechtsaußen-Partei zu stärken. Auch Fragen des Umwelt- und Naturschutzes werden zunehmend von Rechtsextremen aufgegriffen, wobei hier ein völkischer Naturschutz im Sinne eines »Heimatschutzes« dominiert. Gerade junge Menschen werden durch Tierschutz-Aktionen oder Forderungen für mehr Naturschutz angelockt (Heinrich 2014).

Ein ständig wiederkehrendes, häufig aber auch verschleiertes Ziel rechtsextremer Propaganda ist die positive Deutung des Nationalsozialismus. Wenn der ehemalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt 2004 in einem Interview zur Frage nach der Bewertung der Person Adolf Hitlers sagte: »Wir sind keine Partei, die nur deshalb etwas schlecht findet, weil es schon zwischen 1933 und 1945 vorhanden war. Tatsächlich hat der Nationalsozialismus die Ideen völkischer Identität von 1848 in hohem Maße realisiert, leider aber war er auch imperialistisch« (Voigt 2004), dann ist das nur die Spitze des neonazistischen Ideologiefragments. Vor allem in Liedtexten des Rechtsrocks und in der nur teilweise verbrämten Symbolik von Buttons, Aufklebern und Tattoos findet das rechtsextreme Versteckspiel zwischen klarer Bezugnahme auf den Nationalsozialismus und Verhüllung mit dem Ziel des Umgehens des Verbotes statt. Die offene Befürwortung des Nationalsozialismus wird in Deutschland nicht nur juristisch eindeutig sanktioniert (§ 130 StGB), bislang besteht auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens darin, Aussagen und Symbole, die eindeutig die Taten und Ideen nationalsozialistischer Herrschaft rechtfertigen und positiv bewerten, als Tabubruch zu markieren. In Umfragestudien wie beispielsweise der Leipziger Autoritarismusstudie zeigten 2018 nur 2,7 % der Befragten Zustimmung zu Aussagen, die den Nationalsozialismus rechtfertigen (Decker et al. 2018: 88).

Rechtsextreme Einstellungen und ihre Verbreitung

Seit vielen Jahren wird das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen in der Bundesrepublik im Rahmen verschiedener Studien untersucht. Um den Untersuchungen ein vergleichbares Konzept zugrunde zu legen, wurde eine gemeinsame »Konsensdefinition« erarbeitet (Küpper et al. 2019: 121). Danach spricht man von rechtsextremen Einstellungen, wenn zu folgenden Bereichen eine Zustimmung vorliegt: Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen, Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Sozialdarwinismus. Rechtsextreme Einstellungen sind also weder alleine mit Fremdenfeindlichkeit noch ausschließlich mit Antisemitismus gleichzusetzen. Um bei Menschen ein »geschlossen rechtsextremes Weltbild« feststellen zu können, bedarf es einer Zustimmung zu allen sechs Einstellungsdimensionen. Dies lag 2018 nur bei 6 % der Bevölkerung vor und zeigt damit einen vergleichsweise niedrigen Wert (zwischen 9,7 % 2002 und 5,4 % 2016; Decker et al. 2018: 86).

Tab. 2: Geschlossen manifest-rechtsextreme Einstellungen je Dimension in Abhängigkeit vom Alter und Ost/West (in %), Quelle: Decker et al. 2018: 91

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14–30 Jahre131–60 Jahre2ab 61 Jahre3

1 Ost: N = 92; West: N = 387

2 Ost: N = 237; West: N = 1.062

3 Ost: N = 169; West: N = 496; Pearson Chi-Quadrat: **p < .01

Aus der Zusammenschau unterschiedlicher Studien, die politische Einstellungsmuster, auch von Kindern und Jugendlichen, in der Bundesrepublik beschreiben, lässt sich ein relativ klares Bild zeichnen: Rechtsextremismus ist weder ein reines Jugendphänomen noch lässt es sich auf die ostdeutschen Bundesländer begrenzen.

Die Ergebnisse der bereits erwähnten Studie (Decker et al. 2018) zeigen, dass junge Befragte (im Alter von 14 bis 30 Jahren) nicht durchgängig höhere Zustimmungswerte aufweisen als ältere (image Tab. 2). Die spezifischen Jugendstudien bestätigen dieses Ergebnis. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen befragt regelmäßig Neuntklässler/innen unter anderem zu ihren politischen Einstellungen. Die Forschungsgruppe hat für die Klassifizierung als »rechtsextrem« sowohl »stark ausländerfeindliche Einstellungen« als auch das Bekenntnis zu niedrigschwelligen rechtsextremen Verhaltensweisen zusammengefasst. In einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2009, in der über 44.000 Jugendliche im Alter von durchschnittlich 15 Jahren befragt wurden, kam das Forscherteam zu dem Schluss, dass 5,2 % der Schüler/innen als rechtsextrem einzustufen sind und 11,5 % zumindest starke Sympathien zum Rechtsextremismus aufweisen (Baier et al. 2009: 123). Aktuellere Jugendstudien, die weniger repräsentativ sind, schätzen das rechtsextreme Einstellungssegment zwischen 7,5 % der befragten Neuntklässler/innen (Goede/Schröder/Lehmann 2019: 38) und »unter 10 %« (Frindte 2019: 112) ein.

Einige der Elemente rechtsextremer Einstellungen sind unter Jugendlichen in Ostdeutschland weiter verbreitet, andere nicht (image Tab. 2). So wäre es verfehlt, von einem klar ostdeutschen Problem zu sprechen. Indizien deuten darauf hin, dass neben der Ost-West-Unterscheidung auch die Differenzierung nach ländlichen Regionen versus urbanen Zentren für die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen eine Rolle spielt (Baier et al. 2009: 117).

Unter welchen Bedingungen neigen Jugendliche eher zu rechtsextremen Einstellungen? Ein in allen Studien bestätigtes Ergebnis ist, dass ein höherer Bildungsgrad mit einer geringeren Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungsdimensionen verbunden ist (u. a. Decker et al. 2018: 89). So fanden sich 2007 unter Hauptschüler/innen 9,8 %, die als rechtsextrem eingestuft werden können, unter Förderschüler/innen 9 %, Gesamtschüler/innen 6,4 %, Realschüler/innen 5,6 % und Gymnasiast/innen 2 % (Baier et al. 2009: 123). Ungeklärt ist dabei jedoch, ob die genossene Bildung den signifikanten Unterschied erklärt oder ob die für das bundesdeutsche Bildungssystem prägende soziale Selektivität die Ursache darstellt – ob also Schüler/innen mit Abitur, die übermäßig aus höheren sozio-ökonomischen Schichten stammen, eine größere Resistenz gegenüber rechtsextremen Einstellungen aufweisen. Ein höherer Schulabschluss kann auch ein Beleg für ein längeres Verharren in strukturierten Bildungskontexten sein. Ergebnisse aus einer Befragung von über 6.000 Schüler/innen der Jahrgangsstufe 9 untermauern die Bedeutung des Bildungsabschlusses und zeigen, dass bereits der Wunsch, das Abitur anzustreben, und nicht der Bildungsabschluss selbst mit einer geringeren Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen einhergeht (Goede/Schröder/Lehmann 2019: 39).

Auch wenn für die repräsentativen Studien, die die Gesamtbevölkerung in den Blick nehmen, kein klarer geschlechtsspezifischer Unterschied in der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen feststellbar ist, so ist dies mit Blick auf Jugendliche umstritten. Hier ist darauf zu achten, nach welchen Kriterien eine Einstufung als »rechtsextrem« erfolgt. Sobald Verhaltensweisen – und seien sie auch niedrigschwellig – einbezogen werden, entsteht ein geschlechtsspezifischer Unterschied (Baier et al. 2009: 123), der sich u. U. aus der geringeren Bereitschaft zu deviantem Verhalten bei Mädchen und Frauen erklären lässt.

Rechtsextremes Verhalten

Von rechtsextremem Verhalten können wir sprechen, wenn sich die zentrale Motivation des Handelns aus rechtsextremen Einstellungen oder Vorurteilen begründen lässt. In der Regel sind rechtsextrem motiviertem Verhalten auch rechtsextreme Einstellungen »vorgelagert« – aber nicht jeder, der über ein rechtsextremes Einstellungsmuster verfügt, handelt auch danach. Viele Menschen, bei denen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild diagnostiziert wird, verorten sich selbst eher in der politischen Mitte und gehen weder auf Demonstrationen noch wählen sie rechtsextreme Parteien (Decker et al. 2018: 92 f.).

Verhaltensweisen, die als rechtsextrem zu kennzeichnen sind, beschränken sich nicht nur auf Aktivitäten von organisierten Gruppen oder straffen Organisationen. Auch spontane und individuelle Aktionen lassen sich als rechtsextrem markieren, wenn die Motivlage einer danach ausgerichteten Zielvorstellung entspricht.

In welchem Umfang Schüler/innen oder Jugendliche zu rechtsextremem Verhalten neigen, ist schwer zu bestimmen. Die Zahlen aus dem Niedersachsen-Survey, in dessen Rahmen nur Jugendliche aus diesem Bundesland befragt wurden, zeigen, dass hier »mehr als jeder zehnte Jugendliche mindestens eine der abgefragten Verhaltensweisen [Musik hören; Demonstrationsteilnahme; Sticker/Buttons; rechte