Cover

Karte der Welt Halva

Karte der Welt Halva


Band 1

Cover Band 1



Nur ein Viertel Elfenblut

Tamalones Aufgabe klingt einfach: Geh ins Elfenviertel, schaue nach Spuren deiner Ziehmutter, und dann nichts wie weg, bevor jemand etwas merkt. Leider kann sie ohne Hilfe das Elfenviertel von NeuAllerdamm-Rot überhaupt nicht betreten. Mischlinge wie sie, drei Viertel Mensch und ein Viertel Elfe, sind dort unerwünscht, und ihre Magie ist schwach und unscheinbar. Ihrem Auftraggeber ist das durchaus bewusst. Er betrachtet Tamalone nur als Köder und hat ihr Scheitern eingeplant.
Allerdings ist er nicht der Einzige, der Pläne mit ihr hat. Und er ist nicht der Einzige, der vergisst, dass jemand wie Tamalone durchaus eigene Pläne haben kann – und die nötige Energie, dafür notfalls mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.

Der Hintergrund:

Unerwartet tauchen auf der Welt Halva Gestaltwandler auf. Dem Aussehen nach wilde Tiere, doch mit Vernunft gesegnet und der entsetzlichen Fähigkeit, biologische Grenzen zu durchbrechen und sich mit anderen Arten fortzupflanzen. Bereits ihre bloße Gegenwart bringt in den anderen vernunftbegabten Arten, den Drachen, Elfen und Menschen, die finstersten Seiten zum Vorschein. Die Elfen versuchen deshalb, die Gestaltwandler und ihre Mischlings-Nachkommen einzufangen und wegzusperren, doch der Keim des Zerfalls breitet sich unaufhaltsam aus. Unter den Elfen droht ein Bürgerkrieg, die Menschen dringen in den Siedlungsraum der Elfen ein und die Drachen scheinen unschöne Geheimnisse zu haben. Am Ende beginnt sogar Halva, sich selbst zu zerstören.
In dieser Welt macht sich die Viertelelfe Tamalone auf, ihre Ziehmutter wiederzufinden und die Rätsel ihrer Herkunft zu lösen. Niemand rechnet mit dem, was ihre Suche auslösen wird – sie selbst am wenigsten.



Band 2

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Der Drachenzahn

NA-R steht Kopf. Da hat doch diese Viertelelfe Tamalone einen Drachenzahn auf den Markt gebracht, ein fast unbezahlbares magisches Artefakt mächtiger Stärke. Wie hat sie das bloß geschafft?

Plötzlich will jeder ihr Freund sein – und gleichzeitig schießen ihre Feinde wie Pilze aus dem Boden. Ausgerechnet in dieser kritischen Phase scheint es, dass Tamalone sich auch auf ihre beiden Freunde, den Elfen Lufthauch und den Gestaltwandler Pando, nicht mehr verlassen kann. Als ihr Hilfe angeboten wird, greift sie nach dem rettenden Strohhalm, nicht wissend, dass sie sich damit in höchste Gedahr begibt.

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Vorschau Band 4


Awert-Drachenblut-4


Band 4 erscheint im Juli 2020

In den Drachenbergen

Ein Ziel konnte Tamalone erreichen, aber glücklich ist sie nicht. In ihrer neu gefundenen Familie unerwünscht und von Pando verlassen, bleibt ihr nur noch der Waldelf Lufthauch. Doch der hat andere Pläne. Er will in die Drachenberge und sucht dafür jemanden, der mit Drachen reden kann.

Leseprobe


Tamalone



Was für eine Nacht! Als Tama am Morgen aufwachte, waren ihre Erinnerungen so undeutlich wie die Bilder in einem Teich, wenn der Wind die Wasseroberfläche kräuselt. Trotzdem hörte sie noch immer Pando heulen und toben und musste nun mit der Gewissheit leben, dass ihr einzig wirklicher Freund sie verlassen hatte. Das tat weh und schmerzte sie umso mehr, als ihr klar wurde, dass sie weder bei ihrer leiblichen Mutter noch bei ihren neu gefundenen Stiefgeschwistern willkommen war. Sie vertrieb den Schmerz mit ihrem Willen und ersetzte ihn durch Trotz. Aureons tröstenden Arm wischte sie weg, aber sein Lächeln ließ ihre Kraft schwinden. Er tat ihr gut und brachte etwas Freude zurück. War sie jetzt tatsächlich bereits zum zweiten Mal in seinen Armen aufgewacht? Sie drehte sich schnell von ihm weg, als die Wärme der Verlegenheit ihre Wangen rötete.

„Komm, aufstehen!“, rief sie. „Der Tag riecht schon reif.“

„Was du riechst, nennen wir Frühstück.“ Aureon lachte. „Und was machen wir heute?“

Tama wurde von einem auf den anderen Augenblick ernst, als Aureons Frage die Nacht zurückbrachte. „Nichts“, sagte sie kühl. „Ich kehre in das Viertel des Handwerks zurück. Versuch gar nicht erst, mir das auszureden.“

Das Frühstück hatten die beiden für sich, denn Altwi und ihre Stiefgeschwister waren früher aufgestanden als sie und schon lange mit dem Frühstück fertig.

„Schau, sie läuft immer noch herum“, sagte Tama und zeigte auf die Schildkröte, die mit ihren stampfenden Schritten magische Muster in den Boden trat. „Haben diese Muster überhaupt eine Bedeutung? Gestern war es ein Pentagramm, heute ist es eine Girlande.“

Aureon zuckte mit den Achseln. „Frag Altwi, oder noch besser ist es, du fragst du Neven. Keiner in der Familie kennt die Schildkröte besser als sie.“

Ein tiefes Rumpeln ließ sie aufschrecken. Doch als diesem Geräusch nichts weiter folgte, kehrten Tamas Gedanken wieder zu der Schildkröte zurück. Wie am gestrigen Abend sprach das Tier zu ihr, und wie am gestrigen Abend ergaben die Sätze nur wenig Sinn. Manchmal bin ich bei dir, hörte sie und: Was beschäftigt dich? Ganz ernst wie ein ausgesprochenes Urteil dann der nächste Satz: Du brauchst mehr Kraft. und beinahe eine Verheißung: Warte auf mich, ich komme zu dir. Es waren wechselnde Stimmen mit unterschiedlichen Klangfarben. So als ob die Schildkröte nur ein Gefäß für etwas anderes wäre. Tama war sich noch nicht einmal sicher, dass diese Gedanken für sie oder für sie allein bestimmt waren.

Wer bist du, dessen Stimme ich in dir höre? Oder bist du es selbst?, fragte sie und richtete ihre Gedanken auf die Schildkröte.

Bald bin ich wieder bei dir. Habe Geduld.

Tama hatte keine Geduld. Nicht an einem Morgen wie heute. Nicht nach einer solchen Nacht. Da half auch Aureons Lächeln nicht, der ihr schweigend zusah.

Die Erde schüttelte sich, kurz nur, doch es reichte, um das Gleichgewicht zu verlieren, Holz ächzte, Balken bogen sich. Glas zersprang. Irgendwo rieselte Mörtelstaub auf die Erde. Dann war wieder alles ruhig. Altwi schrie von irgendwo her: „Raus aus dem Haus!“


Jetzt standen sie auf der Straße. Die Natur war beängstigend still, wenn man einmal von den erregten Stimmen der Menschen und Komposits absah. „Noch nie so nah gewesen“, verstand Tama.

„Lasst sie reden. Das beruhigt“, sagte Altwi. „Wir warten den nächsten Stoß noch ab. Dann gehen wir wieder hinein.“

„Woher willst du wissen, dass es nur noch einen weiteren Stoß gibt“, wollte Tama wissen, die ihren Vorsatz, mit Altwi kein Wort mehr zu sprechen, im Angesicht einer größeren Gefahr schnell wieder vergessen hatte.

„Es sind immer zwei Stöße“, sagte Altwi, was, wie jeder wusste, völliger Unsinn war. Aber nun war nicht die Zeit über so etwas zu streiten. Dann erbebte die Erde ein zweites Mal. Schwächer, aber dafür länger.

„So, das war’s. Und jetzt wieder rein. Ich hasse es, wenn man nicht richtig stehen kann“, schimpfte Altwi. Ihren Kindern erteilte sie den Auftrag, im ganzen Haus nach Schäden zu suchen. „Schaut nach, ob etwas zerstört wurde.“ Ruhig und gelassen nahm sie alles hin, während Tama das Herz hoch oben im Hals schlug.

„Was war das?“, fragte sie mit einem Zittern in der Stimme.

„Unsere Welt ist wütend und verzweifelt wegen ihrer eigenen Machtlosigkeit. Irgendwann werden die Beben so stark sein, dass nichts mehr stehen bleibt. Aber noch ist es nicht so weit. Jedenfalls hoffen wir das alle. Doch sicher sollte sich niemand mehr sein. Es ist mehr Hoffnung als Wissen.“

Tama verstand nicht, warum Altwi nicht mehr sagen konnte. Aber wenn ihre Mutter nicht wollte, dass sie verstanden wurde, dann war das eben so. Schließlich ging sie nichts von dem, was im Elfenviertel passierte, wirklich etwas an. Die Familie hatte sie sprechen wollen, sie hatten sich gesprochen, und das war es. Altwi war ihre leibliche Mutter, und es war gut zu wissen, dass es sie gab und wie sie aussah. Ein leerer Fleck ihrer Erinnerung war nun ausgefüllt, hatte Umrisse und Farbe bekommen. Dass ihre Mutter offensichtlich nichts von ihr wissen wollte, war zwar nicht schön, aber auch nicht zu ändern. So einfach war das. Sie würde so tun, als mache ihr das nichts aus. Ganz kühl würde sie reagieren. Mindestens genauso kühl wie ihre Mutter. Dass ihr bei diesen Gedanken eine Träne die Wange hinunterlief, bemerkte Tama nicht und die anderen auch nicht. Die waren mittlerweile zurückgekommen und sammelten jetzt gemeinsam Scherben auf. Baerben hatte einen Bsen mitgebracht und fegte den Staub zusammen. Das waren keine Tätigkeiten, bei denen man den Kopf hoch hielt.

Als Tama ankündigte, dass sie nun gehen wolle, und sich für die Gastfreundschaft bedankte, ging ein Ruck der Überraschung durch die Gruppe. Aureon protestierte halbherzig, bat sie zu bleiben. Ihre Stiefgeschwister redeten auf sie ein, aber für Tama waren das alles leere Worte. Argenton schüttelte mit Bedauern im Blick den Kopf und Paluda starrte mit großen Augen ins Leere.

„Du bist sicher, dass du nicht noch etwas bleiben will?“, fragte Altwi.

„Ja, ich bin sicher. Ich weiß jetzt, dass du meine leibliche Mutter bist. Um das zu erfahren, bin ich gekommen. Mutterliebe habe ich nicht erwartet, Hass oder Abscheu auch nicht. Und habe keine Sorge, ich werde dir nicht zur Last fallen. Wo ich nicht willkommen bin, werde ich mich auch nicht aufdrängen.“

„Rede nicht über etwas, wovon du nichts verstehst. Schon gar nicht über Liebe oder Hass? Liebe hast du bisher nicht viel kennengelernt. Das ist bedauerlich. Wirklichen Hass aber auch nicht, und dafür solltest du die Götter preisen.“

„Die Frau, die mich aufgezogen hat, hat mich geliebt!“

„Sie hat dich umsorgt. Das ist etwas völlig anderes als Liebe. Und was du für Gefühle gehalten hast, war Magie. Die Wesen, die dich lieben, übersiehst du, die Wesen, die dich hassen, weil sie dich fürchten, übersiehst du ebenfalls. Also erzähl mir nichts von Liebe und Hass. Und schon gar nichts von Abscheu.

Altwi schwieg abrupt und presste ihre Lippen so hart zusammen, dass von ihrem Mund außer einem geraden Strich nichts mehr zu erkennen war. „Ich weiß nicht, wer dir gesagt hat, dass ich deine Mutter bin, Tamalone. Von mir hast du das nicht gehört. Aber es stimmt. Ich bin deine Mutter. Ich wusste es von dem Augenblick an, als du aus dem Dunkel in das Licht des Elfenviertels tratest. Was nicht stimmt, ist, dass du nicht willkommen bist. Deshalb sage ich es dir ganz deutlich jetzt und vor allen Anwesenden, damit du es auch wirklich verstehst. Komme so oft, wie du möchtest. Komme immer, wenn du eine Frage hast, wenn du Hilfe brauchst, wenn du nicht weiter weißt oder wenn du einfach das Bedürfnis nach etwas Gesellschaft hast. Du kannst immer kommen. Und auch wenn du es mir nicht glaubst, du bist mir immer willkommen.

Ich habe nur einen einzigen Vorbehalt, für dessen Gründe ich dir noch nichts sagen kann. Du solltest niemals lange bleiben. Mit dieser Einschränkung wirst du leben müssen, und du wirst dafür auch keine Erklärung von mir bekommen. Auch wirst du ertragen müssen, dass ich dich nicht in den Arm nehme und lieber den Abstand zu dir suche. Irgendwann wirst du die Gründe für dieses Verhalten erfahren. Für fast alles gibt es Gründe. Überall, wohin man sieht, gibt es Ursachen und Auswirkungen. Noch nicht einmal das kurze Schütteln einer verzweifelten Erde geschieht ohne Grund. Und nun geh, wenn du gehen möchtest. Aureon und Argenton werden dich in das Viertel des Handwerks zurückbringen.“

„Ich glaube dir kein Wort, Altwi, und gehen kann ich allein. Ich brauche keine zwei jungen Männer, die mich heimbegleiten.“

„Solange du hier bei mir bist, wirst du tun, was ich sage. Jeder tut hier, was ich sage. Also auch du. Es ist also nicht persönlich gegen dich gerichtet. Aureon und Argenton werden dich ins dunkle Viertel und dann durch das dunkle Viertel hindurch begleiten. Sie werden dich erst wieder im Viertel der Gestaltwandler verlassen. Wo das sein wird, kannst du gern selbst entscheiden. Und wenn du doch einmal an uns denken solltest, vergiss Paluda nicht. Sie gehört auch zu unserer Familie, ebenso wie Pola-Polon, dem du noch nicht begegnet bist. Und jetzt weg mit euch drei.“

Tama schwieg verblüfft. Wer war Pola-Polon? Doch lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen, als nach ihm zu fragen. Außerdem war etwas Anderes für sie wichtiger. „Kannst du mir noch etwas zu meinem Vater sagen, Altwi?“

Diese Frage wirkte beinahe wie ein dritter Erdstoß. Altwis Kinder schauten sich an, als hätte Tama eine Sünde begangen, über die in sieben Generationen noch geflüstert werden würde, Aureon und Argenton bekamen den Mund nicht mehr zu, und nur Altwi stand wie immer ruhig und gelassen unter ihnen. Aber der Ruck, der durch ihren Körper gegangen war, war niemandem verborgen geblieben.

„Er war oder ist immer noch ein Mensch ohne einen Tropfen Fremdblut. Nicht so wie ich. Unsere Beziehung hat einmal schön begonnen und bitter geendet. Er ist ein Mensch, der wenig Gefühle kennt, sie aber trotzdem meisterhaft vorzutäuschen versteht.“

„Und warum habt ihr euch getrennt?“

„Weil ich nicht vertrug, was er sagte.“

„Und was sagte er?“

„Das habe ich vergessen.“

Der Tonfall in Altwis Stimme ließ es geraten sein, nicht weiter zu fragen, und Tama gab es auf, noch etwas klären zu wollen. Sie drehte sich um begab sich zur Tür. Aureon und Argenton liefen ihr nach. Noch vor der Haustür veränderten die beiden jungen Männer ihre Erscheinung so weit, dass sie auf den ersten Blick für Elfen durchgingen. Tama gelang es nur, ihre Haut ein wenig zu verdunkeln.


Argenton ging als Erster auf die Straße, schaute von links nach rechts und von rechts nach links. Dann suchte er den Halbkreis vor sich ab. „Wir haben ganz schön was abbekommen“, sagte er, zog Aureon zu sich heran und zeigte auf die verschiedenen Stellen, wo ein paar Trümmer herumlagen. „Du kannst rauskommen, hier ist grad niemand“, sagte Argenton zu Tama. „Die Bürgerwehr scheint an anderen Stellen aufzuräumen. Aber du kannst sicher sein, hierher werden sie auch noch kommen.“

Die beiden jungen Männer nahmen Tama in ihre Mitte, jeder von ihnen legte seinen Arm besitzergreifend um ihre Taille. „He, lasst das“, beschwerte sie sich.

„Pssst, sei still. Es sind nur wenige Leute unterwegs, weil es noch so früh ist. Und wenn wir der Bürgerwehr begegnen, wirkt es so, als hätten wir eine vergnügliche Nacht miteinander verbracht. Sei sicher, niemand wird uns ansprechen.“

Tama fand bereits den Gedanken daran vergnüglich und fing an zu kichern. Sie gleich mit zwei jungen Männern … Aber schon Argentons nächste Frage vertrieb alle Heiterkeit. „War es wirklich nötig, Altwi gegenüber so hart und unversöhnlich zu sein?“

„Sie hat mir weh getan. Dann passiert so etwas manchmal. Könnt ihr mich denn nicht verstehen?“

„Nein, das können wir nicht“, sagte Aureon. „Aber mach dir nichts draus. Wir verstehen hier so manches nicht.“

„Was gibt es denn da nicht zu verstehen? Ich bin Altwis Tochter, und Hogger, Baerben und Neven sind meine Halbgeschwister. Aber niemand scheint erfreut darüber zu sein.“

„Und was war mit der Schildkröte? Du hast mir ihr geredet und dich ganz offensichtlich gut mit ihr verstanden.

„Was sollte denn mit ihr sein? Was hat die Schildkröte damit zu tun, wer meine Familie ist?“

„Alles“, antworteten die Zwillinge wie aus einem Munde.

„Das müsst ihr mir erklären.“

Aureon schüttelte den Kopf. „Uns steht es nicht zu, irgendetwas zu erklären. Die Schildkröte ist das Oberhaupt unserer Familie, und nur sie wird sprechen, nicht wir.“

„Was redet ihr da für einen Unsinn. Wie kann eine Schildkröte eine Familie leiten? Und mit wem sollte sie Schildkröte denn reden?“

„Vielleicht leiht sie ihre Stimme nur jemandem. Doch mit wem sie spricht, das wissen wir. Mit dir spricht sie. Das war ein guter Beginn gestern. Mit Neven spricht sie auch. Meistens spricht sie mit Neven. Manchmal aber auch mit Altwi, - allerdings nur selten.“

„Mit mir hat sie nicht gesprochen.“

„Doch hat sie. Ich habe es gesehen. Und sie tut es sogar, ohne dass du deinen Tee vorher trinkst. Das ist wirklich erstaunlich.“

Tama war es leid, ständig Rätsel vorgesetzt zu bekommen. Sie erinnerte sich an die Satzfetzen, die durch ihren Kopf gesprungen waren. Ob die Zwillinge das meinten? Aber sie hatte nichts davon verstanden. Es war wohl besser, das Thema zu wechseln. „Wie passt ihr eigentlich in diese Familie hinein?“

Aureon schüttelte den Kopf. „Keine gute Frage“, sagte er. „Das hat etwas mit unserer Abstammung zu tun, und über Abstammung spricht bei uns niemand gern. Wir auch nicht. Aber es hat sich viel verändert während der letzten Jahre. Früher ist unsere Mutter häufiger vorbeigekommen. Sie wohnte dann immer in dem besonderen Zimmer unterm Dach. Und wenn sie nicht kam, dann war der Vater von Altwis Kindern da. Der wohnte auch in diesem Zimmer. Ganz hoch oben. Aber jetzt steht das Zimmer leer, und nur Altwi geht manchmal noch hinein, um nach dem Rechten zu schauen. Und sie schließt hinterher immer sehr sorgfältig wieder ab.“

„Auch hinter sich, wenn sie reingegangen ist“, ergänzte Argenton.

Tama hätte am liebsten auf die beiden eingeprügelt. Sie hätte schon blind sein müssen, um nicht zu bemerken, dass sich in dieser Familie alles um die Abstammung drehte. Und nicht nur hier. Es galt auch für Pando, der ihr wahr zu machen versucht hatte, dass sie für die großen Wahrheiten noch nicht bereit war. Dieser Angeber. Wo er jetzt wohl stecken mochte? Und dann war da auch noch Paluda. Noch ein Geheimnis mehr. Was machte sie hier. Sie war ein Gestaltwandler. Wurde sie hier versteckt?

Warum ziehen Aureon und Argenton mich nicht ins Vertrauen? Sie könnten mir doch zumindest das bestätigen, was ich mir selbst zusammengereimt habe. Selbst wenn sie auch nicht viel mehr wissen als ich. Zumindest scheint das so zu sein. Sollten sie doch alle ersticken an ihren Geheimnissen.

„He, wo wollt ihr denn hin?“ Tama protestierte. Das war nicht der Weg, auf dem sie hergekommen war, und er führte auch nicht in Richtung Garnison. Sie gingen eher in die entgegengesetzte Richtung.

„Ganz ruhig. Entspann dich. Wir gehen spazieren, bewegen uns ein wenig. Egal wohin, Hauptsache weg von der Garnison. Wer hier ein Ziel hat und sich schnell bewegt, fällt auf. Und auffallen wollen wir nicht. Zu viele Wachen. Du verstehst?“ Argentons silberne Augen sahen alles. Und jetzt fiel es auch Tama auf. Überall waren Komposits der Bürgerwehr damit beschäftigt, den Schutt zu beseitigen, den die Erdstöße auf die Straßen gebracht hatten. Mütter mit Kindern waren nirgendwo zu sehen. Ob die sich in den Häusern sicherer fühlten? Und so schlenderten sie ziellos umher, bis Aureon sagte: „Und jetzt scharf rechts, zu den Büschen hinüber und dann laufen.“

Die beiden Jungen nahmen Tama an die Hand und gemeinsam rannten sie los,ließen die wenigen Gebäude hinter sich. „Spring!“, rief Aureon und sie sprangen – in ein verwaschenes Dunkel hinein.

„Jetzt nach links“, kommandierte er, und Tama blieb nichts anderes übrig als zu folgen. Sie sah keinen Schritt weit in all dieser Schwärze um sie herum. Es dauerte immer seine Zeit, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die beiden Brüder schienen diese Schwierigkeiten nicht zu kennen. Und als Tama endlich etwas erkennen konnte, befanden sie sich bereits am Außenzaun der Stadt, oder besser gesagt, vor dem, was noch davon übrig war.

„Wenn du die Stadt einmal verlassen möchtest, ohne dass dich jemand dabei bemerkt, ist das hier die Stelle, wo du es versuchen solltest. Die Dunkelheit greift mittlerweile weit über den Zaun hinaus, und kein Komposit wird jemals hierhin kommen, um ihn zu reparieren. Vielleicht werden sie irgendwann einmal einen neuen Zaun um die Stadt herumbauen. Außerhalb der Dunkelheit. Aber auch der wird früher oder später von der Dunkelheit durchdrungen werden. Niemand kann die Toten aufhalten. Sie werden immer stärker.“ Aureons Stimme hatte sich zu einem Flüstern herabgesenkt und vertrieb die letzten Reste eines frischen Morgens. Es roch dumpf, kein Lüftchen regte sich, und um sie herum herrschten Alter, Vergängnis und Vergessenheit.

„Aber ich will gar nicht aus der Stadt heraus“, sagte Tama in ganz normaler Lautstärke und brach damit den Bann.

„Ich weiß“, antwortete Aureon. „Aber du solltest diesen Weg kennen, und jetzt komm.“

Zu dritt gingen sie dort entlang, wo die Überreste des alten Zaunes die ehemalige Stadtgrenze markierten. Wachposten waren nicht zu sehen. Man braucht nicht zu bewachen, wohin niemand gehen will, und Tama fragte sich, ob es außer ihnen noch jemand gab, der hier so frei umherstreifen konnte, wie sie es taten.

„Wir sind nicht mehr allein“, sagte Aureon, und seine Stimme riss Tama aus ihren Gedanken. „Jetzt wirst du ein paar weitere Bewohner des Dunkels kennenlernen. Gestalten, denen es verboten wurde, das Reich der Lebenden endgültig zu verlassen. Jetzt hängen sie manchmal hier herum und warten auf eine Gelegenheit. Zurück ins Leben oder vorwärts auf den Weg, dessen Ziel niemand kennt. Es sind Geister“, setzte er noch überflüssigerweise hinzu.

Vor ihnen standen zwei Herren in ungewöhnlicher Kleidung und von unscharfer Gestalt. Tama streckte unwillkürlich die Hand aus und griff durch den Nebel hindurch. Die beiden Gestalten verzogen keine Miene, und doch konnte sie einen kleinen Widerstand spüren.

„Ja, junge Frau, uns gibt es wirklich. Wir sind die Stärksten in allen Welten, weil es unmöglich ist, uns zu zerstören. Wir brauchen nur Zeit, und die haben wir im Überfluss. Alle Zeit der Welt von jetzt und hier bis in die Ewigkeit.“

„Dann müsst Ihr sehr stolz und glücklich sein, und ich fühle mich geehrt gleich zwei so mächtigen Herren hier begegnen zu dürfen.“ Tama sah nicht ein, warum sie sich von dieser dümmlichen Protzerei beeindrucken lassen sollte.

Die beiden Gestalten trennten sich voneinander, und nun konnte Tama etwas mehr erkennen. Der Sprecher der beiden war kurz, kräftig und untersetzt, der andere hochgeschossen und von hagerer Gestalt. „Ja, wir können uns glücklich schätzen, aber wir könnten auch etwas Hilfe gebrauchen, so ungern ich das zugebe. Habt Ihr zufällig etwas Brot bei euch, das Ihr entbehren könnt?“

„Das Geister hungrig sein können, ist ein neuer Gedanke für mich“, sagte Tama.

„Papperlapapp. Hungrig ist jeder, aber unser Hunger ist von einer anderen Art. Ich hänge hier fest. Böse Stimmen haben einst behauptet, ich hätte meinem Lehrherrn ein ganzes Laib Brot gestohlen. Der Richter hat ihnen geglaubt und mich dazu verurteilt, das Brot zu ersetzen. Dieses ungerechte Urteil erzürnte sogar die Götter und so schickten sie mir zur Hilfe ein Gewitter. Gleich der erste Blitz schlug in den Richterstuhl und tötete jeden in dem Raum. Blitze können zwar rächen, aber kein Urteil rückgängig machen, sodass ich zu einer Existenz verflucht bin, die mich zwischen Tod und Leben hängen lässt, bis ich genügend Brot gefunden habe, um freigesprochen zu werden. Jetzt sagt selbst, wie soll ich an einem Ort wie diesem jemals an genügend Brot kommen. Ihr habt nicht zufällig … Ja“, kreischte er auf und pickte mit Daumen und Zeigefinger auf Tamas Wams herum. Tama senkte den Blick und sah ein winziges Stück Brotkruste vom Frühstück, das sich noch auf dem Leder festhielt. Aber der Geist konnte es nicht ergreifen.

„Ich kenne nun Euer Unglück“, sagte Tama. „Brot ist hier schwer zu finden, und wenn Ihr etwas findet, könnt Ihr es nicht festhalten. Aber ich kann Euch helfen. Ich schenke Euch diesen Stein hier.“ Sie zeigte mit der Fußspitze auf einen kantigen Felsbrocken. „Dieses winzige Stück Brotkruste lege ich Euch darauf. Selbst wenn Ihr es nicht festhalten könnt, gehört es jetzt doch Euch, und damit ist ein Anfang gemacht. Und wer weiß, vielleicht komme ich noch einmal zurück mit einem zweiten Stück Brot, das ich zu diesem Stückchen lege. Schaue also immer wieder einmal vorbei. Vielleicht finde ich auch einen anderen Weg Euren Fluch zu brechen. Ist ein Fluch denn nicht das Gleiche wie ein Zauberbann?“



Einleitung

Unerwartet tauchen auf der Welt Halva Gestaltwandler auf. Dem Aussehen nach wilde Tiere, doch mit Vernunft gesegnet und der entsetzlichen Fähigkeit, biologische Grenzen zu durchbrechen und sich mit anderen Arten fortzupflanzen. Bereits ihre bloße Gegenwart bringt in den anderen vernunftbegabten Arten, den Drachen, Elfen und Menschen, die finstersten Seiten zum Vorschein. Die Elfen versuchen deshalb, die Gestaltwandler und ihre Mischlings-Nachkommen einzufangen und wegzusperren, doch der Keim des Zerfalls breitet sich unaufhaltsam aus. Unter den Elfen droht ein Bürgerkrieg, die Menschen dringen in den Siedlungsraum der Elfen ein und die Drachen scheinen unschöne Geheimnisse zu haben. Am Ende beginnt sogar Halva, sich selbst zu zerstören.

In dieser Welt macht sich die Viertelelfe Tamalone auf, ihre Ziehmutter wiederzufinden und die Rätsel ihrer Herkunft zu lösen. Niemand rechnet mit dem, was ihre Suche auslösen wird – sie selbst am wenigsten.

Personae dramatis


KRIECHER: Drache mit einem gelähmten Flügel

TAMALONE: Eine junge Frau gemischten Blutes, die bei den Menschen lebt

PANDO: Ein Gestaltwandler in Tierform und Freund Tamalones

DORMAN: Pando in Menschenform

„MUTTER“ oder „die Unaussprechliche“: Eine rätselhafte Frau unklarer Abstammung


Waldelfen


SUMPFWASSER: Erster Berater der Waldelfen und Tamalones Auftragsgeber

LUFTHAUCH: Waldläufer

BORK: Truppführerin der Waldelfen

LIND und MAITRIEB, zwei ihrer Jäger

IMMERGRÜN: Ein Diener zweier Herren

ZIMTCHEN: Offizier der Wehrhüter und angeblich Sumpfwassers Tochter

SONNENKRANZ: Sprecher des Elfenrates


Stadtelfen


TREIBGUT: Magier der Komposits und Artefaktentwickler

KÖNIG NACHTNEBEL: Artefakthändler und Treibguts Partner

WILLJA: Viertelelfe, arbeitet an Artefakten

ESPOS: versorgt Lufthauch mit dem Allernötigsten

STEINDORN: Stadtkommandant

GEFLECKTER GELBZAHN: sein Sohn und Ratsmitglied

SCHWIMMENDES SCHWERT: Leiterin der Bürgerwehr und Ratsmitglied

ZAUBERTÄSCHL: Ratsmitglied, verantwortlich für Handel und das Viertel des Handwerks

ZWEI-ARTEN-GRAU: Ratsmitglied, verantwortlich für Fragen der Magie

WIND-ÜBER-DEN-DÄCHERN: neuer Stellvertreter für Schwimmendes Schwert

SCHMUTZWASSERLINSE: verantwortlich für die Erweiterung der Stadt

WEGERICH: Truppführer und Kommandant über einen kleinen Bezirk im Handwerkerviertel

BLEICHKRAUT: ein Waldelf, der in NA-R wohlt


Menschen in NA-R


MEIJINA: Frau, reinrassiger Mensch, arbeitet an Artefakten

SASS: Wachmann

UGLAS: Doppelagent

SCHLANGENAUGE: Führer der Unterwelt


Familie in NA-R


ALTWI: Mutter der Familie

HOGGER: ihr Sohn

BAERBEN: die ältere Tochter

NERVEN: die jüngere Tochter

AUREON: ein junger Mann mit goldenen Augen

ARGENTON: ein junger Mann mit silbernen Augen

PALUDA: Froschmädchen


Sonstige Personen in NA-R


TORSO: Gestaltwandler und Froschmensch von gewaltiger Sprungkraft

AUFPASSER: Verwalter der Bergbausiedlung

SEELE DES AUSGLEICHS: seine Begleiterin

HORNFINGER: (hist.) vergessener Expeditionsleiter der Waldelfen

DER WANDERER: ein Wesen aus der Welt der Toten


Personen in Centrell


BLAUER DREISPORN: Bewohnerin des Hauses Blau



Drachenblut Band 3


Das Elfenviertel


Wolf Awert







© Wolf Awert 2020 Machandel Verlag Haselünne

Charlotte Erpenbeck

Cover: Detlef Klewer

1. Auflage 2020

ISBN 978-3-95959-182-9



Was bislang geschah


Den drei Völkern der Vernunft, den Drachen, Elfen und Menschen, gesellt sich eine vierte Gruppe hinzu. Tiere mit der Magie des Gestaltwandels. Sie können mit fast allen anderen Lebewesen fruchtbare Nachkommen zeugen und brechen so die Gesetze der Natur. Die Waldelfen fangen sie ein und sperren sie in Quarantänestationen in der Hoffnung, diese Entwicklung beenden zu können. Diese Stationen jedoch mussten mit allem Lebensnotwendigen von außen versorgt werden. Und so wurden aus den Stationen Städte, die auch jenen Waldelfen eine Heimat boten, die mit der eigenen Regierung nicht einverstanden waren. Das Volk der Waldelfen spaltete sich.

Die Spaltung ist tiefgehend. Es droht ein Bürgerkrieg.

In dieser verzweifelten Situation beauftragt der Erste Berater des Großen Elfenrates die Viertelelfe Tamalone damit, ihre untergetauchte Pflegemutter in NeuAllerdamm-Rot zu suchen. Anschließend erwartet er ihre umgehende Rückkehr.

Tamalone allerdings ist kein bequemes Werkzeug. In der Stadt verbündet sie sich mit dem Gestaltwandler Pando, nachdem sie feststellen, dass sie gemeinsame Ziele haben. Beide wollen ins Elfenviertel, aber dort kommt niemand hinein, ohne eine Genehmigung der Stadtelfen zu besitzen. Tama, wie Pando seine neue Freundin nennt, verkauft ein Stück von Pandos Eckzahn und gibt ihn als Drachenzahn aus. Das bringt die ganze Stadt in Aufruhr, denn Drachenzähne sind voller geheimnisvoller Magie.

Aber nicht nur Tama und Pando bringen Unruhe in die Stadt, es drohen auch politische Umwälzungen, ausgelöst durch den Waldelf Immergrün, mit Unterstützung Centrells, der Hauptstadt der Stadtelfen. So treten Tama und Pando vielen Personen kräftig auf die Zehen, als Tama versucht, eine Spur ihrer Pflegemutter in der Stadt zu finden. Deshalb hat Tama Grund zu der Annahme, dass sie auf der Liste unerwünschter Personen ziemlich weit oben steht. Um so erstaunter ist sie über einen völlig unerwarteten Wunsch der Bürgerwehr.



Tamalone


„Werdet ein Teil unserer Bürgerwehr. Was haltet ihr von dem Vorschlag?“ Die Stimme des Komposit war so trocken wie eine Bartflechte im Herbst nach einem regenlosen Sommer.

Tama stand wie festgewurzelt. Diese überraschende Nachricht musste sie erst einmal verdauen. Eine Patrouille der Bürgerwehr klopft lange vor Sonnenaufgang an ihre Tür und reißt sie aus dem Schlaf. Nur, um sie zu fragen, ob sie bereit sei, die Bürgerwehr zu unterstützen? Und nicht etwa mit Geld, Magie oder Neuigkeiten über einen Drachenzahn. Das hätte sie ja vielleicht noch verstanden. Aber nein, sie sollten ihre Knochen hinhalten, Pflaster treten und bereitwillig Befehle ausführen. Und alles so dringend, dass keine Zeit bis nach dem Frühstück war. Da war entweder jemand nicht ganz bei Trost oder besonders hinterhältig. Auch war schwer zu verstehen, dass man ihr so etwas antrug, nachdem sie noch vor einigen Tagen verhaftet worden war. Und was war mit dem Wachmann, dem Pando das Genick gebrochen hatte? Alles verziehen und vergessen?

Der ganze Auftritt roch so deutlich nach einer Falle, dass es auch schon wieder ehrlich gemeint sein konnte. Verrückt.

„Und mein Schoßtier bleibt wirklich die ganze Zeit an meiner Seite?“, fragte sie sicherheitshalber noch einmal und zeigte mit dem Finger auf Pando.

Wenn du das Wort Schoßtier noch einmal in einem Zusammenhang mit mir gebrauchst, lecke ich dir die Haut blutig.“ Pandos Stimme pflügte sich durch Tamas Gedanken und erstickte die letzten Reste klaren Denkens.

„Wer hat von Eurem Schoßtier noch nicht gehört?“, sagte der Offizier der Bürgerwehr höflich. „Ihr beide seid zusammen stark genug, um alleine auf Patrouille zu gehen. Falls Ihr Euch das gleich zu Anfang zutraut. Ihr könnt aber auch noch einen dritten oder vierten Mann dazubekommen. Viertelelfen wie die meisten unserer Truppführer, denen Ihr dann gleichberechtigt wärt. Oder Ihr schließt Euch einer größeren Gruppe an. Ihr werdet in jedem Fall zunächst nur für Routineaufgaben eingesetzt. Wenn Ihr Euch dort bewährt, werden wir weitersehen.“

„Wie lange haben wir Zeit, um uns zu entscheiden?“

„Genügend. Wir erwarten Euch erst im Laufe des Tages in unserer Einsatzzentrale.“

„Und die ist wo?“

„Ihr kennt das Gebäude. Von außen ebenso wie von innen, habe ich gehört.“ Das Lächeln auf dem Gesicht des Sprechers war gutmütig, spöttisch und gemein zugleich.

„Ihr bekommt rechtzeitig Bescheid“, sagte Tama. Provozieren ließ sie sich nicht.

Die Patrouille ging und Tama warf sich rücklings aufs Bett. Nach einer Zeit nachdenklichen Schweigens sagte sie zu Pando: „Ich habe das Gefühl, dass mir gerade der Boden unter meinen Füßen wegrutscht. Und alles, was ich tun kann, um mein Gleichgewicht zu behalten, ist loszurennen. Das gibt mir wenigstens die Gewissheit, auf den Füßen zu bleiben. Aber ich laufe auf der Stelle und komme keinen Schritt voran. Ich sage dir etwas: Ich werde das Elfenviertel niemals erreichen. Ich werde unterwegs verloren gehen, mich auflösen und unter den Toten und Geistern wiederfinden.“

Jetzt redest du Unsinn. Die sind doch nicht ohne Grund gekommen. Irgendwo hat sich etwas bewegt, haben sich Meinungen verändert. Vielleicht wurden auch nur die Kreise eines Mächtigen gestört. Für mich bedeutet das, dass wir voran kommen. In jedem Fall haben wir die Aufmerksamkeit der Bürgerwehr endgültig gewonnen. Das ist der erste wichtige Schritt des langen Weges.“

Des langen … Was? Ach so. Dein Weg ins Elfenviertel. Nein, der bereitet mir keine Sorge. Es wird nicht mehr lange dauern und wir sind drin. Zumindest ich. Und dann schauen wir mal. Mir macht etwas ganz anderes zu schaffen. Der rutschige Boden. Ich gehe mir selbst gerade verloren. Pass auf, auf einmal bin ich weg. Wirst schon sehen.“

Unsinn, du kannst nicht verloren gehen, wenn ich auf dich aufpasse.“