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©2011 Marita Berghoff

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-8448-4220-3

Alles fing erstmal ganz harmlos damit an dass wir ausgehen wollten.

Wir, das waren mein Lebensabschnittspartner Marcus und ich, seine treu ergebene Gefährtin. Marcus stand mal wieder, mit den Füßen scharrend, an der Wohnungstür. Er wollte los und ich suchte noch nach den passenden Schuhen zu meinen Outfit. Manchmal ist es nicht so einfach für uns Frauen. Zum einen wollen wir ja nicht schlampig und graumäusig gehen und zu overdressed sollte es ja auch nicht sein. Nach einigen Überlegungen und ein paar mal „Ja, ich habs gleich!“ nahm ich meine nagelneuen knallroten Schleifenpumps passend zur Bluse und zum Lippenstift. Ich kontrollierte vor dem großen Spiegel, der bei uns im Schlafzimmer stand, noch einmal mein Äußeres. Die Augenbrauen waren in einem schönen Bogen gezupft (wenns hinterher gut aussieht kann Frau auch schon mal kurz leiden) mein Make-up hatte ich gleichmäßig aufgetragen und die teure schwarze Wimperntusche verlängerte und verdichtete meine Wimpern um das doppelte (So stands in der Werbung!). Damit meine grauen Augen noch besser zur Geltung kamen. Genauso hielt ich es mit meinen Haaren. Spülung, Packung, Kur..…nur ab und zu und wenn es schnell gehen sollte half mir ein Trick meiner Oma. Einfach die Haare zu einem fast Pferdeschwanz im Nacken zusammen binden und alles locker mit ein paar Haarnadeln am Hinterkopf festmachen. Haarspray drüber, fertig. Und bei meinen naturblonden halblangen Bob funktionierte das jedes mal perfekt. Der schwarze kurze Rock passte harmonisch zur knallroten Bluse und zu den knallroten Pumps. Die hatten hinten an der Ferse eine Schleife aus Stoff, dieses auffällig verspielte Detail gefiel mir besonders gut daran. Die Harmonie bestand dabei auf; grell und auffällig. Ich war zufrieden mit mir. So stand ich also vor ihm. Mein wartender Begleiter sah einmal an mir rauf und wieder runter, grinste und machte dann sprachlos die Tür auf.

„Warum grinst du?“ Die Frage konnte ich mir nicht verkneifen.

„Rote Schuhe!?“ meinte er nur.

„Ja, ich bin heute Alice im Wunderland und wenn es zu lange dauert bis das Essen serviert wird oder dein hoch intelligenter Schwager zu sehr nervt, stampfe ich dreimal mit den Füßen auf und bin ruck zuck zu Hause auf dem Sofa.“ konterte ich lächelnd.

„Aha“ weiter sagte er nichts als er sich ans Steuer seines Sportwagens setzte. Irgendwie wunderte ich mich jedes mal wie er so leicht und locker hinter das Steuer kam. Marcus war fast 2m groß, ziemlich unsportlich, relativ ungelenkig, eingefleischter Anzugträger (bevorzugt Beige) und zeitweise von Rückenschmerzen geplagt. Aber er ließ sich wie eine Elfe hinters Steuer gleiten und startete sein silbernes kleines Geschoss, wie immer, mit einem seligen Lächeln im Gesicht. Ich versuchte derweil eine angenehme Sitzposition zu erreichen ohne dass das Rückenteil meiner Bluse komplett zerknittert war. Ich mochte dieses Auto nicht. Es war unbequem und viel zu schnell. Und viel zu protzig. Marcus war Steuerberater und kein Künstler oder etwas ähnliches und in dem Alter wo der zweite Frühling kam war er auch noch nicht. Für den zweiten Frühling hatten wir noch Zeit. Wir hatten Sommer..…Hochsommer um genau zu sein. Nicht nur unser beider Alter war im Sommer sondern auch die Jahreszeit. Draußen waren es locker noch 26° (ohne das „Grad“ kam es sogar genau mit meinem Alter hin) und im Auto hatte er die Klimaanlage wieder bis auf 18° runter gedreht. Nach zehn Minuten tapferen Frierens sah ich verstohlen auf meine Brüste. Mir war kalt. Mir war es eindeutig zu kalt. Das war ganz offensichtlich (blöder Nippel-Alarm) und ich verfluchte diese verdammte Klimaanlage wieder. Ich hätte mich beschweren können aber da ich hätte auch genau so gut den Mond anheulen können. Denn es hätte keine Reaktion gegeben. Marcus ließ sich nichts sagen wenn es um sein Auto ging. Selbst Experten ließ er auflaufen. Sehnsüchtig dachte ich an mein kleines Auto. Es war alt, es hatte leichte oberflächliche Unebenheiten (Beulen), es hatte Leben und vor allem hatte es keine Klimaanlage. Auch wenn ich im Sommer ab und zu vor Schweiß fließend den Wagen verfluchte so war es doch angenehmer als zu frieren.

Ein Blick auf die Landschaft sagte mir das wir noch etwa 8km vor uns hatten. Noch 8km Schonfrist. Ich fand diese Essensverabredungen mit seinen Geschwistern immer etwas anstrengend und nervig. Marcus war der Jüngste von vier Geschwistern. Sein großer Bruder hatte sich schon ewig nicht sehen lassen, der lebte in Norwegen ohne jeglichen Familienkontakt. Und seine beiden Schwestern waren spießig und langweilig. Beide fanden mich nicht gut genug für ihren kleinen Bruder. Sie hatten sich mit meinem Dasein-inkihrer-Familie abgefunden aber einverstanden waren sie deshalb noch lange nicht mit mir. Aber das war zum Glück nicht mein Problem.

Ich klappte meine Sonnenblende herunter um mein Make-up noch mal zu kontrollieren. Vor allem die Wimperntusche. Ab und zu verlief sie sich doch nach unten. Diese Leute kannten mich seit zwei Jahren und immer noch suchten sie Fehler bei mir. Als ob die nicht jedem sofort ins Auge sprangen der mich sah und spätestens nach meinem zweiten Satz mochte man mich oder nicht. Ich war ja selber schuld das ich immer noch versuchte einen guten Eindruck zu hinterlassen. Einen Eindruck hatte ich schon öfter hinterlassen nur eben nicht immer gut. Am besten war die Sache mit Annabelles neuem Kleid. Ich hatte sie gefragt ob sie mir die Adresse von dem Laden geben könnte, da ich ja auch gerne Second-Hand Klamotten trug. Ihr Gesichtsausdruck war genauso unbezahlbar wie der Preis für diesen Fetzen Stoff den sie bei einem angesagten Modedesigner bezahlt hatte.

Wir stiegen gemächlich aus dem Wagen und Marcus begutachtete mich noch einmal leicht grinsend. Ich fragte: „Und? Alles in Ordnung? Kann ich so vor deine erlauchte Familie treten?“

Er sagte nichts sondern sah mich nur verdutzt an. Das reizte mich und ich setzte noch einen drauf: „Oder sind die Schuhe vielleicht doch ZU rot?“ fragte ich und tat unschuldig.

„Ähm.…Nein! Alles ok! Alles wie immer!“ meinte er nur und ging vor mir zur Tür. Normalerweise machte er das nicht und ich hatte schon die leise Ahnung das ihm mein Outfit etwas zu gewagt was für den Abend. Oder dass er nicht wollte das seine Leute so überrascht abweisend reagierten. Wir gingen langsam zu dem Tisch an dem schon alle brav saßen und auf uns warteten. Als erstes sah Annabelle auf die Uhr und meinte verdrossen: „Ihr seid zu spät!“

Annabelle, die Große!! …große Schwester mit dem größten Ego das mir bis dahin über den Weg gelaufen war. Körperlich war sie ein paar cm kleiner als ich und mit ihrem langweiligen braunen Kurzhaarschnitt und der rosa gerahmten Brille passte sie genau zu Marcus. Bruder und Schwester.…Zwillinge mit ein paar Jahren (6) Unterschied.

„Hallo, Annabelle. Ja, tut uns Leid. Aber du weißt ja. Der Verkehr!“ log Marcus ohne rot zu werden.

Von Annabelles linker Seite hörte ich ein seltsames räuspern. Angelo sah von mir zu Marcus und dann auf die Tischdecke. Innerlich grinste ich gerade von einem Ohr zum anderen. Dieser Blick und dieses Räuspern waren ja wohl auf den Grund unserer Verspätung und besonders auf die Erwähnung des Verkehrs zurück zu führen. Ich hatte immer schon die Ansicht dass Susanna und Angelo heimlich ganz verdorbene Sex-Spielchen bevorzugten. Ich fand den Gedanken daran ganz lustig denn Angelo war sehr behäbig und bequem, wenn er nicht grad kochte und seine Susanna war die Übermutter. Vier Kinder innerhalb von fünf Jahren sprachen ja auch für sich. Und die beiden schienen auch nicht so zur Upper-Class-Familie zu passen. Sie machten bei diesen ganzen Familien-Dingern zwar mit aber sonst zogen ihr eigenes Ding durch. Ich versuchte gerade dieses Bild von Angelo und Susanna beim Sado-Maso-Sex aus dem Kopf zu kriegen als Annabelle, wer sonst, mich mit ihrem typisch abschätzenden Blick musterte.

„Neue Schuhe?“ fragte sie und das Wasser in ihrem Glas fing vor Kälte an zu zittern. Ich aber nicht.

„Ja! Schön oder..!“ antwortete ich stolz. Mein kleiner ironischer Unterton war auch zu hören.

Manchmal liebte ich es sie zu provozieren. Diese Anwältin ohne Leidenschaft war genau so wie ich nie sein wollte. Ihre Garderobe bestand aus klassischen Kostümen und klassischen Anzügen in den klassischen Farben dunkelblau, dunkelgrau und dunkelschwarz. Da lockerten ihre rosa Blusen, von denen sie sicher eine Menge hatte, auch nichts auf. Selbst ihr Mann André, trug eine rosa Krawatte. Dieser Kerl tat mir Leid. Wie konnte er sich von einer Frau nur zwingen lassen jeden Tag eine rosa Krawatte zu tragen. Entweder war er ihr hörig oder farbenblind vor Liebe oder einfach nur völlig geschmacklos. Oder der rosa Schlips sollte von seinem Bauch ablenken? Oder von seiner letzten Kopfhaar-Bepflanzung? Oder war ein Wink für das andere Ufer? Im Prinzip war es mir egal aber ich fand es nun mal nicht gut. Sollte Marcus irgendwann mal einen rosa Schlips um den Hals tragen würde ich das Ding verbrennen. >…ob er es nun um hat oder nicht.<

Dieser überaus liebende Ehemann brachte nach etwa einer Stunde und einem ungenießbaren Tiramisu auch das Gespräch auf genau das was danach alles passierte.

„Es ist doch schon erstaunlich was Frauen alles tun um gut auszusehen. Da stehen doch locker 30 bis 50 Paar Schuhe im Schrank, der Kleiderschrank platzt aus allen Nähten, das Bad ist komplett mit Kosmetik-Artikeln belagert und das Bad an sich..… unter einer Stunde kommen sie doch nicht raus selbst wenn es nur in den nächsten Supermarkt geht.“ resümierte er.

„Ja, und die Einkäufe nehmen auch nicht ab. Da kommt immer wieder was neues und das alte bleibt. Es könnte ja wieder modern werden!“ stimmte mein Marcus ein.

Zuerst hab ich das Gebrabbel von André als sein übliches überschlaues Gelaber gehalten aber als Marcus auch noch einstimmte und Annabelle mich direkt angreifend ansah, wusste ich das diese Ansage für mich… nur für mich, gedacht war.

„Und warum machen die Frauen das?“ fragte ich.

Keine Antwort.

„Weil ihr Männer mit den Augen denkt!“ Zack. Eigentlich hatte ich gedacht damit das Thema abhaken zu können. Denn eine männliche Schwäche zuzugeben lag diesen beiden Exemplaren überhaupt nicht. Aber jetzt ging es erst richtig los.

„Wie? Wir denken mit den Augen?“ diese Art Frage konnte auch nur von Marcus kommen.

„Hättest du mich jemals angesehen wenn ich in mausgrauem Schlicht-und-dumm-Look an dir vorbei gegangen wäre?“ fragte ich ihn.

Keine Antwort. Nicht von Marcus dafür aber von Andre: „Ich persönlich bin ja der Meinung dass die Frauen da extrem übertreiben. Es kommt auf die inneren Werte an.“

>Na, klar. Du Stößel. Deswegen hast du ja auch eine Frau ohne Stil.<

„Ach, und woran erkennt man die inneren Werte auf Anhieb?“ meine Frage.

„In dem man ins Gespräch kommt. Ist doch ganz einfach!“ Mr. Superhirn mal wieder.

„Und wie kommt man ins Gespräch?“ ich liebte es nach zu haken und durch zu bohren.

„Das hat was mit Sympathie zu tun. Wenn mir jemand sympathisch ist juckt es mich wenig wie er aussieht.“ schwafelte André überheblich.

Er glaubte doch nicht wirklich was er da gesagt hatte?

Ich muss diesen rosafarbenen Schlipsträger angesehen haben wie ein Auto. Denn alles was er noch sagen konnte war ein ganz leises: „Pffff…“

„Also, ist es dir vollkommen egal wie jemand aussieht wenn du auf ihn zu gehst!?“ Ich mit Hirn.

„Ja.“ sagte er nur. Und ich hatte das Gefühl als würde er sich für die Schlichtheit seiner Frau und seines eigenen Geschmacks entschuldigen. Na, oder besser… Das damit zu erklären. Mir fiel auch spontan ein wie er jedem kurzen Rock hinterher starrte. Aber klar, André war es völlig egal.

„Ja.… André hat ja schon recht. Es gibt wirklich Frauen die übertreiben es mit ihrem Äußeren zu sehr!“ Annabelle warf sich natürlich auf die Seite ihres Mannes. Sie fiel mir mit offenen Augen in den Rücken und zeigte noch nicht mal ein schlechtes Gewissen. Verräterin an deiner Art!

„Es gibt aber auch Frauen die gefallen sich so besser. Die mögen es, sich aufzubrezeln!“ meinte ich. Das ich bei Annabelle keine gute Karten haben würde war schon klar. Wer morgens immer nur einen Griff kennt der weiß ja gar nicht wovon ich redete. (Rosa Bluse)

„Aber die machen das doch nicht für sich selber!?“ meldete sich Marcus.

Das erste was mir dazu einfiel war: Wir lebten seit zwei Jahren zusammen und er hatte nichts kapiert. Er kannte die Frau nicht mit der er Kühlschrank, Tisch und Bett teilte. Wo war dieser Mann die letzten Jahre? In einem Baumhaus? In einer Höhle? Oder nur mit den Füßen im Fernseher?

„Nein, mein Schatz! Das machen wir nur für die Männer! Damit sie was zu gucken haben wenn das Fußballspiel vorbei ist und als nette Überbrückung bis zum Beginn des Formel 1 Rennens!“ meinte ich unmissverständlich ironisch.

Susanna grinste und Angelo fummelte gerade mit der Hand unter dem Tisch. Ich hatte den Eindruck sie würden nicht nur geistig schon an Kind Nr. 5 arbeiten oder die Vorbereitungen dazu treffen.

„Lass uns mal was ausprobieren!“ Herr Klugscheiß mal wieder.

„Du nimmst ab morgen eine andere Krawattenfarbe!“ rutschte es mir raus.

Annabelles bösen und Andre´s blöden Blick bemerkte ich still grinsend. Wenn die beiden sich über mein Styling monierten konnte ihnen so eine kleine Retourkutsche nichts schaden.

„Nein! Ich hab ein andere Idee! - Du sagst doch ihr Frauen macht das für uns Männer. Hauptsächlich. Richtig!? - Also, wie wäre es… Wir machen ein Experiment. Du verzichtest… na, sagen wir mal…28 Tage auf dieses „Aufbrezeln“. Komplett! Das heißt keine neuen Klamotten, kein Make-up, kein Haare aufstylen und dieses ganze Zeug.“

„Warum?“ Meine Frage war ja wohl berechtigt.

„Na, ja.…weil du das typische Frauenbild nun mal verkörperst. Mich würde mal interessieren ob du das kannst und ob deine Behauptung das wir Männer nur mit den Augen denken richtig ist.“

„Aha. - Und dann?“ fragte ich. Irgendwie musste das ja weitergehen.

„Dann wissen wir alle Bescheid!“ irgendwas gehässiges im Blick antwortete mir da von Gegenüber.

In meinem Gehirn verknoteten sich die Gedanken. Warum ich? Weil sie mich nicht mochten? Weil ich das typische Bild einer typischen Frau bin? Weil sie mich anders haben wollten wie ich war? Warum machte mein Mann den Mund nicht auf? Weil er mal wieder zu feige war gegen seine große Schwester und ihrem Mann etwas zu sagen? Weil diese ganze Sache ein abgekartetes Spiel war? Weil sie mir das nicht zutrauten? Weil ich ganz zufällig blond war?

„Also, ich finde die Idee grandios!“ Annabelle bellte mal wieder in sein Horn. War ja klar.

„Ich finde es auch gut!“ Marcus´ Echo fand ich gar nicht gut.

„Und was setzt ihr ein?“ Ich bin zwar blond aber blöd nicht.

„Ähm…?“ André überlegte, Annabelle überlegte mit, Susanna und Angelo guckten sich an und Marcus konzentriert auf einen Tomatensoßenfleck auf der Tischdecke.

>Tja, und nun?! Wenn ich mitspiele müsst ihr schon was einsetzen. Etwas besonderes!<

„Ich denke mal. Wenn du die 28 Tage durchhältst könnten wir eine große Party geben. Bei uns zu Hause.“ Annabelle nickte dem Vorschlag ihres Mannes minimal zu.

„Gute Idee!“ Marcus war aufgewacht.

„Und Marcus verzichtet für diese 28 Tage auf alle Sportsendungen im Fernsehen! Die Idee finde ich gut!“ verkündete ich.

Diese Blitzidee fand ich sehr gut. Marcus nicht. Sein Blick war verwirrt und desorientiert und… Er dachte nach.

„OK. Machst du mit, Kleiner?“ Annabelle sah wohl ihre Überlegenheit davon schwimmen. Und so musste ihr geliebter kleiner Bruder mit in meinen sauren Apfel beißen.

„Keine einzige Sportsendung die ganzen 28 Tage?! Ähm.…“ er überlegte länger. Wir ließen ihn überlegen und dann.…endlich:

„Ok. Gut, ich mache mit!“

„Na, dann…“ Annabelle holte einen Block (intellektuelle Frauen haben so was) aus ihrer Tasche und es wurde ein Protokoll (Andre´s Worte, ich hätte gesagt: Eine Liste!) gemacht in der alles Punkt für Punkt aufgeführt war.

Erstens: alle Styling- und Make-up-Produkte werden unter Verschluss gehalten.

Zweitens: Keine Neuanschaffungen

Drittens: was immer ich morgens als erstes in der Hand habe werde ich anziehen

Viertens: Das Bad muss nach 20 Minuten geräumt werden

Fünftens: Tagsüber nur die Kleidung wechseln wenn es nötig ist (nass, verschwitzt usw)

Sechstens: keine Besuche beim Frisör und im Kosmetiksalon

Siebtens: keine Hilfe von Freundinnen annehmen

Das waren meine Punkte. Nicht viele und auch durchführbar.

Bei Marcus war es nur ein Punkt. Keine Sportsendungen im TV gucken.

Als Vertragspartner wurden noch Annabelle und André aufgeführt und zeugen durften dann Susanna und Angelo. Das haben sie in der Nacht wohl auch noch gemacht, nur im anderen Konsens.

Tja, so hat es angefangen.

So hatte ich mich, Lisa Funke, sofort und spontan dazu herausfordern lassen auf diese Wette einzugehen. Dazu sollte ich anmerken dass ich eine Art „Mode-Freak“ bin. Ich mag Mode. Ich mag Shopping. Ich liebe Retro-Klamotten. Also; Nicht jeden Stil aber meinen eigenen Stil. Romantisch oder stylisch schlicht, immer mit einem kleinen oder auch größeren „Highlight“… Ich liebte es nun mal mit verschiedenen Stilen zu mixen. Zum Blümchenkleid eine Jeansjacke zu tragen ist ja nicht besonderes aber dann noch derbe Wanderstiefel und einen Hut… Das fällt auf. Und genau das wollte ich.. Auffallen und bemerkt werden. Mein Geschmack war extrovertiert und manchmal sogar etwas abgehoben. In einem Second-Hand Laden rum zu wühlen und ein paar richtig schöne Sachen zu finden war für mich immer ein kleines Fest, und wenn ich das dann noch so wunderbar mit dem größten Teil der Klamotten in meinem Kleiderschrank kombinieren konnte. Dann wurde es ein Fest. Für mich nun mal etwas besonderes. So ein Retroteil mit modischem Accessoires aufpeppen und gedeckte Töne mit grellen zu unterstützen. Das war genau meine Linie. Mir war klar das ich mit meinem Styling das eine oder andere Mal etwas über die Stränge schlug aber so war ich nun mal. Mir gefiel es und meine Umgebung hatte sich daran gewöhnt. Na, ja..… fast alle. Einige nicht und deswegen kam es ja dann auch zu dieser blöden Wette.

Als wir dann von diesem besonderen Abendessen nach Hause kamen begann Marcus sofort damit meine ganzen Hübschmacher weg zu packen. Der akute Gedanke dass ich ab dem Tag ungewohnt ungeschminkt aus dem Haus sollte.…den stopfte ich mal ganz schnell in die hinterste Ecke meines Gehirnkastens. Ich konnte es kaum glauben wie schnell er war. Zack, zack.…und alles war in Kartons und Kästchen verpackt und weggeschlossen. Na, gut. Das würde ich schon hin kriegen. 28 Tage waren ja nicht so lange und 28 Tage keine dämlichen Sportsendungen mit gucken zu müssen war ja auch etwas. Ich freute mich sogar ein bisschen.

Als ich müde ins Bett fiel (abgeschminkt) fiel mir ein das ich morgens ja nun etwas länger schlafen konnte. Die Zeit die ich sonst zum morgendlichen Frischmachen brauchte verringerte sich ja dann auch.

Der Morgen begann wie jeder Morgen. Ich stand auf, ging meinen üblichen Morgenweg mit fast noch geschlossenen Augen in die Küche zur Kaffeemaschine, machte sie Startklar und dann ins Bad. Und es war leer. Das Bad war leer. Fast leer. Von meinen ganzen Tiegeln, Tuben, Flaschen und was ich sonst noch hatte war mir kaum etwas geblieben. Mein Shampoo, eine Spülung, mein Wasch-Gel, eine Bodylotion, Zahnbürste und Zahnpasta und meine Tagescreme. Das war alles. Und es sah erbärmlich aus. Ich fühlte mich allein und verloren in diesem kargen Badezimmer. Es fehlte so viel. Wo waren alle meine lieb gewonnen Kosmetikartikel, meine Sammlung an nötigen Lidschatten, wo war meine teure Wimperntusche, mein Make-up für einen fast perfekten Teint, mein Schaumfestiger und Haarspray für eine Frisur die jedem Wetter stand hielt. Nicht mal meine Gesichtspackungen waren noch da. Ich seufzte und an der Tür hörte ich meine bessere Hälfte nur sagen: „Du hast noch 15 Minuten!“

Oh, jee..… ich ging duschen. Um nicht noch mehr der wertvollen Zeit zu verlieren wartete ich nicht bis das Wasser eine angenehme Temperatur hatte sondern sprang sofort darunter.…und am liebsten auch direkt wieder darunter weg. Das Wasser war kalt. Zu kalt. Ich war mit einem Schlag wach und beeilte mich. Als ich dann die nassen Haare unter meinem Turban hervorholte fiel mir etwas auf.

„Der Föhn! Wo ist der Föhn?“ panisch rief ich diese Wörter zur Tür hinaus. Keine Reaktion. Ich ging leicht sauer in die Küche. Marcus saß ganz ruhig über seiner Tageszeitung und studierte die Todesanzeigen.

>Ich brauche einen Föhn. Ich kann doch nicht mit nassen Haaren ins Büro. Ich brauche einen Föhn und der sitzt da und liest in aller Ruhe die Zeitung.< Ich konnte es nicht fassen.

„Marcus, was ist mit dem Föhn?“ fragte ich nett.

„Der ist da wo die anderen Sachen auch sind!“ antwortete er ohne von der Zeitung aufzusehen.

„Wie bitte?“ fragte ich ungläubig.

„Der Föhn gehört zu den Sachen die nicht wichtig sind. Deine Haare werden schon trocknen..“ er sah immer noch nicht auf.

„Das ist nicht dein Ernst? Ich muss gleich ins Büro, da kann ich ja schlecht mit nassen Haaren auflaufen. Wie stellst du dir das vor!?“ langsam wurde ich richtig ärgerlich.

„Bis du im Büro bist sind die trocken. Es ist Hochsommer und warm genug draußen. Ich brauch ja auch keinen Föhn.“ stellte er fest, sah mich an und lächelte hämisch.

„Deine Haare sind auch locker 20cm kürzer als meine.“ ich war fassungslos. Marcus trug Extrem-Kurz-Haarschnitt.

„Der Föhn gehört zu den Extras und bleibt eingeschlossen!“ sagte er und sein Blick ging zurück auf die Zeitung.

Ich hätte platzen können. Irgendwie hatte ich das Gefühl als wollte er mich ärgern und mit Absicht in die Lächerlichkeit laufen lassen. Wütend über seine Art ging ich zurück ins Bad. Ich rubbelte und drückte ganz vorsichtig das Wasser aus meinen Haaren und zog mich an. Plötzlich fiel mir wieder etwas auf. Kein Deo! Dieser Kerl hatte sogar mein Deo eingesperrt. Mein Weg führte mich wieder in die Küche. Er war bereits mit der Zeitung fertig und goss sich gerade eine weitere Tasse Kaffee ein. Ich sagte erst mal nichts. Mein Gesicht hätte eigentlich ganz Bände erzählen müssen. Nur schien es so dass er darin nicht lesen konnte.

„Was ist?“ fragte er grinsend.

„Deo!“ mehr sagte ich nicht. Mehr ging in dem Moment nicht.

„Brauchst du…“ Ich ließ ihn nicht ausreden sondern knallte ihm sofort an den Kopf: „Natürlich brauche ich Deo! Das gehört zur Grundausstattung.“

„Sicher?“ seine Frage war so überflüssig wie eine Fliege im Weinglas.