Die Autorinnen und Autoren

Elisabeth Albert, aufgewachsen auf einem Bauernhof blieb ich dem Umfeld viele Jahre treu. Dann gab ich meinem Leben eine Wendung: Ich wurde Ärztin und begann, die Welt zu bereisen. Beides findet sich in meinen Texten wieder.

Jürgen Baasch, geb. 1945, war bis 2004 Bürgermeister in Bordesholm. Neben seinen zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten leitet er seitdem Seminare in Plattdeutsch und Kurse zur Biographie erstellen.

Ingrid Brandenburger wurde 1941 auf dem Bauernhof ihrer Eltern in Ostholstein geboren, wo sie aufwuchs und ihre Prägung fand. Als Erwachsene lebte sie in Kiel oder im Kieler Umland.

Nach ihrer Berufstätigkeit in einer Apotheke und später im Pharmaaußendienst genießt sie jetzt ihren Ruhestand.

Aus dem Wunsch, ihrer vier Kinder und vier Enkel die Familiengeschichte und Familientradition nahe zu bringen, entstand die Lust zum Schreiben.

Seit einigen Jahren widmet sie sich noch einem weiteren Hobby, der Acrylmalerei.

Regina Gay wurde 1944 in Pommern geboren und lebt, nach etlichen Umzügen in der Kindheit, seit 1968 in Annenhof. Die Suche nach Schreibanleitung führte sie in einen Biographiekurs bei Jürgen Baasch, an dessen offener Schreibgruppe sie weiter teilnimmt.

Zusätzlich besucht sie Schreibworkshops am Meer.

Karin Müller-Wichards, Karin Müller-Wichards, geborene Holm, verheiratet, fünf Kinder, malt, stickt, näht, pilgert. Weitere Informationen unter www.karinholm.com

Torsten Schönberg

Thorsten Schönberg wurde 1965 in Neumünster geboren und ist dort auch immer noch wohnhaft.

Von Beruf ist er Maler und Lackierer. Schriftstellerisch schlägt sein Herz besonders für kleine, spaßige Gedichte. Daher rührt auch seine Verehrung für Heinz Erhardt. Aber auch lustige Kurzgeschichten, wie sie im vorliegenden Buch zu finden sind, bereiten ihm viel Freude.

Detlef Tanneberger, geb. 1949.

Seit seinem Eintritt in den Ruhestand schreibt er kurze und auch längere Heimatgeschichten.

Heinz Zemke, Jahrgang 1940, geboren in Pommern. Bankkaufmann.

In Annenhof, Molfsee, Flintbek und 40 Jahre mit der Familie in Bordesholm wohnhaft. Vor zwei Jahren Umzug in die Nachbargemeinde Wattenbek.

Viele Hobbys wie z.B. Fußball, Schiedsrichterei, Tennis, Motorradfahrten und Shanty Chor sind bleibende Erinnerungen.

In der Reihe Bordesholmer Edition erschienen:

Stand: Februar 2016

Bd. 1: Das Grab auf der Insel

Der erste Bordesholmkrimi

von Jürgen Baasch, Lydia Glaubke, Charlotte Günther,

Ines Reich und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-8448-0006-7172 Seiten

Bd. 2: De Borsholmer Jedemann

Hugo v. Hofmannsthal sien Stück,

in`t Plattdüütsche sett vun Jürgen Baasch

ISBN 978-3848-21806-6128 Seiten

Bd. 3: Das Licht

und andere Erzählungen

von Jürgen Baasch, Kirsten Frahm,

Viktor Vogt und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3848-22711-2136 Seiten

Bd. 4: Krimidinner

Kriminalroman

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3848-21971-1260 Seiten

Bd. 5: Schmalsteder Beifang

Der zweite Bordesholmkrimi

von Jürgen Baasch, Silvia Biener, Charlotte Günther,

Diana Kühl und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-8482-2419-7164 Seiten

Bd. 6: Murmelspiel und Schabernack

Alltagsgeschichten aus unserer Nachkriegskinderzeit

Biografische Reihe, Hrsg. Jürgen Baasch

ISBN 978-3848241415168 Seiten

Bd. 7: Biografische Splitter

Biografische Reihe, Hrsg. Jürgen Baasch

Erzählungen

ISBN 978-3-7322-3098-3138 Seiten

Bd. 8: Doppelbilder - Vier Paare, acht Geschichten und ein Gastspiel

9 Erzählungen

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3842-34211-8136 Seiten

Bd. 9: Ein Haus wird Hundert

Geschichten zur Geschichte

von Franz Rohwer

ISBN 978-3732-25457-688 Seiten

Bd. 10: Lotosblüte

Der dritte Bordesholmkrimi

von Jürgen Baasch, Kirsten Frahm, Charlotte Günther,

und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3732-28658-4176 Seiten

Bd. 11: Rezepte für die faule Hausfrau

Kleines Kochbüchlein ohne Anspruch auf Michelinsterne

von Durannimo von der Wied

ISBN 978-3732-28628-752 Seiten

Bd. 12: Letztes Jahr

Satirischer Endzeitroman

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-7322-8940-0156 Seiten

Bd. 13: Krimiwanderungen

Auf den Spuren der Bordesholmkrimis

von Jürgen Baasch, Kirsten Frahm, Charlotte Günther,

und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-7357-5979-552 Seiten

Bd. 14: Wenn Papa lange wegfährt

Ein Bilderbuch für Kinder

Von Kristina Dohrn

ISBN 978-3-7357-2308-624 Seiten

Bd. 15: Odile

Erzählung

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-7357-1940-984 Seiten

Bd. 16: Klosterbrut

Gesellschaftspolitischer Zukunftsroman

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-8370-8979-0208 Seiten

Bd. 17: Die Seminaristin

Der vierte Bordesholmkrimi

von Jürgen Baasch, Kirsten Frahm, Charlotte Günther,

und Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-7357-7074-5184 Seiten

Bd. 18: Lichtungen

Gedichte und Kurzgeschichten

Von Martin Schmusch

ISBN 978-3-7347-5811-992 Seiten

Bd. 19: Nordlicht

Heimatgeschichten

Biografische Reihe

Herausgegeben von Jürgen Baasch

ISBN 978-3-7357-7572-6180 Seiten

Bd. 20: Vier Männer

Tragikomisches Bühnenstück

von Hartmut Wiedling

ISBN 978-3-7392-2747-478 Seiten

Bd. 21: Von Mensch & Tier, Musikern und Gottesdienern

77 Limericks von Michael Struck

77 Bildericks von Dieter Stolte

ISBN 978-3-7375-1943-478 Seiten

Bd. 23: Halleluja Sakra

Das Muthenberger Missgeschick mit den Gebeinen

Eine historische Mühbrooker Heimatgeschichte

von Detlef Tanneberger

ISBN 978-3-7357-5643-5236 Seiten

Bd. 24: Giftwasser

Der fünfte Bordesholmkrimi

von Jürgen Baasch, Elmer Schmidt und Henning Thomsen

ISBN 978-3-7392-0249208 Seiten

Bordesholmer Edition

Eine Reihe für Autoren von Bordesholm und Umgebung

Herausgeber: J. Baasch und H. Wiedling

Bordesholmer.edition@yahoo.de

Thorsten Schönberg

Marktschreier

Martin brüllt aus voller Kehle,

laut, als wären es Befehle,

und zum wiederholtem Male:

„ Aale, Aale, Aale, Aale!“

Nebenan wird auch geworben

Nudel-Uwe schreit: „ Ihr Horden!“

Stopft in eine Plastiktüte:

„ Nudeln nur von höchster Güte!“

Weiter geht’s zu Taschen-Ole.

Der besticht durch Bass-Gejohle.

Ruft, krakeelt und bietet feil

manches Taschenmonsterteil.

Und nur einen Meter nach ihm

kauft man Würste ein bei Achim.

Heringshunger? Halb so schlimm…

dafür brüllt ja Matjes-Tim.

Aus dem Dezibel-Gewitter

ragt hervor ein weit’rer Ritter.

Doch statt Rüstung trägt er Schürze:

Ecki bringt uns die Gewürze!

Und so werben sie mit Worten,

Käse-Rudi und Konsorten.

Brüllen, rufen und beschwatzen…

bis selbst Trommelfelle platzen!

Thorsten Schönberg

Der Kapitalismus, wie ich ihn verstehe

Im Kapitalismus, da gilt es als Fakt,

um Armut von sich abzuwenden,

dass immer nur der es dann letztlich auch packt,

der pflügt mit den eigenen Händen.

So muss dann wohl jener, dem dies nicht genügt,

der Reichtum will vor allen Dingen,

für sich fremde Menschen, weil selbst er nicht pflügt,

stattdessen zum Pflügen zu bringen.

So mehrt er den Wohlstand auf clevere Art

für sich und gewiss für die Seinen,

und hat sich vor allem das Pflügen erspart

und kämpft nicht mehr selbst mit den Steinen.

Heinz Zemke

Das Sonderangebot

Kürzlich machten Herr Kurt Faltenbach und seine Frau Elsa einen Bummel in unserer Landeshauptstadt und trauten in einer Einkaufspassage ihren Augen nicht. Beide befinden sich im letzten Drittel ihrer wahrscheinlichen Lebenszeit.

An einem Stand, offensichtlich hatte er etwas mit Kosmetik zu tun, prangte ein größeres Plakat mit folgendem Werbespruch:

„Gönnen Sie sich eine Schönheits- und Verjüngungskur! Ab sofort zu einem Sonderpreis von 20 Euro statt sonst 59 Euro pro Behandlung. Sie werden schon nach einer Behandlung um mindestens 10 Jahre jünger aussehen.“

Herrn Faltenbach ging es nicht um die Schönheit – Männer sind ja von Natur aus auch im Alter immer schön – aber das mit der Verjüngungskur machte ihn doch äußerst neugierig und so plauderte er mit der jungen Dame hinter dem Ladentisch, die Frau Schöngeist hieß, über die Einzelheiten.

Aufgeregt wendete er sich an seine Frau:

„Elsa, stell dir vor, nach einer Behandlung 10 Jahre jünger! Ich werde mich bestimmt für mindestens sechs Behandlungen entscheiden. Frau Schöngeist hat mich wachgerüttelt und mir aufgezeigt, welche Möglichkeiten sich für mich ergeben.

Unglaublich, nicht auszudenken, pro Behandlung 10 Jahre jünger, das wären ja 60 Jahre!

Ich würde umsonst oder für den halben Preis ins Kino gehen können, bräuchte für meinen Jugendhaarschnitt nur fünf Euro bezahlen und könnte mal wieder in die Jugenddisco gehen und mir meinen größten Wunsch erfüllen, nämlich in der Jungmannelf im TSV Bordesholm zusammen mit meinen Enkeln Fußball spielen. Mit einigen zusätzlichen Kosten muss ich wohl rechnen, die Passbilder in meinen Ausweisen müssen ausgewechselt werden usw.

Was die Leute auf dem Amt wohl sagen, wenn ich mit meinen Anliegen komme.

Und die Ersparnis bei der speziellen Kur, statt 59 Euro nur 20 Euro, bei sechs Sitzungen also glatte 234 Euro gespart, da muss man doch einfach zugreifen.“

Frau Elsa Faltenbach war zum Leidwesen ihres Mannes überhaupt nicht von seiner Idee begeistert, aber sie kannte die Marotten ihres Mannes. Daher stellte sie ihm ein Ultimatum:

„Entweder du lässt den Quatsch oder ich haue ab. Ich mache mich doch nicht lächerlich. Was sollen die Leute denken, wenn ich mich in der Öffentlichkeit mit so einem jungen Spund zeige. Und was sollen die Kinder und Enkelkinder denken, wenn ihr Vater und Opa mit schrägen Klamotten und Hippiefrisur durch die Gegend düst. Ganz zu schweigen von dem Gelächter, wenn du in der Jugenddisco erscheinst.“

Die Argumente, die Elsa vorbrachte, waren stichhaltig und so ergab sich Kurt seinem Schicksal und hakte die Idee mit der Verjüngungskur ab.

Der Einkaufsbummel ging nun weiter durch den Sophienhof, die Treppe herunter zur Holstenstraße. Dort kam das große Erstaunen. Überall in den Schaufenstern hieß es:

„Sale, Sale, Sale“

Das Ehepaar, mit der englischen Sprache nicht so vertraut, wurde neugierig. Kurt sprach kurzerhand eine Verkäuferin an:

„Ich möchte gerne ‚Sale‘ kaufen. Sie machen damit so viel Werbung, es muss ja etwas Tolles sein. Was kostet ein Kilo?“

Die Verkäuferin, eine Frau Sorgenfrei, konnte vor Schreck keine Antwort geben und Elsa und Kurt verließen frustriert das Geschäft.

Irgendwann verspürte das Paar Hunger und Durst und so war es nicht verwunderlich, dass sie in ein Lokal gerieten, welches auf seinem Werbeschild verkündete: „Fisch satt, so viel Sie mögen und Getränke 12 Euro.“ Sie wollten eigentlich nur eine Kleinigkeit zu sich nehmen, erfreuten sich aber doch über das tolle Angebot und hauten sich den Magen brechend voll.

Elsa hatte mittlerweile genug von dem ganzen Trubel, doch Kurt nörgelte:

„Sieh doch das Schild bei den Anzügen, wo drauf steht: ‚Nimm zwei, bezahle nur für einen‘!“

Lautstark wurde nun fast ein Ehestreit mitten auf der Straße ausgetragen.

Elsa: „Du hast 15 Anzüge im Schrank. Du brauchst keinen neuen Anzug!“

Kurt: „Aber wir sparen doch Geld. Stell dir vor, wir sparen 198 Euro, wenn wir das Angebot annehmen, und ich habe zwei neue Anzüge!“

Elsa: „Na gut, das nächste Mal werde ich aber zuschlagen.“

Der Laden, der jetzt angesteuert wurde, versprach den günstigen Erwerb von Autoteilezubehör. Die Werbung war auch hier vielversprechend:

„Sale, Sale, Sale“

Diesmal drängte Elsa:

„Wir gehen da jetzt rein und machen ein Schnäppchen.“ Kurt: „Aber wir haben doch gar kein Auto!“

Elsa: „Hast du nicht das Schild gesehen ‚Kauf drei Reifen, bezahle nur für zwei‘?“

Kurt: „Für ein Auto brauchen wir aber vier Reifen. Aber was soll überhaupt der Unsinn?“

Elsa: „So ist das, lieber Kurt, mit der Werbung, wenn wir alles so machen wie angekündigt, haben wir, obwohl kein Auto, drei neue Reifen und deinen 17. Anzug.“

Glücklich und zufrieden machten die Eheleute sich irgendwann auf den Heimweg mit dem Gedanken:

„Heute haben wir viel Geld gespart. Keine Bank kann uns so viel bieten. Übermorgen machen wir wieder einen Bummeltag.“

Eigentlich wollten Elsa und Kurt am Abend Halma spielen. Doch dann entschieden sie sich, den Sender RTL einzuschalten. Da waren nämlich äußerst spannende Werbepausen zu sehen.

Heinz Zemke

Die Erbschaft

Susanna, auch Susi genannt, war nicht mehr ganz jung an Jahren, saß missmutig mutterseelenallein zu Hause und schaut sich im Spiegel an. Sie hat wirklich viel Pech im Leben gehabt. Es fing damit an, dass sie, als der liebe Gott die Schönheit verteilte, ihren Finger nicht hoch genug gehoben hatte.

Eigentlich war sie ja ein liebes, charmantes Wesen, mit Sommersprossen und Grübchen ausgestattet und mit einem spitzbübischen Lächeln versehen, welches sie allerdings zu selten benutzte, um bei der Partnersuche erfolgreich zu sein.

Susi trauert seit vielen Jahren ihrer Jugendliebe nach, sie konnte ihren Eugen einfach nicht vergessen.

Fast drei Jahre war sie mit Eugen fest zusammen, fast verlobt, und im stillen Kämmerlein schmiedete sie im Geheimen sogar schon Heiratspläne, eine Schar Kinder, Haus und Garten im „Grünen“ inbegriffen.

Ihr Eugi, wie sie ihn liebevoll nannte, fühlte sich wohl noch zu jung für eine dauerhafte Verbindung und so war es nicht verwunderlich, dass er eines Tages mit ihrer besten Freundin Adele eine Liebelei begann und mit ihr über alle Berge ging.

Adele war hübsch, fesch, unbekümmert und wollte nur eins: Party, Party, Party.

Viele Dinge gingen Susi durch den Kopf, als sie nun vor dem Spiegel saß und über ihre verpassten Chancen nachdachte.

Schlaflose Nächte, schlimme Träume und eine Mordswut hatte Susi seitdem und nicht selten dachte sie:

„Adele hat mein Glück zerstört und mir meine große Liebe weggenommen, in der Hölle soll sie braten! Ach, ich gehe jetzt schlafen, morgen werde ich die Angelegenheit endgültig abhaken und weitersehen, vielleicht winkt mir nun doch noch das große Los“, dachte Susi und macht sich bettfertig.

Und tatsächlich, am nächsten Tag geschah etwas Unglaubliches:

Die Türklingel schellt, und der Briefträger überreicht ihr ein Einschreiben. Susi überflog den Absender, ein Notar aus Massachusetts aus dem fernen Amerika machte sie neugierig, und noch im Flur riss sie den Umschlag auf. Sie las den in Englisch geschriebenen Brief:

„Dear Miss Susanne Unverzagt, It’s my pleasure to inform you that you have inherited 1 Million Dollars.”

Susi stockte der Atem, sie soll 1 Million Dollar erben. Sie muss sich hinsetzen und den weiteren Wortlaut des Briefes verarbeiten.

Da ging aus dem Brief hervor, dass ein Onkel, an den sie sich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte, in jungen Jahren nach Amerika ausgewandert war. Er hatte als Tellerwäscher seine ersten Dollar verdient, sich dann der Goldgräberei zugewandt und ist später ins Immobiliengeschäft eingestiegen, womit er dann zum vielfachen Millionär wurde.

Durch seinen lockeren Lebenswandel kam es nie zu einer Heirat, Kinder konnte der Notar bei seinen Recherchen auch nicht ermitteln und so blieben diverse Nichten und Neffen übrig, da der Onkel sechs Geschwister hatte.

Susi konnte nicht an sich halten! Nachbarn und einige Freunde wurden herbeigerufen und eine Kiste vom besten Champagner geordert. Nun wollte sie auch mal richtig Party machen. So ein Glück, nach all den Jahren des unglücklich Seins! Sie konnte es einfach nicht fassen!

Schnell hatte sich die Nachricht von ihrem plötzlichen Reichtum herumgesprochen und der Freundeskreis nahm rapide zu. Susi behielt aber den Überblick und dachte vernünftigerweise oftmals:

„Ihr könnt mich alle mal, früher war ich ein Nichts für euch, jetzt brauch ich euch auch nicht!“

Susi hatte fortan schlaflose Nächte – was sollte sie bloß mit all dem Geld anfangen? Weltreise, teure Klamotten, Ballermann auf Mallorca, nein, das war nichts für sie. Da kam ihr plötzlich eine Blitzidee! Die Idee war für Susi so aufregend, dass sie sich gedanklich verhaspelte:

„Warum soll ich denn jetzt den Sand in den Kopf stecken?“

Sie meinte natürlich:

„Warum soll ich denn jetzt den Kopf in den Sand stecken?“

Susi ordnete ihre Gedanken und dachte weiter:

„Mit dem Haufen Geld kann ich doch sicherlich bei Männern punkten und mir einen geeigneten Ehemann angeln.“

Sie kaufte sich also einige Zeitungen, die bekannt dafür waren, mit einem riesigen Heiratsmarkt zu werben.

Eine Anzeige in der Spalte „Partnersuche“ erregte ihr Interesse, es kam zu einem Treffen, aber der Auserwählte war alles andere als ihr Typ, und so verlief die Angelegenheit im Sande.

„Mit so einem Millionenguthaben bin ich schließlich eine gute Partie und kann Ansprüche stellen“, dachte Susi fortan und entschied sich, selbst eine Anzeige in der Bordesholmer Rundschau aufzugeben.

Und so erschien einige Tage später folgende Annonce: „Gibt es einen lieben Mann, der noch nicht den Glauben an die große Liebe verloren hat? Wünsche mir einen flotten älteren Herren, Aussehen egal, eventuelle Behinderung kein Problem, da Krankenschwester. Bin selbst keine Schönheitskönigin, gehöre auch nicht mehr zum jungen Gemüse, bin ledig, wohlgeformt und habe das Alleinsein satt. Keine finanziellen Interessen, da selbst nicht unvermögend.“

Wie sich später herausstellte, hätte sie die Bemerkung „nicht unvermögend“ lieber lassen sollen.

Gespannt wartete Susi an den nächsten Tagen auf Antworten. Sie konnte es kaum erwarten und ging jeden Tag dem Postboten schon entgegen, der sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen konnte, wieso Frau Unverzagt plötzlich so viel Post erhielt.

Die Auswahl unter all den Zuschriften fiel Susi sichtlich schwer, schließlich entschied sie sich für einen Herrn, so um die Mitte 60, der aufgrund des beigefügten Fotos aber kaum älter als 40 Jahre sein konnte.

Alles in dem Schreiben von Herrn Fabian von der Lohe passte zu ihrem Wunschpartner, nämlich Alter, Größe etc. und so kam es bald zu einem ersten Treffen im Café „Zum einsamen Herzen.“

Vor allen Dingen die adelige Abstammung imponierte Susi dermaßen, dass sie jedes Mal errötete, wenn sie ihre Errungenschaft ihren engsten Freundinnen vorstellte.

Der Name mit der blaublütigen Abstammung raubte ihr fast den Verstand und bei dem Gedanken, eventuell bald selbst diesen Namen tragen zu können, wurde sie blind vor Liebe.

Ihr sonst einigermaßen guter Menschenverstand funktionierte plötzlich nicht mehr.

Es folgten zwei schöne Wochen mit ihrem Schatz und es fiel ihr nicht auf, dass der adelige Freund immer knapp bei Kasse war.

Sie bezahlte gern die Zeche in vornehmen Restaurants und Cafés und half großzügig aus, wenn es darum ging, die Taxifahrt in ein verschwiegenes Liebesnest zu finanzieren.

Es waren schon abenteuerliche Vorwände, wenn ihr Fabian ihr vorschwatzte, in welcher finanziellen, unverschuldeten Situation er sich befand.

Die leichte Behinderung, mit der Susi ja in der Anzeige geworben hatte, nutzte Fabian, ohne dass sie es merkte, schamlos aus.

Immer, wenn er seine Stimme verstellte und lispelte „Ach Susi, mein Susileinchen, wenn ich Dir so ansehe, wird mir immer ganz schwach ums Herz“

schaltete Susis Verstand auf Pause und sie merkte nicht, dass es mit seiner Schulbildung auch nicht weit her war. Susi hatte ja auch nicht immer die Sonnenseiten des Lebens erfahren und so glaubte sie ihm jedes Wort, vor allen Dingen dann, wenn er ihr die Worte „Susileinchen“ und „Susimaus“ ins Ohr flüsterte.

Mal waren es die Zahnschmerzen, die eine teure Behandlung erforderten. Tausende von Euro wurden plötzlich erforderlich, um die Reparatur seines Porsches, den es in Wirklichkeit gar nicht gab, zu begleichen.

Da kam auch noch die Nachricht, dass eine enge Verwandte im Ausland teure Medikamente benötigt und sein bester Freund im Knast saß und eine Riesensumme an Kaution zwecks Freilassung brauchte.

Zum Schluss sollte ihr Fang mit der aristokratischen Abstammung, um eine Erbschaft antreten zu können, eine Honorar-Vorauszahlung in Höhe von 15.000 Euro leisten.

Susi beglich die angeblichen Verbindlichkeiten ohne mit der Wimper zu zucken, zumal ihr Prinz ihr hoch und heilig, natürlich nur mündlich, versicherte, alles auf Heller und Pfennig plus Zinsen bei Erhalt der Erbschaft zurückzuzahlen.

Die treuen Augen versprachen nur Gutes und wenn er dann vor ihr kniete und lispelte:

„Ach Susi, du bist die Beste, Susilein, du bist süß“, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen und so landete sie in seinen Armen und dort, wohin gewöhnlich frisch vermählte Hochzeitspaare in der Hochzeitsnacht sich zurückziehen.

Eines Morgens, so gegen vier Uhr in der Frühe war es wohl gewesen, als schellte plötzlich die Türklingel. Schlaftrunken ging Fabian zur Tür, um zu sehen, wer da zu nachtschlafenden Zeit bimmelte.

Er wurde kreidebleich, als er den Ruhestörer erkannte, der ihm eröffnete:

„Mein Name ist Kommissar Meiser. Sind Sie Herr Kurt Mommsen aus Bremen?“

„Ja, das bin ich“, erwiderte Kurt M. Er wusste, dass er keine Chance hatte.

„Ich verhafte Sie wegen erneuten Heiratsschwindels“, flötete der Kripomann Meiser,

„kommen Sie bitte mit.“

Und Frau Susi Unverzagt, die durch den Lärm aufgeschreckt an der Tür erschien, erhielt die freundliche Einladung, doch am nächsten Tag zwecks Zeugenaussage auf dem zuständigen Revier zu erscheinen.

Susi war völlig ratlos und verstört! Ihr Glauben an das Gute auf dieser Welt war restlos dahin, als sie erfuhr, dass ihr verehrter Fabian in Wirklichkeit ein übler Verbrecher war, der wegen Heiratsschwindels und sonstiger Betrügereien bereits acht Jahre im Knast gesessen hatte und jetzt wieder für längere Zeit hinter Gitter kommen würde.

Auf dem Heimweg vom Revier murmelte Susi fortlaufend vor sich hin:

„Du hast mich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Was hätte ich alles mit dem verlorenen Geld machen können. Hätte ich doch bloß den Onkel aus Massachusetts nicht gehabt. Mir wäre vieles erspart geblieben. Viele Leute sagen ja: Geld macht nicht glücklich, aber jetzt glaube ich an das Sprichwort.“

Später fiel Susi ein, dass sie noch einen großen Blumenstrauß besorgen musste. Den sollte eine Sparkassenmitarbeiterin bekommen. Die Dame hatte bemerkt, dass mit Herrn Fabian etwas nicht stimmte und die Kripo informiert.

„So ein Heiratsmarkt in der Zeitung kann mir in Zukunft gestohlen bleiben, ich überlasse meine Partnersuche jetzt dem Zufall oder versuche es im Internet. Und jetzt gehe ich ins Café „Zum einsamen Herzen“, wo heute Tanztee stattfindet. Vielleicht läuft mir ja dort ein netter Herr über den Weg.“

Heinz Zemke

Die Schlange

Da wir ja in der Nähe diverser Lebensmittelmärkte wohnen, kommt es häufig vor, dass irgendetwas auf die Schnelle besorgt werden soll.

Mir fiel neulich ein, dass meine Tube Zahnpasta nur noch laue Luft enthielt. Eine Neue musste also her: Alles kein Problem!

In zirka acht Minuten war ich mit meinem schnellen E-Bike beim nächsten Geschäft.

Aus Wettbewerbsgründen wird von mir der Name des Betriebes nicht genannt, ich will schließlich keinen Ärger haben.

Aber so wie hier geschildert sind die Erlebnisse in einer Warteschlange in Lebensmittelmärkten in ganz Deutschland wohl identisch.

Zurück zu meinem Einkauf. Wenn alles gut läuft, bin ich also in zirka 20 Minuten wieder zu Hause. Aber, verdammt noch mal, an diesem Tag war ich, wie so oft bei Kleineinkäufen, fast eine Stunde unterwegs und mein geliebter Nachmittagskaffee war nur noch lauwarm.

Wenn ich den Laden betrete, scheint er mir oft leer zu sein. Ich glaube, dass es jeden Tag einige Augenblicke geben muss, an dem ich nach dem Einkauf direkt an die Kasse gehen könnte und sofort dran käme.

Leider erwische ich diese Augenblicke nie!

Wenn ich also meinen kleinen Einkauf bezahlen will, befinden sich oft vier bis sechs Kunden vor mir, die ihr Wägelchen vollgeladen haben. Ich will mich aber nicht beklagen! Oft habe ich schon erlebt, bloß heute nicht, dass vorstehende Kunden, zumeist sind es Damen, mit freundlichen Worten sagen:

„Ach, Sie haben nur eine Kleinigkeit, gehen Sie bitte vor!“

Mein Dankeschön ist den freundlichen Mitmenschen immer gewiss und ich verspreche jedes Mal, mich bei Gelegenheit zu revanchieren.

Ich kann mir dabei oft nicht verkneifen zu sagen:

„Wenn Sie die Freundlichkeit immer walten lassen, stehen Sie heute Abend noch hier.“

Ich stehe also in der Schlange und da ich kein besonders ungeduldiger Mensch bin, betreibe ich Charakterstudien.

Da ist vor mir der ältere Herr, der an der Kasse erschreckt feststellt, seine EC-Karte vergessen zu haben. Bargeld hat er natürlich auch nicht dabei. Zu allem Überfluss muss er dann mit seinem Gemüseeinkauf zurück in die entsprechende Abteilung, da er versäumt hat, die Ware abzuwiegen. Wie der Kunde es schließlich geschafft hat, die Waren ohne Bezahlung mitzunehmen, konnte ich leider nicht genau feststellen. Hat er eventuell seinen Ehering als Pfand hinterlassen?

Eine junge Dame, wohl etwas angeheitert, versucht zum fünften Mal ihre PIN-Nummer einzugeben. Jedes Mal vertippt sie sich und die hinter ihr Wartenden fangen an zu lästern: ob die Dame wohl aus Grevenkrug stammt? Meines Wissens soll es ja dort so etwas wie ein Haus der Glückseligkeit geben. Auf jeden Fall sehe ich einige männliche Wesen, die der aufreizend angezogenen, wohlgeformten Weiblichkeit sehnsüchtige Blicke hinterherwerfen.

Plötzlich der Aufruf einer genervten Kassiererin:

„Bitte Kasse drei besetzen!“

Ich flitze also los, um an der noch leeren Kasse drei der erste Kunde zu sein. Doch die Idee haben andere Wartende auch gehabt, und so lande ich trotz äußerst sportlicher Fitness wieder an vierter Stelle in der neuen Warteschlange.

Man sagt mir nach, ich sei in meiner fußballerischen Glanzzeit der schnellste Rechtsaußen des Bordesholmer Umlandes gewesen, aber die ältere Dame vor mir hängt mich doch tatsächlich ab! Sie muss wohl mal mit Weltklasseläufern wie Armin Harry bzw. Heinz Fütterer trainiert haben.

Da, ein komisches Geräusch aus der Jackentasche eines Herrn vor mir. Es könnte etwas mit Musik zu tun haben. Jetzt bin ich aufs Äußerste gespannt, was wohl passiert. Es gibt ja Leute, die beim Klingeln des Handys nach draußen gehen, hier war es aber nicht der Fall. Der Herr holt also sein Gerät aus der Tasche und spricht ruhig und behutsam mit dem kleinen schwarzen Minitelefon:

„Ja, hier ist der Papilein. Ja, mein Püppchen, dem Papi geht’s gut. Ja, der Muttilein geht es auch gut.“

Es entsteht eine Pause, der Mann atmet tief durch, dann geht das Gespräch mit seiner Püppilein weiter:

„Ja, dem Papilein geht es sogar sehr gut… Ja, du bist ganz lieb. Papilein auch ganz lieb und Muttilein auch ganz lieb… Ja, dem Papilein geht es sehr, sehr gut… Ja, ganz toll, dem Papilein geht es wirklich ganz gut. So, Püppilein, jetzt leg mal das Handy schön beiseite… Ja, dem Papilein geht es sehr, sehr gut!“

Jetzt entsteht eine kleine Pause, der Herr holt tief Luft und schreit:

„Ja, zum Donnerwetter, dem Papa geht es gut!“

Anscheinend hat der Herr vor mir mit seiner kleinen Tochter gesprochen, die schon, kaum, dass sie die Windeln nicht mehr benötigt, ein Handy oder etwas Ähnliches besitzt, um alle möglichen Leute zu nerven.

Ein elegant gekleideter Herr wird gerade an der Kasse abgefertigt und macht ein Heidenspektakel. Er regt sich fürchterlich auf und macht die Kassiererin an:

„Was fällt Ihnen ein, immer neugierig in meinen Wagen zu schauen, ob ich eventuell etwas nicht auf das Laufband gelegt habe? Sie behandeln mich wie einen Betrüger. Bitte holen Sie sofort Ihren Chef, ich will mich beschweren!“

Zufällig kenne ich den Herrn und schalte mich ein:

„Fritz, nun halte dich mal zurück. Die Dame will dich nicht bloßstellen. Sie ist von der Betriebsleitung dazu angehalten worden, diese Prüfung vorzunehmen. Sie will schließlich ihren Job behalten und nicht riskieren, eine Abmahnung zu bekommen.“

Ich kann Fritz beruhigen, und er entschuldigte sich bei der Kassiererin.

Gedanklich sehe ich schon schwarz für meinen Nachmittagskaffee und die Telenovela „Tierärztin Dr. Mertens“ kann ich wohl auch abschreiben. Dabei hätte ich doch zu gern gewusst, warum sich die Elefantenkuh nicht mit dem Zebrahengst verträgt.

Plötzlich entsteht vor mir ein fürchterliches Gezeter.

Eine junge, anscheinend überforderte Mutter, schimpft in rabiater Form mit ihrem vierjährigen Sohn, der unbedingt noch eine Tüte Bonbons haben will. Wortlaut:

„Du hast schon beim Schlachter eine Wurst bekommen, das reicht für heute!“

Missbilligend schütteln die wartenden Kunden über das Verhalten von Mutter und Kind den Kopf.

Sie haben ganz vergessen, dass sie auch einmal klein gewesen sind.

Mittlerweile hat sich der Pulk vor mir aufgelöst. Ich bin jetzt dran und die Kassiererin sagt zu mir:

„Tut mir Leid, dass Sie so lange warten mussten!“

„Macht gar nichts, bis zum nächsten Mal“, sage ich und packe ein. Als ich das Geschäft verlasse, sehe ich einen freundlichen jungen Mann mit der Zeitung „Hempels“ am Türeingang stehen. Jeden Tag eine gute Tat, denke ich, und ein nettes „Vielen Dank“ ruft er mir hinterher, nachdem ich ihm ein Exemplar des Straßenmagazins abgekauft und noch ein Trinkgeld gegeben habe.

Jetzt aber ab nach Hause! Da fällt mir ein, dass ich noch etwas in die Box der „Tafel“ legen wollte. Morgen werde ich das nicht vergessen, wenn ich Mehl, Zucker und sonstige haltbare Lebensmittel besorge.

Viel habe ich erlebt an diesem Nachtmittag. Der Verzicht auf Kaffee und Telenovela war gut zu verschmerzen.

Ich freue mich schon auf meine nächste leere Tube Zahnpasta!

Heinz Zemke

Ein Traum

Wir schreiben das Jahr 2035.

Herr Willi Frohgemut und seine Frau Hermine werden morgens um sechs Uhr geweckt. Nein, nicht durch einen gewöhnlichen Wecker, das war einmal und ist 20 Jahre her.

Man muss schließlich mit der Technik Schritt halten und so hat das Ehepaar sich einen Roboter, liebevoll von beiden „Sausewind“ genannt, angeschafft, der erkennt, wann die beiden ausgeschlafen haben und es Zeit zum Aufstehen ist.

Der Hilfsmann „Sausewind“ flitzt also zur vorbestimmten Zeit wie irre durch alle Räume und staubsaugt, auch dort, wo eigentlich nichts sauber zu machen ist.

Willi hat das Gerät so einstellen lassen, dass zur Weckzeit der Reinigungsapparat im Schlafgemach lauthals ruft:

„Aufstehen, raus aus den Federn!“

Der Weckruf ist natürlich mit anheimelnder Musik, zur Zeit von Andrea Berg, verbunden, und so fällt es dem Paar leicht, die kuschelige Lagerstätte zu verlassen.

Willi denkt vor sich hin:

„Unglaublich, die Andrea Berg war vor 20 Jahren meine Lieblingssängerin, und jetzt ist sie immer noch ein Star, wie macht sie das bloß?“

Die Antwort darauf liefert Andrea Berg mit ihrem neuesten Hit, nämlich:

„Wer rastet der rostet, darum tralali, tralala, wir sind alle fröhlich und singen Bumsfallera.“

Der Text ist zwar nicht sehr geistreich, die Musik geht aber ins Ohr. Wird bestimmt ein Partyknaller.

Willi hat zwar, trotz eifriger Bemühungen, die technischen Raffinessen des Weckgerätes nie verstanden, und wird sie auch in Zukunft wohl nie verstehen, aber ein Verzicht auf die modernen Errungenschaften kommt auch nicht in Frage.

Alle paar Monate wird übrigens das Weckgeräusch geändert: Mal ein lautes Vogelgezwitscher, dann der tolle Klang eines Motorrades der Marke Harley Davidson und falls man noch etwas länger im Bett bleiben will ertönt nach Knopfdruck die Einschlafmelodie „Ade, nun zur guten Nacht“.

Nach der Morgentoilette begeben sich Willi und Hermine an den Frühstückstisch und müssen zu ihrem Schrecken feststellen, dass sie vergessen haben, am Vortag Eier, Kaffee, Marmelade und Brötchen zu besorgen. Seit geraumer Zeit wird nämlich das ‚Denken’ einem speziellen Gerät überlassen, welches sich automatisch hörbar meldet, wenn Essensvorräte bzw. Getränke zur Neige gehen. Die Technik muss dieses Mal versagt haben und so beschließt der auf Fortschritt bedachte Willi, noch am gleichen Tag ein neues Modell zu bestellen. Er hatte vor einigen Tagen erfahren, dass der neue Typ in der Lage ist, den Inhalt von Kühl- und Küchenschrank zu überprüfen, und die fehlenden Waren selbst beim nächsten Kaufmann bestellt.

Auch der Bringedienst der Ware erfolgt auf Wunsch, was am Ende zur Folge hat, dass Hermine und der Hausherr tagsüber kaum noch aus dem Sessel hochkommen und die BMI-Werte ungeahnte Höhen erreichen.

Früher hat das Ehepaar von seiner Krankenkasse, die mit dem Slogan wirbt: „Fit noch mit 120 Jahren“, jährlich eine Prämie für gesundheitsbewusstes Verhalten bekommen.

Jetzt müssen die zwei befürchten, infolge der fehlenden Bewegung – Sport ist für sie Mord – bald zu einer Strafprämie verdonnert zu werden.

Nachdem man sich also am Frühstücksmorgen mit Essensresten vom Vortag gestärkt hat, macht sich gegen Mittag Hunger bemerkbar. Eigentlich hat das Paar noch keinen Appetit, aber die neue Automatik hat mit ihren Hunger- und Durstsensoren genau errechnet, wann Hunger- und Durstgefühle aufzukommen haben.

Willi und seine Gattin sind richtig verliebt in die neue Errungenschaft und posaunen in die Welt hinaus: „Was haben wir alles versäumt in den letzten 20 Jahren, schade, dass wir jetzt alt sind und nicht mehr alle Neuheiten nutzen können.“

Ganz gegen ihre Gewohnheit gesteht Hermine ihrem Mann, dass sie heute keine Lust hat, Mittagessen zu kochen. Das Horoskop in den Kieler Nachrichten war für sie ein gefundenes Fressen, ihrem Willi zu sagen:

„Willi, hier steht, für heute sollte jede Anstrengung vermieden werden. Keine Wäsche waschen, Baden verschieben, nicht kochen und keine außereheliche Liebelei beginnen.“

Willi startet also sein Auto und fährt mit seiner besseren Hälfte in den nächsten Ort, nämlich Techelsdorf, um dort zu speisen.

In Höhe Reesdorf wird er plötzlich von einer Polizeistreife gebremst, da die Fahrweise etwas ungewöhnlich war.

Willi war eingeschlafen, hatte vorher seine Pilotenkanzel, wie er liebevoll das Innerste seines Autos nannte, auf Automatik gestellt, die Beine aufs Armaturenbrett gelegt und Zeitung gelesen.

Die Polizei reagiert entsetzt, als der Fahrer verkündet: „Was wollen Sie denn, ich hab doch mein Navi angestellt?“

Nach langem Gezeter mit der Polizei kommen Willi und Hermine endlich bei der ‚Gastwirtschaft Jöns’ an. Ein Schild vor dem Lokal verkündet: ‚Eisbein satt, so viel Sie mögen’.

Das ist das richtige für die hungrigen Mäuler, aber das Erstaunen der zwei ist groß, als der Kellner zwei Kinderteller bringt, gefüllt nur mit Sauerkraut.

Auf die Frage, was das solle, bekommt das Ehepaar die Antwort:

„Unser Computer ist derart mit Sensoren ausgestattet, dass er genau weiß a) was die Kunden essen/trinken dürfen und b) wieviel sie essen/trinken dürfen. Sie, Herr Frohgemut, und ihre Frau haben heute bereits jeweils 1800 Kalorien zu sich genommen. Es war Ihr Wunsch, alle Kellner/innen zu informieren und „Stopp“ zu sagen, wenn die Kalorienanzahl erreicht ist.“

Missmutig tritt das Ehepaar mit leerem Magen den Heimweg an. Willi ist außer sich: „Wir fahren jetzt nach Westensee, ins ‚Café Zeit’, trinken dort Kaffee und gönnen uns ein großes Tortenstück. Die haben nämlich dort noch keinen Computer, der uns vorschreibt, was und wie viel wir essen dürfen. Ich pfeife auf den BMI-Wert, die schlanke Linie und bezahle lieber Strafgeld an meine Krankenkasse. Was soll’s!“

Als das Ehepaar am Abend vor dem Fernseher sitzt, sagt Hermine:

„Willi, weißt du was? Früher war alles viel schöner…“

Plötzlich rasselt der Wecker. Es ist 6 Uhr 15 in der Frühe und Willi wacht schweißgebadet auf. Er weckt seine bessere Hälfte und erzählt ihr, was er geträumt hatte. Beide sind froh, dass alles nur ein Traum gewesen ist.

Heinz Zemke

Statistiken im Marktgeschehen

Herr Kurt Trinkfuß und Gattin Elke kommen gerade von einer Feier.

Anlass war der Geburtstag eines Kollegen, und da ging es richtig rund. Häppchen, Schnaps, Bier, Wein, Selter und alles was sonst das Herz begehrt, wurde anlässlich des Festtages aufgetischt.

Bevor es zum Ausnüchterungsschlaf geht, wirft Kurt noch einen Blick in die Tageszeitung. Das, was er dort liest, erzeugt pures Erstaunen und sein schlechtes Gewissen schlägt.

Es ist zu lesen:

„Nach Angaben des statistischen Bundesamtes konsumiert jeder Einwohner in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 100 Liter Bier, 20 Liter Wein, 4 Liter Sekt und mehr als 5 Liter Schnaps.“

Herr Trinkfuß ist von den Zeilen deutlich frustriert, da der Hinweis nicht fehlt, dass somit - statistisch gesehen - alle Deutschen Alkoholiker sind. Doch dann, nach reiflicher Überlegungen, lehnt sich Kurt gemütlich in seinen Schlafsessel zurück und denkt:

„Na, da kann ich ja mal richtig zuschlagen! Mit dem Bier könnten die Statistikfritzen noch Recht haben, aber die übrigen Laster habe ich nicht. Auch meine Leber macht mir ja noch keinen Kummer.“

Als er seiner Elke von seinen Erkenntnissen berichtet, ist sie voller Stolz mit dem Wissen, dass ihr Kurt, statistisch gesehen, kein Durchschnittstrinker ist.

Frau Trinkfuß schnappt sich jetzt die KN und zuckt zusammen. Gerade am Vortag hatte sie gelesen, dass laut Statistik über 70% der Bevölkerung mit mehr als 30 Tausend Euro verschuldet ist.

„Mit mir und meinem Mann hat kein Mensch darüber gesprochen, woher wollen die Schlauberger das überhaupt wissen“ denkt sie sich, „und heute entnehme ich der Presse, dass jeder Bundesbürger mindestens 40 Tausend Euro an Barvermögen besitzt. Da stimmt doch etwas nicht!