Das Tage- und Bilderbuch eines erfüllten Traums.
Spontan mit 3 Bekannten „mal schnell“ 13.500km mit der BMW F 650 GS DAKAR von Düsseldorf über Polen, Litauen, Lettland, via Moskau, Kazan, Novosibirsk, Irkutsk, Tschita, Khabarovsk nach Vladivostok – dem Ende des eurasischen Kontinents.

Ein Buch von Jochen Stather

Fotos: Jochen Stather, Benito Lotz, Achim Schmitt & Susi Boxberg (7)

Redaktion: Jochen Stather

Gestaltung: Jochen Stather

Herstellung/Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

4. komplett überarbeitete Auflage, September 2007

© 2007 by Jochen Stather, Sinzig

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung von Jochen Stather vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM.

Internet: www.joedakar.com

Email: joe@joedakar.com

ISBN 978-3-7322-5162-9

Für mich und alle Träumer dieser Welt!

„Das Losfahren ist der schwierigste Teil einer Reise“

Vorwort

Dies ist die Abschrift meines Tagebuchs, das ich während unserer Tour von Düsseldorf nach Vladivostok täglich geführt haben. Einzig einige Details zur Strecke und zu Städten habe ich im Nachhinein hinzu gefügt. Ganz bewusst habe ich auf die üblichen spannungssteigernden Mittel eines Romans oder klassischen Reiseberichtes verzichtet, da ich nackt und ungeschönt zeigen möchte, was auf einer solchen Tour, mit 4 Leuten alles passiert. Das es sonnige und regnerische Tage gibt, gute und schlechte Laune und das es ganz alltägliche Dinge gibt, die unterwegs zum Problem werden können.

Ich möchte Lust machen, sich dem Abenteuer einer solchen Tour in die eigenen Träume, die eigene Persönlichkeit und die weite Welt zu stellen, aber gleichzeitig eben auch zeigen, dass es nicht immer ein Zuckerschlecken ist.

Alles was hier beschrieben wird, habe ich so erlebt – was alle Erlebnisse zu einer ganz persönlichen Einzel-Erfahrung macht. Wir haben Reisende getroffen, denen es völlig anders ergangen ist als uns...

Sommer 2004, Jochen Stather

Prolog

Was macht man, wenn der Plan für einen Sommer fehlt?

Man fährt mal schnell mit dem Motorrad quer durch Russland.

Aber der Reihe nach:

Die Geschichte beginnt im Winter 2002, als ich, mitten in der Planung für einer Motorradreise, im Internet die Webseite von Achim und Susi entdecke. Die beiden haben ein Jahr zuvor spontan den Motorradführerschein gemacht, zwei Motorräder gekauft und sind von Köln nach Kapstadt gefahren. Die beiden muss ich kennen lernen. Es folgen einige lustige Abende mit viel Kölsch und letztendlich die Idee im Frühjahr gemeinsam zu einem kleinen Motorradtreffen in den Westerwald zu fahren.

Da mir die Perspektive für den Sommer fehlt – ich habe mich gerade selbständig gemacht und alle Kunden die mir im Vorfeld Aufträge versprochen haben, haben plötzlich selbst nichts mehr zu tun – reift in mir der Plan, einen kleinen Motorradausflug Richtung Osten zu machen. Angedacht sind etwa vier Wochen in Richtung Ukraine. Bei der Planung hierzu lerne ich Benito, einen 43-jährigen Unternehmer aus Treffurt im Internet kennen und schnell ist vereinbart, dass wir uns auch im Westerwald treffen werden.

Kurz vor dem Treffen im Westerwald passiert es dann: Christoph, ein guter Freund der selbst gerade 14 Monate mit dem Motorrad um die Welt gefahren ist, schickt mir per Mail die Einladung zu dem erstmals stattfindenden Motorradtreffen „Facing the ocean“ am Ende des Eurasischen Kontinentes, in Vladivostok. Sein einziger Kommentar in der Mail: „Da wirst Du wohl hin müssen“.

Aus purem Jux erwähne ich während des Treffens im Westerwald immer wieder diese Einladung und bald wird Vladivostok zum Running-Gag in der inzwischen entstandenen Vierergruppe.

Vladivostok – dieser Name spukt schon viele Jahre in meinem Kopf herum. Die Stadt, die ganz am süd-östlichen Ende des größten Flächenstaates der Erde liegt. Einmal quer durch Russland – dieses riesige Land, mehr als doppelt so groß wie Australien, fast fünfzig mal so groß wie Deutschland, ein Land voller Geheimnisse und Unbekannten. Russland erstreckt sich über 11 Zeitzonen – dämmert im Westen der Morgen, so ist der Tag im Osten schon wieder zu Ende. Wilde Geschichten und Vorurteile ranken sich um dieses Land.

Einige Wochen und viel Gerede über Vladivostok später, geht so etwas wie ein Ruck durch die Gruppe – warum eigentlich nicht. Wir haben alle den Sommer über nichts zu tun, also setzen wir uns ein vier wöchiges Ultimatum. Bis dahin wollen wir versuchen Sponsoren zu finden, die Visa zu organisieren und unsere Familien auf das Unweigerliche vorzubereiten. Schaffen wir das, dann fahren wir.

In dieser kurzen Zeit Sponsoren aufzutreiben ist praktisch unmöglich, trotzdem können wir einige Firmen von unserer Tour überzeugen. Nur den eigentlichen Aufhänger, nämlich deutsches Bier nach Vladivostok zu bringen, den müssen wir fallen lassen, da sich keine Brauerei findet, die uns unterstützen möchte. Immerhin, Ersatzteile, Koffer, Hauptständer, Packtaschen und Federbeine werden gesponsert und belasten so unsere Reisekassen nicht weiter. Ganz schaffen wir die gesteckten Ziele nicht, aber das kann uns auch nicht mehr aufhalten.

Als gemeinsamen Reisestart wählen wir Berlin und tatsächlich, drei Tage vor der geplanten Abfahrt treffen die russischen Visa bei uns ein, die wir dank eines großzügigen Sponsors auch aus dem kleinen Sponsorenbudget bezahlen können.

Am 23. Juni geht es los und ab hier folgen nun die Tagebucheinträge der Tour.

Montag, 23. Juni 2003

Der letzte Tag zu Hause. Gestern schon habe ich alle Sachen in der Wohnung verteilt und gepackt. Noch immer fehlen der Hauptständer, die externe Festplatte für die Digitalfotos, der Regenschirm von Kathrin, der Gehörschutz und die Reifen für Achim. Trotzdem habe ich beschlossen, heute auf jeden Fall noch Richtung Berlin aufzubrechen – was heute nicht mehr kommt, bleibt eben hier. Schnauze voll! Und siehe da, erst kommt der Gehörschutz, dann die Reifen für Achim und zu guter Letzt auch noch der Hauptständer und der Regenschirm. Für die Festplatte werde ich wohl in Berlin eine andere Lösung finden müssen. Den Hauptständer montiert ich gleich und das ist zum Glück auch in 10 Minuten locker erledigt. Schweiß gebadet packe ich dann vor der Haustüre die ganzen Sachen auf das Moped und auch das klappt wider erwarten auf Anhieb. Die Reifen für Achim gebe ich beim Schlecker ab, er wird sie dort im Laufe des Tages abholen. Dann endlich in die Motorradklamotten, die Wohnung startklar gemacht und mich zwischen Gepäckrollen, Reifen und Tankrucksack auf mein Moped gequetscht. Puh, jetzt nur nicht mit dem vollgepackten Moped vor der Haustüre umfallen...

Die Probefahrt dauert genau 2 Minuten – bis zur Fahrschule um die Ecke. Dort gönne ich mir einen entspannten Abschiedskaffee bei Eva. Weiter geht es zu Alex in’s Hotel. Sie passt auf meine Wohnungsschlüssel und den Briefkasten auf. Dann noch schnell einen Kaffee bei BMW. Dort nehme ich auch die letzten Ersatzteile mit. Und endlich, so gegen 17:00 mache ich mich in Begleitung einer sehr schwarzen Wolke auf den Weg Richtung Berlin. Die erste Stunde stehe ich im Stau. Mit dem dick beladenen Moped traue ich mich am Anfang einfach nicht zwischen den stehenden Autos hindurch um dem Stau zu entkommen. Aber auch dieser Stau hat ein Ende, gemütlich, mit ca. 5.000 U/Min geht es Richtung Berlin. Immer im Blick eine Unwetterwolke, die apokalyptisch von der untergehende Sonne beleuchtet wird. Aber ich habe Glück und fahre dem Sturm hinterher. Mehr als eine nasse Fahrbahn und abgerissene Blätter und Zweige bekomme ich nicht zu spüren. Immer wieder schaltet sich unterwegs mein GPS aus. Nicht das dies auf dem Weg nach Berlin ein Problem wäre, aber wie soll das in Russland werden?

Zwei gute Freunde, Andreas und Franziska, sind mein heutiges Ziel in Berlin. Bei Pizza und einer Menge Bier klingt der erste Reisetag entspannt aus. Tut gut, mal wieder etwas mehr Zeit mit den Beiden zu verbringen.

Dienstag, 24. Juni 2003

Geweckt werde ich morgens um 07:00 von einem wild gewordenen Rasenmäher. Nach einem fulminanten Frühstück fahren Andreas und ich in die Stadt, um letzte Besorgungen zu machen. In einem Fotoladen – ich muss ja noch eine Lösung für die nicht gelieferte Festplatte finden – treffen wir auf einen Verkäufer, der mir Reiseziel und Motorradmarke auf den Kopf zusagt. Sehr seltsam! Außer seinem breiten Grinsen erfahren wir auch nicht, wie er zu dieser Vorhersage kommt.

Nach einem gemütlichen Nachmittag trudeln dann nach und nach Benito, Achim und Susi ein. Christoph, der mit seiner Mail an allem Schuld ist, kommt auch noch dazu. Anlass genug für Andreas, einen fetten Schweinebraten in den Ofen zu schieben. Es wird eine richtig schöne Abschiedsparty und Franziska hat auch nichts dagegen, dass Benito spontan um Übernachtungsasyl bittet. Viel zu spät fallen wir in die Betten und ich kann nicht schlafen, da ich zu viel Kaffee getrunken habe.

Abfahrt in Berlin

Mittwoch, 25. Juni 2003

Es geht los! Nach einem weiteren, leckeren Frühstück in Andreas Küche, packen Benito und ich unsere Motorräder, verabschieden uns von Andreas und fahren kurz bei Christoph vorbei. Er würde, ebenso wie Andreas, am liebsten mitfahren. Dann treffen wir uns mit Achim und Susi im Café Einstein auf der Strasse des 17. Juni. Schnell noch etwas Geld aus dem Geldautomaten geholt, Startfotos und ein paar Filmsequenzen vor dem Brandenburger Tor und dann endlich raus aus der Stadt – Jetzt zeigt das GPS die Richtung an: Osten.

Schon bald verändert sich die Landschaft und nach einem letzten Tankstop in Deutschland, landen wir gegen 16:00 völlig unspektakulär in Polen. Direkt hinter der Grenze muss ich mich um meine Kette kümmern, da von ihr äußerst seltsame Geräusche kommen. Die Kette hat gut 20.000km auf dem Buckel und sicherlich ihre besten Zeiten hinter sich; ein paar Kilometer muss sie aber noch halten.

Im Basar von Kostrzyn kaufen wir Brot, Schinken und Käse, gönnen uns einen Schaschlikspieß und feiern unseren ersten Grenzübertritt. Dann geht’s auf der Landstrasse weiter Richtung Osten. Endlose Alleen ziehen sich durch eine wunderbar unberührte Landschaft. In den Dörfern winken uns die Kinder zu, an der Tankstelle werden wir zur Attraktion. Nach einer wunderschönen Fahrt finden wir abseits an einem verwunschenen See einen Platz zum Zelten. Bald knistert das Feuer und wir feiern unseren Start mit einem polnischen Bier. Lange noch sitzen wir am Feuer und philosophieren. Dass der Fisch aus dem See mehr Gräten als Fleisch hat stört heute keinen mehr.

Polnische Allee

Donnerstag, 26. Juni 2003

Vom Vogelgezwitscher geweckt, gibt es eine Katzenwäsche im See, Zähneputzen im sandigen Wasser, leckeren Tee, gemütliches Honig & Käsebrot und dann die Prozedur, die uns für die nächsten Wochen jeden Tag begleiten wird: Sachen zusammensuchen und in die diversen Beutel und Koffer stopfen, Isomatte aufrollen, Zelt abbauen, Schlafsack in den Beutel und dann alles zusammen wieder fest auf dem Motorrad verzurren. Noch mal schnell die Kette gefettet, aber viel ist bei der nicht mehr zu retten. Das Ende dieser Kette ist absehbar.

Eigentlich sieht es nach Regen aus, aber „wenn Engel reisen“ bleibt uns das Wetter natürlich hold. Wieder geht es durch endlose Alleen, kleine verschlafene Ortschaften, vorbei an winkenden Kindern und hart arbeitenden Menschen auf den Feldern. Beim ersten Zwischenstop schauen wir etwas ratlos auf das polnische Speisenangebot auf der Kreidetafel. Das Einzige, das uns vom Namen her eine Assoziation bietet ist “Vlaki”. Hier werden Erinnerungen an „Suflaki“ wach und wir bestellen 4x davon. In Erwartung eines saftigen Fleischspießes schauen wir dann etwas betreten, als wir 4 Schüsseln mit Kuttelnsuppe serviert bekommen. Naja, Mittagessen fällt dann eben aus. Gleich nach dem Anhalten sind unsere Motorräder von einer Schar Kinder umgeben. Entgegen unseres „deutschen“ Sicherheitsdenkens parken wir von Anfang an mit Zündschlüssel im Schloss und lassen auch meistens unsere Klamotten auf den Motorrädern liegen. Die Polen sprechen uns auf Polnisch an, wir antworten auf Deutsch. Nicht sehr ergiebig was den Informationsgehalt angeht, aber immer sehr lustig – es wird auf beiden Seiten viel gelacht. Beim dritten Stop werden wir sogar auf Deutsch begrüßt und freuen uns über einige Hintergrundinformationen. Und weiter geht es in Richtung Osten. Wir gönnen uns den Luxus einer kleinen Irrfahrt auf sandiger Piste tief in die Masuren, aber auch hier ist der richtige Weg schnell wieder gefunden.

Wir müssen uns, ob der schönen Landschaft und dem flüssigen Fahren, zwischendurch zwingen einige Meter Film zu drehen. Es stört irgendwie in der Entspannung und Ruhe, die sich inzwischen in uns breit macht.

Gegen Abend biegen wir an einen See links ab, fahren eine kurze Strecke durch einen Wald und da ist er, der perfekte Zeltplatz. Vor lauter Freude über diesen wunderschönen Platz am See schmeiße ich mein Motorrad in den Rasen: Da wo sie liegt, da bleibt man. Schnell sind die Zelte mit Blick auf den See aufgebaut und die Kocher schnurren vor sich hin. Während ich noch im Essen rühre, tauchen aus dem Wald zwei Herren auf, die die Gebühr für’s Zelten kassieren wollen; so verschlafen ist die Ecke dann doch wohl nicht.

Umgefallen

Der perfekte Zeltplatz

Nachdem wir mit einer Mückenspray-Offensive den Vormarsch der polnischen Moskitos gestoppt haben, einigen Bierchen am Lagerfeuer und Kartoffeln aus der Glut zu Mitternacht fallen mir schließlich müde und mit einem breiten Lächeln im Gesicht die Augen zu.

Freitag, 27. Juni 2003

Beim ersten Aufwachen sieht das Wetter nicht sehr einladend aus, zwei Stunden später jedoch hatte die Sonne ein Einsehen. Wir gönnen uns eine ausgiebige Morgentoilette im See. Herrlich eine so große Badewanne, zwar etwas kalt, aber von der Sonne beschienen. Danach ein gemütliches Frühstück mit Blick auf den See – einfach genial so gemächlich in einen neuen Tag hineingleiten zu können. Schnell sind die Motorräder gepackt und nach einer kurzen Wegplanung fahren wir los. Vom Übermut gepackt fahre ich am Seeufer durch das Wasser – neben einem Grinsen bringt dies auch nasse Füße.

Das Fahren auf den nordpolnischen Nebenstrassen ist eine Wonne: praktisch kein Verkehr, traumhafte Landschaften, verschlafene Ortschaften, winkende Kinder, Radfahrer mitten auf der Straße... Der Straßenbelag wird etwas ruppiger, die Ortschaften und Häuser werden seltener. Plötzlich greifen unsere Reifen in nagelneuen Asphalt. Ein EU-finanziertes Projekt erlaubt uns einige rasante Kilometer auf nagelneuem Straßenbelag. Kurz vor Litauen halten wir an einem Kriegerdenkmal in Ogrodniki. Ob unsere Großväter hier schon einmal waren? Ein seltsames Gefühl, sich auf Boden zu bewegen, auf dem die Generation unserer Großväter mit völlig anderen Beweggründen schon einmal Richtung Osten unterwegs war.

Schon ist die Litauische Grenze in Sicht – erkennbar zu erst an einer kleinen Autoschlange, auf die wir langsam zufahren. Von zwei Herren in Warnweste erfahren wir, dass wir für Litauen eine extra Haftpflichtversicherung abschließen müssen.

Die deutsche Versicherung hat hier keine Gültigkeit. Natürlich sind die Herren uns behilflich und so werden wir für 10 Euro 14 Tage lang Haftpflicht versichert. Lustig, ab der Mitte Polens wollte kein Mensch mehr Euros annehmen und hier wird er plötzlich wieder zur Währung. Beim Abschließen der Versicherung bemerkt Benito, dass er keinen KFZ-Schein für sein Motorrad dabei hat und Susi hat nur einen abgelaufenen, internationalen KFZ-Schein dabei. Wird das gut gehen? Wir fahren an der Autoschlange vorbei bis an die Schranke vor. Als nach 10 Minuten die Ampel grün wird und der Schlagbau sich hebt, starten wir die Mopeds und wollen losfahren. Doch da springt uns einer der Zöllner vor die Räder. STOP! Scheinbar hatte er etwas gegen Drängler. Nach einer halben Stunde warten und einigem Augenzwinkern von Susi werden wir durchgelassen. Der Zöllner, der etwa 30 Meter weiter in seinem Häuschen sitzt, will die Versicherungsscheine, die Fahrzeugpapiere und unsere Ausweise sehen. Susi’s internationale Papiere will er nicht anerkennen und auch sein offensichtlich betrunkener Chef wirft Susi’s Papiere nur kommentarlos in die Ecke seiner Amtsstube. Benito hat ohne Papiere überhaupt keine Chance. Achim und ich dürften weiter... Also, rumdrehen und zurück nach Polen. Toll, da sind wir ja weit gekommen.

Zurück in Polen starten hektische Telefonate mit den jeweiligen Zuhausegebliebenen. Zum Glück funktionieren hier die Handys. Bald ist klar, dass wir vor Montag oder Dienstag nicht mit den Papieren rechnen können. Also wechseln wir Geld und machen uns auf die Suche nach einem schönen Campingplatz, um uns die erste Zwangspause so angenehm als möglich zu machen. Ein netter Campingplatz ist bald gefunden und die Zelte sind schnell aufgebaut. Die Stimmung ist gespannt, jetzt muss erstmal jeder von uns versuchen diesen Rückschlag für sich zu verarbeiten. Bald schnurren die Kocher wieder, ich verarbeite unsere Lebensmittelreste zu Bratkartoffeln vegetarisch und unvegetarisch, Susi hat Bier aufgetrieben (das war sie uns auch schuldig), Benito stiftet eine Zigarre als Dessert und mit zunehmendem Alkoholspiegel werde ich auch wieder etwas entspannter. Achim und Susi verschwinden bald im Zelt, Benito und ich wandern noch zum Besitzer des Zeltplatzes und sitzen dort noch lange mit Pavel und einigen Freunden zusammen. Viel zu betrunken kriechen wir schließlich in unsere Zelte.

Samstag, 28. Juni 2003

Nun ist es sicher, die Papiere werden erst am Dienstag in Polen, genauer in Bialystok eintreffen. Dank des aufziehenden Gewitters, den Nachwirkungen des übermäßigen Alkoholgenusses und der Abwehrreaktion meines Immunsystems auf meine zweite FSME Spritze die ich mir gestern noch gesetzt hatte, wird es ein sehr ruhiger und entspannter Tag. Die meiste Zeit verbringe ich dösend im Schlafsack. Wäschewaschen ist wohl die einzige, etwas anstrengende, Tätigkeit heute. Erst gegen Abend werde ich wieder etwas munterer und auch das Fieber lässt nach.

Lieblingsverkehrszeichen: Asphalt Ende!

Als die Wolken die Sonne doch noch durchlassen, machen wir einen kleinen Shopping-Spaziergang zum einzigen Laden im Dorf. Das Mädel hinter dem Tresen dort sorgt nochmals für eine leichte Stimmungsaufhellung. Das Kloster, auch wenn es vor einigen Jahren vom Papst besucht worden ist, schenke ich mir. Die per Lautsprecher nach Außen übertragenen sakralen Gesänge reichen mir völlig. Abends zaubere ich aus unseren Einkäufen ein paar fette Pfannkuchen. Auf den ersten Blick ein ganz gemütlicher Urlaubstag heute – leider hat er uns unserem Ziel keinen Millimeter näher gebracht.

Sonntag, 29. Juni 2003

Frühstück bei Sonnenschein mit frischen Spiegeleiern und Kaffee mit richtiger Milch, dazu den Blick auf die Wälder und Seen Masurens. Schnell sind die Motorräder gepackt und auch meine Kette nochmals gespannt. Ihr Ende naht, ich hoffe nur, sie reist nicht während der Fahrt. Endlich sitzen wir wieder auf den Maschinen. Unser heutiges Ziel ist die Stadt Bialystok. Gemütlich geht es durch die nahezu unberührte Landschaft, endlose Wälder und Felder wechseln sich ab und dann: Endlich Schotter. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase reiße ich den Gashahn auf, ziehe an Achim und Susi vorbei und hefte mich an Benitos Hinterrad, das immer wieder versucht eigene Wege zu gehen. Welch eine Wonne, so muss Motorradfahren sein. Mitten im Naturpark Bierhjanski, indem angeblich auch noch Bissons leben sollen, machen wir ein Gruppenfoto. Benito und mir ist der Spaß in die Gesichter geschrieben, Susi ist auf solchen Strassen nicht sehr glücklich, kommt aber gut mit. Inzwischen ist auch unser Verständnis für das polnische Speisenangebot gewachsen und die Bestellung beim Mittagsstop ist keine Enttäuschung. Viel zu schnell landen wir wieder auf einer Asphaltstrasse und auch bald in Bialystok. Dort machen wir uns auf die Suche nach dem Flughafen, da wir dort nach unserem Verständnis am Dienstag die Papiere in Empfang nehmen sollen. Nach einigen Irrfahrten ist der Flughafen gefunden und die Sicherheit gewonnen, dass auf diesem Flughafen keine Maschine mit den Papieren landen wird. Wahrscheinlich ist die Landebahn von den Deutschen im 2. Weltkrieg erbaut worden.