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W. A. Hary, Art Norman

TEUFELSJÄGER 207-208: „Direkt aus der Hölle“

„Die Falle des Fürsten der Finsternis und seiner Schergen!“


Nähere Angaben zum Autor und Herausgeber siehe Wikipedia unter Wilfried A. Hary: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt!

 

TEUFELSJÄGER 207-208



W. A. Hary und Art Norman

Direkt aus der Hölle

Die Falle des Fürsten der Finsternis und seiner Schergen!“


Das schnabelförmige Maul in dem dreieckigen Riesenschädel klaffte gierig auf. Geifer tropfte heiß auf den steinigen Boden. Tückische Augen beobachteten den Punkt, der sich rasch näherte und eine lange, graue Staubfahne hinter sich her zog. Krallen scharrten über Felsen und schnitten tiefe Furchen hinein, als könnten sie es gar nicht mehr erwarten, endlich zuzuschlagen. Die mächtigen Schwingen bewegten sich noch nicht.

Die Kreatur, die den Tiefen der Hölle entsprungen sein musste, sah mehr als ein menschliches Auge zu erkennen vermocht hätte. Sie entdeckte über die weite Entfernung, dass zwei Menschen in dem sich nähernden Fahrzeug hockten. Besser gesagt: Zwei ahnungslose Opfer!


Impressum


Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

Copyright dieser Fassung 2019 by www.HARY-PRODUCTION.de

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

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eMail: wah@HaryPro.de


Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.


Cover von Ludger Otten, Veröffentlichung in Arrangement mit Alfred Bekker und Jörg Munsonius


Darstellung Schavall: Helmut Bone

Covergestaltung: Anistasius


1


Im Innern des ungeheuerlichen Höllengeschöpfes bildete sich die vernichtende Lohe, die nur darauf wartete, ausgespien zu werden.

Gewaltige Muskeln spannten sich, bereit, die Kreatur in die Luft hinauf zu katapultieren.

Luft, die in der Wüstenhitze flirrte.

Die beiden Menschen im heranrasenden Fahrzeug waren immer noch ahnungslos. Aber nicht mehr lange…


*


In Höllentiefen zeigte der selbsternannte Fürst der Finsternis sich unzufrieden mit dem Ablauf der Dinge. Dunk Dar Sung, sein Leibwächter, und sein Vasall Magnus Ehridanus Perfidas konnten mit ihren Bemerkungen seine Stimmung auch nicht heben. Prodektar Tronnos, dieser selbsternannte Fürst der Hölle, der aus eigenen Gnaden Asmodis ersetzt hatte, ohne auch nur zu ahnen, dass Asmodis seines Amtes sowieso müde geworden war, kaute immer noch an der Niederlage, die ihm in einem eigentlich relativ harmlosen Castillo an der spanischen Küste beigebracht worden war. Und bis jetzt wusste er immer noch nicht, wem er diese Niederlage überhaupt zu verdanken hatte!

Teufelsjäger Mark Tate, den er dort geglaubt hatte fast vernichtet zu haben, konnte nicht allein dahinterstecken. Mark Tate war selbst nur der Köder gewesen, auf den Prodektar Tronnos hereingefallen war. Dunk Dar, der mongolische und relativ unverwundbare Leibwächter, hatte ebenso wenig retten können wie Prodektar Tronnos selbst. Sie hatten sich fluchtartig zurückziehen müssen.

Je länger Prodektar Tronnos darüber nachdachte, was zu seiner katastrophalen Niederlage geführt hatte, umso stärker wurde der Verdacht in ihm, das Amulett des Teufelsjägers unterschätzt zu haben. Oder gab es da noch etwas, was er nicht bedacht hatte? Denn eigentlich hatte es ja so ausgesehen, als wäre Mark Tates Amulett es selbst gar nicht gewesen, von dem Prodektar Tronnos so verheerend angegriffen worden war!

Mark Tates Amulett war von Prodektar Tronnos doch mit einem magischen Trick erfolgreich blockiert worden, und der Teufelsjäger hatte doch selbst genug damit zu tun gehabt, es wieder zu aktivieren.

Es musste eine andere, gleichartige Kraft gewesen sein, die möglicherweise sogar der Struktur des Amuletts entsprach. Aber wer konnte diese Kraft entfesseln?

Eine andere Macht, die er nicht kannte, musste im Spiel gewesen sein. Eine unbekannte Macht, die allein deshalb, dass er nichts über sie wusste, besonders gefährlich war.

Der Fürst der Finsternis war verunsichert.

Zu kurz erst saß er auf dem Thron, von dem er Asmodis gewaltsam entfernt hatte. Noch war seine Macht in der Hölle selbst nicht restlos gefestigt, denn zu viele Dämonen hatten ebenfalls auf die Thronfolge spekuliert und wollten es nicht hinnehmen, dass ein Außenseiter, dessen Seele selbst einst über neunhundert Jahre lang im Höllenfeuer geglüht hatte, jetzt zum Fürsten geworden war.

Und noch weniger wollten sie hinnehmen, dass die direkten Stellvertreter und Befehlsberechtigten keine Dämonen, sondern ehemals Menschen gewesen waren – Dunk und Perfidas!

Es gärte in der Hölle. Intrigenspiele waren an der Tagesordnung.

War Prodektar Tronnos, der Ex-Mensch, nicht bestes Beispiel dafür, dass die schlimmsten Prophezeiungen bereits Wirklichkeit zu werden drohten?

„Ich habe da“, verkündete Perfidas, „eine glänzende Idee, mit Verlaub. Eine Idee, wie wir zumindest unseren Gegner Mark Tate auf Dauer ausschalten könnten.“

„Ideen dieser Art hatten schon viele“, sagte Prodektar Tronnos finster, „aber Mark Tate lebt immer noch.“

Dunk Dar zeigte ein wölfisches Grinsen. Er gönnte Perfidas, diesem Emporkömmling, die Abfuhr. Er verstand ohnehin nicht, aus welchen unerfindlichen Gründen Prodektar Tronnos diesen Mann, der sein Gesicht stets hinter einer Maske verbarg, in seinem Umfeld duldete.

Perfidas besaß zwar bestimmte Para-Fähigkeiten, aber ansonsten hatte Perfidas in seinen Augen nicht sonderlich viel geleistet, im Gegensatz zu ihm, Dar, der Prodektar Tronnos einzig rechtmäßiger Leibwächter war.

Und Berater.

Von Perfidas Ratschlägen indessen hielt Dunk Dar grundsätzlich gar nichts.

Die waren entweder undurchführbar oder blödsinnig.

„Ich habe eine neue Idee“, kündigte Magnus Ehridanus Perfidas ungerührt von alledem an. „Entsinnt Ihr euch, Herr, an einen Mann namens Anatol Pulischin?“

Prodektar Tronnos nickte.

„Dieser Anatol Pulischin“, fuhr Perfidas fort, „verlor vor einiger Zeit die Gefährtin, die er über alles liebte. Er würde alles, wirklich alles tun, um sie zurückzuerhalten. Warum versprechen wir es ihm nicht?“

„Narr, weil das schon ein Dämon tat, um ihn in seinen Bann zu schlagen. Doch es misslang. Der Dämon wurde dabei ausgelöscht!“

Dunk Dar lachte spöttisch.

„Wahrlich, eine neue Idee“, höhnte er. „Eine, die bereits einen aus den höllischen Heerscharen die Existenz gekostet hat! Dieser Pulischin müsste schon ein ausgemachter Trottel sein, fiele er ein zweites Mal auf denselben Trick herein.“

Die silbrig schimmernde Maske verriet nichts von Perfidas Gefühlen. Ruhig und beherrscht klang seine Stimme, als er Dunk direkt ansprach:

„Mongole, meinst du, dass Anatol Pulischin deiner Ansicht ist? Meinst du, dass er nicht an einen Trick glauben kann, wenn er wiederholt wird? Ich denke, dass er uns nicht für so dumm hält. Deshalb werden wir uns so dumm stellen. Und wir fädeln es diesmal besser ein! Wir machen es auf die geschicktere Weise. Pulischin wird nicht einmal merken, worauf er sich einlässt.“

„Das ist ja auch so schrecklich einfach“, spottete Dunk.

„Da ist was dran“, sagte Prodektar Tronnos allerdings zu Sungs Überraschung. „Wir müssen versuchen, Anatol Pulischin auf unsere Seite zu ziehen, ohne dass es ihm bewusst wird. Er muss in die Netze der Hölle verstrickt werden, und erst wenn er nicht mehr von uns los kommt, schlagen wir zu, offenbaren uns ihm und zwingen ihn, gegen seinen Freund Mark Tate anzutreten. Allein die Überraschung, von seinem ältesten Freund verraten worden zu sein, wird ihn besiegen.“

„Genau das, Herr, meinte ich“, sagte Perfidas eifrig.

„Hast du konkrete Pläne, wie du es anstellen willst?“, fragte Prodektar Tronnos.

Perfidas nickte und verneigte sich, zeigte mit seinem Schweigen aber auch, dass er nicht gewillt war, in Dunks Anwesenheit über seine Pläne zu sprechen. Prodektar Tronnos verstand ihn. Die beiden waren sich spinnefeind, und Perfidas befand sich stets in der schwächeren Position. Nicht, dass es Prodektar Tronnos gestört hätte. Mochten sie sich untereinander befehden, solange sie dabei nur die Ziele der Hölle nicht aus den Augen verloren. Der Kriegszustand zwischen den beiden Männern mochte sie gar noch beflügeln.

Prodektar Tronnos nickte.

„Ich gebe dir freie Hand. Aber du wirst mir über alles, was du tust und tun lässt, Rechenschaft ablegen.“

„Herr!“, fuhr Dunk Dar auf.

Prodektar Tronnos brachte ihn mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen.

„Perfidas, du kannst über die Dämonen meiner Heerscharen verfügen und sie nach Belieben einsetzen, doch ich rate davon ab, selbst Kontakt mit Anatol Pulischin aufzunehmen. Er könnte dich durchschauen.“

„Ich weiß, Herr“, sagte Perfidas. „Ich weiß auch längst, wie ich vorgehen werde. Der Erfolg ist gewiss.“

„Ha!“, knurrte Dunk Dar Sung. „Ausgerechnet dieser Zwerg spricht von Erfolg. Er, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit versagt! Es wird nicht gelingen, Herr. Lasst Euch nicht von diesem Narren in die Irre führen. Es wäre Euer Unheil.“

„Davon“, sagte Prodektar Tronnos, „bin ich nicht überzeugt. Aber sollte Perfidas versagen, wirst du Gelegenheit haben, dich an seiner Stelle zu bewähren.“

Dunk Dar Sung neigte den Kopf. Er zog sich zurück. Einverstanden mit der Entscheidung seines Herrn war er dennoch nicht.

Aber eines Tages würde er selbst es sein, der entschied. Dann würden solche Fehler nicht mehr vorkommen.

Prodektar Tronnos glaubte, in Dunk einen treuen Diener zu haben. Das stimmte auch. Dunk Dar Sung war bedingungslos treu – solange er in dieser Treue einen Vorteil für sich sah. Er würde bei keinem Kampf seinen Herrn an einen Gegner verraten. Aber er war auch ehrgeizig. Er wollte sich nicht mit Wenigem zufrieden geben – nicht auf lange Sicht.

Dunk hatte die Macht der Hölle kennen und schätzen gelernt. Er wollte Prodektar Tronnos überflügeln. Eines Tages würde er, Dunk Dar Sung, selbst auf dem Thron des Fürsten der Finsternis sitzen. Nichts konnte ihn aufhalten. Ein Versager wie Perfidas erst recht nicht, der jede Gelegenheit nutzte, sich zum Clown zu machen.

Eines Tages würde dessen Kopf rollen. Dafür wollte schon Dunk Dar Sung sorgen.

Perfidas musste fallen, um seine Position zu festigen.

*


Magnus Ehridanus Perfidas dachte da durchaus ähnlich, aber mit anderen Vorzeichen.

Längst sah er sich nicht mehr in Prodektar Tronnos Schuld, der einst Kontakt mit ihm aufgenommen und ihn gefördert hatte. Perfidas dachte weiter. Er sah sich jetzt an der Quelle der Macht, und er lernte mehr und mehr, auf diesem Instrument höchst virtuos zu spielen.

Und zwar so, dass die anderen es gar nicht so recht merkten. Sicher, im direkten persönlichen Kampf gegen die Gegner der Hölle hatte er Niederlagen zu verzeichnen, aber das berührte ihn nicht, solange er diese Niederlagen überlebte. Selbst Prodektar Tronnos war es trotz seines langen Kampfes nicht gelungen, Mark Tate zu besiegen. Deshalb sah sich Perfidas hier nicht unbedingt unter Erfolgszwang gesetzt.

Sein Leistungsdruck kam aus einer anderen selbstgewählten Richtung.

Er stapelte tief. Er hatte ein gewagtes Spiel begonnen und war darum bemüht, dass jeder ihn unterschätzte. Selbst Prodektar Tronnos, sein Herr.

Bewusst nahm Perfidas es hin, von Dunk wie ein lästiger Hund getreten zu werden. Aber niemand kam auf den Gedanken, dass dieser Hund irgendwann zurückbeißen könnte.

Sie unterschätzten ihn alle, und Perfidas tat alles, diesen Eindruck zu vertiefen. Dabei hatte er ehrgeizige Ziele.

Er wusste inzwischen, dass Prodektar Tronnos sich ebenfalls nicht mit dem Thron des Fürsten der Finsternis zufriedengeben wollte, selbst wenn Prodektar Tronnos sich hütete, das öffentlich zu verkünden. Aber Perfidas kannte seinen Herrn, und mit seiner Para-Gabe hatte er einmal in die Zukunft greifen und dabei erkennen können, dass es zu einem bestimmten Punkt in dieser Zukunft Satans eigentliche rechte Hand nicht mehr in dieser Position gab!

Dass Prodektar Tronnos nach dessen Thron griff, war für Perfidas klar!

Wir werden sehen, dachte Perfidas und konnte nur nicht sagen, wann genau dieser Zeitpunkt gekommen war.

*


Die Höllenkreatur stieß sich von den Felsen ab. Mit einem wilden Satz schwang sie sich in die Lüfte empor, beschrieb einen Bogen, um dann von oben her auf den offenen Geländewagen niederzustoßen.

Die beiden Insassen, die sich während der schnellen Fahrt durch Sand und Felsen angeregt unterhalten hatten und vom kühlenden Fahrtwind umwehen ließen, bemerkten es zu spät.

Der Beifahrer schrie auf, griff zur Kamera und versuchte sie auszulösen. Da war es schon zu spät. Mit verheerender Wucht knallte das Ungeheuer in den Wagen.

Arme mit gewaltigen Klauenhänden packten zu, rissen den Fahrer von seinem Sitz und schleuderten ihn Dutzende von Metern weit durch die Luft. Sein Schreien erstarb jäh. Der Geländewagen kippte, der Beifahrer, der ebenfalls herausgeschleudert wurde, konnte sich gerade noch unter dem berstenden Stahl hervor retten.

Jetzt hatte er den Fotoapparat schussbereit.

Mit einer bemerkenswerten Kaltblütigkeit löste er aus.

Im nächsten Moment war das Ungeheuer über ihm. Der dreieckige Schädel mit dem riesigen Maul packte zu. Der Mann sah lange, spitze Zähne und dann nichts mehr.

Der Motor des Geländewagens erstarb blubbernd. Stille trat ein.

Staub wehte auf, als sich das Ungeheuer später wieder in die Luft erhob und davon machte, zurück in sein Versteck zwischen den heißen Felsen.

Der Tod blieb zurück.