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Dr. Christian Voit
Martin Loderer
Uwe Morchutt
Christian Fichtl

Das Baustellenhandbuch Abnahme

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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linkVorwort

„Die Abnahme ist ein sagenumwobenes Wesen, von dem (fast) alle an einem Bauvorhaben Beteiligten schon gehört, die wenigsten es jedoch schon einmal gesehen oder gar richtig kennengelernt haben.“

So lautet das düstere Fazit eines erfahrenen Richters, der sich in seiner beruflichen Tätigkeit überwiegend mit Baustreitigkeiten beschäftigt hat. Richtig daran ist sicherlich, dass in der Baupraxis viele verhängnisvolle Missgeschicke und Fehler im Dunstkreis der Abnahme geschehen. Nicht zuletzt aus Unsicherheit und aufgrund fehlender Informationsquellen kommt es auf der Baustelle bei der Abnahme häufig zu hitzigen Diskussionen. Daraus entwickeln sich anschließend oft langwierige, zeit- und kostenintensive Streitigkeiten, die meist durch grundlegende Kenntnisse über die rechtlichen und technischen Fragen der Abnahme vermeidbar gewesen wären.

„Das Baustellenhandbuch Abnahme“ will allen Baupraktikern, egal, ob auf Auftraggeber- oder Auftragnehmerseite, ein kompakter und zuverlässiger Helfer für den Einsatz vor Ort sein. Es beschäftigt sich mit den rechtlichen Hintergründen und liefert zudem die wichtigsten technischen Vorgaben, nach Gewerken sortiert, einschließlich der häufigsten Fehlerquellen.

Die rechtliche und technische Entwicklung des Bauens gelangt naturgemäß nie zu einem Abschluss. Dies zeigen die jüngsten Änderungen im BGB-Bauvertragsrecht, die seit dem 01.01.2018 anzuwenden sind, sowie die Veröffentlichung einer neuen Gesamtausgabe der VOB im Oktober 2019. Während die VOB/B in ihrer 2016 eingeführten Fassung weiterhin unverändert gilt, wurden 14 ATV DIN-Normen der VOB/C fachtechnisch überarbeitet. Die entsprechenden Änderungen sind in der vorliegenden Fassung Ihres Baustellenhandbuchs „Abnahme“ eingearbeitet.

Für die nahe Zukunft sind weitere wichtige Entwicklungen schon angelegt. Die Autoren und der Verlag bleiben für Sie, unsere Leserschaft, mit großer Begeisterung weiter eng an aktuellen Geschehnissen und reagieren auch künftig kurzfristig auf wichtige Veränderungen.

Merching, im Dezember 2019

linkDie Autoren

Dr. Christian Voit

Rechtsanwalt Dr. Christian Voit (Jahrgang 1968, geboren in Augsburg) studierte an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg und legte dort das Erste Juristische Staatsexamen ab. Im Jahr 1996 absolvierte er in Augsburg und München das Zweite Juristische Staatsexamen und ist seit August 1996 als Rechtsanwalt zugelassen und tätig.

Im Jahr 1998 promovierte er an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main zum Dr. jur.

Dr. Christian Voit ist Partner der Sozietät Sonntag & Partner, einer interprofessionellen Sozietät aus Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten mit Niederlassungen in München und Augsburg. Er betreut verantwortlich mit einem Team aus fachlich versierten Rechtsanwälten die Gebiete Immobilienrecht sowie Bau- und Architektenrecht.

Martin Loderer

Rechtsanwalt Martin Sven Loderer (Jahrgang 1973, geboren in Füssen im Allgäu) studierte von 1994 bis 1999 an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg die Rechtswissenschaften. Im Jahr 2001 legte Martin Loderer in München und Augsburg das Zweite Juristische Staatsexamen ab und ist seit dem Jahr 2002 als Rechtsanwalt zugelassen. Seit dem Jahr 2007 ist er berechtigt, die Bezeichnung „Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht“ zu führen.

Martin Loderer arbeitet als Rechtsanwalt bei Sonntag & Partner in Augsburg. Innerhalb dieser Sozietät aus Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten mit Niederlassungen in München und Augsburg gehört er einem Team von Rechtsanwälten auf den Gebieten des Immobilienrechts sowie des Bau- und Architektenrechts an. Martin Loderer widmet den weitaus größten Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit dem Bauvertrags- und Schadensrecht sowie dem Architektenrecht.

Uwe Morchutt

Uwe Morchutt (Jahrgang 1955, geboren in Gotha) studierte an der heutigen Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus Bauingenieurwesen und schloss dort 1981 die Ausbildung als Dipl.-Ing. (FH) ab. Danach war er bis 1989 als Arbeitsvorbereiter und Bauleiter im Hoch- und Tiefbau verantwortlich tätig.

Seit 1990 ist er, nach zehnjähriger Redakteurs- und Chefredakteursarbeit in mehreren Baufachverlagen und diversen Weiterbildungsmaßnahmen, selbstständiger Fachjournalist, Buchautor und Web-Designer. Darüber hinaus gibt er sein Fachwissen in Fachartikeln und Publikationen weiter.

Christian Fichtl

Christian Fichtl (Jahrgang 1971, geboren in Köln) studierte Architektur an der Fachhochschule in Würzburg und war von 1996 bis 2006 als Projektleiter in einem Architekturbüro tätig.

2005 legte er die zertifizierte Prüfung zum Sachverständigen für Schäden an Gebäuden und Gebäudeinstandsetzung (TÜV) ab.

Seit 2006 ist er von der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken Bayreuth öffentlich bestellt und vereidigt für den Bereich Schäden an Gebäuden und leitet das Architektur- und Sachverständigenbüro Fichtl in Neuenmarkt und Kulmbach.

Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger erstellt er Privat- und Gerichtsgutachten. Die baubegleitende Qualitätsüberwachung (BQÜ) stellt ein weiteres Tätigkeitsfeld dar, über das er auch als Fachautor berichtet.

Gesamtinhaltsverzeichnis

Deckblatt

Impressum

Bedienung des E-Books

Vorwort

Die Autoren

Gesamtinhaltsverzeichnis

Recht

1. Bedeutung der Abnahme

2. Wie kann eine Bauabnahme erfolgen?

2.1 Ausdrückliche Abnahme

2.2 Schlüssige (= konkludente bzw. stillschweigende) Abnahme

2.3 Abnahme durch Fristablauf

2.4 Besondere Abnahmeformen der VOB/B

2.4.1 Förmliche Abnahme

2.4.2 Fiktive Abnahme

2.5 Abgrenzungen zu anderen Feststellungen

2.5.1 Technische Abnahme, Zustandsfeststellung nach VOB/B

2.5.2 Zustandsfeststellung nach § 650g BGB n. F.

2.5.3 Behördliche Bauabnahme

2.6 Gestaltungsmöglichkeiten im Bauvertrag

2.6.1 Verschiebung des Abnahmezeitpunkts

2.6.2 Verlagerung der Abnahme auf Dritte

2.6.3 Ausschluss von Abnahmearten

2.6.4 Vorbehaltserklärungen des Auftraggebers

2.6.5 Zusätzliche Abnahmeunterlagen

2.6.6 Individualvereinbarungen

3. Wer darf eine Bauabnahme durchführen?

3.1 Juristische Personen

3.2 Öffentliche Auftraggeber

3.3 Architekt/Bauleiter

3.4 Sachverständiger

3.5 Mitwirkung des Auftragnehmers

4. Wann muss eine Abnahme erfolgen?

4.1 Grundsatz

4.2 Teilabnahme

4.3 Bauvertragskündigung

4.4 Entbehrlichkeit der Abnahme

5. Welche Fristen sind bei der Abnahme zu beachten?

5.1 Fristen im BGB-Bauvertrag (alter und neuer Fassung)

5.2 Fristen im VOB-Bauvertrag

5.2.1 Abnahmeverlangen, Fristberechnung und Abnahmeverzug

5.2.2 Förmliche Abnahme

5.2.3 Fertigstellungsmitteilung

5.2.4 Benutzung der Bauleistungen

5.2.5 Abnahmeverweigerung

6. Abnahmeverpflichtung und Abnahmeverweigerung

6.1 Abnahme als Bauherrenpflicht, unberechtigte Verweigerung

6.2 Abnahmefähigkeit/-reife

6.3 Abnahmeverweigerung

6.4 Zustandsfeststellung nach § 650g BGB n. F.

7. Wirkungen der Abnahme

7.1 Eintritt der Abnahmewirkungen

7.2 Abnahmewirkungen im Einzelnen

7.2.1 Konkretisierung der Leistungspflicht und Mängelrechte des Auftraggebers

7.2.2 Gefahrübergang

7.2.3 Beweislastumkehr

7.2.4 Mangel- und Vertragsstrafenvorbehalte

7.2.5 Fälligkeit der Vergütung

7.2.6 Verjährungsbeginn

7.2.7 Rückgabe von Vertragserfüllungssicherheiten

7.2.8 Ende des Rechts zur freien Auftraggeberkündigung

7.2.9 Bauvertraglich vereinbarte Abnahmewirkungen

7.3 Die Abnahme aus Sicht des Bauherrn

7.4 Die Abnahme aus Sicht des Unternehmers

7.5 Mangelbeseitigung und deren Abnahme

Technik

Abnahme-Checklisten: Die Gewerke formen ein Ganzes

Abdichtungsarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Aufzugsanlagen (Förderanlagen)

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Betonarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Bodenbelagarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Brandschutz

Allgemeine Hinweise

Abnahme in der Praxis

Dachdeckungsarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Dränarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Elektroanlagen

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Erdarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Estricharbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Fliesen- und Plattenarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Klempnerarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Maler- und Lackierarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Mauerarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Metallbauarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Parkett- und Holzpflasterarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Putz- und Stuckarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Sanitäranlagen

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Tapezierarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Tischlerarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Trockenbauarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Wärmedämm-Verbundsysteme

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Zimmer- und Holzbauarbeiten

Geltungsbereich

Abnahme in der Praxis

Hinweis zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen

Stichwortverzeichnis

linkRecht

link1. Bedeutung der Abnahme

Autoren: Dr. Christian Voit, Martin Loderer

Der Werkvertrag ist das Fundament, auf dem Auftraggeber und Auftragnehmer für eine Werkleistung zusammenarbeiten. Dies gilt gleichermaßen für alle Formen von Werkverträgen. Der Werkvertrag regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Auftraggeber und Auftragnehmer. Er muss nicht immer schriftlich geschlossen werden; zur Dokumentation ist die Schriftform jedoch unerlässlich.

Die Abnahme einer Werkleistung wird in allen Publikationen zum Werkvertrag völlig zu Recht als „Dreh- und Angelpunkt“, „Wendepunkt“ oder „Scheitelpunkt“ bezeichnet. Der Abnahme kommt im rechtlichen Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eine zentrale Funktion zu; an die Abnahme sind elementare Veränderungen in der Stellung des Auftraggebers und des Auftragnehmers zueinander geknüpft.

Die Abnahme ist die wichtigste vertragliche Zäsur im Ablauf eines Werkvertrags: Mit ihr endet das Arbeits- und Erfüllungsstadium; es beginnt der Bereich der Abwicklung und Gewährleistung. Dennoch wird die Abnahme sogar bei großen Bauvorhaben immer wieder sträflich vernachlässigt, woraus nicht selten später erhebliche Meinungsdifferenzen und gerichtliche Auseinandersetzungen resultieren.

Dieses Baustellenhandbuch Abnahme wendet sich in erster Linie an all jene, die im Rahmen eines Bauvorhabens – gleich ob auf Auftraggeberseite oder auf Auftragnehmerseite – mit einer Abnahme konfrontiert werden. Deshalb konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Abnahme bei Bauverträgen. Die wesentlichsten Grundsätze der Abnahme gelten allerdings gleichermaßen auch für Werkverträge außerhalb von Bauvorhaben, z. B. für die Reparatur eines Segelboots.

In der Baupraxis wird dem Bauvertrag häufig die VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) mit ihren Teilen B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) und C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen) vorrangig vor den BGB-Vorschriften zugrunde gelegt. Dabei ist zu beachten, dass die VOB/B gegenüber Verbrauchern nicht zur Anwendung vorgesehen und nicht vollständig wirksam ist. Die VOB/B sollte deshalb in Bauverträgen mit Verbrauchern nicht verwendet werden (Näheres in Dreieck  Kapitel 2.4).

Vorschriften für die Abnahme nach BGB und VOB/B

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Abnahme finden sich für den BGB-Bauvertrag in §§ 634a Abs. 2, 640, 641 und 644 bis 646 BGB (a. F. und n. F.). Für den VOB-Bauertrag wird das BGB überlagert von § 12 VOB/B.

Bei der Abnahme gibt es für den BGB-Bauvertrag und für den VOB-Bauvertrag nur geringe Unterschiede. Die VOB/B kennt besondere Abnahmeformen in § 12 Abs. 4 und 5 (förmliche und fiktive Abnahme), die im BGB-Bauvertrag nicht gelten. Allerdings werden die Bestimmungen der VOB/B, v. a. des § 12 VOB/B, immer stärker zur Auslegung des BGB-Werkvertragsrechts sinngemäß herangezogen oder vom Gesetzgeber sogar in das BGB übernommen, wie mit der Einführung des BGB-Bauvertragsrechts {BGB-Bauvertragsrecht} mit Wirkung zum 01.01.2018.

Abnahme nach BGB alter und neuer Fassung

images/hinweis.png   Hinweis

Vorschriften des BGB, die sich infolge der Einführung des BGB-Bauvertragsrechts nicht geändert haben, sind in diesem Buch ohne besondere Kennzeichnung angegeben. Regelungen, die nur für Bauverträge gelten, die bis einschließlich 31.12.2017 geschlossen wurden, sind mit dem Zusatz a. F. (= alter Fassung) markiert. Vorschriften, die nur für ab dem 01.01.2018 geschlossene Bauverträge gelten, enthalten den Zusatz n. F. (= neuer Fassung).

Das BGB sieht bisher für alle Werkverträge {Werkverträge} ein einheitliches Regelwerk vor. Dieses findet sich in den §§ 631 ff. BGB und gilt auch weiterhin für alle bis einschließlich zum 31.12.2017 abgeschlossenen Werkverträge, Bauverträge etc. Das bisherige Werkvertragsrecht findet weitgehend unterschiedslos für alle Werkverträge von der Kfz-Reparatur bis zum komplexen Großbauvorhaben Anwendung. Viele Besonderheiten von Bauprojekten, z. B. dass deren Durchführung sich regelmäßig über einen langen Zeitraum erstreckt, in dem sich vieles ändern kann, finden in den Vorschriften des bisherigen Werkvertragsrechts keine Beachtung. Deshalb wird in der Baupraxis häufig die VOB/B (und mit ihr die VOB/C) in den Bauvertrag einbezogen, welche auf die besonderen Problemkonstellationen und Interessenlagen bei Bauvorhaben zugeschnitten ist.

Im bisherigen Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB a. F. sind auch die besonderen Schutzbedürfnisse von Verbrauchern allenfalls punktuell berücksichtigt. Verbraucher als Bauherren stehen professionellen Anbietern (Bauunternehmer, Generalunternehmer, Bauträger etc.) gegenüber, welche den Verbrauchern gegenüber einen Vorsprung an Wissen und Erfahrung haben. Dies gilt nicht nur für die technische Seite eines Bauprojekts, sondern gleichermaßen für die rechtliche. Bauherren, die Verbraucher sind, sind deshalb auf besonderen Schutz gegenüber unfairen Vertragspartnern und Vertragskonzepten angewiesen. Zudem müssen Verbraucher, die für ein Bauprojekt häufig nicht nur einen sehr großen Teil ihres Vermögens aufwenden, sondern auch auf eine umfangreiche Finanzierung angewiesen sind, vor Gefahren geschützt werden (z. B. einer Insolvenz des Bauträgers).

Das BGB n. F. enthält deshalb für Werkverträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, neben dem Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB, das weiterhin die Basis aller Werkverträge ist, in den §§ 650a ff. BGB n. F. zahlreiche Sondervorschriften für Bauverträge {Bauverträge}. Bauverträge sind Werkverträge, die sich auf

die Herstellung,

die Wiederherstellung,

die Beseitigung oder

den Umbau

eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon beziehen. Für solche Werkverträge, die nach der gesetzlichen Definition in § 650a BGB n. F. als Bauvertrag bezeichnet werden, gelten seit dem 01.01.2018 die Vorschriften der §§ 650a ff. BGB n. F.

Des Weiteren enthält das BGB n. F. in den §§ 650i ff. Sondervorschriften für Verbraucherbauverträge. Das sind Bauverträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Diese gesetzliche Definition des Verbraucherbauvertrags ist (unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Bauherrn) noch wesentlich enger, als die des Bauvertrags in § 650a BGB n. F. Viele Bauverträge, an denen ein Verbraucher als Bauherr beteiligt ist, werden deshalb nicht die Voraussetzungen für einen Verbraucherbauvertrag erfüllen. So werden von einem Verbraucher beauftragte Renovierungen und kleinere Umbauten zwar Bauverträge, aber keine Verbraucherbauverträge sein. Gleiches gilt wohl bei der Errichtung eines Gebäudes durch zahlreiche Einzelunternehmer („Einzelvergabe“); keiner – oder maximal einer – dieser Einzelunternehmer wird, wie in § 650i BGB n. F. verlangt, ein neues Gebäude errichten, sondern allenfalls Teile der Errichtung übernehmen.

Doch gleich, ob es sich um einen Werkvertrag nach altem oder neuem Recht, BGB-Bauvertrag, VOB-Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag, Bauträgervertrag oder auch Architekten- oder Ingenieurvertrag handelt, eines gilt stets gleichermaßen: Die Abnahme ist und bleibt die bedeutsamste Zäsur im Verlauf des Vertrags.

Abnahmebegriff und Abnahmewirkung

Der Begriff der Abnahme selbst ist weder im BGB noch in der VOB/B niedergelegt. Der Abnahmebegriff wird zweigliedrig definiert:

Übergabe des Werks vom Auftragnehmer an den Auftraggeber und

Billigung der Arbeiten des Auftragnehmers durch den Auftraggeber als im Wesentlichen vertragsgerecht.

Für den Bauvertrag ist die Billigung der Werkleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht der praktisch wichtigste Vorgang bei der Abnahme. Billigung heißt nichts anderes, als dass der Auftraggeber zu erkennen gibt, dass er die Werkleistungen des Auftragnehmers akzeptiert. Der Auftraggeber muss die Möglichkeit haben, die Arbeiten des Auftragnehmers vor der Abnahme zu untersuchen und zu überprüfen. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber diese Prüfungsmöglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt.

images/praxistipp.png   Praxistipp

Jeder Auftraggeber sollte die Bauleistungen seines Auftragnehmers genau untersuchen und sich dabei ggf. auch fachlicher Hilfe (z. B. durch einen Architekten) bedienen, bevor er die Abnahme erklärt.

Die zweite rechtliche Voraussetzung der Abnahme – „Übergabe des Werks“ – ist praktisch kaum relevant. Hat der Auftraggeber schon Zugriff auf die Arbeiten des Auftragnehmers (z. B. bei Umbauarbeiten im bewohnten Haus), so genügt eine Fertigstellungsmitteilung des Auftragnehmers, um die „Besitzübergabe“ zu dokumentieren.

images/praxistipp.png   Praxistipp

Vorsicht bei den Rechtsbegriffen „Eigentum“ und „Besitz“. Auch wenn der Bauherr als Eigentümer des Baugrundstücks per Gesetz automatisch Eigentum an den Arbeiten des Auftragnehmers auf seinem Grundstück durch die feste Verbindung mit dem Grund und Boden erwirbt, so ist er damit noch nicht unbedingt Besitzer der Arbeiten. Besitz ist nämlich die tatsächliche, körperliche Herrschaft über die vom Auftragnehmer erbrachten Bauleistungen. Besitz hieran hat bis zur Abnahme meist nur der Auftragnehmer.

Mit der Erläuterung der theoretischen Abnahmevoraussetzungen ist die Grundlage für die nun folgenden, in der Baupraxis wichtigen Einzelfälle gelegt.

Wie, durch wen und wann die Abnahme vorgenommen wird, behandeln deshalb die kommenden Kapitel. Zentrale Voraussetzung der Abnahme ist, dass die Bauleistungen (= das Werk) vom Auftragnehmer im Wesentlichen vertragsgerecht fertiggestellt sind. Das heißt, es dürfen nur geringfügige, unwesentliche Mängel vorhanden sein bzw. kleinere Restarbeiten fehlen. Dass es das vollständig fertiggestellte und mangelfreie Bauvorhaben oder Einzelgewerk nicht gibt, ist eine Binsenweisheit der Baupraxis. Nichtsdestoweniger entzünden sich fast alle Streitigkeiten der Baubeteiligten an Mängeln – und das oft vor Ort auf der Baustelle bei der Abnahme. Warum ist das so? Dies hängt mit den Hauptwirkungen der Abnahme zusammen, die in Dreieck  Kapitel 7 dargestellt sind.