Schwert und Schild Wilde Jugend Band 2 - Das E-Book zur Paperback-Ausgabe

Tomos Forrest

Published by BEKKERpublishing, 2019.

Inhaltsverzeichnis

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Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter | Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall | Teil 1 mit 5 Bänden | von Joachim Honnef und Tomos Forrest

Dieser Band beinhaltet folgende Romane:

Vorwort

Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 1 | Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 4: | Überfall im Morgengrauen | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 2 | Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 5: | Maddox, der Tyrann von Cornwall | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 3 | Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 6: | Die spanische Braut | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 4 | Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 10: | Der Koloss vom Lake Syrior | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 5 | Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 11: | Trevans wilde Horde | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

Aus der Feder von Tomos Forrest sind weiterhin erhältlich:

Also By Tomos Forrest

Also By Joachim Honnef

About the Publisher

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Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter

Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall

Teil 1 mit 5 Bänden

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von Joachim Honnef und Tomos Forrest

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IMPRESSUM

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© Roman by Author

Mitwirkung: Ines Schweighöfer

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

Ceated by Thomas Ostwald, Alfred Bekker und Jörg Martin Munsonius

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Dieser Band beinhaltet folgende Romane:

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Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 1: Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 4: Überfall im Morgengrauen

› Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 2: Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 5: Maddox, der Tyrann von Cornwall

› Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 3: Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 6: Die spanische Braut

› Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 4: Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 10: Der Koloss vom Lake Syrior

› Der Zyklus Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 5: Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 11: Trevans wilde Horde

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Vorwort

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Morgan kehrte vom dritten Kreuzzug nach Cornwall in seine Heimat zurück, die er vollkommen verändert vorfand. Die Macht im Land hatte während der Abwesenheit von König Richard Löwenherz dessen Bruder, Prinz John ohne Land, an sich gerissen.

Einer seiner treuen Verbündeten ist Sir Struan of Rosenannon, der Sheriff von Cornwall. Alle, die sich gegen die Regentschaft Johns aussprechen, werden von ihm verhaftet, ihr Eigentum konfisziert.

Sir Morgan beginnt zusammen mit anderen Rebellen, das Unrecht im Land zu bekämpfen. Schon bald ist er im Land als der Löwenritter bekannt, der sein Kettenhemd und seinen Helm dunkel brünieren lässt, einen schwarzen Waffenrock mit einem roten, steigenden Löwen als Wappen trägt und auf seinem Rappen Blane im Land unterwegs ist, hatte schon eine sehr aufregende Jugend.

Im Alter von sechs Jahren begann seine Ausbildung zum Knappen unter der strengen Aufsicht seines Vaters. Aber nicht nur das Kriegshandwerk sollte er erlernen, sondern auch in der Literatur und den schönen Künsten unterwiesen werden. So wuchs der junge Morgan auf Launceston Castle auf, zog durch das Land, nahm an Turnieren teil und wurde schließlich von seinem Vater im Alter von knapp achtzehn Jahren zum Ritter geschlagen.

Doch damit schienen auch die unbeschwerten Tage in Cornwall vorüber zu sein. Ständig drohten neue Gefahren, Wegelagerer überfielen harmlose Reisende, Fremde drangen in das Land ein, um zu rauben und zu morden, und viele Ritter waren uneins, weil sie ihre eigenen Ziele verfolgten.

Morgan, dessen ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit ihn immer wieder in schwierige Situationen brachte, musste sich mehrfach bewähren und wurde in dieser harten Schule zu dem Mann, der schließlich an der Spitze des Heeres neben Richard Löwenherz gen Jerusalem zog, um die Heiligen Stätten zu befreien. Doch bis dahin war es ein langer Weg, den wir hier erzählen werden ...

***

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Der Zyklus; Wilde Jugendjahre in Cornwall Band 1

Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 4:

Überfall im Morgengrauen

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1. Kapitel

Gebannt lauschten die Anwesenden im Rittersaal von Launceston Castle. Johel de Vautort, der überall hoch gelobte und berühmte Minnesänger, gab seine neue Ballade zum Besten. Es war eine Mär von Frevel und Mord, von Verrat, Blut und Schrecken, aber auch von Sinnesfreuden.

Sie handelte von einem Hünen mit einem Morgenstern, der keine Gnade kannte. Von einem Räuber, der sich selbst als Ritter bezeichnete. Von einem geheimnisvollen Versteck und von der Edeldame Victoria und dem rätselhaften Verschwinden ihrer Mitgift.

Johels Ballade riss die Zuhörer zwischen Entsetzen und Entzücken hin und her. Selbst den Rittern lief ein Schauer über den Rücken, als Johel berichtete, wie ein junger Ritter, der kaum diese Würde erlangt hatte, gegen die Räuber kämpfte. Es war eine unglaubliche, spannende Mär. Doch wer Johel de Vautort kannte, der wusste, dass der Kern seiner Ballade auf Wahrheit beruhte.

Als er den letzten Akkord anschlug, entlud sich die atemlose Spannung in begeisterten Rufen. Auch Sir Ronan of Launceston, der Sheriff von Cornwall, erhob sich und spendete dem Sänger Beifall. Er war zutiefst bewegt und dankbar. Denn Johel hatte verschwiegen, dass ein riskanter Plan des Sheriffs die Ursache für die schrecklichen Ereignisse war.

Sir Ronan lächelte Johel an.

Der Minnesänger ahnte, was den Sheriff bewegte, und lächelte zurück. Dabei dachte er: Nun, auch ein Sheriff ist nur ein Mensch und kann mal einen Fehler begehen. Aber man muss ja nicht alles an die große Glocke hängen. Meine Geschichte hat allen gefallen.

Johels schwarze Augen schienen zu funkeln, als er den Hofdamen zulächelte. Besonders die Zofe Eira schien ihn geradezu anzuhimmeln. Nun, auch sie hatte eine Rolle in diesem turbulenten Abenteuer um den jungen Ritter gespielt. Und Johel dichtete rasch aus dem Stehgreif noch eine Strophe für die schönen Frauen hinzu.

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2. Kapitel

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Es war ein friedliches Bild.

Die Morgensonne blinzelte hinter Schäfchenwolken hervor und schickte ihre Strahlen auf die grünen Hügel Cornwalls. Auf der Fernstraße bewegte sich ein unbeholfener Kasten auf einen Waldweg zu, bog ein und scheuchte einen Kuckuck auf, der sich lautstark über die Störung empörte. Eines der Gespannpferde antwortete mit einem Wiehern, das fast wie eine Imitation des Kuckucksschreis klang.

Der Kutscher ließ die Peitsche knallen und spuckte aus. Er war in der Stimmung, sich über alles und jedes zu ärgern. Seit Beginn der Reise war er nervös, das Gefühl des Unbehagens hatte ihn nicht mehr verlassen.

Schuld daran war seine Frau! Sie hatte ihm mit ihrem abergläubischen Geschwätz die ganze Fahrt verdorben.

Besorgt blickte er zum Himmel. Er sah das Morgengrauen und überlegte. Nichts, aber auch gar nichts wies auf ein drohendes Unheil hin, das ihm seine Frau prophezeit hatte. Blitz und Donner sollten ihn treffen – aber wann war jemals eine ihrer Prophezeiungen eingetroffen? Blitz und Donner an diesem herrlichen Morgen! Weibergewäsch!

Er hätte sie niemals heiraten sollen. Wie eine Elfe war sie gewesen, als sie vor sieben Jahren heirateten. Jetzt war sie ein draller Drachen, der ständig herumnörgelte, behauptete, in die Zukunft sehen zu können und diese, wie immer, in den schwärzesten Farben sah.

Der Kutscher seufzte und tastete unwillkürlich zu dem kleinen Lederbeutel, den er um den Hals trug. Teufelskralle, Pestwurzel und geriebener Höllenstein befanden sich in dem Amulett, das ihm seine Frau gegen die bösen Geister, gegen Blitz und Donner mitgegeben hatte. So ein Unfug!

Aber er war doch froh, dass er das Zaubermittel dabei hatte. Er war weiß Gott nicht abergläubisch, aber man konnte ja nie vorsichtig genug sein, oder?

»Ich glaube, es gibt ein Gewitter«, sagte der alte Eriwein, der neben ihm auf dem Kastenaufbau saß. Bei diesen Worten erschrak der Kutscher. Jäh verstärkte sich das Gefühl des Unbehagens, und er glaubte schon, Blitz und Donner würden über ihn hereinbrechen.

»Du machst dir einen Spaß!«, sagte er deshalb mürrisch.

Der alte Eriwein schüttelte den Kopf.

»Ich spüre es in allen Knochen.« Er tastete dabei an seinen Beinen und den Ellbogen entlang.

»Das ist die Gicht, und die kommt daher, weil du immer so viel Bier und Wein säufst!«

Eriwein grinste, und sämtliche Falten und Runzeln in seinem rosigen Gesicht verzogen sich.

»Auf meine Knochen ist Verlass«, erklärte er. »Wir können ja wetten. Einen Krug Bier, dass es bis zum Castle ein Unwetter gibt. He, da im Norden donnert es ja schon!«

Der Kutscher blickte zum Himmel. Er lauschte angestrengt. Außer dem Rasseln der Wagenräder und dem Stampfen der Pferdehufe konnte er nichts vernehmen.

»Ich höre nichts«, brummte er und bedachte Eriwein mit einem missmutigen Blick.

Der neigte den Kopf und hielt eine Hand ans Ohr. Trotz seines Alters besaß er ein scharfes Gehör, und in froher Runde pflegte er bei den Mägden zu scherzen, dass dies nicht das einzig Scharfe an ihm sei.

»Da ist es wieder«, behauptete er. »Hörst du nicht das dumpfe Grollen?«

So sehr sich der Kutscher auch bemühte, er hörte nichts, was vielleicht auch daran lag, dass seine dichten Haare über die Ohren fielen, und auch die Ränder der Kappe noch darüber hingen.

»Du hast wohl einen Furz gelassen«, bemerkte er bissig.

Dann schnüffelte er. Der sanfte Wind trug in der Tat einen äußerst würzigen Duft heran.

»Ich nicht«, antwortete Eriwein und blickte voraus. »Allenfalls der Ritter und die Soldaten.«

Der Kutscher schaute zu dem Hügel, hinter dem die drei Reiter verschwunden waren, die dem Fahrzeug als Begleitschutz vorausritten.

»Ritter furzen nicht«, sagte er tadelnd. »Allenfalls ganz vornehm und leise.«

Eriwein kicherte.

»Ritter sind auf dem Abort Menschen wie du und ich«, bemerkte er weise und spähte zu dem Wäldchen hin, durch den der Weg führte. »Allerdings finde ich es seltsam, dass sie dabei blöken wie ...«

»Schafe!«, rief der Kutscher überrascht.

Jetzt sahen sie es. Eine Schafherde brach von irgendeiner Lichtung oder einem Waldweg hervor. Der Kutscher fluchte laut. Die Schafe versperrten den Weg. Immer mehr quollen zwischen den Büschen und Bäumen hervor, und ihr Blöken erfüllte die Luft.

»Weg mit euch, ihr blöden Schafe!«, brüllte der Kutscher und ließ die Peitsche knallen.

Die Schafe hörten nicht auf ihn. Sie bildeten eine blökende Mauer vor dem heranrollenden Gefährt. Der Kutscher spielte mit dem Gedanken, einfach weiterzufahren. Wenn der Schäfer so dumm war und nicht aufpassen konnte, dann brauchte er sich nicht zu wundern, wenn seine Herde etwas unsanft geschoren wurde. Schließlich gab es in Cornwall genug Platz für Tausende von Schafen. Sie mussten ja nicht ausgerechnet auf der Straße zur Burg stehen.

Die Tiere glotzten ihn gleichgültig an. Der Kutscher hatte das Gefühl, von hunderten Augenpaaren angestarrt zu werden. Dann besann er sich auf seine Tierliebe und hielt an.

Das Fuhrwerk stand keine zehn Yards vor der Herde, Sand und Staub wirbelten empor. Für den Kutscher Ben hörte sich das Blöken der Schafe wie eine Danksagung an.

»Weshalb halten wir?«, rief eine helle Frauenstimme aus der Kutsche. Es war die Edeldame Victoria of Graystoke, die mit Sir Owain of Blackstone verheiratet werden sollte. Sie war eine ausgesprochen schöne Frau, blond, blauäugig, und von sehr anmutiger Gestalt.

»Schafe!«, rief Ben gegen das Blöken der Herde an.

»Schafe«, erklärte in der Kutsche Johel de Vautort den beiden Damen, mit denen er galant geplaudert und zur gefälligen Kurzweil einige seiner Balladen vorgetragen hatte. Damit trug er nicht unerheblich zur Verbesserung der Laune bei den Damen bei, denn der ungemütliche Kasten, der nur schmale Luftschlitze in den hölzernen Seitenwänden aufwies und sie zudem bei jeder Unebenheit hin und her schüttelte, war alles andere als ein bequemes Reisemittel.

»Oh ja, jetzt riecht man es auch!«, sagte die junge Frau, die Victoria gegenübersaß und rümpfte ihre etwas zu große Nase. Sie hieß Eira und war im Gegensatz zu Victoria von etwas herberem Reiz. Man musste schon zweimal hinblicken, um ihre Schönheit zu bemerken. Sie hatte große, dunkelbraune Augen und schwarzes Haar. Vor einiger Zeit war sie noch sehr schlank gewesen, am Oberkörper etwas zu schlank, worunter sie sehr litt und weshalb sie Victoria manchmal beneidete. Doch irgendein Galan musste ihre inneren Werte erkannt haben, denn sie war schwanger. Im achten Monat, hatte sie dem besorgten Ben erklärt, der schon befürchtet hatte, sie könnte während der Fahrt niederkommen.

Johel bedachte sie mit einem charmanten Lächeln.

Dann gellte der Schrei, und das Lächeln des Minnesängers erstarb.

Es war ein markerschütternder Schrei, der ihm und den Frauen einen Schauer des Entsetzens über die Wirbelsäule jagte.

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3. Kapitel

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Der junge Ritter zügelte das Pferd, als er die Schafherde etwa zweihundert Yards hinter der Wegbiegung erblickte. Die beiden Gefährten hielten neben ihm an.

»Alle Wetter«, sagte der eine und grinste seinen Kameraden an, »hätte nicht gedacht, in dieser Gegend deine Verwandten zu treffen!« Seine Augen funkelten dabei lustig.

Der andere Gewappnete verzog das Gesicht. Ihm behagte der lange Ritt ganz und gar nicht. Viel lieber wäre er in dem Fuhrwerk bei den feinen Damen mitgefahren, anstatt Meile um Meile im Sattel zu hocken, wobei ihm schon die Kehrseite wehtat.

»Jetzt weiß ich auch, woher der Gestank kommt! Ich hatte dich schon nach dem reichlichen Genuss von Bier und Fleisch im Verdacht!«

Morgan parierte das graue Ross. Es hatte wieder mal versucht, die Stute des Sprechers zu beißen. Sein Pferd hatte er sich aus dem väterlichen Stall ausgesucht, weil es ein ausdauernder Traber war und nicht so schnell ermüdete.

»Seht mal nach dem Schäfer, die Herde muss vom Weg!«, ordnete er an, und die beiden Waffenknechte ritten davon.

Morgan blickte zurück. Das Fuhrwerk war nicht fern. Er wollte einen unnötigen Aufenthalt vermeiden. Es war ein heißer Augusttag, und die lange Fahrt war für die schwangere Eira bereits beschwerlich genug. Und Victoria wollte so schnell wie möglich bei ihrem Verlobten eintreffen, den sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Die Waffenknechte waren keine fünfzig Yards von ihm entfernt, als es geschah. Die Stute des Ersten wieherte und brach zusammen.

Morgans Kopf fuhr herum.

Er sah noch, wie der Reiter im hohen Bogen, doch wenig elegant vom Pferd stürzte. Der Mann prallte auf dem sandigen Weg auf, rutschte noch ein Stück weiter und blieb liegen. Morgan stockte der Atem. Erleichtert sah er dann, dass sich der Soldat aufsetzte, umblickte und irgendetwas sagte, was er wegen der Entfernung nicht verstehen konnte. Aber er konnte sich denken, was es war. Vermutlich ein saftiger Fluch oder ein Stoßseufzer.

Ein Unfall, dachte Morgan. Das Pferd musste in ein verstecktes Loch getreten sein und sich etwas gebrochen haben, denn das arme Tier versuchte vergebens, sich wieder hochzukämpfen.

Doch schließlich weiteten sich Morgans Augen.

Denn auch das Pferd des zweiten Soldaten brach zusammen. Der Mann riss geistesgegenwärtig die Füße aus den Steigbügeln und schnellte sich seitlich aus dem Sattel, bevor das stürzende Tier aufprallte. Geschickt rollte er sich ab.

In diesem Augenblick tauchten links und rechts des Weges zwei bärtige Gesellen auf. Schwerter blitzten in der Sonne.

Wegelagerer!, durchfuhr es Morgan.

Sofort trieb er den grauen Wallach zum Galopp und zog sein Schwert. Die Waffenknechte brauchten seine Hilfe. Der Erste war bereits wieder auf den Beinen. Er stellte sich einem der beiden Kerle zum Kampf. Grimmig kreuzte er mit ihm die Klinge und trieb den Halunken mit wuchtigen Hieben zurück.

Sein Kamerad war vom Sturz noch benommen.

Morgan preschte in gestrecktem Galopp auf den Kampfplatz zu.

Euch Gesindel werde ich’s zeigen!, dachte er wütend und hob die Hand mit dem Schwert.

Der Wallach flog förmlich auf den zweiten Wegelagerer zu, der sich eben auf den am Boden liegenden Mann stürzen wollte.

Aus gestrecktem Galopp hieb Morgan zu. Mit einem Aufschrei ließ der bärtige Angreifer sein Schwert fallen und sank zu Boden.

Morgan parierte bereits den Wallach. In diesem Augenblick hörte er ein Sirren, dann glaubte er, einen Peitschenhieb gegen die Stirn zu bekommen. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust aus dem Sattel geschleudert zu werden und glaubte, in einen pechschwarzen Abgrund zu fallen. Er spürte nicht mehr, wie er vom zusammenbrechenden Pferd stürzte und am dem Boden aufschlug.

Der andere Waffenknecht kämpfte derweil mit wilder Entschlossenheit. Die Kampfgeräusche hallten über den Waldweg. Fast hatte er den Gegner bis an die Bäume am Rand des Weges getrieben. Da hörte er eine raue Stimme rufen: »Ergib dich, oder dein Freund stirbt!«

Und aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass ein weiterer Wegelagerer seinem Kameraden das Schwert an die Kehle hielt. Einen Lidschlag war er abgelenkt, und sein Gegner nutzte die Chance. Er hieb ihm das Schwert aus der Hand.

Trotzdem hätte er weitergekämpft, mit seinem Messer oder mit bloßen Fäusten, wenn er eine andere Möglichkeit gehabt hätte. Aber das Leben seines Kameraden war in Gefahr. So verharrte er mitten in seiner Bewegung und hob die Hände.

Verdammtes Räuberpack!, dachte er voller Zorn.

Er schaute sich um und erkannte, dass alle Gegenwehr ohnehin nichts genutzt hätte. Fast ein Dutzend finstere Gestalten sprangen zwischen Büschen und Baumstämmen hervor, und ein Mann mit Pfeil und Bogen kletterte von einer Buche, auf der er verborgen vom Blätterdach gelauert hatte. Im Nu waren die Waffenknechte umringt.

Und Morgan lag regungslos auf dem Boden, mit blutüberströmtem Gesicht.

Tot!, dachte der Soldat noch, als ihn ein Keulenhieb traf und er ohnmächtig vornüber fiel.

Der Anführer der Bande gab mit ruhiger Stimme Befehle. Rasch trugen jeweils zwei Mann die bewusstlosen Soldaten zwischen die Büsche am Wegesrand.

Anschließend trat der Mann zu Morgan, drehte ihn mit der Stiefelspitze herum und starrte auf ihn hinab.

»Dem ist nicht mehr zu helfen«, sagte er finster. »Warum wollte er auch den Helden spielen?«

Er winkte zwei seiner Männer heran. »Lasst ihn im Wald verschwinden.« Dann hob er lauschend den Kopf, als er den Kuckucksruf hörte. »Beeilt euch«, rief er. »Das Fuhrwerk ist gleich da!«

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4. Kapitel

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Inzwischen hielt Kutscher Ben nach dem Schäfer Ausschau. Er sah eine Gestalt im Dunkeln zwischen den Baumstämmen am Wegesrand, nahm eine huschende Bewegung wahr, und er wollte gerade dem Schäfer die Meinung sagen, als ihn der Pfeil traf.

Ben verspürte einen Schlag gegen die Brust und hatte das Gefühl, gegen den Sitz geschleudert zu werden. Dann stachen Schmerzen durch seine Brust, und er glaubte, etwas in seinem Innern sei zerrissen. Rote Schleier wallten vor seinen Augen. Er wollte schreien, doch er brachte kein Wort hervor, nur ein Röcheln. Er konnte sich auf einmal nicht mehr bewegen. Alles um ihn begann sich zu drehen, und die Schmerzen brandeten wie eine Woge über ihn hinweg. Er glaubte zu stürzen, doch er fiel nicht vom Kutschbock. Der Pfeil hatte ihn gegen den Sitz gespießt.

Er sah nicht die finsteren Gestalten, die jetzt links und rechts zwischen Büschen und Bäumen hervorsprangen. Schwerter blitzten in der Sonne, und für Ben war es, als zuckten feurige Blitze auf ihn zu.

Meine Frau hat recht gehabt, dachte er. Ich habe es geahnt, dass sie irgendwann einmal tatsächlich das Richtige weissagt. Blitz und Donner sind da, wie aus heiterem Himmel! Und weder Ritter Morgan noch das Zaubermittel haben mich davor bewahren können.

Er tastete zu dem Beutelchen an seinem Hals. Seine Hand war plötzlich nass. Er blickte an sich hinab.

Alles war rot, dunkelrot. Und irgendetwas steckte in seiner Brust.

Wie aus weiter Ferne hörte er einen Schrei. Dann verdunkelte sich der blutrote Schleier vor seinen Augen und von einem Augenblick zum anderen war alles schwarz und totenstill.

Eriwein sah seinen Freund Ben zusammenzucken und hörte ihn röcheln. Voller Entsetzen starrte er auf den Pfeil in Bens Brust, fassungslos, vor Schreck wie betäubt. Dann zuckte sein Blick in die Runde, und er sah die finsteren Gestalten, die auf die Kutsche zustürmten, sah wilde, bärtige Gesichter und funkelnde Schwerter. Es war wie in einem bösen Traum.

Eriwein reckte zitternd die Hände hoch. Er wollte um Gnade flehen, doch er kam nicht mehr dazu. Einer aus der wilden Horde sprang auf das vordere Wagenrad und schwang einen Morgenstern.

Eriwein schrie in seiner Todesangst.

Dann traf ihn der Morgenstern, und der Schrei brach jäh ab.

Eriwein spürte nicht mehr, wie er vom Kutschbock stürzte und auf den Waldweg prallte. Eines der Schafe, das vor den wilden Gesellen fortgelaufen und hinter die Kutsche gelangt war, floh in den Wald.

Indessen war Johel de Vautort aus dem Fahrzeug gesprungen. Er zückte sein Schwert. Er hatte nur Eriweins gellenden Schrei gehört und wusste nicht genau, was geschehen war. Der Minnesänger glaubte nicht so recht an einen Überfall, denn Morgan und seine Männer ritten doch voraus und würden jeden Wegelagerer aufspüren oder den Kutscher vor Räubern warnen.

Johel sah den schwarzbärtigen Gesellen mit dem Morgenstern, der gerade vom Wagenrad herabsprang. Er sah das Blut an den Zacken der mörderischen Schlagwaffe und erfasste die Situation mit einem Blick.

Furchtlos sprang er mit erhobenem Schwert auf den Kerl zu, der schon wieder den Morgenstern schwang. Geistesgegenwärtig ließ der Sänger sich fallen. Der Morgenstern krachte gegen die Kutsche. Holz splitterte.

Die Frauen in der Kutsche schrien auf.

Verzweifelt wollte Johel das Schwert hochreißen.

Doch da war plötzlich ein anderer Räuber neben ihm und fegte ihm mit einem wuchtigen Stiefeltritt das Schwert aus der Hand. Und bevor Johel aufspringen konnte, drückte ihm der Räuber die Schwertspitze gegen die Brust.

»Cray, du Narr!«, fauchte der Mann mit dem Schwert den Kerl an, der bereits wieder mit dem Morgenstern ausholte.

Cray verharrte in der Bewegung. Er wurde vom eigenen Schwung noch etwas nach vorn gerissen und es sah aus, als verlöre er die Balance. Doch er fing sich ab und blieb breitbeinig stehen. Mit funkelnden, grauen Augen starrte er auf Johel.

»Er hat mich angegriffen«, knurrte er mit einer Stimme, die an ein Donnergrollen erinnerte. »Und wenn mich einer angreift ...«

»Wenn du ihn erschlagen hättest, würde Brehn dich vierteilen lassen!«, unterbrach ihn der andere.

Cray zuckte zusammen.

»Warum denn das?«, fragte er verständnislos.

»Denk mal nach, du Schwachkopf!«

Cray schien sich zu bemühen. Er war wohl nicht der schnellste im Denken, doch dann hatte seine Anstrengung Erfolg, denn seine Miene nahm einen betrübten Ausdruck an. Er wirkte plötzlich wie ein gescholtener Junge.

Wäre die Situation nicht so todernst gewesen, hätte Johel de Vautort gewiss gelacht. Denn es war schon komisch, diese beiden so ungleichen Kerle gegenüberzusehen.

Cray war ein wahrer Hüne. Der andere hätte gut und gerne zweieinhalbmal in ihn hineingepasst. Dabei war er keineswegs klein und schmächtig. Aber im Vergleich zu dem Koloss wirkte er wie ein kümmerlicher Wicht.

Doch er führte das Kommando, und Cray fügte sich ihm wie ein braver Hund seinem Herrn. Der Koloss starrte betreten auf seine Stiefelspitzen. Seine massigen, behaarten Hände, fast schon Pranken, hielten den Morgenstern wie ein Spielzeug.

Immer noch drückte der Anführer Johel die Schwertspitze gegen die Brust. Weitere wilde Gesellen tauchten bei der Kutsche auf. Sie waren mit Schwertern und Keulen bewaffnet, und einer von ihnen mit Pfeil und Bogen. Sie durchsuchten die Taschen der Toten nach Beute.

»Schafft mir die Schafe aus dem Weg!«, befahl der Anführer dem Kerl mit dem Morgenstern.

»Tu ich, Pasco«, sagte Cray eifrig und stampfte davon.

»Ihr transportiert die beiden anderen Schäflein ab!«, wandte sich Pasco an die anderen Männer. Er nickte grinsend zur Kutsche hin. Dann schaute er auf Johel hinab. »Und den Hammel hier!«

Raues Gelächter ertönte.

Johel de Vautort wusste, dass er keine Chance hatte. Die Übermacht war zu groß. Es konnte fast ein Dutzend wilder Gesellen sein, die sich inzwischen bei der Kutsche eingefunden hatten. Und Pasco hielt ihm immer noch das Schwert auf die Brust.

Was mochte mit Ritter Morgan und den Waffenknechten geschehen sein?

Ein Reiter sprengte heran. Er trug ein leichtes Kettenhemd, das voller Blut war.

»Alles erledigt«, meldete er. »Wir haben zwei geschnappt.« Er musterte Johel. »Ist das der berühmte Ritter?«

Pascos dünne Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Das werden wir gleich erfahren.« Er stellte einen Fuß auf Johels Brust und hielt ihm das Schwert an die Kehle.

»Du bist Ritter Morgan«, sagte Pasco, und es klang völlig überzeugt.

Verrat!, durchfuhr es Johel. Sie wissen genau, dass Morgan die Kutsche begleitet. Er zögerte mit der Antwort. Seine Gedanken jagten sich. Das waren keine Wegelagerer, die eine Kutsche überfallen hatten, um Beute zu machen. Sie hatten es auf Ritter Morgan abgesehen. Aber niemand außer Sir Ronan of Launceston und Laird of Graystoke wussten, dass Morgan die Braut Victoria und ihre Zofe Eira nach Blackstone Castle geleiteten!

Einer der Räuber hatte berichtet, dass die Knechte in ihrer Gewalt seien. Sie mussten in eine Falle geritten sein. Aber wo war Morgan? War er entkommen?

»Was wollt ihr von Ritter Morgan?«, fragte Johel.

»Ich will wissen, ob du das bist?«, entgegnete Pasco. Er gab einen herrischen Wink und rief: »Cray!«

Der Mann mit dem Morgenstern, der die Schafe verscheucht hatte, stampfte heran.

»Soll ich ihm doch den Schädel einschlagen?«, fragte er hoffnungsvoll und schaute den Minnesänger an, als wolle er schon Maß nehmen.

»Nicht, wenn er zugibt, dass er Morgan ist«, sagte Pasco. Er nahm den Fuß von Johels Brust, zog das Schwert fort und trat ein paar Schritte zurück, um Cray Platz zu schaffen.

Cray schwang den Morgenstern.

Johel sah das Blut an den Eisenzacken und erschauerte. Er zögerte keinen Augenblick länger. Was blieb ihm anderes übrig, als sich für Morgan auszugeben?

»Ja, ich bin Morgan«, antwortete er schnell.

Cray blinzelte enttäuscht und hielt in der Bewegung inne.

Pasco nickte zufrieden. »Wir wussten, dass Ihr in der Kutsche wart«, sagte er selbstgefällig. Er betonte die Anrede spöttisch und spuckte aus. »Ich wollte nur die Bestätigung.«

»So ist es immer«, erklärte der Reiter mit dem blutigen Kettenhemd und lachte. »Die hohen Ritter sitzen bequem auf dem faulen Arsche und schäkern mit den Weibern, und die Waffenknechte schicken sie in die Gefahr.«

»Lass das nicht Meister Brehn hören«, bemerkte Pasco mit einem tadelnden Blick. »Es könnte dich den Kopf kosten.«

Anschließend wandte er sich grinsend an Johel. »Wo sind die Silberlinge?«

»Welche Silberlinge?«, fragte der Minnesänger, um Zeit zu gewinnen, denn er hoffte, dass Morgan noch auftauchen und das Blatt wenden könnte.

»Stell dich nicht dümmer als du bist«, sagte Pasco, und in seinen blassblauen Augen blitzte es zornig auf. »Ich rede von der Mitgift der Braut!«

Johel war überrascht. Sie wussten von der bevorstehenden Hochzeit auf Blackstone! Vielleicht war dort die undichte Stelle. Sie vermuteten, dass Victoria eine Mitgift bei sich hatte. Aber das war doch gar nicht der Fall!

»Es gibt keine Mitgift«, sagte Johel. »Ihr sollt alle Silberlinge bekommen, die wir bei uns haben, vielleicht zehn und ein paar, wenn ihr uns weiterfahren ...«

»Papperlapapp!«, unterbrach Pasco ihn ärgerlich. »Ich spreche nicht von lächerlichen zehn Silberlingen, auch nicht von hundert. Sondern von tausend silbernen Eierchen, die der Laird of Graystoke seiner Tochter mit auf den Weg gab.«

»Es gibt keine tausend Silberlinge. Jemand muss euch einen Bären aufgebunden haben. Ihr könnt alles durchsuchen.«

»Das werden wir auch«, sagte Pasco finster. »Und der Allmächtige sei euch gnädig, wenn wir die Silberlinge nicht finden.«

Er wandte sich ab und gab den Räubern einen Wink. »Fesseln und seine Sachen durchsuchen!«

»Die Damen auch?«, fragte der Kerl mit dem blutigen Kettenhemd und schwang sich vom Pferd. Er kicherte.

Pasco bedachte ihn mit einem eisigen Blick. »Willst du, dass Brehn dich vierteilen lässt?«

Das Kichern verstummte abrupt.

»N... nein«, stotterte er.

»Dann benimm dich, wie es sich für Ritter Brehns Knappen geziemt!«

Johel verstand überhaupt nichts mehr. Hatte der Kerl tatsächlich Ritter Brehn gesagt? Und hielten er und seine mordenden Spießgesellen sich wirklich für Knappen?

Das konnte doch nicht wahr sein!

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5. Kapitel

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Das Blöken der Schafe blieb hinter der Kutsche zurück. Die Räuber hatten die Herde vom Weg getrieben und die Waffenknechte Cynan und Rhodri in die Kutsche geworfen. Sie waren ebenso wie Johel de Vautort gefesselt. Rhodri war noch bewusstlos.

Edeldame Victoria heftete den Blick ihrer himmelblauen Augen auf Rhodri. Sie war blass und verstört. Zofe Eira wirkte im Gegensatz zu ihrer blonden Herrin erstaunlich gefasst.

»Was ist geschehen?«, fragte sie Cynan und legte die Rechte auf die Wölbung ihres Leibes. »Wo ist Ritter Morgan?«

Cynan wischte sich über die Augen. Er sah noch einmal seinen Ritter blutüberströmt auf dem Waldweg liegen und glaubte noch einmal einen der Räuber zu hören: Der ist hinüber! Und sein Herz krampfte sich zusammen. Alles in ihm weigerte sich, das Unfassbare zu glauben. Und doch musste es so sein.

Wenn Morgan lebte, hätten sie ihn genauso mitgenommen wie ihn und Rhodri. Zu ihrem Herrn, der angeblich ein Ritter sein sollte! Cynan spürte, wie seine Augen feucht wurden. Er glaubte, einen Kloß in der Kehle zu haben. Wie konnte er es den Damen und Johel schonend beibringen?

»Nun ... äh ... wir ritten in einen Hinterhalt«, sagte er mit belegter Stimme. »Diese Banditen haben den Schäfer getötet, wie ich vorhin hörte, und die Herde von der Lichtung aus auf den Weg getrieben, um den Weg für die Kutsche zu blockieren. Sie töteten unsere Pferde mit Pfeilen und griffen uns an. Es ging alles so schnell, wir konnten euch nicht mehr warnen.«

»Und Morgan?«, drängte Eira. Ihre sonst so weiche Stimme klang angespannt, fast schrill.

»Nun ... äh ... wir kämpften natürlich, doch die Übermacht war zu groß. Ich sah noch, wie Ritter Morgan vom Pferd stürzte, und gleich darauf wurde ich hinterrücks niedergeschlagen. Als ich zu mir kam, war ich gefesselt, und dann kam schon die Kutsche ... und da bin ich ... Morgan – muss den Lumpen entkommen sein.«

Victorias praller Busen hob und senkte sich unter einem schnellen Atemzug. Eira atmete ebenfalls auf, doch bei ihr geriet nicht allzu viel in Bewegung. Sie blickte aus dem Fenster, und es war, als fiele ein Schatten über ihr Gesicht.

»Sie halten mich für Morgan«, sagte Johel de Vautort. »Der Überfall war wohl geplant. Sie rechneten damit, eine Mitgift zu erbeuten. Und da es keine gibt, entführen sie uns, vermutlich, um ein Lösegeld zu erpressen. Gut, dass Morgan entkommen ist. Er wird uns folgen, und wie ich ihn kenne, wird er sich schon etwas einfallen lassen, um uns zu befreien.«

Es klang sehr optimistisch.

Eira musterte Cynan prüfend. »Ich glaube nicht, dass Ritter Morgan uns folgen kann«, sagte sie mit schwerer Stimme.

»Nicht?«, fragten Victoria und Johel wie aus einem Munde.

Der Blick aus Eiras großen, braunen Augen ruhte auf Cynan.

»Ich glaube auch nicht, dass uns Cynan die volle Wahrheit gesagt hat.«

Cynan fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut.

Eira blickte aus dem Fenster und nickte leicht. »Einer dieser schrecklichen Männer trägt Ritter Morgans Kettenhemd. Und es ist voller Blut.«

Cynan schluckte.

Johel starrte ihn überrascht an.

Victoria presste erschrocken die Hand vor den Mund.

»Der Mann trägt auch Ritter Morgans Stiefel«, fuhr Eira mit leiser Stimme fort. Ihr Blick schien bis in die Tiefen von Cynans Seele vorzudringen.

Cynan räusperte sich. »Vielleicht war er bewusstlos, und man hat ihm Hemd und Stiefel abgenommen, bevor ihm die Flucht gelang.«

Eira nickte langsam. Ihre Augen schimmerten feucht. »Beten wir, dass es so ist«, sagte sie und senkte den Blick.

In diesem Augenblick regte sich Rhodri. Er tastete mit den gefesselten Händen an die Beule an seinem Hinterkopf. Blinzelnd sah er sich um.

»Wo – bin ich?«, flüsterte er.

Cynan sagte es ihm. Rhodris verständnisloser Blick wurde klarer. Die Erinnerung setzte ein. Und sein ohnehin bleiches Gesicht schien noch eine Spur blasser zu werden. Seine Miene nahm einen entsetzten Ausdruck an.

»Sie ... sie haben Ritter Morgan umgebracht«, stammelte er.

Und seine Augen füllten sich mit Tränen.

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6. Kapitel

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Sir Owain of Blackstone war frohen Herzens. Vor etwa einer Stunde hatte er die gute Botschaft erhalten. Victoria war auf dem Weg. Allerdings liege die Kutsche mit Achsbruch in einem kleinen Tal am River Taw fest. Aber man besorge eine neue aus dem nächsten Ort und hoffe, am nächsten Morgen in Blackstone zu sein.

Sofort hatte Owain seinen Schimmel satteln lassen und war losgeritten, der Kutsche entgegen, um Victoria zu überraschen. Sein Herz brannte darauf, die Jungfer zu sehen. Er kannte sie nicht. Sein Vater, der alte Arn of Blackstone, hatte sich mit Victorias Vater, Laird of Graystoke, geeinigt und Victoria als seine Braut bestimmt. Sie sollte das tugendhafteste Mädchen in Cornwall sein, von holdem Liebreiz und sanfter Art.

Wie oft hatte Owain sie sich in den letzten Wochen vorgestellt! Wie war sein Blut bei dem Gedanken, sie in die Arme schließen zu können, in Wallung geraten. Und manchmal hatte er sie in kühner Phantasie in das Schlafgemach getragen und entkleidet. Mal war sie blond, mal stellte er sie sich dunkelhaarig vor, doch immer in reizvoller Schönheit.

Auch jetzt erbebte sein Herz bei diesen Gedanken. Als er zum Flusstal des schmalen River Taw galoppierte, glaubte er Victoria in ihrem ganzen Liebreiz vor sich zu sehen.

Deshalb sah er nicht die Gefahr.

Der Schimmel erkannte sie. Als sich plötzlich das Loch vor ihm auftat, sprang er instinktiv, ohne auf ein Kommando seines Reiters zu warten, der gerade in Gedanken seidiges Haar streichelte und verzückt vor sich hin lächelte.

Der Schimmel sprang gut.

Mit einem gewaltigen Satz flog er über den Graben hinweg und setzte auf der anderen Seite auf. Doch er hatte nicht mit der Heimtücke der Zweibeiner gerechnet, die diese Falle errichtet hatten. Seine Vorderläufe brachen durch Zweige, Laub und Gras, die von den Wegelagerern über ein weiteres Loch gelegt worden waren.

Der Schimmel stürzte.

Owain wurde jäh aus seinen süßen und pikanten Träumen gerissen.

Er flog plötzlich wie von einem Katapult hochgeschleudert über sein Pferd hinweg, das sich mit einem schrillen Wiehern überschlug. Die Bäume am Wegesrand schienen vorbeizurasen, und ein Busch wuchs vor ihm ins Riesenhafte. Unbewusst schrie er auf und riss noch schützend die Arme vors Gesicht. Dann krachte er auch schon in einen Brombeer- oder Himbeerstrauch, der etwas in den Weg hineinragte. Dornen stachen ihm in Hände und Gesicht und rissen ihm die Haut auf. Owain blieb die Luft weg. Er hatte das Gefühl, sich sämtliche Knochen gebrochen zu haben. Benommen betastete er sich und stellte verwundert und erfreut fest, dass noch alles an der richtigen Stelle war. Er wollte sich gerade aufrappeln, als ein Schatten auf ihn fiel.

Owain starrte hoch und sah ein grinsendes Gesicht mit grauen Augen und einem zottigen, schwarzen Vollbart über sich.

»Wer ... wer seid ihr?«, stammelte Owain.

Das Bartgestrüpp klaffte auf, und der Mann, der wie ein Riese über Owain aufragte, sagte:

»Ich bin Cray, der Meister des Morgensterns.«

Drohend hob er die Rechte. Er hielt den blutbefleckten Morgenstern in der behaarten Pranke.

»Gnade ... Gnade!«, schrie Owain, und versuchte, dem Schlag auszuweichen, als der Morgenstern auf ihn herabsauste. Etwas knackte, und ein dumpfer Aufprall folgte.

Owain glaubte sich verloren. Doch dann hörte er ein raues Lachen aus vielen Kehlen. Er war von finsteren Gestalten umringt. Und der Mann mit dem Morgenstern lachte dröhnend.

»War das ein Ulk!«, prustete der bärtige Hüne und zog seinen Morgenstern aus dem Brombeergestrüpp. »Der tapfere Recke hat sich vor Angst in die Hosen gemacht!« Erneut lachte er laut, und die anderen fielen in das Lachen ein.

»Was – wollt ihr von mir? Ich habe nur ein paar Silberlinge bei mir!«

»Silberlinge, hahaha!« Cray schüttelte sich vor Lachen.

Ein anderer Mann schob den Hünen zur Seite. »Vergeudet keine Zeit. Fesselt ihn und bringt ihn weg!«

Owain war kaum fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte das Gefühl, von einer rosaroten Wolke hinab in einen finsteren Schlund gefallen zu sein.

»Wohin wollt ihr mich bringen?«, fragte er kläglich.

»In die Hölle, mein Guter«, antwortete der Mann mit dem Morgenstern. »In die Hölle!«

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7. Kapitel

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Elfen tanzten auf einsamer Wiese in der Mondnacht. Wundersame, ätherisch schöne Damen, vom Mondlicht versilbert, nackt und von unbeschreiblicher Grazie. Sie lockten mit betörendem Gesang und verführerischem Tanz. Trolle tummelten sich um sie herum und zupften auf kleinen, goldenen Harfen. Es waren immer die gleichen Töne, und sie hallten seltsam laut, wie in einem großen Gewölbe.

Die Elfen wiegten sich im Takt der Musik. Eine tanzte auf ihn zu. Er erkannte das Gesicht. Es war Victoria.

»Morgan«, lockte sie mit heller Stimme. »Morgan ...«

Er wollte ihre Hand ergreifen, doch da verschwammen plötzlich ihre schönen Züge, und vor ihm stand breitbeinig ein hünenhafter Mann, der einen blutroten Morgenstern schwang.

Auch die anderen Elfen verwandelten sich von einem Augenblick zum anderen. Eine hielt jetzt einen Bogen, spannte ihn, und ein Pfeil raste auf ihn zu. Ein leuchtender Pfeil, fast wie eine Sternschnuppe. Aus einer anderen Elfe wurde plötzlich ein dicker Mann mit einer Lanze. Er stürmte heran, stieß mit der Lanze zu!

Morgan stöhnte auf.

Das Harfenspiel wandelte sich in Paukenschläge. Immer lauter wurden sie, und sie schienen in seinem Schädel widerzuhallen.

Aus einer grazilen Elfe von unglaublicher Anmut war ein bärtiger Kerl geworden. Er schwang ein blitzendes Schwert und wuchs vor ihm ins Riesengroße.

Er bohrte ihm das Schwert in die Brust!

Seltsam, dass er nur ein leichtes Prickeln verspürte, gerade so, als sei er mit einer Nadel gepiekt worden.

Es war eine Nadel. Eine Tannennadel.

Die Trolle hatten die Elfen vertrieben und spielten ihren bösen Schabernack mit Morgan.

Sie hatten ihn in einer Mulde unter dem Laub im dunklen Wald entdeckt, wo ihn die Räuber als vermeintlich Toten zurückgelassen hatten. Sein Oberkörper war nackt gewesen. Nur die Bruche mit den Beinlingen hatten ihm die Räuber gelassen.

Ein grinsendes, runzliges Gesicht beugte sich über ihn. Die seltsame Gestalt hielt ein Licht in der Hand. Nein, das Licht wuchs zu einer flackernden Fackel. Morgan hatte das Gefühl, ein glühender Hauch senge seine Stirn an. Er spürte einen stechenden Schmerz an der Schläfe.

Verzweifelt riss er eine Hand hoch, wollte die brennende Fackel wegschlagen.

Was war geschehen?

Morgan schüttelte modrig riechende Blätter und Tannennadeln ab und setzte sich ächzend auf. Das Geheul hallte wie mit tausend Echos durch seinen schmerzenden Kopf. Er tastete zur Stirn. Eine Beule, so groß wie ein Kuckucksei. Getrocknetes Blut. Eine Platzwunde. Er blickte an sich hinab und bemerkte, dass man ihm Waffenrock, Kettenhemd und Stiefel weggenommen hatte.

Sofort begann er zu frösteln.

Wie kam er so in den Wald?

Waren da nicht ein Bogenschütze, ein Mann mit Morgenstern und noch ein paar Burschen gewesen, die mit Schwertern, Keulen und Lanzen auf ihn zugestürmt und ihn niedergeschlagen hatten?

Verrückt. Er musste das alles geträumt haben, oder?

Aber er lag in diesem Wald. Das war kein Traum. Irgendjemand musste ihn niedergeschlagen und ausgeraubt haben. Morgan brauchte einige Zeit, bis seine Erinnerung einsetzte. Und dann fluchte er.

Sein strenger Vater, Sir Ronan of Launceston, Sheriff von Cornwall, hatte ihm den Auftrag gegeben, Edeldame Victoria und ihre Zofe sicher nach Burg Blackstone zu bringen. Er hatte versagt, war wie ein Schaf in eine Falle geritten.

Schaf? Das weckte eine andere Erinnerung. Die Schafherde! Sie musste absichtlich auf den Fahrweg getrieben worden sein, um dem Fuhrwerk und der Vorhut den Weg zu blockieren. Er und die Waffenknechte waren stets wachsam gewesen und hatten nach Hindernissen oder geeigneten Plätzen für einen etwaigen Überfall aus dem Hinterhalt Ausschau gehalten. Nie wäre Morgan auf die Idee gekommen, dass Räuber eine ganze Schafherde zu einem Überfall einsetzten.

Man lernt eben nie aus, dachte er.

Was mochte aus den anderen geworden sein?

Morgan schluckte. Sein Mund war trocken.

Cynan und Rhodri hatten ebenso wenig eine Chance gehabt wie er. Er hatte sie praktisch in die Falle geschickt. Es waren zu viele Angreifer gewesen, und es war alles zu schnell gegangen. Er und die beiden hatten nicht einmal mehr Gelegenheit gehabt, die Passagiere in dem unbeholfenen Fahrzeug zu warnen. Höchstwahrscheinlich waren alle den Räubern in die Hände gefallen.

Schreckliche Visionen stiegen vor Morgan auf. Im Geiste sah er seine Gewappneten niedergemacht am Boden liegen. Sah seinen Freund Johel mit einem Schwert im Herzen und glaubte die Schreie der beiden Frauen zu hören.

Er machte sich bittere Vorwürfe und war sich sicher, dass er das Vertrauen seines Vaters enttäuscht hatte. Und vielleicht hatte er das Leben von Cynan und Rhodri, von Johel und den anderen auf dem Gewissen. Er bekam eine Gänsehaut bei diesem Gedanken.

Es wurde Zeit zum Handeln. Morgan erhob sich und stöhnte auf. Sein ganzer Körper schmerzte. Aber er war noch einmal davongekommen. Weshalb hatten sie ihn für tot gehalten? Nun, vielleicht hatten sie es wegen des nahenden Fuhrwerks zu eilig gehabt, ihn näher zu untersuchen. Er war von einem Pfeil getroffen worden und mit der Stirn auf einem scharfkantigen Stein aufgeschlagen und hatte wohl einen schrecklichen Anblick geboten.

Er lebte. Nur das zählte. Er war entschlossen, alles Menschenmögliche zu tun, um die Räuber aufzuspüren und das Schicksal seiner Gefährten aufzuklären.

Wie konnte er seinem Vater sonst jemals wieder unter die Augen treten? Schließlich hatte er den Auftrag erhalten, weil sein Vater ihm grenzenlos vertraute und in dieser heiklen Mission keinen anderen einsetzen wollte. Morgan hatte sich schon früher bei solchen Ritten bewährt, und die beiden Soldaten Cynan und Rhodri waren dabei so etwas wie seine Vertrauten geworden.

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8. Kapitel

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Der Schein des Lagerfeuers zuckte über Brehns breites Gesicht. Die Narbe an seiner rechten Wange funkelte rot wie der Wein, den er aus einem Tonkrug in den Becher goss.

Brehn setzte den Becher an die wulstigen Lippen und trank ihn in einem Zug leer. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und rülpste vernehmlich.

Er gab Linelle einen knappen Wink. Die dralle, blonde Maid, die in Brehns Lager das Mädchen für alles war, eilte herbei und räumte eilig die Zinnteller zusammen. Ein Kanten Brot und ein Rest Braten waren wieder einmal übriggeblieben. Bei jedem Mahl ließ Brehn etwas übrig. Das war eine Marotte von ihm. Selbst wenn er nach vollbrachten Untaten hungrig wie ein Wolf war und im ersten Durchgang auch mit dem letzten Krümel die Soße aufgetunkt hatte, sodass der Teller blitzblank war, ließ er etwas darauf zurück. Er bestellte einfach etwas nach und rührte es nicht an, weil er ja längst so vollgestopft war, dass er nichts mehr hinunterbekommen konnte.

Es gab eine Erklärung für dieses absonderliche Verhalten.

Als Kind hatte er immer den Teller leer essen müssen.

Und wenn er noch so satt gewesen war. Es hatte Hiebe mit dem Stock gesetzt, wenn er nicht alles aufgegessen hatte, was auf den Tisch gekommen war. Da hatten seine Eltern, arme Köhler, keine Gnade gekannt.

Jetzt bereitete es Brehn eine Wonne, ja geradezu Befriedigung, stets etwas auf dem Teller zurückzulassen.

Und er kannte auch in anderen Dingen keine Gnade.

Als Linelle sich bückte, um das Geschirr aufzunehmen, kniff er ihr in den prallen Po. Mit großer Kraft.

Sie quietschte schrill auf.

Das gefiel Brehn. Er lachte zufrieden. Es bereitete ihm Vergnügen, über die Menschen in seinem Lager nach Belieben zu verfügen. Er genoss seine Macht.

Edlen Damen gegenüber gab er sich als vollendeter Kavalier und bezeichnete sich dabei gern als Ritter. Oh, er wusste Bescheid, wie sich die hohen Herren bei Hofe aufführten. Er hatte es einmal erlebt, als junger Bursche. Es war ihm unvergessen geblieben.

Er hatte die feinen Damen in ihren kostbaren Roben angestaunt, und er hatte die Ritter bewundert, die sich so ganz anders gegenüber dem anderen Geschlecht benommen hatten als sein Vater gegenüber seiner Mutter. Die feinen Damen hatten Handküsse bekommen und waren mit wohlgesetzter Rede hofiert worden. Seine Mutter hatte vom oft betrunkenen Vater Prügel bekommen und war als Metze beschimpft worden.

Ja, Brehn wusste sich feinen Damen gegenüber zu benehmen.

Doch Linelle war für ihn weder fein, noch Dame. Sie war von niederem Stand, eine Magd, die früher im Stroh, bei den Schweinen im Stall genächtigt hatte. Irgendeiner von Brehns wilden Gesellen hatte sie nach einem Raubzug mangels anderer Beute angeschleppt, und seither lebte sie in Brehns Lager.

Manchmal sehnte sie sich nach dem Schweinestall zurück.

So wie jetzt.

Doch sie war ein sehr duldsames Mädchen und hatte von klein auf gelernt, dass man sich in sein Schicksal zu fügen habe. Besonders, wenn man es doch nicht ändern konnte. Wenn der Allmächtige es wollte, dass Brehn ihr blaue Flecke zufügte, dann musste er schon seine Gründe dafür haben. Und wenn Er nicht wollte, dass sie in diesem Lager lebte, dann würde Er ihr eines Tages schon Hilfe schicken.

Trotzdem hatte sie schon oft mit dem Gedanken gespielt, einfach fortzulaufen. Doch wohin sollte sie? Sie war ein Waisenkind, und der Schweinehirt, der sie damals aufgenommen hatte, lebte nicht mehr. Er war von Brehns Gesellen erstochen worden. Hier bekam sie zu essen und zu trinken und hatte sogar eine eigene Hütte. Dafür konnte man schon ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, oder?

Sie schritt mit dem Geschirr davon.

Brehns wohlgefälliger Blick ruhte auf ihrer Kehrseite. Er nahm sich vor, Linelle später am Abend ein kleines Geschenk zu bringen. Sie konnte sich freuen wie ein kleines Mädchen, wenn ihr Herr mal freundlich zu ihr war.

Brehn puhlte sich mit langen Fingernägeln zwischen den Zähnen. Er fand ein paar Essensreste, betrachtete sie interessiert, schob sie wieder in den Mund und kaute darauf herum. Dann setzte er den Becher erneut an die wulstigen Lippen und trank ihn in einem Zug leer. Zufrieden wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und rülpste.

Erst dann wandte er sich an Pasco, der die ganze Zeit über stumm und ehrfürchtig vor ihm kniete.

Barsch fuhr er ihn an: »Nun berichte schon!«

Darauf warte ich doch nur, dachte Pasco. Doch Brehn hatte ihm den Mund verboten, hatte ihn angebrüllt, er wolle bei seinem Mahl nicht gestört werden und ihm befohlen, auf die Knie zu gehen.

Manchmal stieg in Pasco der Verdacht auf, dass sein Herr ein Tyrann war. Doch er hütete sich, so etwas laut zu denken. Das konnte äußerst ungesund sein. Außerdem war es unklug, Brehns Missfallen zu erregen. Pasco wusste, wer ihm Nahrung und Unterkunft gewährte und dafür sorgte, dass es der Bande gut ging.

Pasco hatte sich alles wohl überlegt, doch jetzt verhaspelte er sich in seinem Übereifer, es Brehn recht zu machen.

»Herr, wir sollten ... wir ritten wie befohlen mit den Pferden ...«

»Womit sonst, wenn nicht mit den Pferden!«, schnauzte Brehn. »Fasse dich kurz, oder ich lasse dich auspeitschen!«

Nun war Pasco kein Meister der fließenden Rede, wenn auch die anderen ihn dafür hielten, weil er im Gegensatz zu den meisten von ihnen lesen und schreiben konnte. Er war einst Stallbursche gewesen, bis Brehn ihn eines Tages zu seinem Knappen ernannt hatte.