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Über dieses Buch

Es gibt immer mehr Milliardäre: Immer weniger Leute haben immer mehr Geld. Darf das so bleiben?

Der Band erhellt das Phänomen »Reichtum« und gibt Antworten u. a. auf folgende Fragen:

– Was ist Reichtum und wer gilt überhaupt als reich (oder superreich)?

– Ist Reichtum immer ungerecht?

– Spielen bei Kritik am Reichtum stets Gier und Neid eine Rolle? Oder handelt es sich bei dieser Vermengung von Neid-Gier- und der Reichtum-Debatte um einen Trick, der jede Diskussion bereits im Keim ersticken soll?

– Und wie könnte ein gerechterer Umgang mit Reichtum aussehen?


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Hinweise zur E-Book-Ausgabe

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Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Das Wirtschaftsmagazin Forbes veröffentlicht jedes Jahr eine Liste der reichsten Menschen der Welt. Im Jahr 2018 schafften es 2208 Milliardäre auf diese Liste, die im Durchschnitt 4,8 Milliarden US-Dollar besitzen.

Das ist viel Geld. Für die meisten Menschen ist einfach unvorstellbar, was es bedeutet, 4800-mal eine Million Euro zu haben. Der reichste Mensch des Jahres 2018 war Jeff Bezos mit 112 Milliarden US-Dollar. 4,8 Milliarden US-Dollar mehr oder weniger machen für ihn also nicht so viel aus. Der viel berühmtere Bill Gates hingegen hatte »nur« 90 Milliarden US-Dollar. Der reichste Europäer war Bernard Arnault, mit etwa 79 Milliarden US-Dollar. Ihm gehören so bekannte Marken wie Louis Vuitton, Moët & Chandon sowie noch 70 weitere. Die Brüder Charles und David Koch hatten jeweils 60, zusammen also 120 Milliarden US-Dollar. Sie sind im deutschsprachigen Raum kaum bekannt, haben aber den Wahlkampf von Donald Trump mit über 400 Millionen US-Dollar unterstützt. Bezahlen konnten sie das quasi aus der Portokasse.

Natürlich stellt sich unmittelbar die Frage, ob diese reichen Menschen ihren Reichtum verdient haben und ob es gut oder schlecht ist, dass sich so viel Geld in so wenigen Händen konzentriert. Es steht auch zur Diskussion, ob die Forbes-Liste und die weit darüber hinausgehende ganze Aufmerksamkeit gegenüber den Superreichen am Ende nur der Ausdruck einer Neidkultur sind. Oder sind diese Namen bzw. diese Beträge eher ein Indiz dafür, dass wir in einer von Gier geprägten Gesellschaften leben? Vielleicht geht es aber auch eher um Fragen der Gerechtigkeit und

Aber zurück zum Thema. Zunächst fällt eine grundlegende Problematik im Zusammenhang mit der Forbes-Liste sowie dem öffentlichen Diskurs über die Reichen und ihren Reichtum auf. Ein Punkt scheint klar zu sein: Bei Reichtum geht es nicht um ideelle Werte, sondern anscheinend immer nur um das eine, nämlich um Geld. Bezos, Gates und Arnault sind ja nicht reich, weil sie viele Freunde, viel Wissen, viel Erfahrung oder viel menschliche Wärme haben.

Doch warum ist das eigentlich so? Warum denken wir bei Reichtum sofort an Geld und nicht an irgendwelche anderen Dinge? Warum also geht es bei Reichtum nicht ganz allgemein darum, möglichst viel von irgendwelchen anderen, auf andere Weise wertvollen Dingen zu haben?

Das Ziel des folgenden einführenden Kapitels liegt darin, die angeblich so zwangsläufig erfolgte Entwicklung von der eigentlich denkbaren Vielfalt des Reichtums über den zentralen Stellenwert der Wirtschaft als Geldverkehr hin zu Geldreichtum nachzuzeichnen. Erst auf dieser

Vielfalt des Reichtums

Laut Duden verwenden wir das Wort Reichtum auf zwei unterschiedliche Arten.

1. a. großer Besitz, Ansammlung von Vermögenswerten, die Wohlhabenheit und Macht bedeuten; b. Dinge, die den Reichtum einer Person, eines Landes o. Ä. ausmachen; finanzielle, materielle Güter; Vermögenswerte; 2. Reichhaltigkeit, reiche Fülle von etwas.

Erstens bezeichnet der Begriff also eine Anhäufung von Vermögenswerten. Aus diesem Grund denken wir bei Reichtum auch sofort an die Milliardäre auf der Forbes-Liste. Der Duden führt jedoch weiter aus, dass Reichtum in diesem Sinne stets »Wohlhabenheit« und – hier zeigt sich dieses ansonsten doch eher nüchterne Werk von seiner kritischen Seite – immer auch »Macht« bedeutet. Selbst dem unparteiischen Duden ist also die enge Verbindung von Geld und Macht nicht verborgen geblieben. Zweitens bedeutet das Wort Reichtum laut Duden aber auch ganz allgemein »Reichhaltigkeit« im Sinne einer großen Fülle von etwas. Das klingt zunächst gut, doch so ganz kann das nicht stimmen. Denn wenn jemand viele Schulden hat, dann würden wir eher nicht sagen, dass er reich an Schulden ist. Auch bei

Gute Beispiele für die Verwendung des Wortes Reichtum im Sinne von Reichhaltigkeit liefern üppige Speisen und große Geschenke. Es wirkt ebenfalls nicht befremdlich, davon zu sprechen, dass jemand reich an Freunden oder an Glück sei. Manche Menschen sind reich an Ideen. Reich an Pech oder Feinden hingegen kann man nicht sein. Es reicht für Reichtum in diesem weiteren Sinne also nicht aus, einfach nur viel von irgendetwas zu haben. Stattdessen ist man in diesem Sinne nur dann reich, wenn man viel von etwas Gutem hat. Speisen, Geschenke, Freunde, Glück und Ideen sind gut. Wenn man sehr viel davon hat, dann ist man mit Blick auf diese Dinge auch reich. Feinde und Pech hingegen sind nicht gut. Deswegen ist man auch nicht reich, wenn man sehr viel davon hat.

Reichtum erweist sich damit als »thick concept«, also als einer der sogenannten dicken Begriffe, wie Bernard Williams (1985, S. 143145) sie beschrieben hat. Solche dicken Begriffe beschreiben die Welt nicht nur, sondern sie beinhalten zugleich auch eine Wertung. Der Begriff »Mutter« beispielsweise ist deshalb ein dicker Begriff, weil er nicht nur eine genetische Beziehung, sondern auch eine bestimmte Verhaltenserwartung zum Ausdruck bringt. Selbst ein Wort wie »Markt« ist ein dicker Begriff, weil man auf dem Markt eigeninteressiert zu handeln hat, zumindest dem neoliberalen Marktverständnis zufolge. Auch Geld und Reichtum sind dicke Begriffe. Geld stinkt bekanntlich

Doch das allein reicht noch nicht aus, um den Begriff des Reichtums im weiten Sinne angemessen zu erfassen. Denn jemand kann auch viel von bestimmten guten Dingen haben, und dennoch wäre es seltsam davon zu sprechen, er sei reich daran. Wer beispielsweise viele Muskeln hat, der ist nicht reich an Muskeln. Auch reich an Zufriedenheit kann man nicht sein. Was also unterscheidet gute Dinge, die reichhaltig sind, wie Speisen, Geschenke, Freunde, Erfahrung, Glück und Ideen, von anderen guten Dingen, die nicht zu einem Reichtum in diesem weiten Sinne führen?

Ich möchte den Vorschlag machen, dass man nur an austauschbaren Gütern reich sein kann. Reichtum hat also immer eine interaktive Dimension, weil er teilbar und verteilbar sein muss. Speisen und Geschenke kann man tauschen. Auch Freunde kann man im Prinzip austauschen, und Ideen und Erfahrungen kann man gut teilen.

Ein kleiner Ausreißer ist da natürlich das Glück. Doch wenn man nicht glaubt, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, sondern davon ausgeht, dass wir unser Glück gemeinsam gestalten können, dann ist auch Glück teil- und tauschbar. Reichtum in einem weiten Sinne liegt diesem Begriffsverständnis nach also dann vor, wenn man viel von guten Dingen hat, die teil- und daher tauschbar sind. Es hat Vorteile, Reichtum auf diese Weise zu verstehen. Geldreichtum ist dann nämlich einfach nur eine besondere Form von Reichtum. Denn Geld ist offensichtlich eine gute Sache, die sich leicht für etwas anderes tauschen lässt.

Doch das erklärt noch nicht, warum Geldreichtum so besonders ist, dass sich der Begriff des Reichtums im

Ökonomischer Reichtum

Im Zusammenhang mit Reichtum geht es meiner Ansicht nach also letztlich um Geld. Laut Duden zielt aber selbst dieses enge Verständnis von Reichtum auf Vermögen und nicht nur auf Geld ab. Selbst derjenige, der gerade nicht besonders viel Bargeld, aber riesige Ländereien, eine Goldmine, eine erlesene Schmucksammlung oder viele Häuser besitzt, ist demnach reich. Man muss also nicht wie Dagobert Duck all sein Geld in einem Bunker lagern. Auch die Forbes-Milliardäre haben weder in ihrem Speicher noch auf dem Geldkonto viele Milliarden Euro angehäuft: Sie besitzen Aktien. Um zu verstehen, warum es bei Reichtum letztlich doch um Geld geht, ist daher zunächst zu klären, wie Reichtum als Vermögen zu verstehen ist.

Dem Duden zufolge ist der Begriff »Vermögen« in einem ökonomischen bzw. nicht in einem allgemeinen Sinne gemeint. Es geht entsprechend diesem engen Verständnis von Reichtum nicht um irgendwelche Fähigkeiten,