cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 3032

 

Sandschwimmer

 

Die USO auf einer Welt der Cairaner – ein Agent in freier Wildbahn

 

Kai Hirdt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Cairaner

2. Hasproner

3. Cairaner

4. Hasproner

5. Cairaner

6. Oxtorner

7. Hasproner

8. Oxtorner

9. Cairaner

10. Oxtorner

11. Hasproner

12. Oxtorner

13. Cairaner

14. Oxtorner

15. Hasproner

16. Oxtorner

17. Cairaner

18. Hasproner

Leseprobe PR NEO 210 – Oliver Plaschka – Rettet Rhodan!

Vorwort

1. Perry Rhodan

2. Thora Rhodan da Zoltral

3. Perry Rhodan

Gespannt darauf, wie es weitergeht?

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img2.jpg

 

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI, seines Raumschiffes, gesichertes Wissen enthalten.

Rhodan setzt sich auf die Spur der Cairaner, hinter denen man die Drahtzieher für viele Geschehnisse der vergangenen Jahrhunderte vermutet. Während er mit der RAS TSCHUBAI in das geheimnisvolle Galaxien-Geviert aufbricht, bleibt der unsterbliche Arkonide Atlan in der Milchstraße.

Schützenhilfe erhält er von der USO unter Lordadmiral Monkey. Dieser begibt sich unerkannt unter die Cairaner und begegnet dem SANDSCHWIMMER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Der Markgraf – Der geheimnisvolle Anführer des USO-Teams verhält sich lange Zeit passiv.

Monkey – Der oxtornische Lordadmiral der USO wird aktiv.

Ujud Dremurai – Der cairanische Assistent verwaltet Macht.

Iom Tashtelu-Tempu – Der Hasproner schlägt sich durch den Datendschungel.

1.

Cairaner

 

Ujud Dremurai presste sich die Außenhände gegen die Schläfen. Es vermittelte ihm die Illusion, er selbst wäre für seinen schmerzenden Kopf verantwortlich statt die verstörenden Informationen, die er im Laufe des vergangenen Tages erhalten hatte.

Als Adjutant des Halokonsuls Aionguma Baldaraise musste er die gewöhnlichen Amtsgeschäfte verwalten, bis der Konsul nach Hovcai zurückkehrte. Baldaraise wurde zwar für den Abend des laufenden Tages erwartet, doch die Tage auf Hovcai waren so lang wie auf anderen Welten ganze Wochen, und gewöhnlich war die Lage ganz und gar nicht: Das Patrouillenschiff TELTRAIM war Opfer eines feindlichen Angriffs geworden. Eine dritte Partei hatte es gerettet und das Schiff nach Hovcai geschleppt.

Bis der Konsul zurückkehrte, war all das Dremurais Verantwortung: die Überlebenden der TELTRAIM und das überwiegend mit Terranern besetzte Schiff, das sie gerettet hatte. Terraner auf Hovcai. Welch ein Affront gegen die natürliche Ordnung der Dinge!

Dremurai löste die Hände vom Kopf und aktivierte das Holo.

Vier der ungebetenen Gäste befanden sich auf der TELTRAIM und würden bald auf das Shuttle Richtung Planetenoberfläche umsteigen. Jene vier, die er als Verhandlungsdelegation würde empfangen müssen, weil inkompetente Untergebene eine ganze Kaskade von Fehlentscheidungen getroffen hatten. Es mochte ja stimmen, dass die TELTRAIM zur Selbstzerstörung nicht mehr in der Lage gewesen war. Aber ganz selbstverständlich hätte sich in dieser Lage jeder einzelne Cairaner an Bord umbringen müssen, statt Hilfe anzunehmen.

Allerdings, das ließ sich nicht von der Hand weisen, hatte die TELTRAIM um entsprechende Anweisungen gebeten. Es war nicht die Schuld ihres Kommandanten, dass man in der Flottenleitung zu behäbig gewesen war, um korrekt auf die Anfrage eines unbedeutenden Patrouillenschiffes zu reagieren.

Das Ergebnis dieses Versäumnisses bedeutete nun: Menschen auf Hovcai. Was für ein Wahnsinn!

Dremurai betrachtete die vier Gestalten im Holo eingehend. Genau genommen handelte es sich um drei Menschen und einen Hasproner. Letzterer war das geringste Problem. Diese kleinen Wesen mit ihrem schwarzen Fell und den hufartigen Füßen wirkten auf den ersten Blick wie Tiere, hatten jedoch eine außerordentliche Affinität zu Logik und Effizienz. Der Cairanische Friedensbund hatte vielfach fruchtbringend mit ihnen kooperiert.

Deutlich mehr Sorgen bereiteten Dremurai die anderen drei: eine Frau, nur wenig größer als der Hasproner. Ein Mann von durchschnittlichem Wuchs. Und die wuchtige Figur, die sich selbst nur der Markgraf nannte und für sich in Anspruch nahm, die USO zu vertreten. Die United Stars Organisation. Eine Untergrundbewegung, Gegenstand fast so vieler eigenartiger Geschichten wie der Planet Terra.

Dremurai hatte überlegt, die Verhandlungen mit dem Markgrafen in der orbitalen Werft zu führen, in der die TELTRAIM nun repariert wurde. Doch das wäre einem Affront gegen die Retter gleichgekommen, und dafür wollte er sich vor Konsul Baldaraise nicht verantworten.

Also macht er aus der Not eine Tugend. Wenn er den Markgrafen und seine Begleiter schon auf der maßgeblichen Stützpunktwelt der Cairaner empfangen musste, konnte er zumindest die äußeren Umstände vorteilhaft gestalten. Was zunächst hieß, so viele Informationen wie möglich zu sammeln.

Die Legatin des Cairanischen Panarchivs hatte ihn ihrer uneingeschränkten Unterstützung versichert. Das Schiff der Menschen – eigentlich zwei Schiffe, die zu einem vereinigt werden konnten, die NIKE QUINTO und die RATBER TOSTAN – konnte kein Signal senden oder empfangen, kein Triebwerk zünden und keinen Geschützlauf bewegen, ohne dass er davon erfuhr.

In das Holo kam Bewegung. Die vier Wesen stiegen um. Dremurai achtete genau auf ihre Körpersprache; dies hatte er bei den humanoiden Völkern der Milchstraße stets als sehr aufschlussreich empfunden. Die Delegationsmitglieder waren namentlich angekündigt worden: Iom Tashtelu-Tempu, der Hasproner, wirkte stets sprung- oder verteidigungsbereit, er behielt sein ganzes Umfeld pausenlos im Blick. Bela Hogam, die Frau in der Gruppe, wirkte hingegen träge und schläfrig, worauf Dremurai aber ohne weitere Informationen keine Strategie aufbauen wollte. Daan Gudati, der kleinere der beiden Männer, bewegte sich mit der Selbstverständlichkeit eines trainierten Kämpfers mit exzellenter Körperbeherrschung. Und der Markgraf ...

»Übertragung anhalten!«, befahl Dremurai. »Letzte Sequenz wiederholen!«

Die letzten Sekunden liefen erneut ab, und mit ihnen die Auffälligkeit, die Dremurais Aufmerksamkeit geweckt hatte. Nachdenklich betrachtete er die Person, die nur als der Markgraf bekannt war. Eine wirklich imposante Erscheinung, wenn auch deutlich kleiner als ein durchschnittlicher Cairaner, aber mehr als doppelt so breit in den Schultern. Ihn umgab eine Aura des Geheimnisvollen – gewiss dem Helm geschuldet, der den kompletten Kopf umfing und das Gesicht hinter einer flexiblen metallenen Maske verbarg.

Auffällig jedoch war die Art, wie er sich bewegte. Generell ging der Markgraf stockend, wie ein unausgereifter Roboter oder ein Humanoider, der aufgrund einer Krankheit keine volle Kontrolle über seine Gliedmaßen hat. Es wirkte, als müsste er bewusst einen Fuß vor den anderen setzen statt einfach zu gehen. Und einmal – erneut spulte Dremurai zurück – erschlaffte er mitten in der Bewegung.

Es währte nur einen winzigen Augenblick. Das Standbein knickte ein, die Arme schlenkerten. Nein, das war kein Roboter. Das war ein organisches Wesen mit einer schweren Störung seines Bewegungsapparates.

Zwar gewann der Markgraf sofort die Kontrolle zurück und bremste seinen Fall, bevor einer seiner Begleiter etwas bemerkte. Aber Dremurai hatte es gesehen. Der Markgraf war also krank.

Wer wusste, wozu diese Information gut sein konnte?

Die vier betraten nun den Aufenthaltsraum ihres Shuttles. Darin würde die Delegation ihre Geheimnisse nicht mehr lange für sich bewahren. Hovcai mochte zwar kein besonders guter Standort für Lauschoperationen sein: Die abgelegene Position dieser Welt, tief im Leerraum, mehr als siebzigtausend Lichtjahre vom Halo der Milchstraße entfernt, hatte eine ausgefeilte Spionageabwehr oder gar Gegenspionage bislang unnötig erscheinen lassen. Aber auch ohne die hoch entwickelte Ausrüstung, die vielerorts in der Milchstraße zum Einsatz kam, wusste Dremurai sich zu helfen.

»Ist die Zelle präpariert?«, fragte Dremurai.

»Befehlsgemäß«, bestätigte Posnur Orrodse, der unglückliche Kommandant der TELTRAIM.

Dremurai meinte, einen leidenden Unterton herauszuhören, ignorierte es jedoch. Orrodse mochte nicht einverstanden damit sein, dass er seine Retter aushorchen sollte. Die Befindlichkeit eines Kommandanten war Dremurai jedoch herzlich egal.

»Zwei leicht auffindbare Kamerasonden sind platziert«, erläuterte Orrodse, »und eine gut versteckte. Diese drei sind durch gründliche Untersuchung zu finden, die vierte nicht. Der Akustikfeldprojektor in der Decke kann ebenfalls zum Abhören der Gespräche genutzt werden. Sollten die Terraner ihn sabotieren, werden sie zusätzlich durch die Wand direkt belauscht.«

Dremurai nickte zufrieden. Keine ideale Konstellation, aber in Anbetracht der Mittel der TELTRAIM ging es nicht besser. Das Beiboot mit der Delegation würde sich Hovcai sehr langsam nähern, und am Ende dieses Fluges konnte Dremurai die Absichten der angeblichen USO-Gesandten hoffentlich deutlich besser einschätzen als im Augenblick.

2.

Hasproner

 

»Sicherheitsüberprüfung!« Der Markgraf erteilte den Befehl ohne erkennbare Emotion.

Letzteres überraschte mich nicht. Jeder Taschenrechner hatte ein regeres Gefühlsleben als unser oberster Vorgesetzter und aktueller Einsatzleiter.

Entsprechend nüchtern antwortete ich: »Eingeleitet.«

Je weniger Worte man in Gegenwart des Markgrafen verwendete, desto geringer war die Chance, etwas Falsches zu sagen. Meine Finger tanzten über die Bedienelemente der Kleinstpositronik, die mein ständiger Begleiter war.

Die Cairaner hatten uns in ein Beiboot verfrachtet, das uns von der havarierten TELTRAIM fort- und nach Hovcai bringen sollte, dem Stützpunkt der Cairaner weit draußen im Leerraum.

»Bin gespannt, was wir auf dieser sagenumwitterten Welt finden«, murmelte Daan Gudati.

Ich wurde nie recht schlau aus dem Halboxtorner. Offiziell war er Kommandant der RATBER TOSTAN. Doch sobald es irgendwo brenzlig wurde, verließ er sein Schiff und ging an vorderster Front selbst in den Einsatz. Dafür war er als Leiter eines USO-Spezialistenteams zweifellos qualifiziert. In meinen Augen schlossen sich seine beiden Aufgabenbereiche jedoch gegenseitig aus. Gudati schien das nicht so zu sehen, und auch der Markgraf nicht, womit jede öffentliche Äußerung in diese Richtung einiges an Mut oder Leichtsinn verlangt hätte.

Aber wozu sind wir die United Stars Organisation? Mut beginnt bei uns beim Abfassen der Bewerbung – immerhin könnte sie angenommen werden. Und Leichtsinn sagt man uns seit Jahrtausenden nach, meist, wenn uns wieder ein besonders spektakulärer Coup gelungen ist.

Dabei ist es meist gute Vorbereitung und eiserne geistige und körperliche Disziplin, die zu unserem Erfolg führt.

Deshalb dürfen sich nur die Besten der Besten USO-Spezialisten nennen. Die überleben außerdem häufiger mal einen haarigen Einsatz.

Bevor ich jedoch meinen Wagemut mit einer spitzen Bemerkung Ausdruck verleihen konnte, reagierte der Markgraf.

»Geheimnisumwittert«, korrigierte er Gudati. »Gäbe es Sagen in nennenswertem Ausmaß, hätten wir schon vor Jahrhunderten von Hovcai erfahren.«

Ich tauschte einen amüsierten Blick mit Bela Hogam, der Analytikerin unseres Teams. Bela war klein für eine Terranerin, gerade anderthalb Meter groß. In meinen Augen eine angenehme Eigenschaft, denn damit war sie nur einen halben Kopf größer als ein normal gewachsener Hasproner wie ich. Dadurch bekam ich keine Nackenschmerzen, wenn ich im Stehen mit ihr sprach.

Unnötig zu erwähnen, dass die Cairaner uns keine Sitzplätze zugedacht hatten. Wir hielten uns in einem schmucklosen, unmöblierten Stahlquader auf, den man wohlwollend als Frachtraum, realistischer aber wohl als Zelle einschätzen musste. Das Quartier sandte uns eine klare Botschaft: Willkommen waren wir nicht.

»Sicherheitsüberprüfung!«, wiederholte der Markgraf grollend. Es galt wohl jedem USO-Agenten der letzten Jahrhunderte als schlechtes Zeichen, wenn er einen Befehl wiederholte.

»Abgeschlossen!«, schnarrte ich sofort.

Beim Markgrafen musste ich den Kopf weit nach hinten legen, um Meldung zu machen. Selbst ohne seinen Helm war er knapp zwei Meter groß. Dazu war er fast so breit, wie ich hoch war – eine erdrückende Erscheinung.

»Die karge Ausstattung des Raums hat den Vorteil«, ratterte ich los, »dass es nur wenige Möglichkeiten gibt, Abhörtechnik zu verstecken. Vier Kameraaugen sind installiert.« Ich deutete auf die entsprechenden Stellen. »Drei davon sollten wir wohl finden, das vierte nicht. Zudem gibt es einen Akustikfeldprojektor, der vermutlich zum Abhören unserer Konversation umgepolt werden kann. Der Projektor ist nachlässig abgesichert und lässt sich problemlos desaktivieren.«

Das stimmte nicht ganz, eigentlich war die Absicherung sogar sehr gut. Aber eben nicht gut genug für mich.

»Die Wände sind massiv«, fuhr ich fort, »ohne darunter verbaute Technik, abgesehen vom Türöffner. Zudem sind sie so dick und leiten den Schall schlecht, dass wir wahrscheinlich nicht belauscht werden können. Dasselbe gilt für den Boden und die Decke. Das Schiff ist offenkundig nicht für den Transport und das Aushorchen von Gefangenen ausgelegt.«

»Oder«, gab der Markgraf zu bedenken, »die Cairaner sehen uns nicht als Gefangene.«

Wie stets bewegten die Lippen seiner metallenen Maske sich nicht genau synchron mit seinen Worten, was eine seltsam verstörende Wirkung hatte. Ich wusste wenigstens zum Teil, welche hoch entwickelte Technik sich in seiner Masken-Helm-Kombination verbarg, sodass mich diese vermeidbare Unzulänglichkeit umso mehr irritierte. Aber wenn es seinen Verhandlungspartnern ebenso erging, war das wiederum von Vorteil.

Der Markgraf trat an eine der vier Stellen, die ich angezeigt hatte. »Wir benötigen jetzt ein bisschen Privatsphäre«, sagte er ungerührt. »Ich bitte um Verständnis.« Dann zerquetschte er die kaum sichtbare Optik mit einem Daumen, fast so groß wie meine Handfläche, und wiederholte das Prozedere bei den anderen drei Spionsonden.

Ich murkste derweil die Programmierung des Akustikfeldprojektors so gründlich ab, dass es Stunden dauern würde, sie wieder in Gang zu bringen. »Wir sind unter uns«, meldete ich, als die Anlage nur noch ein trauriges Fiepen von sich gab.

Monkey nickte ausdruckslos. Erst zu diesem Zeitpunkt, als wir unter uns waren, gestattete ich mir, seinen wirklichen Namen zu denken – die Identität des Mannes zu benennen, der seit siebenhundert Jahren die Geschicke unserer Organisation lenkte.

Monkey stand kurz davor, ein neues Kapitel in der langen und wechselvollen Geschichte der USO aufzuschlagen. Dafür mussten wir lediglich die Wesen beeindrucken, die vor rund vierhundert Jahren handstreichartig die Macht in der Milchstraße übernommen und seitdem keine Schwachstelle offenbart hatten.

Der USO-Chef verzichtete dabei zurzeit auf taktische Mätzchen. Selbstverständlich hätten wir die cairanischen Spionageeinrichtungen nutzen können, um für uns vorteilhafte Falschinformationen zu übermitteln. Monkey hatte sich stattdessen für ein Zeichen der Stärke entschieden. Die USO war ein starker Partner für den Cairanischen Friedensbund und konnte auf das jahrtausendealte »Wissen sie, dass wir wissen, dass sie wissen«-Spiel verzichten. Diese Botschaft hatten die vier knirschenden Kameralinsen übermittelt.

Monkey trommelte mit allen zehn Fingern einen schnellen Rhythmus an die Wand, der jeden mechanischen Abhörversuch von draußen verhinderte. »Ich sehe gut«, teilte er uns dazu mit. »Sind Sie sicher, dass es den Cairanern nicht ebenso geht?«

Ich musste meine Instrumente kein zweites Mal anwerfen. Ich war gründlich gewesen. »Nach den mir zur Verfügung stehenden Überprüfungsmethoden dringt kein Signal hinaus oder herein.«

Monkey nickte abermals, ohne eine Miene zu verziehen. Sein Ich sehe gut hatte mir deutlich gemacht, dass meine Methoden nicht das Maß aller Dinge waren. Ich war genauso blind wie die Cairaner. Das absolute Nonplusultra, das der USO an Überwachungstechnik zur Verfügung stand, steckte in Monkeys Optikum – jenen unheimlichen Kameraobjektiven, die er anstelle organischer Augen trug. Die hatte er vor Jahrhunderten bei einem Unfall verloren, und sie waren durch Implantate ersetzt worden.

Dabei von einer Behinderung zu sprechen, hätte den Kern der Sache arg verfehlt. Der Ersatz für die Sinnesorgane war im Lauf der Jahrhunderte mehrmals gegen immer leistungsfähigere Modelle ausgetauscht worden, und mit dem letzten Upgrade zum Optikum trug Monkey einen Computer im Kopf, der auf seine Gedankenbefehle reagierte und ein Sensorium bot, von dem ich als gemeiner Positronikspezialist nur träumen konnte.

Die metallene Maske des Markgrafen zerfloss und verschwand im Helm. Sie gab den Blick auf Monkeys olivgrünes Gesicht frei, inklusive der beiden schwarzen, herausragenden Kameragehäuse. Der Chef schaltete seine künstlichen Augen auf Projektorbetrieb um, und gleich darauf schwebte das Abbild eines Planeten im Raum: Hovcai, unser Ziel.

Mein Unbehagen über den unautorisierten Eingriff ins Bordnetz der Cairaner musste irgendwie sichtbar gewesen sein, denn Monkey erläuterte: »Die Bilddaten unterliegen keiner besonderen Sicherheitsstufe. Jedes Besatzungsmitglied kann sie einsehen. Daher fällt nicht auf, wenn ich auf der Datenleitung aufsattele.«

Ich verließ mich darauf – der Chef wusste, was er tat. Einigermaßen beruhigt widmete ich mich dem Holo. Wenn er per Projektion für jedermann sichtbar verriet, dass er die Bordkommunikation überlistet hatte, war er seiner Sache wirklich ausnehmend sicher.

Der Planet unter uns wuchs. Eine Welt, die man traditionell als erdähnlich bezeichnete, obwohl es den Vergleichsplaneten Terra womöglich nie gegeben hatte. Hovcai wirkte allemal freundlicher als der USO-Stützpunkt auf Cavtha im Useilsystem, wo ich zumeist stationiert war. Meere und Landmassen hielten sich etwa die Waage, mit drei Kontinenten auf der Nord- und einem auf der Südhalbkugel. Beide Pole lagen unter mächtigen Eiskappen und schimmerten roséfarben im Licht des Roten Zwergs, den Hovcai langsam auf einer engen Bahn umkreiste.

Der Planet war einigermaßen dicht besiedelt, jedoch nur in den tiefer gelegenen Regionen. Die Bergmassive wirkten, zumindest von unserer momentanen Position aus, unberührt. Auch gab es keinen kontinentüberspannenden Moloch von Stadt wie auf manch anderem Planeten, der von einer raumfahrenden Zivilisation besiedelt und als Brückenkopf ausgebaut worden war. Die Cairaner hielten es stattdessen überschaubar: Ich sah an die sicher vierzig, vielleicht fünfzig separate Ballungsräume, von denen jeder um die zwanzig Millionen Einwohner beherbergen mochte.

Die Zone, auf die wir zuhielten, unterschied sich von den anderen Städten nur durch ihre Umgebung. Sie war von drei großen, grob kreisförmigen Formationen geprägt, die als Eckpunkte eines etwa gleichseitigen Dreiecks angeordnet waren: einer Stadt mit rund dreißig Kilometern Durchmesser, mit vielen turmartigen, vorwiegend weißen Gebäuden, wie wir sie als traditionell bevorzugten Baustil der Cairaner kannten. Laut der Navigationskennung, die Monkey gleich mit empfing, hieß sie Sma.

Daneben und sichtlich größer, genau fünfzig Kilometer durchmessend, lag ein Raumhafen – sein Landefeld war offenbar unser Ziel. Auf der Ost-West-Achse genau zwischen beiden Komplexen, dafür etwas nach Norden versetzt, befand sich eine fast kreisrunde Sandwüste. Richtung Norden wurde sie von einem sichelförmigen Binnenmeer abgeschlossen.

»Ich habe Zugriff auf die Ortung des Shuttles«, sagte Monkey, diesmal ohne die entsprechenden Bilder einzublenden. »Insgesamt wenig Flugverkehr im System. Die NIKE QUINTO und die RATBER TOSTAN beziehen vereinbarungsgemäß Warteposition hinter Hovcais Mond, die Cairaner lassen die beiden Schiffe in Ruhe. Weitere Flotteneinheiten von der Größe der TELTRAIM befinden sich nicht im System.«

Seltsam. Hovcai war der Amtssitz der cairanischen Konsuls, der die Randbezirke der Milchstraße kontrollierte. Das machte diese Welt zu einem der zehn wichtigsten Planeten der Galaxis. Aber er war nahezu allen unbekannt, von daher bedurfte es keiner riesigen Wachflotte, die allenfalls das Augenmerk auf Hovcai gelenkt hätte. Und in der USO hatten wir gelernt, uns von Äußerlichkeiten nicht täuschen zu lassen.

Immerhin befand sich das Herzstück unserer Organisation, Quinto-Center, in einem unscheinbaren, 62 Kilometer durchmessenden Asteroiden, der friedlich den Lagunennebel durchzog. Innen jedoch war er komplett ausgehöhlt und mit allem ausgestattet, was ein galaxisweit agierender Top-Level-Geheimdienst sich nur wünschen könnte.

Ob es wohl im Inneren von Hovcai ebenfalls geheime Anlagen gab?

Es juckte mich in den Fingern, ein wenig zu stöbern, sobald wir auf dem Planeten angekommen waren. Irgendein Datennetz würde schon die eine oder andere suboptimal gesicherte Information ...

»Das Primärziel genießt oberste Priorität«, unterbrach Monkey meine Gedanken, die Kameraaugen direkt auf mich gerichtet. »Sekundärziele werden nur verfolgt, sofern sie unserer Hauptaufgabe nicht entgegenstehen.«

Hatte er meine Gedanken gelesen? Nein – Monkey war vieles, aber kein Telepath. Aber er verfügte über Jahrhunderte an Lebenserfahrung und Kameraaugen, die jede noch so kleine Änderung der Mimik erfassen und vergrößern konnten. So konnte er in den meisten Lebewesen lesen wie in einem offenen Buch.

»Natürlich, Lordadmiral«, sagte ich. »Informationsbeschaffung nur, solange sie unser Verhandlungsergebnis mit den Cairanern nicht gefährdet.«

Bela Hogam meldete sich erstmalig zu Wort. »Wir müssen spionieren, sonst nehmen die Cairaner uns nicht ernst.« Wie meist klang die Analytikerin, als hätte sie zu wenig geschlafen und wäre hundemüde. »Heute ist nicht mehr viel über die USO bekannt, aber dass sie ein Geheimdienst war, dieses Schnipselchen findet sich in vielen noch erhaltenen Daten.

Das macht den Einsatz schwierig. Halten wir brav die Füße still und warten, bis man uns zu empfangen geruht? Diese USO wäre kein wertvoller Partner. Starten wir einen groß angelegten Lauschangriff auf unseren Verhandlungspartner? Auch keine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit.«

Hogam gähnte leise und wandte sich an Monkey. »Mein Vorschlag wäre, lassen Sie Spezialist Tashtelu-Tempu ruhig ein bisschen rumschnüffeln. Er muss bloß aufpassen, dass er nichts findet.«

Monkeys Kameraaugen fixierten mich. »Ist Ihr Einsatzziel damit verständlich umrissen?«

Ich nickte und unterdrückte ein Augenrollen – wobei ich sicher war, dass der Impuls dazu Monkey nicht entgangen war. Wir landeten auf einem cairanischen Konsulatsplaneten, einem Nervenknoten jener geheimnisvollen Macht, die seit Jahrhunderten die Milchstraße beherrschte. In ihren Datenbanken mussten ungeahnte Wissensschätze lagern. Und ich durfte mich darauf beschränken, das Trivid-Programm auf Hovcai auszuwerten und Radiosendungen mitzuschneiden.

Jahre der Ausbildung zum USO-Spezialisten, weitere Jahre für meine Zusatzqualifikation im Bereich Positroniken, und ich sollte heimlich Tiersendungen und Talkshows anschauen.

Ich fühlte mich unterfordert.

3.

Cairaner

 

Dremurai ließ seine Gäste warten – ein kleiner Ausgleich für die Provokation mit den zerstörten Kameras. Er durchkämmte die ihm vorliegenden Informationen zum vierten Mal und suchte nach einem Anhaltspunkt für falsches Spiel. Eine Flottille durchgedrehter positronisch-biologischer Roboter hatte versucht, die TELTRAIM aufzubringen. Dabei war das cairanische Schiff so weit zusammengeschossen worden, dass es weder fliehen noch die Selbstzerstörung auslösen konnte.

Die NIKE QUINTO und die RATBER TOSTAN hatten die Angreifer gejagt, deshalb war das Doppelschiff vor Ort gewesen und hatte Hilfe angeboten. Die TELTRAIM hatte annehmen müssen, wollte sie nicht in die Hand der immer noch lauernden Posbis fallen.

img3.jpg

Illustration: Swen Papenbrock

So weit, so plausibel.