Riverfield Logo

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten
© copyright by
Riverfield Verlag, Basel
www.riverfield-verlag.ch


Texte von Johannes Czwalina in Anlehnung an das Buch »Wenn ich nochmal anfangen könnte …« (Dittrich Verlag)


Lektorat und Satz:
ihleo verlagsbüro – Dr. Oliver Ihle, Husum (D)


Umschlaggestaltung:
Visuelle Fabrik, www.visuellefabrik.ch


E-Book Programmierung: Dr. Bernd Floßmann (D)


ISBN 978-3-9524906-8-6 (Print)

ISBN 978-3-9524906-9-3 (E-Book)


Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher erhalten Sie unter www.riverfield-verlag.ch


Riverfield_Logomarke_rund_bitmap

Vorwort

Nur draussen spielt ein Leben, so wohltuend vergnügt! Diese Vorstellung vom Glück drang während meiner zweijährigen Bettlägerigkeit fortdauernd wie durchs Fenster tief in mein Bewusstsein.

Sonnenstrahlen, die sich an einem lauen Sommerabend an den Zimmerwänden verfingen, das fröhliche Lachen der Kinder von aussen und mein Lauschen auf den Klang der Natur jenseits meiner Wände liessen mich erahnen, dass sich eine Realität fernab von der meinen abspielen musste.

Meist schwebte ich in Gedanken, vertieft in Gebete und Vergangenheitserinnerungen in meiner unbeschwerten Kindheit, als wollte diese mir eine unbeschreibliche Kraft und einen immensen Drang des Weiterlebens in Aussicht stellen.

Das Erlebte und die damit verbundenen Gedankengänge möchte ich festhalten und mitteilen. Johannes Czwalina, dem ich in der Rekonvaleszenz begegnete, hat das Entstehen dieses Buches mitgeprägt.

Das Wesentliche soll darin aber nicht das vergangene Leid darstellen, sondern dessen Frucht: der Weg vom Leid zur Leichtigkeit, Erfahrungen, die durch meine Seele gegangen sind, Gedanken, die ich durchlebte.

Wer gönnt sich heute noch ein Nickerchen auf einer Wiese, lässt die Zeit stillstehen?

Das vorliegende Buch will ein Lebensgefühl vermitteln und auch als Versuch gelten, uns einen tieferen Zugang zu unseren Sinnen zu verschaffen und uns eine Welt hinter unserer oft oberflächlichen Wahrnehmung entdecken zu lassen. Es möchte der Sehnsucht nach dem schwerelosen Dasein und einfachen Glück, dem Nichtstun und Mit-sich-selbst-Sein nachgehen. Es will unsere Augen auf die kleinen und unscheinbaren Dinge richten, in denen aber bei genauer Betrachtung die Fülle unseres Daseins liegt.

Sich darauf einzulassen, könnte eine erfrischende Gelassenheit bewirken, welche im kostbaren Besitz der Kunst liegt, den Augenblick bewusster erleben zu können. Und schenken wir diesen kleinen Dingen des Lebens liebevolle Beachtung, erleben wir einen Kosmos voller Überraschungen, verbunden mit unvorhergesehenen Glücksmomenten.

Indirekt soll in den vor uns liegenden Zeilen die Eile der Menschen, die ständige Erreichbarkeit und ein zweckreduziertes Leben hinterfragt werden. Auch der Mangel an bewusster Zuwendung für gewisse Dinge, welche Zeit und Hingabe in Anspruch nehmen, wird angesprochen.

So will dieses Buch zum Nachdenken darüber anregen, was unser Leben wirklich lebenswert macht. Es möchte uns einladen, das Glück wieder durch Kinderaugen zu deuten und zu betrachten. Das Kind in uns will das Leben als ein Fest verstehen.

Seine Botschaft will uns zurücktragen zu dem, was wir eigentlich sind und was wir eigentlich sein wollen, zu dem, was eigentlich unser ist und unser bleiben soll.

Dan Shambicco

Vom Leid zur Leichtigkeit

Ein Gedanke liess mich während meiner zweijährigen Bettlägerigkeit nie los: Wenn doch alles nie passiert wäre, alles nur ein böser Traum wäre und ich einfach genau an dem Punkt, wo ich war, bevor die Krankheit ausbrach, wieder anknüpfen könnte! Diese undefinierbare Sehnsucht nach Freiheit und nach einem Neuanfang erfüllte mich in den schier endlosen Nächten.

Ein Eingriff am Lumbalbereich, welcher ursprünglich der Fehlregulierung meines vegetativen Nervensystems am Bein Linderung versprechen sollte, geriet ausser Kontrolle. In der Folge breiteten sich stärkste chronische Schmerzen in meinem Körper aus. Gerade mal zwanzig Jahre alt war ich. Ich konnte vor Schmerzen kaum mehr aufrecht sitzen.

Selten vermochte ich wenige Schritte zu gehen. Nur sehr mühsam war es mir möglich, meine rechte Hand zu bewegen. Sehstörungen stellten sich ein. Nicht nur das Lesen, auch das Schreiben wurde zeitweise unmöglich. Täglich kämpfte ich um mein geistiges Überleben. Nur nicht in Depressionen und Verzweiflung verfallen! Zahlreiche Ärzte und auch Spezialisten konnten in meinem Falle kaum etwas zur Heilung beisteuern. Starke Medikamente wurden wieder abgesetzt, weil diese sich bei mir als wirkungslos erwiesen.

Die Vorahnung, Verfall und Vergänglichkeit so früh am eigenen Leibe zu erfahren, hielt mich im Würgegriff und immer wieder wollte sich die bange Frage einnisten: Warum gerade ich?

In dieser Verzweiflung kam mir ein Gedanke: »Nicht die Ärzte und die Krankheit haben das letzte Wort! Gott ist der Arzt über meinem Arzt, und wenn er mir Leben wieder einhauchen will, dann kann ihn nichts aufhalten, selbst wenn mein Herz aufhören würde zu schlagen.«

Es überfiel mich für einen Moment ein geradezu kühnes, oder besser gesagt: schamloses Gottvertrauen, das mich aus meinem Grübelmodus herausriss. Die Erwartung auf Zukunft und Besserung stellte sich wie das erste graue Licht einer Morgendämmerung ein.

Noch aber vergingen weitere Monate in Bettlägerigkeit. Wie in einer Seifenblase lebte ich. Ich betrachtete meine Umwelt wie durch eine dicke Scheibe, und mir kam es vor, als ob ich immer mehr ihre oberflächlichen Gesetzmässigkeiten durchschauen konnte. Draussen zog der Wandel der Jahreszeiten an mir vorüber wie eine einzig verbliebene Orientierung, aber doch in gewisser Orientierungslosigkeit. Wenn man mehr Zeit zum Nachdenken besitzt als Zeit, irgendetwas zu tun, entgleiten einem Hektik und Strukturen eines normalen Alltagslebens. Ein anderes Zeitgefühl entwickelt sich und der einzelne Tag an sich spielt nicht mehr eine bedeutende Rolle. Ich war dort, wo keiner in der Blüte seines jungen Lebens sein möchte. Wie eine angefahrene Katze kam ich mir vor nicht tot, aber auch nicht lebendig.