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PROFESSIONELLE
PRODUKTFOTOGRAFIE

2. Auflage

Oliver Feld

ISBN 978-3-95845-833-8

www.mitp.de

© 2019 mitp-Verlags GmbH & Co. KG, Frechen

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Lektorat: Katja Völpel

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Inhalt

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VORWORT

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Kapitel 1
EINLEITUNG

1.1 Produktfotografie – das kann doch jeder

1.2 Wer ist eigentlich Fotograf?

1.3 Produktfotografie – heute

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Kapitel 2
DAS LICHT

2.1 Prolight

2.2 Produktfotografie a la Kollase

2.3 Heiter bis wolkig – Die Sonne als Hauptlicht

2.4 Wo Licht ist, ist auch Schatten

2.5 Fotoassistenten sind wasserscheu

2.6 Epilight

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Kapitel 3
DIE LAMPEN

3.1 Blitz- oder Dauerlicht

3.2 Das Blitzlicht

3.3 Die Studioblitzanlagen

3.4 Belichtungsmessung

3.5 Dauerlicht

3.6 Vor- und Nachteil

3.7 Fazit

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Kapitel 4
LAMPENTYPEN

4.1 Mein Lampen-Park

4.2 Das Hazylight

4.3 Die Softbox

4.4 Die Hardbox

4.5 Die Parabollampe

4.6 Der Spot

4.7 Erleuchtetes

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Kapitel 5
DIE KAMERA

5.1 Das Grundprinzip

5.2 Meine FUSIMA

5.3 Alles auf »M«

5.4 Grundfunktionen einer »Studiokamera«

5.5 1/4" bis 3/8"

5.6 Der Sensor

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Kapitel 6
DAS OBJEKTIV

6.1 Die Schärfe

6.2 Die Blende

6.3 Torkelfreiheit

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Kapitel 7
EINE ENTE STEHT MODELL

7.1 Nur 35 Watt?

7.2 Die Sonne im Studio

7.3 Die Aufhellung

7.4 Das Aufhelllicht

7.5 Zehn kleine Fehler

7.6 Freestyle

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Kapitel 8
MY IPHONE

8.1 Voller Einsatz oder Vollretusche

8.2 Der Reflex

8.3 Material/Oberflächen

8.4 Die Blende

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Kapitel 9
EIEREI

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Kapitel 10
FOODFOTOGRAFIE

10.1 Meine neue Küche

10.2 Der Foodstylist

10.3 Der Einsteller

10.4 Pizza Piccollino ala Tino

10.5 Wer Deko isst

10.6 Taubenbrust, asiatisch

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Kapitel 11
DAS MESSER

11.1 Das Hauptlicht

11.2 Effektlicht No. 1

11.3 Effektlicht No. 2

11.4 Finetuning

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Kapitel 12
CHROM

12.1 Glanzvolle Zeiten

12.2 Spieglein, Spieglein

12.3 Spiegelspiel

12.4 Über den Löffel barbiert

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Kapitel 13
GLAS

13.1 Glas sichtbar machen

13.2 Das Fenster im Glas

13.3 Latte Macchiato

13.4 Sieben Minuten

13.5 Spieglein, Spieglein

13.6 Schwarz oder Weiß

13.7 Das Kasperletheater

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Kapitel 14
DER PACKSHOT

14.1 Papperlapapp

14.2 Die Vorbereitung, das A und O

14.3 Der Packshot im Licht

14.4 Der pragmatische Packshot

14.5 Packshot – Freestyle

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Kapitel 15
360º

15.1 Die Technologie

15.2 Mein Anfänger-Set

15.3 Die Mitte

15.4 Das Licht

15.5 Packshot vs. 360º-Animation

15.6 Alltagstauglichkeit

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Kapitel 16
LEDER

16.1 Das Handy-Etui

16.2 Die Reisetasche

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Kapitel 17
FÜNF VOR ZWÖLF

17.1 Was bisher verschwiegen wurde

17.2 Der Anruf

17.3 Die Aufgabe

17.4 Der Ansatz

17.5 Der Rückschlag

17.6 Jetzt geht’s los

17.7 Ein Puzzle entsteht

17.8 Die Bildmontage

17.9 Die Uhr wird zur Armbanduhr

17.10 Fazit

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Kapitel 18
NACHWORT

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Vorwort

Mein erstes Buch. Und auch wenn ich die Schriftstellerei, anders als die Fotografie, nicht von der Pieke auf gelernt habe, so weiß ich doch, dass dem Cover das Vorwort folgt. Dieser Tradition will ich zunächst mal folgen.

Mein Dank gilt als Erstes meinem Sohn. Drei Jahre hat es gebraucht, bis das letzte Foto geschossen und das letzte Wort geschrieben war. Anfangs hat es ihn noch gestört, dass ich, statt mit ihm auf dem Bolzplatz zu trainieren, mich ins Studio verkrümelt habe, um »Buch zu schreiben«. Später, mit immer akut werdender Pubertät, war er eher froh, dass ich »Buch schreibe«. Vielleicht ist er zum Ende der Pubertät sogar stolz, dass ich »Buch geschrieben habe«. Wer weiß!

Dank auch an meine Kunden. Es kam schon das ein oder andere Mal vor, dass ich kleinlaut anrufen musste, um zu fragen, ob ich statt heute vielleicht auch erst übermorgen abliefern kann. »Ein anderer Kunde blockt das Studio gerade.« Dass es dieses Buch war, wussten die wenigsten.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ein besonderer Dank geht an meinen Vater. Er hat es zwar noch erlebt, dass ich einen Autorenvertrag unterschrieben habe, aber leider nicht mehr, wie ich ihn erfüllt habe. »Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.« Dieser und ähnliche Merksätze sollten mein Gefühl für das geschriebene und gesprochene Wort verfeinern. Drei Kreuze, dass diese Seiten noch durch das Lektorat gehen.

Im Gegensatz zu mir war er wirklich Autor. Immer einen Collegeblock in der Nähe, hat er jeden literarischen Gedanken teils noch in Steno festgehalten und später in die Tasten seiner mechanischen Schreibmaschine gemeißelt. Die Bücher, die dabei entstanden, hat er im Selbstverlag drucken lassen, die Kurzgeschichten wurden im Feuilleton der lokalen Tageszeitung veröffentlicht. Eine Erstauflage von 2.000 ist ihm immer verwehrt geblieben. Aber ich habe noch seine Manuskripte, und irgendwas muss da wohl abgefärbt haben.

Anders kann ich mir die Mail vom mitp-Verlag nicht erklären. Gut, ich hatte aus Lust und Laune mal eine Website zum Thema Produktfotografie erstellt. Ausschlaggebend dafür war aber, dass ich mich mit dem Thema Content-Management-System auseinandersetzen wollte. Das mit dem Managen war nach kurzer Zeit kein Problem mehr, aber es fehlte an Content. Das Einzige, worüber ich einigermaßen sinnvoll schreiben konnte, ohne auf Blindtext zurückgreifen zu müssen, war das, womit ich mich täglich auseinandersetze: Produktfotografie.

Nicht unbedingt etwas, was die Massen begeistert, aber schon ein Thema, das den ein oder anderen beschäftigt. Zumindest las sich das im Gästebuch des von mir gefüllten CMS so. Mal abgesehen davon, dass nach meiner Suchmaschinenoptimierung sowieso keiner mehr an mir vorbeikam, der nach dem Begriff »Produktfotografie« suchen ließ. Ob er wollte oder nicht.

2.000 Visitors, die wöchentlich nach Input darbten. Der 2.001te war dann der Verlag. Was daraus folgte, das ist auf den folgenden Seiten zu lesen und zu sehen.

Ich hoffe, es macht Spaß.

P.S. zur 2. Auflage:

Sechs Jahre liegen zwischen der ersten und zweiten Auflage und »nur« ein neues Kapitel? Gibt es denn so wenig Innovation in der Produktfotografie?

Tatsächlich. Zwar werden die Kameras immer hochauflösender, die Blitzanlagen immer leichter zu bedienen und auch das LED-Licht hält langsam Einzug ins Fotostudio. Nicht zuletzt, weil auch bewegte Produktbilder immer begehrter werden. Aber darüber soll wer schreiben, der sich besser damit auskennt.

Mein Metier ist das Still-life. Die Uhren im neuen Kapitel wären von mir auch vor sechs Jahren nicht anders fotografiert und bearbeitet worden. Heute zwar mit 3x höherer Auflösung, aber dass mehr Pixel nicht immer auch ein Segen sind, auch dazu mehr in diesem Buch.

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KAPITEL 1

Einleitung

1.1 Produktfotografie – das kann doch jeder

1.2 Wer ist eigentlich Fotograf?

1.3 Produktfotografie – heute

1.1 PRODUKTFOTOGRAFIE – DAS KANN DOCH JEDER

Schon mal versucht, einfach einen simplen Apfel aus der Obstschale zu nehmen und ein interessantes Foto davon zu machen? Mal ein Glas Wasser ins rechte Licht gerückt?

Wahrscheinlich nicht! Braucht man in der Regel ja auch nicht. Dann doch lieber ein schön gestaltetes Stillleben. Oder einen leckeren Cocktail. So mit Schirmchen und Limettenscheibe. Der gibt wenigstens was her. Das hängt man sich auch mal an die Wand.

Manch einer gibt sich aber selbst damit nicht ab und steigt gleich in die kommerzielle Produktfotografie ein. So ein Onlineshop z.B. will schließlich bebildert sein. Professionelle Fotografen sind Wegelagerer und Halsabschneider. Da versucht man es doch lieber selbst. Kann ja nicht so schwer sein.

Und in der Tat, ist es auch nicht. Mir geht es in der Regel recht leicht von der Hand. Leichter auf jeden Fall als das Kochen. Mache ich auch gern und meiner Familie und meinen Freunden schmeckt es. Sagen sie zumindest!

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Abbildung 1.1
Nur ein Apfel

Wahrscheinlich liegt das an dem 1-a-Topfset, meiner Profipfanne und den sündhaft teuren Messern. Und ich entwickele mich auch ständig weiter. Als Nächstes investiere ich in eine Kochmütze. Damit bin ich dann reif für den ersten Stern!

Zugegeben, meine Fähigkeiten als Chef de Cuisine basieren nicht allein auf meiner eigenen Kreativität. Hier und da ziehe ich auch Fachliteratur hinzu. In meinem Küchenregal prangt eine ganze Riege wirklich guter Kochbücher und Fachzeitungen.

Bin ich aber wirklich ehrlich zu mir selbst, so muss ich eingestehen: Man kann es essen! Manchmal auch mit Genuss, aber Geld verdienen könnte ich damit nicht!

Muss ich auch nicht. Schließlich bin ich Fotograf. Und als solcher habe ich eine 1a-Kamera, Profiobjektive und eine sündhaft teure Blitzanlage. Zwar findet sich im Studio auch das ein oder andere Fachbuch oder eine Fotozeitung. Allerdings werden diese für die tägliche Arbeit nicht wirklich zu Rate gezogen.

Aber so wenig, wie mich mein ausgefeiltes Küchen-Equipment zum Sternekoch macht, bin ich allein durch den Besitz von Kamera und Blitzanlage zum Fotografen geworden.

Es scheint also nicht allein damit getan, sich aus dem breit gefächerten Angebot der Kamerahersteller ein für sich geeignet erscheinendes Modell zu erwerben. Da fehlt dann mindestens noch einer der günstigeren Aufnahmetische, wie sie vermehrt angeboten werden. Wer sich mit größeren Produkten befassen will/soll/muss, der wird um ein Blitz- oder Dauerlichtset nicht umhin kommen. Auch diese gibt es für relativ kleines Geld. Wenn man den Herstellern glauben darf, dann ist der entscheidende Schritt hin zu professionellen Produktaufnahmen der Erwerb eines Lichtzeltes oder Light-Cubes.

Das alles zum Einsatz gebracht bringt dann aber wahrscheinlich doch eher Produktaufnahmen, die so aussehen, wie meine Gerichte schmecken.

1.2 WER IST EIGENTLICH FOTOGRAF?

Neulich in Frankfurt. Irgendwo in der Nähe der Paulskirche, dort, wo die ganzen Touristen-Busse ankommen. Und prompt kommt uns auch schon ein Tross alles fotografierender Menschen asiatischer Herkunft entgegen. Ausgestattet mit neuester Fototechnik namhafter Hersteller. Teils wohl sortiert in Fototaschen, teils frei vor dem Bauch baumelnd.

»Guck mal Papa, lauter Kollegen«, meinte mein 13-Jähriger nicht ganz ohne ironischen Unterton. Denn selbst er weiß bereits, dass einen Fotografen mehr ausmacht als eine Kamera. Vielleicht auch, weil ich ihm letzthin noch von meinem Schulpraktikanten erzählt habe.

Er war sicher nicht der Erste, den ich in die Geheimnisse der Produktfotografie einführen wollte. Zahlreiche Einzel-Coachings interessierter Zeitgenossen hatten mich bis dahin in der Annahme bestätigt, dass es doch eigentlich jeder lernen kann. Allerdings waren diese angehenden Kollegen auch wirklich interessiert und wissbegierig.

Meinem Praktikanten jedoch, obwohl er sein erstes Schulpraktikum bereits bei einem Porträtfotografen absolviert hatte, blieb jeder Zugang verwehrt. Es waren noch nicht mal die komplexeren Themen, wie die Torkelfreiheit der Studiokamera oder das Schärfelegen nach Scheimpflug. Eigentlich ging es erst mal nur um die Assistenz im Set. Lampe nach Anweisung zentimeterweise verschieben, bis ihr Reflex sauber sitzt. Mal eben noch mit dem Staubpinsel durch den Aufbau gehen, bevor abgedrückt wird, etc. Nach einer kurzen Phase der Erkenntnis war mir aber klar, dass solche Anweisungen dazu führten, dass die Lampen quer durchs Studio beschleunigt wurden oder der Staubpinsel, einer Bowlingkugel gleich, den Aufbau zum Einsturz brachte. Aber auch die zwei Wochen gingen vorüber, nur allein darüber ließe ich schon ein Buch schreiben.

Ich belasse es aber bei der Erkenntnis, dass für den angehenden Produktfotografen neben dem gekonnten Umgang mit Licht und Kamera einige Wesenszüge unverzichtbar sind. Dazu gehört neben einer gewissen Feinmotorik ein hohes Maß an Akribie, Geduld und Improvisationsfähigkeit. So sollte er in der Lage sein, einen 1, 6-l-Motor allein auf der Ölablassschraube auf einem Spiegel zum Stehen zu bekommen. Hier ist der Kfz-Mechaniker, Schreiner und Eisenbieger in uns, oder was auch immer zum Ziel führt, gefragt.

Mit anderen Worten: Ein Produktfotograf kann alles, wenn auch von allem nur ein bisschen. Das gehört zwar nicht zur Ausbildung, ist aber unabdingbar. Auf dieses Halbwissen wird dann das Wissen um Licht und Kamera gepflanzt. Und fertig ist der Produktfotograf!

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Abbildung 1.2
1, 6-l-Rumpfmotor, freistehend auf einem Edelstahlblech

1.3 PRODUKTFOTOGRAFIE – HEUTE

1. ca.100 m2 Studiofläche

2. Kameras, Stative …

3. professionelles Licht

4. Hintergrundmaterial

5. Requisiten

6. ein Labor bzw. ein Computer mit professioneller Bildbearbeitungssoftware

… und dafür Tagesgagen von 1.000 Euro und mehr?

Kein Wunder, dass die Fotoindustrie da Umsatz wittert. Digitale Spiegelreflexkameras gibt es bereits für 500 Euro, und sie sind gleichermaßen für den Urlaub wie auch fürs Studio geeignet. Licht gibt es ab 100 Euro in den sogenannten Ministudios, die mit professionellen Ergebnissen beworben werden. Wer sich die Arbeit mit dem Licht nicht machen möchte, dem versprechen Lichtzelte oder Light-Cubes auf einfachste Art verkaufsförderndes Bildmaterial.

Selbst der, der ein Einsehen hat, dass bessere Technik auch zu besseren Ergebnissen führt, ist mit 2.500 Euro Gesamtbudget ganz vorn dabei. Einen Rechner hat man sowieso und eine Bildbearbeitungssoftware gibt es bereits um die 100 Euro.

Dass professionelle Produktfotografie aber nicht allein eine Sache der Ausrüstung ist, stellen nach meiner Erfahrung am schnellsten diejenigen fest, die in Sachen Equipment richtig fett eingestiegen sind. Denn sie können sich, wenn die erwarteten Ergebnisse ausbleiben, nicht mehr darauf rausreden, dass die Ausrüstung es nicht hergibt.

Es muss also doch ein bisschen mehr dran sein, dass der Profi, obwohl mittlerweile jedem das nötige Equipment zur Verfügung steht, immer noch diese Wucherpreise aufruft.

Warum kriegt der allein mit einer Schreibtischlampe das hin, was mir mit einer mehrköpfigen Blitzanlage ums Zerplatzen nicht gelingen will?

Nun, er hat es gelernt. Mindestens drei Jahre als Lehrberuf oder sogar noch länger, wenn er es zu akademischen Ehren bringen wollte. Es ist damit also keine besondere Begabung. Das zur Beruhigung aller, die bereit sind, sich ernsthaft mit dem Thema »Professionelle Produktfotografie« auseinanderzusetzen.

Mein Lehrmeister war ein Technik-Freak. Vom ersten Tag meiner Ausbildung an stand mir feinste Kameratechnik zur Verfügung, jede Menge Lampenköpfe, zusammengerechnet ca. 50.000 Ws Blitzleistung, zwei Studios, ein komplettes Labor mit E6-Umkehr-, C41-Negativ-, EP2-Positivprozess, Cibachrom …

Die Punkte 1–6 waren somit mehr als erfüllt. Trotzdem hat es ganze zwei Jahre gedauert, bis die erste Aufnahme, für die ich ganz allein verantwortlich war, an einen Kunden weitergegeben wurde. Es muss also doch noch etwas mehr geben, als diese technischen Parameter. Denn die waren sogar damals in einem halben Jahr zu lernen. Angefangen bei der Bedienung einer Fachkamera über den sicheren Umgang mit Hochspannungsgeneratoren bis hin zu chemischen Prozessabläufen im Labor.

Fototechnisch ist mit der Digitalfotografie vieles einfacher geworden. Kein Kerbentasten in der Dunkelkammer mehr, um den Planfilm knickfrei und richtig herum unter die Laschen einer 8-x-10"-Doppelkassette zu fummeln. Kein Polaroidmaterial mehr, um das Licht bis ins Detail beurteilen zu können. Kein stundenlanges Warten auf die Entwicklung.

Fotografisch gelten aber auch mit neuer Technik noch die gleichen Regeln. Gute Produktfotografen sind nach wie vor detailversessen. Das fängt bei der Vorbereitung des Produkts an, geht weiter über dessen Aufbau hin zum Licht und endet darin, dass möglichst wenig nachzubearbeiten ist. Heute sind es Biergläser, morgen Autoreifen und nächste Woche Armbanduhren. Ich habe zum Beispiel in meiner Ausbildung nie Chromarmaturen fotografieren müssen. Mein erster Job als Studioleiter hat mich aber genau mit so einem Kunden konfrontiert. Trotzdem habe ich es hinbekommen. Ist halt ein bisschen wie Bierglas und Armbanduhr in einem.

Diese Basisausbildung zusammen mit einem hohen Maß an Sorgfalt und Erfahrung machen den Unterschied. Da wird nicht mal irgendwie eben irgendwas hingestellt, weil man mal schnell ein Bild braucht. Es ist ein sehr strukturiertes Arbeiten, bei dem die Technik nur einen geringen Anteil an einem guten Produktfoto hat.

Ich würde dieses Buch nicht schreiben, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass auch ein ungelernter Fotograf, der aber mit Ausdauer bereit ist, sich dem Thema zu widmen, mit Unterstützung der mittlerweile erschwinglichen Technik zu guten Ergebnissen kommen kann. Allein durch die vielen Onlineshops ist der Bedarf an Produktabbildungen so enorm gestiegen, dass wir Profis das allein schon nicht mehr bewältigen könnten.

Wer seinen Onlineshop neu aufmacht und dabei gleich 300 Produkte bebildern muss, ohne sich über die Nutzungsrechte bereits bestehender Produktabbildungen des Herstellers hinwegzusetzen, der zuckt zunächst erst mal zusammen, wenn er vom Fotografen ein Angebot unterbreitet bekommt, dass die Anschaffung des dafür erforderlichen Equipments um ein Vielfaches übersteigt. Warum also nicht das Geld nehmen und sich gleich durch Technik vom Fotografen unabhängig machen?

Weil es Übung braucht, und selbst dann, wenn man sich mit der Abbildung seiner Produkte vertraut gemacht hat, noch jede Menge Zeit kostet. Zeit, die auch der Profi einsetzen muss. Aufgrund seiner Erfahrung weit weniger Zeit. Aber auch die lässt er sich bezahlen.

Wer daran sparen will oder muss, dem muss klar sein, dass er, um annähernd zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, jede Menge Zeit aufzubringen hat. Wer dazu nicht bereit ist oder die Zeit nicht aufbringen kann, der wird sich auch weiterhin fragen, warum die Aufnahmen des Profis um so vieles besser aussehen, obwohl er doch bereits so viel Geld in die Ausrüstung gesteckt hat.

Auch ein Buch wie dieses kann diese Erfahrung nicht ersetzen. Erfahrung muss man machen. Es gibt so viele Parameter, die für das Gelingen einer Produktaufnahme entscheidend sind. Auch wenn ich später noch zu einigen Beispielen Aufbauskizzen beifügen werde, so sind auch das keine Bastelbögen für einen gesicherten Erfolg.

Produktfotografie ist im wahrsten Sinne des Wortes Gefühlssache. Wir bilden etwas ab, was bei dem Betrachter das Gefühl erzeugen soll, dass er es haben möchte. Dazu muss der Fotograf erst mal selbst ein Gefühl dazu aufbauen. Egal, ob er es selbst haben möchte oder nicht. Ich fotografiere zum Beispiel auch Damenschuhe, auch wenn ich dahingehend keine Neigungen verspüre.

Ich als Fotograf kann den Schuh anfassen und so erfühlen, ob sich das Material warm oder kalt anfühlt, ob es rau oder glatt ist. Der Betrachter sollte genau das auch später in der Aufnahme sehen können. Wie ich das genau mache, ist von Material zu Material, von Form zu Form und von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Es gibt ein paar Grundregeln, das Werkzeug dazu ist das Licht, der Rest ist Gefühl.

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Abbildung 1.3
Freie Arbeit

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KAPITEL 2

Das Licht

2.2 Produktfotografie a la Kollase

2.3 Heiter bis wolkig – Die Sonne als Hauptlicht

2.4 Wo Licht ist, ist auch Schatten

2.5 Fotoassistenten sind wasserscheu

2.6 Epilight

2.1 PROLIGHT

An dieser Stelle hofft wahrscheinlich der ein oder andere, endlich zu erfahren, ob ihm seine Kamera oder sein sonstiges vorhandenes Equipment bereits die höheren Weihen eines Produktfotografen verleiht. Oder zumindest wünscht man sich eine Einkaufsliste, die das bewirkt.

Wie bereits erwähnt ist es nicht das Equipment, was uns zum Fotografen macht. Zwar brauchen wir irgendein Aufzeichnungsgerät, das uns das Foto macht. Und da wir mittlerweile auch im 21. Jahrhundert leben, darf es sich deutlich von dem unterscheiden, mit dem unsere Fotografenvorfahren begonnen haben, der Camera obscura.

Erfunden haben die Kamera Landschaftsmaler, die sich einfach nur die Arbeit etwas erleichtern wollten. Angefangen hat es damit, dass sie sich mit ihrer Staffelei nicht mehr einfach in die Landschaft gesetzt haben, sondern in ein Zelt. Gegenüber der Staffelei wurde dann ein kleines Loch in die Zeltwand gemacht. Fokussiert wurde, indem der Maler seine Leinwand so in den durch das Loch einfallenden Lichtstrahl stellte, dass darauf ein einigermaßen scharfes Bild dessen projiziert wurde, was sich vor dem Loch befand. Nun brauchte er also nur noch abzumalen.

Verfeinert wurde das Ganze dann, als man mit Linsen und Spiegeln versuchte, diesen Lichtstrahl zu bündeln, um eine noch schärfere Projektion auf die Leinwand zu bringen. Bis zu dem Zeitpunkt war ein Fotograf also jemand, der in der Kamera arbeitet.

Die ersten freilaufenden Fotografen gab es erst, als auch die Leinwände soweit verfeinert wurden, dass sie nicht mehr bemalt werden mussten, sondern in der Lage waren, das projizierte Bild selbstständig aufzuzeichnen.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich also allein das Aufzeichnungsgerät verändert. Was gleich geblieben ist und bis heute der ganzen Sache seinen Namen gibt, ist das, was aufgezeichnet wird, nämlich das Licht.

Fotograf ist also jemand, der mit Licht zeichnet. Worauf auch immer. Damit ist zumindest für mich das Licht das, was einen als Fotografen als Erstes beschäftigen sollte.

Sicher kommen wir auch später noch auf die verschiedenen Aufzeichnungsgeräte, im Folgenden Kameras genannt, zurück. Wir werden auch darüber sprechen, wie und womit wir als Studiofotografen unser eigenes Licht machen können. Aber zunächst werfen wir mal einen Blick auf unser Hauptarbeitsgerät, das Licht.

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Abbildung 2.1
Camera obscura

2.2 PRODUKTFOTOGRAFIE A LA KOLLASE

Kennt einer Kollase? Wenn nicht, dann würde ich gern behaupten, es handelt sich dabei um das Mekka der Produktfotografie. Wie es einst Worpswede für die Ex- und Impressionisten war.

Ehrlich gesagt handelt es sich bei Kollase aber um ein 13-Seelen-Hofgut im Wendland, das mit Fotografie aber auch rein gar nichts zu tun hat. Vielmehr bin ich dorthin gefahren, um ein paar Tage dem Studioalltag zu entfliehen, ein wenig zu reiten und vielleicht sogar ein bisschen an diesem Buch zu schreiben. Der Verlag saß mir mittlerweile etwas im Nacken.

Um es vorwegzunehmen, zum Reiten kam ich nicht. Es war Bremsenzeit und das war weder Ross noch Reiter zuzumuten. Also was tun in dieser Idylle, in der sich ansonsten Fuchs und Hase gute Nacht sagen?

Eine Badehose hatte ich dabei, aber Aqua-Parks sind in der Gegend eher selten, der Dorftümpel war nahezu ausgetrocknet und den Rest wollte ich den Teichkröten nicht streitig machen. Aber siehe da, wenn der Fotograf verreist, dann findet sich im Bodensatz seiner Reisetasche gleich unter den Handtüchern zumindest eine Kamera. Und ein Stativ! Ein kleiner Aufnahmetisch, zwei Tischböcke, ein Laptop, ein paar Aufhellpäppchen und Spiegel, etwas sonstiger Kleinkram. Als wäre das noch nicht Zufall genug, hatte mein Sohn nach unserem letzten gemeinsamen Besuch im Drive-in einer namhaften Schnellrestaurantkette das Gimmick in der Mittelkonsole meines Autos vergessen.

Model und Equipment für ein Buchkapitel hatte ich also zusammen. Das Einzige, was ich trotz intensiver Suche in meiner Reisetasche und in den Sitzritzen meines Autos noch abging, waren anständige Fotolampen.

Oder doch nicht? Die Sonne schien und eigentlich war es ja hell genug. Aber funktioniert das auch mit nur einer »Lampe«? Die sich zudem bewegt und zeitweise auch noch hinter Wolken versteckt?

Mein Lehrmeister hat mal gesagt, das ginge. Er hat sogar noch eins draufgesetzt und behauptet, dass ein guter Studiofotograf mit nur einer Lampe auskommen sollte. So ganz glauben mochte ich ihm das nie. Denn sobald die Fototechnik wieder irgendetwas Neues an Lampen auf den Markt brachte, war er der Erste, der es sich zugelegt hat.

Jetzt war es also so weit. In der Abgeschiedenheit von Kollase, dort, wo mich niemand kannte, konnte ich versuchen, diese kühne These meines Lehrherrn zu widerlegen.

Um es vorwegzunehmen: Es ist mir nicht gelungen!

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Abbildung 2.2
Willkommen in Kollase

2.3 HEITER BIS WOLKIG – DIE SONNE ALS HAUPTLICHT

Das nenne ich mal eine Arbeitsatmosphäre. Sonne, frische Luft, ein laues Lüftchen, was einem um die Nase und leider auch den Staub in den Aufbau weht. Aber gut, man kann nicht alles haben.

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Abbildung 2.3
Outdoor-Studio

Mehr als das, was man hier sieht, braucht es im Grunde nicht, wenn man sich grundlegend mit dem Thema »Licht im Studio« anfreunden will. Vom kleinen Latinum ist noch so viel hängen geblieben, dass »Studio«, vom lateinischen »studium«, nichts anderes bedeutet als »Eifer, Arbeit, Mühe«. Griechisch hatte ich nie, aber dass »Foto« (vom griechischen »Phos, Photos“) »Licht« heißt, das habe ich mal irgendwo aufgeschnappt.

Also wird aus dieser einstmals grünen Wiese allein durch mich, die Sonne und ein wenig Werkzeug, das ich aufgestellt habe, ein Fotostudio. Dass man bei dem Begriff im Allgemeinen doch eher an einen Raum denkt, hat vielmehr meteorologische Gründe.

Was man in dem »Studio« nicht sieht, sind Lampen. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass irgendwo eine sein muss. Sonst hätte auch dieses Bild nicht entstehen können. Der Freund des gepflegten Rebus erkennt auch gleich an der Stellung der Aufhellpappe links vom »Model«, am Spiegel rechts und vor allem an der Diffusionsfläche rechts neben der Kamera, wo in etwa die Lampe sein muss: Rechts oben in der Bildecke und circa 150 x 106 km entfernt.

Ist dieser enorme »Lampenabstand« wirklich wichtig? Wenn, dann nur, weil er gewährleistet, dass über diese Distanz die Lichtstrahlen absolut parallel bei uns ankommen. Ein Phänomen, das wir im Studio nicht hinbekommen, aber auch nur selten brauchen. Oder aber auch, und das ist schon wichtiger, weil zwischen Himmel und Erde seltsame Dinge passieren, die entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Sonnenlichts haben. Als da wären die Erdrotation, vor allem aber die Wolken.

14.00 Uhr an einem Spätsommertag, Ende August, die Sonne brennt. Fast optimale Bedingungen, um das Model ins rechte Licht zu rücken.

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Abbildung 2.4
Pralle Sonne

Würde unser Model jetzt aber über eine Feinmotorik und Augenlider verfügen, dann könnte es nie und nimmer so schmerzfrei in die pralle Sonne starren. Aber das harte Licht einer direkten Sonne hat zumindest für den Produktfotografen noch andere Nachteile.

Als Erstes fällt der Schlagschatten auf. Nun höre ich immer wieder, professionelle Produktfotografie zeichnet sich durch eine schattenfreie Ausleuchtung aus. Das ist, mit Verlaub gesagt, Quatsch.

Was er aber zu vermeiden sucht, sind Kreuzschatten. Die entstehen allerdings nur, wenn man mit mehr als einer Lampe arbeitet, dies aber nicht beherrscht.

Damit uns genau das aber nicht passiert, stehen wir zunächst im Garten. Denn in Abwandlung des Spruchs »Nur die Harten kommen in den Garten« sollte erst der ins Studio gehen, der sich durch dieses vermeintlich spröde Kapitel, das auf den ersten Blick so gar nichts mit Studiofotografie zu tun hat, durchgearbeitet hat. Besser noch, er probiert es an einem schönen Tag einfach mal selbst aus.

2.4 WO LICHT IST, IST AUCH SCHATTEN

Der Schlagschatten ist es also nicht, der stört. Auch wenn er nicht sonderlich schön und professionell aussieht. Auf jeden Fall aber schon mal professioneller als der Schatten, der entstünde, wenn wir diese Aufnahme mit einem Systemblitz in oder an der Kamera gemacht hätten.

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Abbildung 2.5
Systemblitz

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Abbildung 2.6
Sonne mit Aufhellung

Warum wirken aber diese mit dem Systemblitz gemachten Aufnahmen so seltsam? Auch hier wird doch nur mit einer Lampe gearbeitet.

Die Erklärung ist ganz simpel. Es gibt eigentlich keine Lichtquelle zwischen Kamera, also dem Betrachter, und dem Objekt, außer bei Nikon, Canon und Co. So etwas entspricht aber nicht unseren normalen Sehgewohnheiten. Unser Auge kennt es nicht, weil unser Kopf weiß, dass wir bei dieser Lichtführung als Betrachter im Licht stünden und damit das Motiv abschatten.

Schatten ist aber nicht allein das, was sich rechts, links, hinter oder über einem Objekt auf dem Hintergrund zeigt, sondern findet sich auch in und an ihm wieder. Von daher ist er für eine gute Produktdarstellung eben so wichtig wie das Licht selbst. Beide treten zusammen auf und leben voneinander.

Bei dieser Aufnahme mit eingebautem Blitz gibt es zwar auch einen Schatten, aber eben nur den unschönen Schlagschatten hinter unserem Model. Die Figur hat in sich so gut wie keinen Schatten und damit auch keine Plastizität. Im Vergleich zu der Aufnahme in der prallen Sonne wirkt dieses Motiv flach, ohne Tiefen, die Farben sind müde.

Beim Sonnenmodel ist es allerdings etwas zu viel des Guten. Die vom Licht abgewandte Seite ist doch arg dunkel, die Farbe beginnt zu vergrauen. Das vom hellen Hintergrund reflektierte Licht reicht bei Weitem nicht aus. Das ist völlig normal und fällt als Fehler erst dann auf, wenn man im direkten Vergleich sieht, wie es besser geht.

Das wäre eigentlich der Moment für eine zweite Lampe. Aber nix zu machen, denn auch in Kollase scheint nur eine Sonne.

Wenn aber schon die Rede davon war, dass auch der helle Hintergrund bereits Einfluss auf das Licht nimmt, dann langt es vielleicht auch schon, irgendetwas Helles so hinzustellen, dass es das Licht der Sonne auf die im Schatten liegenden Bereiche umlenkt.

Wie wir sehen, es reicht völlig aus. Zwar ist der Schatten auf dem Hintergrund kaum mit aufgehellt, die abgeschattete Kehrseite des Models bekommt aber deutlich mehr Licht, ohne dass die Figur an Plastizität verliert.

Natürlich kann man sich jetzt noch an dem etwas tiefen »Nasenschatten« stören und mit weiteren Pappen auch diese Stelle etwas aufhellen. Aber welches Model hat denn schon so einen Rüssel?

Ich wollte mich trotzdem gerade daranmachen, da passierte das, was das Arbeiten im Outdoor-Studio so unberechenbar macht. Es zog ein Wetter auf. Nichts Bedrohliches, nur ein paar Wolken, die sich aber allmählich zu einem dichten Teppich zusammenzogen.

Glatt gelogen! Ich hätte es mir aber gewünscht, denn so hätte ich elegant zur nächsten Lichtsituation überleiten können. Es passierte aber nichts. Keine Wolke weit und breit. Also musste die »Wolke« herhalten, die ich in weiser Voraussicht und aus Mangel an Vertrauen zum Kollaser Wetter gleich mit eingepackt hatte.

Ein Stück opakes Acrylglas, auch Milchglas genannt, gerade so groß, dass es das Licht im Setup so weich macht, dass man denken könnte, es sei wolkig. Allerdings so labil an einem Stativ befestigt, dass ich kaum den Mut hatte, mich mehr als eine Armlänge davon zu entfernen. Und es geschah dann auch, was kommen musste: Gerade als ich die Aufnahme vom Outdoor-Studio machte, krachte das Ding bei einer leichten Böe ins Setup.

Aber zuvor ist es mir immerhin noch gelungen, diesen Schuss in den Kasten zu kriegen. Diffuseres Licht zusammen mit der Aufhellung und weg sind alle Schatten. Sowohl die auf dem Hintergrund als leider auch die, die zuvor noch an der Figur für Plastizität gesorgt hatten. Auch die Farben haben eine Menge an Leuchtkraft verloren.

Für mein Empfinden ist das aufgehellte direkte Sonnenlicht trotz des Schattens die bessere Beleuchtung für dieses Objekt. Trotzdem kann man generell auch nicht sagen, dass direkteres und härteres Licht das bessere ist. Auch bei diesem Motiv liegt die Wahrheit wohl eher in der Mitte. Nur ist das dann tatsächlich in einer so improvisierten Umgebung wie dem Outdoor-Studio nicht bis ins letzte Detail zu zeigen.

2.5 FOTOASSISTENTEN SIND WASSERSCHEU

… aus dem Grund fingen Produktfotografen irgendwann an, sich in Studios zurückzuziehen. Aber auch das samt Milchglas in das Setup gekrachte Stativ hat mich in diesem Entschluss wieder einmal bestätigt. Im Studio arbeitet es sich einfach kontrollierter, sicherer und auch trockener. Mit dieser Erkenntnis hat dann auch Kollase als Mekka der Produktfotografie deutlich an Bedeutung verloren.

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Abbildung 2.7
Aufnahme bei bewölktem Himmel

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Abbildung 2.8
Abschied von Kollase

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Abbildung 2.9
Testchart Lichtführung mit nur einer Lampe

Auch ich habe mich langsam wieder auf den Weg Richtung Studio gemacht. Der Urlaub war um und als Nächstes wartete auf mich ein Einzelcoaching einer netten jungen Dame, die lernen wollte, wie sie Wickelunterlagen und andere Baby-Accessoires für ihren Onlineshop ins rechte Licht rücken kann.

Eine geeignete Kamera besaß sie bereits und die Anschaffung einer Einsteiger-Blitzanlage mit gleich drei Lampenköpfen hatte sie schon konkret ins Auge gefasst. Aber auch sie habe ich zunächst mal durch die Kollase-Mühle gedreht.

Licht funktioniert nach ganz einfachen Regeln, die jeder im Grunde genommen kennt. Sobald es aber darum geht, Licht selbst zu machen, werden diese Regeln nur zu gern vergessen.

2.6 EPILIGHT

Tatsächlich, es geht allein mit nur einer Lampe. Hat er also doch Recht gehabt, mein alter Lehrmeister. Allerdings sollte man es nicht auf die Spitze treiben. Auch ich habe nicht nur den Sprung ins überdachte Studio gewagt, sondern sogar in weitere Lampen investiert.

Es gibt Kunden, die wollen einfach nicht auf den nächsten Sommerregen warten, damit ich ihre Seifen nach ihren Vorstellungen fotografiere. Mein Steuerberater ließ mich wissen, dass gerade im Winter sieben Stunden Tageslicht einfach zu wenig sind, um kostendeckend arbeiten zu können.

Auch ich bin den Verlockungen der modernen Studiotechnik erlegen. 15.000 Ws Blitzleistung, haufenweise Lampen …, aber solange ich damit noch Licht mache, anstatt nur zu beleuchten, ist das durchaus in Ordnung. Schließlich fotografiere ich im Studio nicht nur kleine Krokodile, sondern muss auf alle Herausforderungen mit dem geeigneten Licht reagieren können.