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Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.


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2. Auflage 2021

© 2019 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096


Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 bei Franklin Fox Publishing LLC unter dem Titel The Keystone Approach. © 2017 by Rebecca Fett. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.


Übersetzung: Christa Trautner-Suder

Redaktion: Ronit Jariv

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildungen vorn: ol shutterstock/HelloRF Zcool; or, ul shutterstock/StudioPhotoDFlorez, ur shutterstock/Atwood

Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern


ISBN Print 978-3-7423-0789-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0402-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0403-9


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Inhalt

Vorwort

Einleitung

1 Mikrobiom und Autoimmunität

Kapitel 1
Die Hauptursachen der ­Autoimmunität verstehen


Kapitel 2
Das Mikrobiom mit ­Probiotika wieder ins Gleichgewicht bringen


Kapitel 3
Zusätzliche Strategien zur Bekämpfung einer ­bakteriellen Überbesiedlung

2 Nahrungsmittel als Medizin

Kapitel 4
Eine Ernährung, die das Mikrobiom wiederherstellt


Kapitel 5
Die stärkearme Diät in der Praxis


Kapitel 6
Entzündungshemmende Fette und Öle


Kapitel 7
Problemsuche und individuelle Anpassung der Ernährung

3 Über das Essen hinaus

Kapitel 8
Entzündungshemmende Nahrungsergänzungsmittel


Kapitel 9
Wissenschaftliche Daten zu niedrig dosiertem Naltrexon


Kapitel 10
Das Puzzle wird zusammengesetzt

4 In der Küche

Kapitel 11
Vorausplanung und weitere Küchentipps


Kapitel 12
Rezepte

Quellen

Über die Autorin

Vorwort

Eine chronische Erkrankung, bei der sich der Körper im Grunde genommen gegen sich selbst wendet, hat etwas Verstörendes. Vielen von uns Betroffenen wird gesagt, eine Autoimmunkrankheit werde ein dauerhafter Fixpunkt in unserem Leben bleiben und die einzige Lösung sei eine medikamentöse Behandlung, die das Immunsystem unterdrückt. Diese Sichtweise ist nicht nur entmutigend, sondern auch ganz einfach falsch.

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass wir einer Autoimmunkrankheit nicht hilflos ausgeliefert sind. Es gibt sehr viel, was wir gegen die zugrunde liegenden Ursachen der Autoimmunität tun können. Das erfordert unter Umständen viel Anstrengung und Ausdauer, aber wir können daran arbeiten, unser Mikrobiom in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, unseren Darm zu heilen und unser Immunsystem neu einzustellen. Dabei können wir den Autoimmunprozess direkt bekämpfen, anstatt nur die Symptome zu unterdrücken.

Bis das Gesundheitssystem diese neue Sichtweise übernimmt, ist es an uns, möglichst viel in Erfahrung zu bringen und den besten Nutzen aus den neuesten Forschungsergebnissen zu ziehen. Wenn wir diese Forschungsergebnisse als Richtlinie für unsere täglichen Entscheidungen nehmen, kann der sich daraus ergebende kumulative Effekt enorm sein.

Seit mein Buch 2017 erstmals veröffentlicht wurde, habe ich zahllose Berichte von Lesern mit sehr belastenden Autoimmunerkrankungen erhalten, die erstaunt darüber waren, dass sich ihre Symptome durch eine Ernährungsumstellung und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln besserten. Viele Leser haben zudem berichtet, das Buch habe ihr instinktives Wissen bestätigt, dass ihre Darmgesundheit einen starken Einfluss auf den Grad ihrer Entzündung hat.

In der kurzen Zeit seit der Erstveröffentlichung hat die Wissenschaft weitere Fortschritte gemacht und neue Gesichtspunkte geliefert, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren will. Mitte 2018 wurde das Buch wesentlich überarbeitet und aktualisiert, um die neuen wissenschaftlichen Studien zu berücksichtigen und durch das Feedback vieler Menschen zu ergänzen, die die vorgestellte Ernährungsmethode ausprobiert und über ihre Ergebnisse berichtet haben.

Durch die Überarbeitung ist die Durchführung des empfohlenen Ernährungsprogramms leichter und in schwierigen Fällen noch wirksamer geworden. Der Schwerpunkt liegt nun verstärkt auf der Unterdrückung unerwünschter Mikroorganismen, die das Autoimmunsystem steuern. Die Wissenschaft entwickelt sich in diesem Bereich rasch weiter. Wenn wir das aktuell Bekannte bestmöglich anwenden, können wir die Schwere der Symptome jedoch schon jetzt drastisch reduzieren und in einigen Fällen sogar eine Remission der Autoimmunerkrankung erreichen. Dies habe ich am eigenen Leib erfahren.

Einleitung

Die Welt der Autoimmunkrankheiten hat sich in den letzten fünf Jahren sehr stark verändert. Täglich gibt es neue Untersuchungen, die auf den Darm und das Mikrobiom als Ursprung verschiedener Autoimmunkrankheiten hindeuten. Diese neue Denkweise eröffnet eine ganze Reihe von Behandlungsoptionen – Optionen, die über eine reine Unterdrückung der Entzündungsreaktion hinausgehen, um die eigentliche Ursache der Entzündung anzugehen.

Dieses Buch soll Ihnen in diesem neuen wissenschaftlichen ­Grenzbereich eine Orientierungshilfe sein, der Fokus liegt dabei insbesondere auf einer Umstellung der Ernährung und der Einnahme bestimmter Probiotika. Gemeinsam können diese Maßnahmen den Darm heilen und die Balance des Mikrobioms wiederherstellen. Dabei werden die wichtigsten Auslöser ausgeschaltet, die bei vielen Autoimmunerkrankungen die Entzündung steuern, insbesondere bei Erkrankungen aus der Gruppe der Spondylarthropathien. Dazu gehören:

Der Hauptfokus der im Folgenden besprochenen wissenschaftlichen Forschung liegt zwar auf diesen Erkrankungen, das Buch geht aber auch auf die neuesten Studien darüber ein, wie Ernährung und Darmgesundheit andere Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis beeinflussen. Die Forschungsergebnisse werden anschließend in einfache, gut umsetzbare Schritte umgesetzt. Zuerst möchte ich jedoch die Geschichte meines eigenen Kampfes gegen die Autoimmunität erzählen.

Als ich 18 Jahre alt war, äußerte ein Arzt erstmals den Verdacht, ich könnte Psoriasis-Arthritis haben. Damals waren meine einzigen Symptome leichte Rückenschmerzen und ein kleiner Bereich mit Schuppenflechte, wobei mir jedoch klar war, dass dies viel schlimmer werden konnte, falls ich tatsächlich eine Psoriasis-Arthritis hatte. Bis zu 30 Prozent aller Psoriasis-Patienten sind von dieser Form der Arthritis betroffen, die große Belastungen mit sich bringen kann.

Sechs Monate nachdem die Schmerzen eingesetzt hatten, fiel mir auf, dass sie leicht zurückgingen, wenn ich auf Brot und Nudeln verzichtete. Daher bestand ich auf einen Zöliakie-Test. Der Test ergab, dass ich tatsächlich unter Zöliakie litt, und nachdem ich mich mehrere Monate lang völlig glutenfrei ernährt hatte, waren Schuppenflechte und Rückenschmerzen weitgehend verschwunden. Es zeigte sich, dass ich doch keine Psoriasis-Arthritis hatte.

Mit nur geringfügigen Schmerzen schloss ich meine Studiengänge in Biochemie und Molekularbiologie und anschließend in Jura ab. Die leichten Schmerzen hielt ich für den körperlichen Tribut, den die übermäßig langen Lernzeiten forderten.

Nachdem ich mehrere Jahre in einer großen Anwaltskanzlei in New York gearbeitet hatte – einer extrem stressigen Tätigkeit mit langen Arbeitszeiten –, kehrten meine Schmerzen mit Mitte 20 zurück. Meine Schultern, Knie, Hüften und mein unterer Rücken schmerzten ständig und die Gelenke schienen sich bei der geringsten Beanspruchung zu verschieben. Die Möglichkeit einer Psoriasis-Arthritis war schnell vom Tisch – ich hatte nur sehr kleine Psoriasis-Herde, keine Gelenksteife oder -schwellung und keine Arthritismarker im Blut. Ich passte einfach nicht zur althergebrachten Definition der Lehrbücher.

Von verschiedenen Fachärzten erhielt ich ein breites Spektrum an Diagnosen und man bot mir alle möglichen Schmerzmedikamente an. Als ich anfing, unter den schweren Nebenwirkungen dieser Medikamente zu leiden, beschloss ich, mich auf eine physikalische Therapie zu konzentrieren. Ich hoffte, mit genügend Ausdauer könnten meine Muskeln schließlich meine Gelenke stabilisieren. Fünf Jahre widmete ich mich mit beinahe religiösem Eifer der physikalischen Therapie und wollte nur allzu gern glauben, dass meine Genesung unmittelbar bevorstand.

Das war jedoch nicht der Fall. Mit 30 Jahren waren die Schmerzen in den Iliosakralgelenken (im unteren Rücken) so stark, dass ich große Schwierigkeiten hatte, weiter als einige Häuserblocks zu gehen oder länger als 15 Minuten zu sitzen. Ich hatte Schmerzschübe, die mich jeweils wochenlang ans Haus fesselten und den Großteil der Nacht wachhielten. Ich versuchte es mit verschiedenen Injektionen und entzündungshemmenden Medikamenten, was jedoch nur wenig Linderung brachte.

In dieser Zeit kehrte auch die Psoriasis zurück und es tauchten eine Reihe weiterer klassischer Symptome für eine Psoriasis-Arthritis auf (zum Beispiel die typischen Veränderungen der Finger- und Fußnägel). Wahrscheinlich hatte ich doch die ganze Zeit über an Psoriasis-Arthritis gelitten.

Es war zugleich ein Rückschlag und eine Erleichterung, die Ursache des Problems zu verstehen. Einerseits bedeutete die Diagnose, dass kein noch so ausgiebiges Übungsprogramm jemals dafür sorgen würde, dass meine Gelenke normal funktionieren. Es bedeutete auch, dass ich viele Jahre vergeudet hatte, in denen ich mich auf die Hauptursache der Schmerzen hätte konzentrieren können – ein schlecht funktionierendes Immunsystem. Andererseits war ein schlecht funktionierendes Immunsystem etwas, was ich nur zu gut verstand, und ich hatte nun endlich eine Erklärung für meine Schmerzen.

Die genauen Elemente und Funktionsweisen des Autoimmunsystems waren mir damals durch mein Studium der Immunologie und meine Arbeit als Patentanwältin für Biotechnologiefirmen sehr vertraut. Als Expertin für Immunologie in Gerichtsverfahren, bei denen es um Milliarden von Dollar ging, hatte ich einen Großteil der letzten neun Jahre damit verbracht, die wissenschaftliche und klinische Evidenz zu analysieren, die die biologischen Präparate untermauerte, mit denen verschiedene Autoimmunerkrankungen behandelt wurden. Mein Büro war angefüllt mit Kisten voller vertraulicher klinischer Studienberichte und FDA-Eingaben, die die meisten Rheumatologen nie zu Gesicht bekommen, und es war meine Aufgabe, sie zu analysieren.

Vor allem hatte ich neun Jahre lang sehr detailliert über die unsichtbaren Entzündungsmoleküle nachgedacht, die für den gesamten Schaden bei einer Autoimmunkrankheit verantwortlich sind. Und nun erfuhr ich, dass dieselben Moleküle die Schmerzen verursachten, die die Macht über mein Leben übernommen hatten.

Ich begriff, dass die neuen biologischen Medikamente für einen lebensverändernden Unterschied sorgen konnten – wenn ich bereit war, die damit verbundenen Infektionsrisiken und ein mögliches höheres Krebsrisiko in Kauf zu nehmen. Auch wenn biologische Präparate (Biologika) das Infektionsrisiko nur leicht erhöhen, war dies in meinem besonderen Fall bereits eine große Barriere. Als Teenager hatte ich eine Operation durchgemacht, nach der ich eine lebenslange Anfälligkeit für ernste Infektionen zurückbehalten hatte. Man hatte mir geraten, zeitlebens vorbeugend Antibiotika einzunehmen, weil einige verbreitete Infektionen in meinem Fall mit einer Mortalitätsrate von 50 bis 60 Prozent verbunden waren. Ich lehnte die Antibiotika ab, war jedoch sehr zögerlich, irgendein Medikament einzunehmen, das mein Infektionsrisiko erhöhen konnte. Da meine Arthritis langsam fortschritt und keinen offensichtlichen Gelenkschaden verursachte, schien es klug zu sein, zuerst jede andere Option auszuschöpfen.

Ich wusste, dass Biologika so gut wirken, weil sie die Aktivität bestimmter Entzündungsvermittler (Entzündungsmediatoren) stören, die den Schaden an Haut und Gelenken organisieren. Bestimmt gab es noch eine andere Möglichkeit, dasselbe Ziel zu erreichen. Ich fragte mich, welche weiteren Faktoren zu erhöhten Entzündungsmediatoren beitragen und welche weiteren Faktoren diese reduzieren können.

Als ich anfing, mich stärker auf diese Fragen zu konzentrieren, traf ich die schwierige Entscheidung, meine Karriere als Anwältin zu unterbrechen und mich ganz auf meine Gesundheit zu konzentrieren. Ich gab meine Stelle in New York auf und führte ab sofort ein einfacheres Leben am Meer. Es wurde mein neuer Job, die wissenschaftliche Literatur auf jegliche Evidenz dafür zu durchforsten, dass Veränderungen der Ernährung oder des Lebensstils den Verlauf meiner Autoimmunerkrankung verändern konnten. Ich rechnete damit, einige Hinweise zu finden, war jedoch nicht auf die außerordentlich große Menge hochwertiger klinischer Evidenz vorbereitet, die relativ einfache Strategien unterstützte.

Die vielleicht größte Offenbarung war die Entdeckung, dass die Darmgesundheit großen Einfluss auf den Entzündungsgrad in Haut und Gelenken hat. Eine überzeugende Anzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass eine übermäßige Aktivierung der Immunantwort im Darm ein häufiges Merkmal von Psoriasis und mehreren Arten von entzündlicher Arthritis, insbesondere der juvenilen, psoriatischen und ankylosierenden Spondylitis ist.1 Ein wichtiger Punkt dabei: Der Grad der Darmentzündung scheint die Schwere dieser Erkrankungen zu bestimmen.2

2016 entdeckten Forscher einen Faktor, der diese Aktivierung des Immunsystems im Darm auslösen könnte: eine Störung innerhalb der Gemeinschaft der Mikroorganismen, die das Mikrobiom bildet. Patienten mit Psoriasis oder bestimmten Arthritisformen zeigen typische Störungen im Gleichgewicht der Darmbakterien mit einer Zunahme unerwünschter Spezies und einem Schwund von Spezies, die das Immunsystem normalerweise beruhigen.3

Mehrere Evidenzreihen weisen darauf hin, dass diese Störung des Mikrobioms nicht nur eine Folge der Entzündung ist, sondern eine Ursache dafür. Forscher haben beispielsweise festgestellt, dass eine einzige Behandlungssequenz mit Antibiotika das Risiko von Kindern verdoppelt, Arthritis zu entwickeln, während fünf oder mehr Behandlungssequenzen mit Antibiotika das Risiko verdreifachen.4 Möglicherweise reduzieren Antibiotika die Bakterien, die das Immunsystem regulieren und schädliche Bakterien in Schach halten.

Diese schützenden Bakterien gelten heute als Schlüsselarten. Für Wissenschaftler, die größere Ökosysteme untersuchen, ist eine Schlüsselart eine Spezies, deren einmalige Rolle innerhalb eines Ökosystems einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Ökosystem als Ganzes hat. Mangrovenbäume beispielsweise, die an der Küste wachsen, liefern zahlreichen anderen Spezies wie Fischen und Fröschen einen Lebensraum. Ohne die Mangroven würde das Ökosystem dort zusammenbrechen. Die besonderen Darmbakterien, die unser Immunsystem normalerweise regulieren, wirken auch als Schlüsselarten. Ohne sie verändert sich die gesamte Umgebung unseres Darms. Die neue Lehrmeinung lautet, dass diese Veränderung stark zu einer Autoimmunerkrankung beiträgt.

Nun stellt sich die Frage, wie wir einen Vorteil aus dem neu entdeckten Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Autoimmunität ziehen können. Professor Jose Scher von der New York University, der die wegweisenden Studien über das Mikrobiom bei psoriatischer und rheumatoider Arthritis durchgeführt hat, äußerte: »Ich denke, dass das Mikrobiom in 10 oder 15 Jahren eine wichtige Therapieoption für einige dieser Krankheiten sein wird.«5

So lange müssen wir jedoch nicht warten. Klinische Studien hoher Qualität haben bereits nachgewiesen, wie die Populationen von Schlüsselarten, die das Immunsystem regulieren, wiederhergestellt werden können. Die entsprechenden Strategien sind einfach und risikoarm: eine ballaststoffreiche Ernährung mit vielen pflanzlichen Produkten und bestimmten Arten von Probiotika. Zahlreiche Studien, die im Zusammenhang mit entzündlichen Darmerkrankungen durchgeführt wurden, zeigen, dass diese Strategien die Balance des Mikrobioms rasch in Richtung eines entzündungshemmenden Zustands verschieben können.6

Bei der Vertiefung in die neueste wissenschaftliche Forschung entdeckte ich jedoch auch starke Hinweise auf mehrere weitere Strategien zur Reduzierung einer Entzündung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Studien zeigen eindeutig, dass eine mediterrane Ernährung mit viel Fisch und Olivenöl die Schwere von Psoriasis und rheumatoider Arthritis reduzieren kann.7 Dies wurde schon lange vermutet, war jedoch in jüngster Zeit durch das Aufkommen der »Autoimmun-Paleo-Diät« in den Hintergrund gerückt.

Während einige Aspekte der Paleo-Diät durch wissenschaftliche Forschungen gestützt werden (zum Beispiel die schädigenden Auswirkungen bestimmter Getreidesorten und raffinierter Öle), wird anderen Aspekten von Forschungsergebnissen widersprochen, die sich erst nach dem Aufkommen der Paleo-Diät ergeben haben.

Insbesondere weisen mehrere neuere Studien zweifelsfrei nach, dass gesättigte Fette stark entzündungsfördernd wirken.8 Obgleich die Rolle von gesättigtem Fett bei Herzkrankheiten in Frage gestellt wurde, zeigt die neueste Forschung, dass diese Fette die Anzahl an Entzündungsmediatoren tatsächlich steigen lassen. Gesättigte Fette tun dies durch eine Aktivierung bestimmter Rezeptoren auf der Oberfläche der Immunzellen.9 Daher ist für Patienten mit entzündlichen Krankheiten wie Psoriasis und Arthritis der Schwerpunkt der Paleo-Diät auf Kokosöl und tierischem Fett kontraproduktiv.

Bei der mediterranen Ernährung hingegen liegt der Schwerpunkt deutlich auf Nahrungsmitteln, die dazu beitragen, das Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht zu bringen und ansonsten eine Entzündung zu unterdrücken. Dazu gehören Grüngemüse und Gemüse aus der Familie der Kreuzblütengewächse, Fisch und Olivenöl. Die wissenschaftliche Forschung verweist zudem auf Strategien zur Optimierung der mediterranen Ernährung durch das Weglassen von Nahrungsmitteln, die den Darm schädigen und zu einer Aktivierung des Immunsystems beitragen, wie beispielsweise Weizen.

Als ich meine Ernährung und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln allmählich umstellte, um die aktuellste Evidenz zu berücksichtigen, besserten sich meine Symptome bald beständig. Zuerst waren die einzig bemerkenswerten Unterschiede weniger Müdigkeit, weniger Bauchschmerzen und weniger geschwollene Hände. Nach drei Monaten erlebte ich die ersten schmerzfreien Tage seit mehr als zehn Jahren. Je länger ich diese Ernährung befolgte und je mehr Faktoren ich optimierte, desto weniger Gelenkschmerzen hatte ich.

Anstelle ständiger und einschränkender Gelenkschmerzen habe ich inzwischen nur noch gelegentlich Schmerzen, die normalerweise dadurch ausgelöst werden, dass ich etwas esse, was ich nicht essen sollte. Seit über einem Jahr bin ich zudem völlig frei von Schuppenflechte. Kurz gesagt, konnte ich die Kontrolle über meine Gesundheit in einem Ausmaß übernehmen, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Ernährung und Entzündung besteht eindeutig eine große Diskrepanz zwischen den neuesten Forschungsergebnissen und dem Rat, den die meisten Ärzte ihren Patienten erteilen. Vielen wird gesagt, die Ernährung habe keinen Einfluss auf die Entzündung, obgleich es zahlreiche Beweise für das Gegenteil gibt. Diese Diskrepanz ist nicht unbedingt überraschend, da es nachweislich mindestens zehn Jahre dauert, bis medizinische Forschungsergebnisse in die klinische Praxis Eingang finden.10 Wir verdienen jedoch etwas Besseres. Mit diesem Buch möchte ich die Kluft zwischen den neuesten Entdeckungen und den Menschen, die schon jetzt davon profitieren könnten, überbrücken.

Wie bedeutsam dies für viele Menschen sein kann, habe ich bereits zum Thema Fruchtbarkeit und In-vitro-Befruchtung mit meinem ersten Buch It Starts with the Egg bewiesen. Nachdem mir unzählige Leser berichteten, es habe ihr Leben von Grund auf verändert, die neuesten Forschungsergebnisse umsetzen zu können, wollte ich dasselbe auch für diejenigen erreichen, die an einer belastenden Autoimmunerkrankung leiden.

Mit diesem Ziel vor Augen recherchierte ich jedes kleinste Detail darüber, wie die Ernährung, das Mikrobiom und viele andere Faktoren eine Entzündung beeinflussen können. Sorgfältig analysierte ich Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, dabei lag mein Fokus vor allem auf randomisierten, kontrollierten klinischen Studien mit echten Patienten, nicht auf Tier- oder Reagenzglasstudien (siehe Quellen, Seite 216).

Mein Ziel beim Schreiben dieses Buches war, die Quintessenz umfangreicher und komplexer medizinischer Forschungsergebnisse in einem gut verständlichen praktischen Leitfaden zu formulieren – die Wissenschaft also auf einen Aktionsplan zu übertragen. Bei der Entwicklung dieses systematischen Plans wurde ich von der Erkenntnis geleitet, dass einige Faktoren allgemein anwendbar sind, beispielsweise die günstige Rolle, die Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren spielen. Andere Faktoren hingegen, wie der Verzehr von Zucker und Stärke, beeinflussen Menschen auf sehr unterschiedliche Weise. Der Plan ist daher so angelegt, dass er Ihnen hilft, die Faktoren zu entdecken, die in Ihrem speziellen Fall den größten Unterschied bewirken. Möglicherweise gibt es einen Schlüsselfaktor für Ihre Genesung, zum Beispiel die Reduzierung von Stärke oder die zusätzliche Einnahme eines Probiotikums oder viele kleine schrittweise Veränderungen, die in Kombination einen deutlichen Vorteil bringen (einen Überblick über den vollständigen Plan für Ihre spezifische Autoimmunerkrankung finden Sie in Kapitel 10).

Wichtiger Hinweis: Die in diesem Buch empfohlene Ernährung und die vorgestellten Nahrungsergänzungsmittel sollen einen konventionellen ärztlichen Ansatz ergänzen, nicht ersetzen. Es ist wichtig, dass Sie Ihren Arzt über jedes neue Nahrungsergänzungsmittel und jede Ernährungsumstellung informieren. Sie sollten auch alle Medikamente, die Ihnen verordnet wurden, weiterhin einnehmen. Viele entzündungsbekämpfende Strategien, die im Zentrum des Ernährungsplans stehen, wie die Einnahme von Fischöl und Probiotika sowie die mediterrane Ernährung, können Patienten helfen, mit ihren konventionellen Medikamenten bessere Ergebnisse zu erzielen.11 Letztendlich werden Sie mit Ihrem Arzt vielleicht über eine Reduzierung Ihrer Medikamente sprechen können, dies sollte jedoch erst geschehen, wenn Sie durch die neue Ernährung und die Nahrungsergänzungsmittel positive Ergebnisse feststellen.



1 Cypers, H., Varkas, G., Beeckman, S., Debusschere, K., Vogl, T., Roth, J. & De Vos, M. (2015). Elevated calprotectin levels reveal bowel inflammation in spondyloarthritis. Annals of the Rheumatic Diseases, 23.12.2015

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5 Kohn, D. (12.1.2015). Joint Pain, from the Gut. The Atlantic

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11 Proudman, S. M., James, M. J., Spargo, L. D., Metcalf, R. G., Sullivan, T. R., Rischmueller, M. & Cleland, L. G. (2013). Fish oil in recent onset rheumatoid arthritis: a randomised, double-blind controlled trial within algorithm-based drug use. Annals of the Rheumatic Diseases, annrheumdis, 2013

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Mikrobiom und Autoimmunität