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Lennox Hastie

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FEUER & FLAMME

Die Grillbibel für Profis

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Inhalt

Einleitung

Die Entdeckung des Feuers

Mein eigenes Restaurant

Feuer in Geschichte und Kultur

Zutaten

Die Grundlagen

Die sechs Phasen eines Feuers

Feuerstelle, Ofen oder Grill?

Feuer machen

Holz

Bevor es losgeht

Rezepte

GLOSSAR

REGISTER

DANK

WEITERLESEN

Rezepte

Gemüse

Salatherzen, Sardellen, rauchiges Eigelb

Erbsen, Minze, Jamón

Grüne Bohnen, geröstete Mandeln

Calçots, Romesco

Mais, Kaffirlimettenbutter, grüne Chilischote

Okra, geröstete Chilischote, Ingwer und Knoblauch

Rote Bete, schwarzer Sesam

Spargel, Muschelcreme, Roggenbrot

Brokkoli, Aubergine, Chilikrokant

Rosenkohl, geräucherte Schweinshaxe, Kartoffeln

Aubergine, Shiitake, Bärlauch

Butternusskürbis, rauchiger Ricotta, Kürbiskerne

Blätter, Guanciale, Pekannüsse

Piperade, Eier

Kartoffel, Crème fraîche, Bottarga

Brauner Kräuterseitling, rohes Rindfleisch, Sellerie

Blumenkohl, Rinderfett, Haselnüsse

Gurke, Dill, Meerrettich

Pumpkin sour

Spaghettikürbis, Kadaifi, eingelegte Rosenblütenblätter

Mais-Crème-brûlée

Fisch & Meeresfrüchte

Flusskrebs, Fingerlimette, Strandkräuter

Kleine Kalmare, eingelegter Sellerie, Tintensauce

Austern, eingelegter Kohlrabi, Apfel, Meersalat

Kleine Garnelen, Chilischote, Gartenmelde

Kleine Muscheln, Knoblauch, Strandbanane

Rotbarbe, Escabeche

Jakobsmuscheln, Lemon Curd, Lappentang

Sardinen, rote Paprikaschoten

Riesengarnelen

Miesmuschel-Eclade, Fenchel-Safran-Rouille

Blaue Schwimmkrabbe, Roggenbrot, Limetten-Crème-fraîche

Kaviar

Otoro, Fenchel, Edamame

Makrele, Bagnetto verde, Wassermelonen-Rettich

Abalone, schwarze Bohnen, Strandkräuter

Flathead, Grünkohl, Radieschen

Petersfisch, Spitzkohl, Eiskraut

Krake, Radicchio, Macadamia

Schnapper in der Salzkruste, Kartoffeln

Murray Cod, Topinambur, roter Mangold

Steinbutt

Aal

Fleisch

Mehr als 200 Tage trocken gereifte Rinderhochrippe

Entenherzen, Sellerie, Sauerkirschen

Das Huhn des Bettlers

Wachteln, gerösteter Dinkel, Trauben

Markknochen, Seeigel, Portulak

Lammhüfte, Borlottibohnen, Brennnesseln

Ente à la ficelle

Schweinekotelett, Spitzkohl, Kombucha-Apfel

Schweinebauch, Sauce von gerösteten Pflaumen

Ziege

Früchte

Kirschtomaten, Stracciatella, schwarze Oliven

Tomatenreis

Maulbeeren, Blaubeeren, rauchiges Buttermilcheis

Ananas, Ingwersorbet mit Thai-Basilikum

Bananeneis, rauchige Schokolade, Honeycomb

Orangenkuchen, Karamell, Crème fraîche

Pfirsiche, Mandelcreme, Knuspergerste

Pawlowa, Physaliscreme, Holunderblüten

Kokosnuss, Schokolade, Kirschgranita

Rhabarber-Vanille-Marshmallows

Quitten, Mascarpone, Pistazien

Birnen-Bellini mit Zitronenthymian

Pisco sour

Ingwer-Daiquiri

Poblano-Caipirinha

Eistee mit gegrilltem Pfirsich

Kastanien-Negroni

Milchprodukte

In der Glut gebackener Käse

Rauchiger Ricotta

Rauchiger Mascarpone

Geräucherte Sahne

Rauchige Butter

Getreide

Helles Brot

Dunkles Brot

Fladenbrot, Forellenkaviar, Crème fraîche

Basics

Hühnerbrühe

Salzlake, 5 %

Tomatenwasser

Geräuchertes Wasser

Geräuchertes Öl

Fermentierte Chilipaste

Rauchiger Kombucha

Ingwersirup

Holunderblütensirup

Salsa verde

Pil-Pil-Sauce

LEGENDE

Herzhaft

Süß

Getränke

Basics

Einleitung

FEUER FASZINIERT UNS ALLE. Wie gebannt schauen wir in die Flammen, die knisternd prasselnde Holzscheite verzehren. Und nichts wirkt beruhigender als das Flackern eines Kaminfeuers, dessen Wärme Wohlbehagen verbreitet. Feuer kann aber auch unberechenbar und zerstörerisch sein. Vielleicht ist es gerade diese Ambivalenz, die es so interessant macht. Flammen ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich, sie schüren Emotionen, doch Feuer werden auch noch brennen, wenn die Menschheit längst Geschichte ist.

Wenn sich Menschen um ein Feuer versammeln und seine Wärme und vielleicht auch eine Mahlzeit teilen, fühlen sie sich verbunden. Und seit Jahrtausenden nutzen wir die Flammen nicht nur für praktische, sondern auch für rituelle Zwecke.

Das Garen über offenem Feuer erfordert eine geschärfte Wahrnehmung für das Produkt und gleichzeitig den respektvollen Umgang mit den Flammen. So gesehen ist diese scheinbar simple Technik doch ziemlich anspruchsvoll. Die moderne Küche hat das Feuer gezähmt und sehr zuverlässige Garmethoden entwickelt. Doch fehlt ihnen die Unmittelbarkeit von Glut und Flamme, die auf eine ganz spezielle Art mit den Zutaten interagieren, und sie langsam vor unseren Augen verändern. Beim Garen über offenem Feuer lernen wir unsere Zutaten wirklich kennen und wir entwickeln ein Gefühl für die rauchige Transformation von roh zu gegart.

Wer mit offenem Feuer kocht, wird sein Essen intensiver wertschätzen. Ähnlich wie beim Gärtnern kommen wir auch hier mit den grundlegenden Zyklen der Natur in Berührung – mit dem Werden und Vergehen. Diese elementare und unmittelbare Art, Speisen zu garen, bringt alle Zutaten unverstellt zur Geltung. So zu kochen ist spannend und macht Spaß, es ist aber auch eine große Herausforderung. Ein offenes Feuer ist von vielen Einflüssen abhängig und brennt nicht konstant, sodass es permanente Aufmerksamkeit erfordert. Doch ich bin dem Feuer verfallen, denn diese ursprüngliche und traditionsreiche Garmethode unterstützt auf einzigartige Weise die natürlichen Aromen. Das Feuer bringt uns zurück zu unseren Wurzeln. Für mich hat die Entdeckung des Feuers gerade erst begonnen.

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Die Entdeckung des Feuers

Diese Art des Kochens fasziniert mich – sie ist einzigartig, wunderbar komplex und dennoch einfach.

MANCHMAL WÜNSCHE ICH MIR, ICH HÄTTE EINEN ROMANTISCHEREN BACKGROUND. Ich würde gerne erzählen können, dass ich einer Kultur entstamme, in der das Kochen auf offenem Feuer Tradition hat. Doch tatsächlich bin ich im wechselhaften Klima Großbritanniens aufgewachsen, und mit Feuer kam ich nur beim Beheizen des Hauses im Winter und Barbecues im Sommer in Kontakt. Ich erinnere mich noch an die Aromen, wenn mein Vater Würstchen grillte: eine Mischung aus Feuerzeugbenzin und fetter, schwarzer Kohle. Das Barbecue meiner Kindheit war nicht sehr anspruchsvoll, aber ich liebte es trotzdem. Traditionell versammelte sich dazu die ganze Familie im Garten, und die Erinnerung an dieses Ritual zählt viel mehr als ein perfektes Essen.

Damals wurde in unseren Breiten nur selten gegrillt, und meist griff man auf leicht verfügbare Zutaten zurück. Obwohl ich schon immer gern an einem Feuer stand, habe ich erst nach vielen Berufsjahren entdeckt, dass das Garen auf offenem Feuer die schönste Art des Kochens ist – und außerdem alltagstauglich. Zunächst sah ich darin aber wie viele andere nur eine unterhaltsame, doch eher primitive Zubereitungsart, die in modernen Küchen nicht vorkam – zumindest nicht in den Küchen, in denen ich arbeitete. Ein offenes Feuer lässt sich nicht so leicht kontrollieren, deshalb arbeitet der Profi mit einem Gasgrill, und brennendes Holz sieht er in der Regel nur beim Räuchern.

Wie die meisten jungen Köche wollte ich viel lernen, um besser zu werden. Ich beschloss, bei einigen der renommiertesten Küchenchefs in Sternerestaurants zu arbeiten. Jede Station war eine tolle Erfahrung und hat mich als Koch geprägt. Doch während ich meine Fähigkeiten verfeinerte, verlor ich dabei irgendwie die Zutaten aus dem Blick.

Die moderne Küche entwickelte sich in eine Richtung, die mir nicht gefiel. Die Köche manipulierten die Zutaten frei nach ihrem Willen, damit sie zu einem Gericht passen, anstatt deren unverfälschte, sich stetig verändernde Natur zu akzeptieren und damit zu arbeiten. Diese Inszenierungen schienen mir gekünstelt und seelenlos. All diese Restaurants, in denen der Küchenchef, die Technik und der Look der angerichteten Teller wichtiger waren als die Zutaten selbst, konnten mich nicht mehr beeindrucken. Mir war klar, dass es eine Nachfrage dafür gab, aber ich spürte, dass ich etwas anderes wollte. Es war Zeit für eine Veränderung. Ich wollte Gerichte zubereiten, die ich selbst gerne essen würde, wollte mich durch Produkte inspirieren lassen, nicht durch Technik.

Feuer wurde für mich zu einer Art evolutionärem Atavismus, durch den ich mich wieder lebendig fühlte. Die Wiederentdeckung des Feuers war wie ein riesiger Schritt zurück nach Jahren des Nach-vorne-Hastens. Ich hatte gerade meine Arbeit in Frankreich beendet, und ein Freund wollte ins Baskenland, um bei Mugaritz ein Praktikum zu beginnen. Ich hatte gehört, dass es damals rund um San Sebastián weltweit die meisten Michelin-Sterne pro Quadratkilometer gab. (Ein Guide Michelin für Japan existierte noch nicht.) Ich war neugierig, was diese spanische Küstenstadt so besonders machte, und beschloss mitzufahren. Als wir die Grenze zum Baskenland überquerten, verstand ich sofort: Dies war nicht Spanien.

San Sebastián erlebte im ausgehenden 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. In der Belle Époque residierten hier während der Sommermonate die Reichen und Schönen. Die Unbeschwertheit endete, als Franco 1939 seine Diktatur über Spanien errichtete. Alles typisch Baskische in Kultur und Politik wurde streng untersagt, die Menschen brachten sich in Gefahr, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre angestammte Sprache benutzten. Trotz 40 Jahren politischer und kultureller Unterdrückung bewahrten sich die Basken ihre Identität. Nach dem Ende des Franco-Regimes manifestierte sich der baskische Nationalstolz nicht zuletzt in der Küche.

San Sebastián, so entdeckte ich, ist einer der schönsten Plätze der Welt. Und es gibt hier ein unglaubliches Angebot an gutem Essen und gutem Wein.

Mit meinem Lebenslauf hätte ich problemlos eine Anstellung in einem der besternten Häuser gefunden. Doch die Entwicklung der modernen Küche hielt mich davon ab. Wollte ich weiter in der Branche arbeiten, musste ich etwas finden, das besser zu meinen Vorstellungen passte.

Fasziniert vom Baskenland blieb ich eine Weile und half in einer lokalen Pinxtos-Bar aus. Dort waren die Speisen einfach, aber ehrlich. Ich kochte, was am Tag frisch verfügbar war: Pilze, die ich auf dem örtlichen Markt fand, oder direkt vom Boot gelieferten Fisch. Jeder Tag brachte etwas Neues, doch die Herausforderung, einige kleine, gute Gerichte für die Bar zu kochen, blieb dieselbe. Diese Art zu kochen erschien mir bodenständig, fast instinktiv.

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Victor Arguinzoniz und Lennox im Asador Etxebarri, September 2009

Eines Abends hörte ich in der Bar von einem Grillrestaurant in den baskischen Bergen. Meine Neugier war geweckt, am nächsten Tag machte ich mich auf die Suche. Ich kannte nur den Namen des Dorfes, Axpe, und den des Restaurants, Etxebarri – ein echter Zungenbrecher.

Ich mietete ein Auto und machte mich auf in die Hügel zwischen Bilbao und San Sebastián. Unterwegs verfuhr ich mich mehrmals, doch als ich in den kleinen Ort im Tal von Atxondo kam und das Holzfeuer roch, wusste ich, ich war angekommen. Der Ort, eine kleine Gemeinde, lag inmitten einer atemberaubenden Bergkulisse. Im Zentrum stand das Sandsteingebäude, das mein Leben für immer verändern sollte.

Da ich weder Spanisch noch Baskisch sprach, musste ein Empfehlungsschreiben reichen, das ein mexikanischer Freund für mich ins Spanische übersetzt hatte. Ich klopfte an die Tür.

Als mir geöffnet wurde, war ich überrascht. Köche sind in der Regel an ihrer »Uniform« erkennbar: frisch gestärkt, weiß und förmlich. Doch hier stand ich einem großen Kerl mit blutbeflecktem T-Shirt, Hose und Sportschuhen gegenüber. Das war im Frühjahr 2006. Der Mann, den ich beim Zerlegen eines Rinds störte, war Victor (oder Bittor) Arguinzoniz. Er überflog meinen Lebenslauf und verzog das Gesicht. An Köchen aus Sternerestaurants war er offensichtlich nicht interessiert, und das sagte er mir auch. Trotzdem bat er mich herein, zeigte mir alles und bot mir dann einen Job an. Ich sollte gleich am nächsten Tag anfangen. Ich fuhr nach San Sebastián zurück, um den Wagen abzuliefern.

Am nächsten Tag in aller Frühe machte ich mich auf nach Axpe. Weil ich das örtliche Eisenbahnsystem nicht kannte, kam ich zu spät zu meiner ersten Schicht. Der Bummelzug kurvte durch die Gegend und hielt in jedem kleinen Ort – aus kalkulierten 90 Minuten wurde eine Fahrt von über drei Stunden. In mir stieg Panik auf. Ich bildete mir viel auf meine Pünktlichkeit ein, dies war der erste Tag im neuen Job, und ich wusste, der Mittagsservice stand an. Victor holte mich am Bahnhof ab und beorderte mich direkt an den Grill.

Das war er – mein Augenblick der Offenbarung. Gleich als ich dort ankam, wusste ich, dass diese Art zu kochen mich begeisterte. In einem kleinen Anbau hinter der Hauptküche des Restaurants hingen sechs Edelstahlgrills über offenem Feuer. Jeder Grill war handgefertigt und konnte über ein System aus Rollen, Seilen und Rädern ganz leicht bewegt werden. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Dies war ein magisches Instrument, und Victor spielte es meisterhaft. Er hatte das Garen auf offenem Feuer zu einer Kunst entwickeln. Ihn zu beobachten war faszinierend.

Victor glich den Köchen, wie ich sie kannte, überhaupt nicht – er war mehr auf die Speisen und das Feuer fokussiert als auf sein Äußeres. Nach einer Ausbildung zum Elektriker war er in einer örtlichen Fabrik und dann als Waldarbeiter beschäftigt gewesen. Er restaurierte ein zerfallenes Gebäude mitten in seinem Heimatort und eröffnete dort 1989 das Restaurant, das er Etxebarri nannte – »neues Haus«.

Victor hieß mich bescheiden in seiner Welt willkommen. Hier führte er ein stilles Zwiegespräch mit dem Feuer.

Die Eröffnung eines asador (Grillrestaurant) brachte Leben in das Dorf und Victor eine Einnahmequelle. Hier konnte er seine Leidenschaft für das Kochen ausleben und den Holzfeuerduft aus seiner Kindheit neu entfachen. Die fehlende gastronomische Ausbildung erwies sich als großes Plus: Er respektierte die Tradition, war aber nicht durch sie eingeengt. Seine Schule waren die Jahre, in denen er die subtilen Nuancen von Feuer erforschte und selbst entwickelte Techniken an seinen einzigartigen Kochstil angepasst hatte.

Victor hieß mich bescheiden in seiner Welt willkommen. Hier führte er ein stilles Zwiegespräch mit dem Feuer. Zwei gegensätzliche Welten trafen aufeinander. Trotz ganz unterschiedlicher Karrieren und Sprachen entwickelten wir eine tiefe Beziehung, basierend auf der Wertschätzung von Produkten und der Bereitschaft zu harter Arbeit. Er trug ein weißes T-Shirt, ich ein schwarzes. Als mein Bruder nach dem Grund fragte, antwortete Victor: »Gegensätze ziehen sich an.«

Ich war fasziniert von Victors Art zu kochen – völlig neuartig, wunderbar komplex und dabei so einfach. Sie betonte die Vorzüge der Zutaten in ihrem naturnahen Zustand – unverfälscht und direkt.

Victor und ich kochten für uns selbst und ließen uns von den Zutaten inspirieren. Unermüdlich loteten wir die Möglichkeiten des Grillens über Holzfeuer weiter aus und experimentierten mit verschiedenen Hölzern (das tue ich bis heute). Das altmodische Asador-Menü wurde zugunsten einer kleinen Karte auf Basis der jeweils besten tagesfrisch verfügbaren Produkte gestrichen. Wir grillten alles – von Muscheln bis zu Kaviar.

Beim Kaviar brauchten wir fast ein Jahr bis zur Perfektion. Kritiker waren voller Zweifel: Wie konnten wir ein solch edles Produkt der primitiven Grillhitze aussetzen? Doch wir ließen uns nicht beirren.

Wir suchten nach dem passenden Kaviar für den Grill. Weil die Glut die natürlichen Aromen verstärkt, musste der Kaviar ungesalzen und nicht pasteurisiert sein. Wir probierten Dutzende Varianten, bevor sich iranischer Beluga Imperial 000 als bester erwies.

Dann begann der lange Prozess, die beste Grillmethode dafür zu entwickeln. Versuch und Irrtum führten zur Konstruktion einer Gitterpfanne, die immer weiter verbessert wurde. Wir dachten uns ein Grillsystem mit der Gitterpfanne über Apfelholzglut aus, doch die Hitze war zu trocken. Wir brauchten etwas anderes.

Kurz zuvor hatten wir ein Gericht mit weißem Spargel perfektioniert, der über einem feuchten Moosbett gegrillt wurde. Wir übernahmen dieses Prinzip und ersetzten das Moos durch frische Wakame-Algen. Wir grillten etwas Kaviar auf den Algen über Apfelholz, sodass er warm und leicht rauchig war, aber seinen charakteristischen Biss behielt. Die Kaviarkugeln setzten ein intensives Meeresaroma mit Nuancen von schwarzer Olive und Haselnuss frei. Für mich war das eine Offenbarung.

Wir behandelten alle Zutaten mit der gleichen Sorgfalt und stimmten jeweils Holz und Technik darauf ab. Immer wenn wir etwas Neues ausprobierten, lieferte der Grill ein neues Geschmackserlebnis. Vertraute Rohprodukte entwickelten völlig neue Aspekte. Sie sprachen eine neue Sprache.

Victor und ich kochten für uns selbst und ließen uns von den Zutaten inspirieren.

Wir grillten sogar Foie gras, die ich aus meinen langen Jahren in französischen Restaurants kannte. Eines Mittags wagten wir uns an die noch warme Fettleber einer frisch ausgenommenen Gans. Selbst für uns war das Grillen einer empfindlichen Stopfleber Neuland. Wir garten sie im Ganzen über Kirschholz und beobachteten, wie die Außenseite langsam mahagonibraun karamellisierte. Den Moment, als ich diese Foie gras in den Mund nahm, werde ich nie vergessen: die Außenseite fest, das Innere üppig, rauchig und buttrig. Beim Probieren musste ich mich ganz neu auf das Produkt besinnen – es war, als hätte ich nie zuvor Foie gras gegessen. Und plötzlich realisierte ich das enorme Potenzial von Feuer, die natürlichen Aromen von Speisen zu intensivieren. Das war der Wendepunkt für mich.

Das Etxebarri schlug damals einen Weg ein, der völlig konträr zum kulinarischen Mainstream verlief. Spanische Köche hatten damals Hochkonjunktur, sie waren die neuen Könige am Herd und propagierten radikale Ideen, die schließlich in der Molekularküche kulminierten. Von alldem waren wir – geografisch wie kulinarisch – Welten entfernt. Die isolierte Lage in den Bergen bedeutete, dass es keine Ablenkungen von außen gab und wir unseren Weg unbeirrt weitergehen konnten. Zwangsläufig geriet unsere Arbeit ins Blickfeld der internationalen Presse, und das Etxebarri wurde zu einem der besten 50 Restaurants der Welt gekürt. Schließlich kam ein Michelin-Stern dazu.

Ich hatte mein Herz an das Feuer und ans Baskenland verloren. Aus dem geplanten einen Jahr in Spanien wurden fünf. Ich hatte für diesen Job alles aufgegeben, meine Beziehungen zu Freunden und Verwandten, um mich in dieses Abenteuer zu stürzen. Ich war bestens assimiliert im Baskenland und zu Victors rechter Hand geworden.

Das Etxebarri wird für mich immer ein ganz besonderer Ort bleiben, doch irgendwann war der Punkt da, wo ich das dort für mich Mögliche erreicht hatte. Als sich die Gelegenheit ergab, nach Australien zu gehen, griff ich zu. Ich beschloss, mich der nächsten Herausforderung zu stellen und ein eigenes Restaurant zu eröffnen.

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Mein eigenes Restaurant

In meinem Restaurant kochen wir weder mit Gas noch mit Strom. Es gibt zwei Holzöfen, drei Grills und einen mit Holz befeuerten Herd.

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EIN EIGENES RESTAURANT WAR EINFACH NÖTIG, um meine Vorstellungen vom Kochen mit Holzfeuer und natürlichen Zutaten zu realisieren. Vier Jahre hatte ich nicht am Herd gestanden. Und jetzt hatte ich nur ein Feuer, einige Zutaten und den brennenden Wunsch, all dies optimal zu kombinieren.

Der Weg dahin war voller Hürden. Ein Restaurant in Sydney zu eröffnen und zu betreiben ist schon allein eine Herausforderung. Mein Wunsch, ausschließlich auf offenem Feuer zu kochen, wurde durch die Standortsuche, Bauvorschriften und Finanzierungsprobleme behindert. Zudem musste ich mit verbreiteten Vorstellungen, was ein Grillrestaurant ist – und was es sein kann – aufräumen. Wenn ich erzähle, dass ich auf Holzfeuer koche, fragen mich die Leute auch heute noch, welche Art Pizza ich serviere.

Die lange Vorlaufzeit bis zur Eröffnung des Restaurants galt es gut zu nutzen, denn der Erfolg des Projekts basiert nicht nur auf meinem erworbenen Können, sondern mindestens ebenso sehr auf den guten Kontakten zu Lieferanten.

Beim Ausbau des Firedoor musste ich die Kücheneinrichtung passend zum vorhandenen Raum und unserem einzigartigen Kochstil planen. Ein Kauf nach Katalog war nicht möglich. In meinem Restaurant kochen wir weder mit Gas noch mit Strom. Es gibt hier zwei Holzöfen, drei Grills und einen mit Holz befeuerten Herd. Alle Geräte waren Prototypen, das Restaurant quasi ein Testlabor.

Als Erstes wurden die Öfen gemauert, denn sie sind in vieler Hinsicht die Basis der Küche und »beherbergen« das Feuer. Wir betreiben zwei kuppelförmige Öfen nebeneinander. Sie werden von Tag zu Tag abwechselnd eingesetzt: Der eine liefert die Glut, der andere dient mit seiner Restwärme zum Brotbacken und langsamen Garen von Gemüse, Fisch und großen Bratenstücken. Beim Kochen müssen wir unsere Vorbereitungen sorgfältig auf die vorhandene Hitze abstimmen.

In einem der Öfen wird ein Feuer entzündet, das sich über den Tag langsam entwickelt – von einem Häufchen schwelender Glut bis hin zu einem wahren Inferno. Zur Zeit des Hauptservice erreicht dieser Glutofen Temperaturen bis zu 1600 °C. Man könnte Glas darin schmelzen. Die hohe Temperatur löst im Ofen eine Kettenreaktion aus: Flüchtige Gase entzünden sich und sorgen für eine intensive Glut.

Während des Service legen wir ständig Holz nach. Die Holzart wählen wir passend zu den jeweiligen Gerichten und die Menge nach Anzahl der speisenden Gäste. Im Allgemeinen haben wir sieben Holzarten auf Lager, aus denen wir täglich je nach verarbeiteten Zutaten vier oder fünf passende Sorten auswählen.

Unsere Grills sind eine Weiterentwicklung des Systems, das ich aus Spanien kannte. Für bessere Stabilität und Tragfähigkeit haben wir eine Konstruktion mit zwei anstatt nur einer Rolle entwickelt. Sie arbeitet schneller und präziser. Die Roste sind zur einfachen Reinigung komplett herausnehmbar. So können sich keine unerwünschten Aromen darauf entwickeln. Die getrennten Grills erlauben es, gleichzeitig eine breite Palette von Gerichten zu garen und dabei den Charakter jeder Zutat zu bewahren.

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Die Speisekarte wird täglich entsprechend der besten verfügbaren Produkte zusammengestellt. Dieses Konzept lässt uns die größtmögliche Freiheit: Was nicht verfügbar ist oder nicht unseren Qualitätsvorstellungen entspricht, kommt nicht auf die Karte. Die Gerichte werden dort nach ihrem Aromaprofil aufgelistet, angefangen bei leichteren Zutaten bis hin zu den kräftigeren. Der Gast kann sich so nach Wunsch eine zunehmend intensiver schmeckende Speisenfolge zusammenstellen. Nur begrenzt verfügbare Zutaten werden den Gästen vom Service mündlich empfohlen oder in ein Tasting-Menü integriert.

Wir arbeiten mit vielen Bauern, Produzenten und Lieferanten zusammen, die ich ermuntere, mir ihre besten und interessantesten Produkte zu bringen. Ich lade sie ins Restaurant ein, damit sie unser Konzept besser verstehen. Immer wieder betone ich die wichtige Rolle, die sie dabei spielen. Ich bitte sie, mir das zu bringen, was sie gerne essen würden, und koche damit. Jede von mir ausgesuchte Zutat muss irgendwie besonders sein.

Fische und Schalentiere werden erst möglichst kurz vor der Verarbeitung getötet. Farmer bauen für uns ausgewählte Gemüse an und liefern Lamm-, Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch. Und alles kommt irgendwie mit Feuer in Kontakt – wir grillen sogar Salat und räuchern Eiscreme.

Das Firedoor lässt sich nicht so leicht einer Kategorie zuordnen. Wir sind kein Edelrestaurant, aber auch nicht ausgesprochen leger, wir bemühen uns um einen Mittelweg. Der Fokus liegt auf hochwertigen, stets frisch gegrillten Zutaten in Kombination mit einem freundlichen Service, der den Gästen gerne Auskunft gibt. Die offenen Räume bieten den Gästen einen freien Blick auf die Aktivitäten in der Küche. Es ist meine erste offene Küche, und das Grillen wäre ohne Ablenkung einfacher – doch ich habe nie den einfachen Weg gewählt. Ich möchte die Menschen in meine Welt einladen und zeigen, wie man aus guten Zutaten durch Grillen über Holzfeuer großartige Gerichte zaubern kann.

Ich bin stolz darauf, was ich zusammen mit meinem Team erreicht habe, doch jeder Tag bringt eine neue Herausforderung. Ich arbeite weiter mit Feuer, weil ich meinen Horizont erweitern will, und das spornt die Kreativität an. Das Feuer und die Zutaten sind sich stetig verändernde Variablen, das macht diese Art des Kochens so schwierig, will man gleichbleibend gute Ergebnisse erzielen. Doch das Feuer erinnert mich täglich daran, auf die Zutaten zu hören. Und die Zutaten verraten mir, warum ich meine Arbeit liebe.

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Feuer in Geschichte und Kultur

Ein Feuer, auf dem eine gemeinsame Mahlzeit zubereitet wird, ist eine wunderbare Sache – es geht dabei nicht nur um Nahrungsaufnahme.

SCHON SEIT MEHR ALS EINER MILLION JAHRE nutzen Menschen das Feuer. Heute erscheint es vielen einfacher, eine Mikrowelle zu bedienen, als ein paar Holzscheite zum Brennen zu bringen. Aber für sehr lange Zeit war ein offenes Feuer unsere einzige Möglichkeit, Nahrungsmittel zu garen – eine Fähigkeit, die nur der Mensch entwickelt hat. Richard Wrangham vermutet in seinem Buch Feuer fangen. Wie uns das Kochen zum Menschen macht, dass diese Fähigkeit möglicherweise der bedeutendste Katalysator für die menschliche Evolution war. Doch dann ging unsere Fähigkeit zur Nutzung von Feuer innerhalb von kürzester Zeit fast wieder verloren – moderne Kochmethoden haben es weitgehend verdrängt. Gasherde gibt es seit etwa 180 Jahren, später kam der Elektroherd hinzu, die jüngste Entwicklung ist Kochen mit Induktion. Und was ist aus unserer Beziehung zum Feuer geworden? Fortschritt ist gut, aber er sollte nie zu Lasten dessen gehen, was uns letztlich zu Menschen macht.

Für die frühen Menschen brachte die Fähigkeit, Nahrungsmittel zu garen, eine entscheidende Wende, und das Feuer stand dabei im Mittelpunkt. Sie erkannten vielleicht nicht, dass der Garprozess Nährstoffe erschließt, doch bestimmt schätzten sie die neue Geschmacksvielfalt. Durch das Garen verändert sich die Struktur von Produkten, Salze, Zucker und andere Verbindungen werden dabei hervorgehoben. Das verändert den Geschmack. Und Kochen veränderte nachhaltig die Art, wie wir aßen und verdauten. Langes Kauen und Verdauen war nicht mehr notwendig, denn gegarte Nahrung war besser aufgebrochen. Die schnellere Kalorienaufnahme und bessere Energiezufuhr gab den frühen Menschen die Möglichkeit, sich anderen Aktivitäten zu widmen. Feuer bildete den Mittelpunkt der Gemeinschaft, es stand für Wärme, Sicherheit und Nahrung.

Durch die Fähigkeit zu kochen unterschied sich der Mensch von allen anderen Lebewesen. Gleichzeitig entstanden Rituale rund um Feuer und Essen, die uns zusammenschweißten. Das Feuer spielte eine Rolle bei der Etablierung von typischen sozialen Rollen und kulturellen Praktiken. Das Feuer und die Zutaten, die darauf gekocht wurden, bildeten die gemeinsame Basis.

Ein Feuer, auf dem eine gemeinsame Mahlzeit zubereitet wird, ist eine wunderbare Sache – es geht dabei nicht nur um Nahrungsaufnahme, sondern genauso um Interaktion, um das Teilen und den Austausch mit anderen. Wie beim Gärtnern, wenn wir unsere Hände in die Erde stecken und die natürliche Schönheit unserer Lebensmittel erkunden, lassen wir am Feuer die wichtige Verbindung mit der Natur und unseren Mitmenschen neu aufleben.

Heute gibt es nicht mehr viele Kulturen, die auf das Kochen mit offenem Feuer angewiesen sind, und der Herd ist nicht länger der Mittelpunkt unseres Heims. Doch das Feuer glimmt an der Basis jeder Zivilisation, denn es hat in jeder Kultur weltweit eine Rolle gespielt. Mich fasziniert die Rolle von Feuer in verschiedenen Teilen der Welt. Obwohl ich nicht mit einer echt chinesischen, japanischen oder argentinischen Sensibilität koche, lasse ich mich doch von diesen Traditionen inspirieren und verwende in meiner Küche Techniken aus vielen Kulturen.

Zu Hause in Großbritannien nutzten wir Feuer zum Kochen nur beim Grillen im Sommer. Doch geht man weiter zurück, stößt man überall auf den Britischen Inseln auf eine reiche Geschichte des Kochens auf offenem Feuer. Die Entdeckung von Erdöfen aus der Bronzezeit weist auf eine Tradition des Backens mit Holzfeuer hin. Die Jäger und Sammler garten Fisch wahrscheinlich in einer Tonhülle, Fleisch wurde traditionell am Spieß gebraten. In Großbritannien und fast ganz Nordeuropa war das Räuchern über Erlen- oder Eichenholz eine gängige Methode des Konservierens, um bestimmte Lebensmittel länger haltbar zu machen.

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Auch heute gibt es noch Regionen, in denen über offenem Feuer gekocht wird. Am Mittelmeer gart man Fleisch und Fisch gerne auf dem Rost und würzt mit etwas Salz und Olivenöl. In Spanien gibt es eine ausgeprägte Grilltradition, die jeweils für die Region spezifische Produkte und Holzarten verwendet. In Weinbaugebieten nimmt man Rebholz, in Valencia dagegen Orangenholz (siehe Seite 199, Tomatenreis).

Im Baskenland, einer besonders traditionsbewussten spanischen Region, bevorzugt man das Holz der Steineiche. Basken sind sehr heimatverbunden, der von der Familie bewirtschaftete Hof spielt auch heute für viele noch eine wichtige Rolle. Hier gibt es noch das gemeinsame Mahl am Familientisch, und Feuer ist ein wichtiger Aspekt des Kochens. An der baskischen Küste dominiert Fisch, im Hinterland Fleisch, entsprechend der lokalen Gegebenheiten. Obwohl das Etxebarri in den Bergen liegt, servierten wir dort neben Fleisch auch Fisch und Schalentiere.

Während man in Spanien und anderen Ländern auf verschiedene Hölzer mit ihren charakteristischen Aromen setzt, sind die Japaner Pioniere bei der Herstellung von Holzkohle. Diese Tradition reicht dort bis in die Jomon-Zeit um 12 000 v. Chr. zurück. Binchotan, die weiße Holzkohle, wird seit 300 Jahren erzeugt. Damals begann man in der japanischen Provinz Kii (Kishu), eine extrem reine Holzkohle aus der dortigen Steinlindeneiche (Ubame-Eiche) herzustellen. Das Verfahren wird heute noch angewendet (siehe Seite 68). Im Hinblick auf Reinheit und Effizienz gibt es beim Kochen über offenem Feuer nichts Besseres als binchotan.

In Argentinien und überhaupt in Südamerika ist das Kochen über offenem Feuer vor allem ein geselliges Ereignis. Man entzündet gern ein großes Feuer, um das man sich versammelt, und es wird auch zum Kochen benutzt. Die Flammen berühren das Fleisch nicht direkt, die Glut wird rundherum verteilt, damit es durch die Strahlungshitze langsam gart. Häufig werden ganze Tiere (siehe Seite 190, Ziege) an einem Eisenkreuz befestigt und über dem Feuer geröstet.

parilla