Über Can Dündar

Can Dündar, geboren 1961, schrieb für diverse Zeitungen, publizierte über zwei Dutzend Bücher und produzierte zahlreiche Fernsehdokumentationen. Er war Chefredakteur der renommierten Tageszeitung Cumhuriyet und schreibt die Kolumne Meine Türkei in der Wochenzeitung Die Zeit. Er ist Gründer und Chefredakteur der journalistischen Plattform #Özgürüz. Dündar lebt und arbeitet zurzeit in Berlin im Exil. Bei Hoffmann und Campe erschienen seine Bücher Lebenslang für die Wahrheit (2016) und Verräter (2017).

Fußnoten

The Scorpions, Winds of Change, Text von Klaus Meine.

Vom Album The Future aus dem gleichnamigen Song: Give me back the Berlin wall / Give me Stalin and St. Paul / I’ve seen the future, brother / It is murder.

https://www.eiu.com/topic/democracy-index

Yascha Mounk: Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht. Droemer Verlag, München 2018.

Weiterführende Informationen zum sogenannten »grünen Gürtel« siehe Robert Dreyfuss: Devil’s Game: How the United States Helped Unleash Fundamentalist Islam, Dell Publishing, New York 2005.

Ausführliche Informationen zum Thema »gemäßigter Islam« siehe https://icct.nl/wp-content/uploads/2017/08/ICCT-Schmid-Moderate-Muslims-and-Islamist-Terrorism-Aug-2017-1.pdf

Interview mit Nilgün Cerrahoğlu in der Zeitung Milliyet vom 14. Juli 1996.

Kolumne von Can Dündar in der Zeitung Milliyet vom 13. September 2001: http://www.milliyet.com.tr/2001/09/13/yazar/dundar.html

https://www.independent.co.uk/news/uk/politics/chilcot-report-inquiry-tony-blair-iraq-war-weapons-of-mass-destruction-evidence-verdict-a7122361.html

Charles Baudelaire: »Jeder hat seine Chimäre«. In: Ders.: Le spleen de Paris / Pariser Spleen. Petits poèmes en prose / Kleine Gedichte in Prosa. Französisch/Deutsch. Übersetzt von Kay Borowsky. © 2008 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Stuttgart, S. 2527.

https://www.marxists.org/archive/marx/works/1843/critique-hpr/intro.htm

https://www.oxfam.de/blog/oxfams-zahlen-sozialer-ungleichheit-so-haben-gerechnet?page=1

Althusser, Louis: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S. 122. Revidierte Übersetzung von Peter Schöttler unter Mitarbeit von Klaus Riepe. http://www.agpolpsy.de/wp-content/uploads/2014/08/Althusser-Ideologie-und-ideologische-Staatsapparate.pdf (Zugriff 10.04.2018).

http://haber.sol.org.tr/medya/ulkelerin-televizyon-izleme-oranlari-aciklandi-turkiye-rekor-kirdi-191433

https://www.forbiddenstories.org/

https://www.youtube.com/watch?v=5li47UioNSA&app=desktop

Im März 2018 malte der Street-Art-Künstler Banksy die Journalistin Zehra Doğan, die zu zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen Haft verurteilt wurde, weil sie selbstgemalte Bilder und die Tagebücher eines Zehnjährigen aus Nusaybin an der türkisch-syrischen Grenze unter Ausgangssperre und Beschuss durch die türkische Armee in den sozialen Medien geteilt hatte. (AdÜ)

http://www.hurriyet.com.tr/erdogan-biz-14-yildir-kesintisiz-siyasi-iktida-40472521

https://www.reuters.com/article/us-europe-migrants-eu-turkey/turkeys-erdogan-threatened-to-flood-europe-with-migrants-greek-website-idUSKCN0VH1R0

Leonard Cohen: Democracy vom Album The Future.

So stellte auch ich mir als Kind die Demokratie vor.

Heute, ein Dreivierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich die bildschöne Königin in meinem Kopf in eine schwache Greisin verwandelt. Im Osten der westlichen Welt drängt jemand sie unter das Kopftuch, ganz im Westen richtet ein anderer sie übel zu. Unsere gereizte, erschöpfte Demokratie hat die Hoffnung auf die Zukunft verloren und ringt mit dem Tod.

Wann und wie ist die einstige Schönheit zu einem solchen Wrack geworden?

Warum ist sie auf einmal so schwächlich?

Wo hat sie Fehler gemacht?

Erinnern Sie sich an 1989? An das Licht, das mit dem Fall der Mauer auf unsere Erdkugel fiel, an die Hoffnung, die zwischen ihren Überresten hervorspross? Enthusiastisch sangen die Scorpions Winds of Change und fragten: Did you ever think / That we could be so close, like brothers?1

Die blutbefleckten Erinnerungen, die uns gegeneinander aufgehetzt hatten, waren für immer begraben. Der Duft von Hoffnung lag in der Luft. Die Winde des Wandels läuteten die Freiheitsglocke und bliesen uns den Glauben an ein Morgen ins Gesicht. Das war überall zu spüren.

Was ist aus diesen Winden geworden?

Wann sind sie abgeflaut, warum hat sich ihr Hauch verbraucht?

Wie kam es, dass unsere Mutter Erde Kinder zur Welt gebracht hat, die sich nun überall gegen sie wenden?

 

Der erste Warnruf kam von Leonard Cohen. Keine drei Jahre nach dem Mauerfall, als in Europa noch der Freudentaumel über den unerwartet hereingebrochenen Frühling herrschte, warnte er auf seinem Album The Future vor einem heraufziehenden Schneesturm.2 Wie ein Derwisch

Demokratie im Stillstand

Ein Vierteljahrhundert später belegte der Demokratie-Index 20173, dass sämtliche Prophezeiungen aus Cohens Lied eingetroffen waren.

Der Report verkündete, auf der Welt seien kaum Fortschritte in Sachen Demokratie zu verzeichnen, ganz im Gegenteil gebe es massive Rückschritte. Nur 4,5 Prozent der Weltbevölkerung lebten demnach in vollständig demokratischen Zuständen. Rund ein Drittel der Staaten werde von autoritären Regimen regiert. Der Index wies auf Rückschritte insbesondere in Asien hin, stufte die Vereinigten Staaten, die im Vorjahresbericht noch zu den »vollständigen Demokratien« gezählt hatten, zu den »unvollständigen Demokratien« zurück und erklärte die Türkei zum »größten Journalistengefängnis der Welt«.

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