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Petra Schmidt-Decker

52 VERTRÄGE MIT MIR SELBST

Das Geheimnis der Gewinner

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Vertrag Nr. 1

NICHTS FÜR SELBSTVERSTÄNDLICH HALTEN

Wer alles für selbstverständlich hält,

verlernt das Staunen.

Der Neandertaler und der Stadtneurotiker

unterscheiden sich in dem, was sie für

selbstverständlich halten.

Fröhliche Menschen haben ein Geheimnis:

Sie halten nichts für selbstverständlich.

Mit diesem Vertrag versprechen Sie sich, es ihnen gleichzutun. Das heißt, Sie hinterfragen jeden Schritt Ihres Tagesablaufs. Unmöglich? Nein, so viele Schritte, wie Sie befürchten, sind es nicht.

Sie haben die Wahl: Sie können sich bereits am frühen Morgen darüber freuen, dass Sie Ihren Wecker hören, die Uhrzeit mit den Augen ablesen, sich – hoffentlich – schmerzfrei bewegen können. Vielleicht haben Sie einen Partner, mit dem Sie schon vor dem Frühstück sprechen oder noch ein wenig kuscheln. Sie haben ein Dach über dem Kopf, ein komfortables Bett, Sie können duschen, sich rasieren, die Zähne putzen, sich eincremen, Radio hören etc. Oder Sie schimpfen darüber, dass Sie so früh aufstehen müssen, weil Sie Arbeit haben. Dann halten Sie Dinge für selbstverständlich, die für die meisten Bewohner unserer Erde noch ein unerfüllbarer Traum sind. Große Teile der Weltbevölkerung müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Viele Menschen wissen nicht, was es heißt, satt zu sein. Ein krasser Widerspruch zum Fettabsaugen. Vor Ihrem Kleiderschrank haben Sie die Qual der Wahl: Was ziehe ich heute an? Allein wählen zu können ist keine Selbstverständlichkeit. Es setzt in jedem Fall eine Alternative voraus. Für viele Menschen ein Luxus.

Sie gehen oder fahren zur Arbeit, die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule, weil es Arbeit, Kindergärten, Schulen und Universitäten gibt. Selbstverständlich! Stopp, bitte etwas mehr Bescheidenheit und den Blick über den bundesdeutschen Tellerrand! Aber auch bei uns gibt es leider Millionen verschämter Analphabeten und armer Menschen. Sie gehören nicht dazu? Dann sind Sie ein Glückspilz. Oder wie Paul Hörbiger es formulierte: Das Glück ist meistens die Brille, nach der man vergeblich sucht. Man findet sie nicht, weil man sie schon auf der Nase hat.

Kann es sein, dass Sie sich heute nicht über den morgendlichen Stau ärgern, sondern die bequemen Sitze Ihres Autos genießen, sich darüber freuen, dass Sie unter Ihrem Schirm trocken bleiben? Dann sind Sie dabei, Ihren Vertrag mit sich ernst zu nehmen.

Bis hierhin haben Sie Anstöße erhalten. Ab jetzt sind Sie dran. Ich weiß, dass ich eine Lawine ausgelöst habe, weil Ihr Hirn Ihnen nun eine um die andere Nicht-Selbstverständlichkeit präsentiert. Und leise schleicht sich bei Ihnen ein Gefühl der Dankbarkeit ein. Wann sagen wir »danke«? Wenn uns geholfen, ein Wunsch erfüllt wird, wenn wir ein Geschenk bekommen, eine Anerkennung, ein Lob, ein Kompliment. Das kann ein Satz sein: »Das Blau steht Ihnen sehr gut.« Eine Geste, ein anderer Autofahrer lässt Sie vor, eine SMS: »Hab’ ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?« Ein fröhliches Guten Morgen etc.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Ihr Nachbar Sie fragt, wie es Ihnen geht. Wer so fragt, ist an Ihnen interessiert. Die Mehrzahl fragt: »Geht’s gut?«, eine überflüssige, hohle Floskel, die Desinteresse signalisiert.

Je weniger Sie für selbstverständlich hinnehmen, desto reicher fühlen Sie sich, auch wenn Sie momentan hart zu kämpfen haben. Und diesen Reichtum sieht man Ihnen an: Sie lächeln häufiger, Ihre Ausstrahlung ist gewinnender als sonst. Die Erklärung dafür ist einfach: Niemand kann etwas anderes ausstrahlen als das, was in ihm ist. Da Sie sich eine Woche lang reicher und beschenkt fühlen, weil Sie viele Selbstverständlichkeiten infrage stellen, zählen Sie zu den Gewinnern, und die lächeln häufiger als andere, weil sie Grund dazu haben. Sie wissen doch: Jedes Lächeln ist ein Bumerang. Nutzen Sie diesen Bumerang, werfen Sie ihn, sooft Sie können.

Hiermit verspreche ich,

 ,

mir, nichts mehr für selbstverständlich zu halten.

 

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Vertrag Nr. 2

IN VIER SEKUNDEN GEWINNEN

Ein guter Eindruck öffnet die Türen,

die durch einen schlechten vor der Nase

zugeschlagen werden.

Wenn die Leute wüssten, dass sie nur

vier Sekunden zu ihrer Präsentation haben,

würden sie sich mehr bemühen.

Sie haben genau vier Sekunden Zeit, um einen Menschen für oder gegen sich einzunehmen, stellten Verhaltensforscher fest. Vier Sekunden! Wer sich das klarmacht, wird auf jeden Fall mehr lächeln als bisher, sich täglich so hübsch machen wie möglich, die Alkoholfahne und sonstige nicht allzu einnehmende Düfte vermeiden und andere so behandeln, wie er selbst behandelt werden möchte.

Es gibt Menschen, die schaffen es, sich in dieser kurzen Zeit schlecht zu präsentieren. Dazu einige bewährte Methoden: nicht grüßen, Desinteresse signalisieren, jeden sofort duzen, Verzicht auf bitte, danke und Entschuldigung.

In einer Stunde können Sie theoretisch 900 Mal gewinnen oder verlieren. Vom Verlierer, was den ersten Eindruck betrifft, nehmen Sie ab heute für immer Abschied. Dieser Vertrag ist leicht zu erfüllen. Das uns allen bekannte carpe diem = pflücke/nutze den Tag wird zum Instant: Nutze deine vier Sekunden!

Hiermit verspreche ich,

 ,

mir, ab heute zum Vier-Sekunden-Gewinner

zu werden.

 

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Vertrag Nr. 3

MASSHALTEN

Maßhalten und Exzess sind Brüder.

Menschen, die maßhalten, sind die

natürlichen Feinde von Medizinern.

Maßhalten im Denken ist Mittelmaß,

Maßhalten im Reden oft genial.

Der Bayer denkt beim Maßhalten an die Wies’n.

Maßzuhalten bedeutet nichts anderes als aufzuhören, wenn es am schönsten ist, am besten schmeckt, bevor man vor Müdigkeit und Überanstrengung umfällt. So gesehen ist Maßhalten ein Appell an die Vernunft. Der Mensch besteht aber nicht nur aus Vernunft, und deshalb ist Maßhalten oft die Folge von Exzess.

Zu Silvester so viel Alkohol getrunken, dass der erste Januar der erste Sterbetag des neuen Jahres ist? Dumm gelaufen. Oder doch nicht? Viele Menschen halten nach derlei Exzessen Maß, weil sterben weder witzig ist noch hat man immer einen freien Tag zum Auferstehen.

Ständiger Exzess führt in den meisten Fällen zu bleibenden Schäden, weil er immer ein Zuviel bedeutet. Oft dauert es ein Leben, bis sich alles in Richtung Maßhalten einpendelt. Oder auch nicht.

Der Mensch hat seit Beginn seiner Art schon vieles maßlos übertrieben, was sich oft in Glauben oder Irrglauben manifestierte. Gerade Religionsführer neigen zur Maßlosigkeit. Warum soll alle Welt das Gleiche glauben? Es steht doch jedem frei, sich den ihm genehmen Gott zu wählen oder auf ihn zu verzichten.

Zur Zeit offenbart sich eine neue Dimension der Maßlosigkeit: Rodet die Regenwälder, pflanzt Mais an, schließlich ist Biokraftstoff lebenswichtig für die marode Autoindustrie. Fischt die Meere leer, minimiert die Artenvielfalt, nehmt anderen Kreaturen den Lebensraum, damit der Mensch sich weiterhin vermehren kann. Sechseinhalb Milliarden sind doch viel zu wenig. Hinzu kommen Bürokraten, die sich bekanntermaßen weltweit durch Zellteilung vermehren, bevor sie einen Vorschriften-Kaventsmann nach dem anderen auslösen. Die Wichtel erzeugen Monsterwellen. Warum? Weil keinem Einhalt geboten wird, weil niemand maßhält.

Die weltweite Rezession ist das Ergebnis der Gier weniger, die an den Quellen der ungesicherten Selbstbedienungsläden saßen. Haben, haben! In manchen Kreisen ist Maßhalten das Fremdwort des Lebens.

Worin kann man maßhalten? Im Konsumieren, Kritisieren, Rechthaben, Jammern, Schwarzsehen, Bevormunden, Schuldzuweisen, Essen, Trinken, Arbeiten, Chatten, Mailen, Fernsehen, Domestizieren, Klatschen und und und. Die Liste ist endlos.

Wenn Sie Ihren wunden Punkt noch nicht genau definieren können, hier eine Hilfe: Wenn Ihr Kollege/Partner seinen Satz oft beginnt mit »hör endlich auf …«, so lohnt es sich für Sie, darüber nachzudenken, ob er meint, Sie sollten hierin oder darin maßhalten. »Halt bitte einmal den Mund« ist ebenso eindeutig wie »gib nicht so viel Geld aus«. In beiden Fällen kann es sein, dass – in diesem Fall – Ihr Partner Ihnen genervt rät maßzuhalten.

Es sind häufig Dauerstreitthemen, deren Ursache auf mangelndem Maßhalten beruht.

Wer Skandale bevorzugt, um ins Gerede zu kommen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen, kann sich diesen Vertrag sparen. Er ist weder für prügelnde Models noch für Seniorplayboys oder Worthülsen speiende und auf deren tiefe Bedeutung pochende Politiker gedacht. Er ist für Menschen, die sich hinterfragen, weiterkommen und gewinnen wollen.

Hiermit verspreche ich,

 ,

mir, ab heute maßzuhalten im

 .

 

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Vertrag Nr. 4

EIGENMOTIVATION DURCH SICH SELBST ERFÜLLENDE VORAUSSAGEN

Dem Menschen einen Glauben schenken,

heißt seine Kraft verzehnfachen.

– Gustave Le Bon –

Entscheide dich, glaube oder hab Angst,

beides gleichzeitig funktioniert nicht.

Demoskopie ist die Kunst, Dinge

herbeizuführen, indem man sie voraussagt.

– Vance Packard –

Haben Sie schon von self-fulfilling prophecy, einer sich selbst erfüllenden Voraussage, gehört? Wenn nicht, hier die Erklärung mittels Beispiel: Sie belächeln Horoskope, woraus folgt, dass Sie sie nicht lesen. Diese Woche aber machen Sie eine Ausnahme. Sie sind angespannt und unsicher, weil Sie in nur sieben Tagen eine extrem schwierige, für Ihr Weiterkommen aber enorm wichtige Aufgabe zu bewältigen haben. Sie klappen die Zeitung auf, und da steht Schwarz auf Weiß: Ihre Zukunft ist gesichert, wenn Sie am Ball bleiben. Sie werden mehr Erfolg haben als erwartet. Na bitte, Sie haben es doch geahnt! Dieser positive Blick in die Zukunft motiviert Sie, schenkt Ihnen Tatkraft und Energie. Diese gute Nachricht wirkt wie ein Placebo, ein Scheinmedikament. Warum? Weil sie ein Placebo ist. Und das bewirkt, dass in Ihrem Hirn ein wahres Freudenfeuerwerk gezündet wird, das zur Ausschüttung hormoneller und anderer Stimulantien und Aufbaukräften führt, deren Wirkweise schon vor gut 2000 Jahren bekannt war, denn so alt ist folgendes Wort: Der Glaube versetzt Berge. Hierbei ist es völlig irrelevant, woran Sie glauben.

Der religiöse Mensch sucht Halt in den Prophezeiungen seiner Religion, der Gnostiker allein bei Gott, der Atheist bei sich, der Esoteriker bei seiner Geheimlehre, einem Guru, Wahrsager, Astrologen, den Tarotkarten etc. Wieder andere glauben an die Kraft von Amuletten und Steinen. Sind Sie Christ, so reicht es oft, wenn Sie Gebete und/oder Psalmen logisch betonen und nicht herunterleiern wie viele Geistliche. Um den Kopf für Eingebungen freizubekommen, gibt es kaum etwas Wirksameres als das Vaterunser, worin es heißt: Dein Wille geschehe. Dieser Satz macht den – Bittenden – Betenden zum Kind, das die Entscheidung dem Vater überlässt und dadurch selbst loslässt. Sehr hilfreich ist auch folgender Psalm, logisch betont: »Der Herr ist meine Hirte, mir wird nichts mangeln …«

Als Christ wird Ihnen zur Stärkung genauso viel einfallen wie dem Moslem, dem Hindu, dem Juden, dem Buddhisten, anderen Gläubigen und dem Agnostiker. Sind Sie aber Atheist, so liegt es für mich nahe, dass Sie sich mit dem menschlichen Hirn, der Schaltzentrale beschäftigen, die absolut jedem Computer überlegen ist. Gerade die Hirnforschung schreitet in rasantem Tempo voran. So ist für den Atheisten der Glaube an sich Maßstab für sein Handeln. Er kann und will nichts abgeben.

Dem Esoteriker, dem in eine mystische, religiöse oder philosophische Geheimlehre Eingeweihten, empfehle ich, sich nicht zu verzetteln: Mystik + Astrologie + Hellseherei + Tarot + Pendel sind zu viel auf einmal. Dadurch vergeuden Sie Zeit und Energie. Vertrauen Sie Ihrer Lehre, einem Amulett, Stein oder Sonstigem, und lassen Sie sich nicht von einem Haufen Menschen beeinflussen, die, um das allseits bekannte Negativbeispiel Scientology zu nennen, weniger an Ihrem Wohl als an Ihrem Geld interessiert sind.

Bitte denken oder sprechen Sie, wenn möglich, am selben Ort zur gleichen Zeit Ihr Gebet, Ihre Self-fulfilling-prophecy-Formel. Ich möchte durch die Zeit-Ort-Identität in Ihrem Hirn einen Automatismus der Art auslösen, dass Ihnen, sowie Sie sich beispielsweise an Ihren Schreibtisch setzen, Ihre Formel einfällt, und Sie wissen, dass Sie Ihre Aufgabe bewältigen werden.

Du erlebst, was du dir vorstellst.

Was die Ebbe nimmt, bringt die Flut wieder.

– Sprichwort aus Afrika –

Dies Thema betreffend, möchte ich eine Geschichte aus meinem Leben erzählen: Ich arbeitete als Au-pair in London. Es klingelte. Vor der Tür stand eine gebeugte Zigeunerin, die Spitzendeckchen verkaufen wollte. Ich nahm ihr nichts ab, wollte die Tür wieder schließen, als sie mich lange ansah und dann meinte: »Sie werden einmal sehr glücklich werden, aber Sie müssen viel, viel älter werden.«

Diese Self-fulfilling-prophecy-Aussage hat mich mein Leben lang begleitet. Wenn ich unglücklich oder traurig war, sagte ich mir stets: »Petra, du bist noch nicht alt genug.« Zum Dank widme ich dieses Buch posthum der unbekannten Zigeunerin.

Hiermit verspreche ich,

 ,

mir, mich durch Self-fulfilling-prophecy-Aussagen

zu motivieren.

 

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Vertrag Nr. 5

GLAUBWÜRDIGKEIT

Frauen lügen nie, sie erfinden nur die Wahrheit,

die sie gerade brauchen.

– Yves Montand –

Man soll allen wohl trauen, doch am

meisten sich selbst.

– Sprichwort aus Norwegen –

Die Wahrheit ist oft zu einfach,

um Glauben zu finden.

– Fanny Lewald –

Ich möchte mit einem Beispiel fehlender Glaubwürdigkeit beginnen, das mich dauerzornig macht. In der Bibel heißt es: Du sollst nicht töten. Diese Aussage ist eindeutig, lässt keinerlei Auslegung und/oder Ausnahmen zu. Wie kann es bei dieser Ausgangssituation angehen, dass einige Politiker einerseits ihren christlichen Glauben TV-gerecht vermarkten und andererseits für die Todesstrafe plädieren?

Wer in seinen Grundsätzen nicht glaubwürdig ist, ist mit Vorsicht zu behandeln. Nur naive Menschen trauen derlei Zeitgenossen.

Bitte denken Sie in dieser Woche über Ihre Grundsätze, Grund-Sätze, nach, und hinterfragen Sie sie, um sie auf ihre Glaubwürdigkeit abzuklopfen. Erkennen werden Sie Ihre Credos leicht. Sie verstecken sich hinter »du sollst« beziehungsweise »du sollst nicht«, hinter »du musst« beziehungsweise »du darfst nicht«.

Beginnen wir in der Familie: Sie ermahnen Ihre Kinder, nicht zu rauchen, und das mit einer Zigarette in der Hand. Sie wissen, dass Sie an Mund-, Zungen-, Lungenkrebs erkranken können und dass das Raucherbein Sie möglicherweise in den Rollstuhl bringen wird. Sie schädigen nicht nur sich, sondern Ihre gesamte Familie, obwohl Ihnen Fröbels – er war der Erfinder des Kindergartens – Zitat bekannt ist: Erziehung ist Beispiel, sonst nichts. Sie gehen mit schlechtem Beispiel voran, gestehen sich Ihre Sucht ein oder auch nicht, sind unglaubwürdig und verlangen trotzdem Respekt. Hierzu ein Wort Fénelons: Man ist nie scharfsinniger, als wenn es darauf ankommt, sich selbst zu täuschen.

Wer – besonders Kindern und anderen Abhängigen gegenüber – seiner Vorbildfunktion nicht nachkommt, wozu auch zählt, seine Versprechen zu halten, nimmt den einen das Urvertrauen, die fundamentale Voraussetzung für späteres Selbstbewusstsein, und zerstört bei den anderen Hoffnungen und Träume. Dem so Handelnden ist das Prädikat »unglaubwürdig« gewiss.

Wenn Sie sich in obigem Beispiel wiedererkannt haben, wodurch Sie schon durch Ihre ehrliche Selbsteinschätzung aus der Masse herausragen, so bleibt Ihnen nur, sich zu ändern. Sie halten ab jetzt Ihre Versprechen und bemühen sich dort um Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung, wo Sie Vertrauen zerstört haben. Alkoholiker zum Beispiel versprechen regelmäßig Dinge, an die sie sich Stunden oder auch Tage danach nicht mehr erinnern können, die sie – schon wieder abgefüllt – zu allem Überfluss auch noch abstreiten.

Sie bezeichnen sich als umweltbewusst und verplempern das kostbarste Gut unseres Planeten, Wasser? Unglaubwürdig! Dazu ein Tipp: Anstatt das Wasser in den Ausguss laufen zu lassen, bevor es warm wird, habe ich neben jedes Waschbecken eine Gießkanne gestellt. Mit den circa zehn Litern, die ich früher täglich vergeudet habe, gieße ich heute meine Blumen. Das sind pro Jahr etwa 3650 Liter. Rechnen Sie das mal auf ein Haus, eine Straße, eine Stadt, ein Land hoch! Da kommt schnell ein Bodensee zusammen.

Sie verlangen Treue und gehen fremd? Unglaubwürdig.

Sie plädieren für Wahrheit und lügen zu Ihrem Vorteil? Unglaubwürdig.

Sie fordern Fleiß und sind selbst faul? Unglaubwürdig.

Sie leben im Überfluss und verlangen von Armen Sparsamkeit? Unglaubwürdig.

Sie predigen Friedfertigkeit und gehen keine Kompromisse ein? Unglaubwürdig.

Sie schröpfen die Bürger und kuschen vor organisierter Kriminalität? Unglaubwürdig.

Sie sind in leitender Position und schieben Fehlentscheidungen auf andere? Unglaubwürdig.

Sie plädieren für Eigenverantwortung und melken die Solidargemeinschaft? Unglaubwürdig.

Leider lässt sich diese Liste ad infinitum fortführen.

Gemeinschaftsgefühl und -sinn werden durch Lügen im Keim erstickt.

Hierzu ein chinesisches Sprichwort: Wenn du mich einmal betrügst, deine Schande. Wenn du mich zweimal betrügst, meine Schande.

Sie sind der Mensch, der am besten wissen sollte, ob und wie viel er lügt, und deshalb haben Sie sich entschlossen, Ihre Glaubwürdigkeit schonungslos zu hinterfragen, um diesen Zustand zu beenden. Sie wollen diesen schwierigen Vertragsinhalt zu Ihrer Zufriedenheit meistern. Sie haben sich viel, aber nichts Unmögliches vorgenommen.

Auch wenn Sie feststellen, dass Sie noch große Ähnlichkeit mit Frau Ypsilanti oder dem Baron von Münchhausen haben, besteht für Sie kein Grund zur Verzweiflung. Nein, Sie überdenken Ihre Ge- und Verbote Schritt für Schritt und fragen sich, ob Sie das, was Sie von anderen verlangen, auch selbst einhalten. Sie ändern Ihr Verhalten, bis Ihnen aus dem Spiegel der Mensch entgegenblickt, den Sie gern zum Partner, Freund, Vorgesetzten, Mitarbeiter, Kollegen hätten.

Den Charakter eines Menschen erkennt man erst,

wenn er Vorgesetzter geworden ist.

– Erich Maria Remarque –

Glaubwürdigkeit zieht Glaubwürdigkeit an und schafft Vertrauen. Derselbe Magnetismus verbindet Lügner. Und dasselbe Problem: Wer sich selbst nicht glauben kann, wird auch keinem anderen glauben können, weil wir stets von uns auf andere schließen. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.