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für meine Kinder und deren Kinder

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„Energie sparen, enthaltsam sein, die Produktionsprozesse effizienter und weniger schädlich machen, diese Prinzipien von Nachhaltigkeit, wie wir sie heute verstehen, klingen nicht besonders attraktiv. Denn nur, wenn die Produkte und Produktionsprozesse so entwickelt und gestaltet werden, dass Verschwendung kein Problem mehr ist, und sie nicht nur weniger schädlich, sondern nützlich für Mensch und Natur sind, sind sie wirklich sinnvoll. Durch die Digitalisierung ergeben sich völlig neue Herausforderungen für Unternehmen – beispielsweise in der Herstellung und im Vertrieb von technischen Gütern und Dienstleistungen. Daher sind neue Geschäftsmodelle notwendig.“

Prof. Michael Braungart

Cradle to Cradle-Pionier

(Leuphana Universität Lüneburg;

EPEA – Internationale Umweltforschung, Hamburg)

1. VORWORT von Prof. DR. rer. nat. PETER SCHMUCK

Wenn heute Menschen im Alter um 60 ihre Lebenszeit im Zeitraffer Revue passieren lassen – und daraufhin liebevoll ihre Bücherregale oder Bücherschränke inspizieren – machen viele eine interessante und aufregende Erfahrung. Da gibt es den Strom der Zeit, der Jahrzehnte seit den 1960er-Jahren, in den das eigene Leben eingebettet war, mit Höhepunkten und dunklen Abschnitten: Unsere Eltern und Großeltern erzählten von Weltkriegen. Wir kamen im Frieden, in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwunges zur Welt, bekamen die 1968er Flower-Power Zeit mit und danach die Ängste des Kalten Krieges in den 1980ern. Dann dessen Ende mit dem Übergang in die 1990er, die neue Aufbruchstimmung zwischen dem Brundtland-Bericht und dem Weltkongress von Rio de Janeiro 1992. Es folgten nach der Jahrtausendwende die mutmachende Erdcharta-Bewegung und die Nachhaltigkeitswissenschaft, die positive Psychologie – aber auch 9/11, viele Kriege um die Welt, zwei Finanzkrisen und immer wieder Grippewellen. In diesem Auf und Ab, vor diesen wechselnden historischen Kulissen, spielt sich unser Leben mit den endlos vielen Detailerlebnissen ab, wie sie sich in unseren Fotoalben widerspiegeln.

Schaue ich in meine Bücherregale, finde ich auch hier das Rauschen der Wälder der Geschichte – in den vielen Erzählungen, Romanen, Bildbänden und wissenschaftlichen Büchern und Beiträgen. Ich mag alle diese Bücher, die mich über Jahre und Jahrzehnte begleitet und bereichert haben. Doch auch hier gibt es Höhepunkte, ganz besondere Exemplare, welche wie Spitzen von Bergen aus dem Strom der Zeit und der Bücher weit herausragen: Rachel Carsons „Stummer Frühling“ von 1962, die „Grenzen des Wachstums“ von den Meadows, 1972, das Buch „Cradle to Cradle“ von William McDonough und Michael Braungart, die Bücher von Albert Schweitzer, Hermann Scheer, Victor Frankl, Hans-Peter Dürr, Udo Simonis oder von Mihaly Csikszentmihaly, dem Gründer der positiven Psychologie, und Gunter Pauli, dem Gründer der Blue Economy. Deren Bücher haben in meinem Schrank einen Ehrenplatz.

Und damit komme ich zu dem vorliegenden Buch von Rainer Monnet. Was Bücher aus dem Bücherstrom heraushebt, sind ein frischer Blick auf die aktuellen Ereignisse, der Mut, unabhängig vom Mainstream-Getöse mit klarem Blick zu diagnostizieren, was auf dieser Welt gerade passiert. Hinzu kommen Kreativität und Scharfsinn, welche mit bekannten Puzzleteilen aus der Rückschau und mit bekannten oder neuen Visionen Entwürfe schaffen, welche der Welt Inspirationen für die Zeit nach schlimmen Krisen bereitstellen. Dazu scheint mir das vorliegende Buch das Zeug zu haben: Rainer Monnet geht zunächst, wie viele andere kritische Autorinnen und Autoren auch, davon aus, dass eine Ökonomie-Konzeption, welche die gegenwärtigen Verwerfungen in der Weltwirtschaft hervorgerufen hat, die Probleme der Zukunft nicht lösen kann, sondern dringlichst reformbedürftig ist. Doch was seine Arbeit von der vieler Zeitgenossen abhebt: Rainer Monnet geht das Wagnis ein, bislang kaum einander berührende Teilwissenschaften und Denkströmungen zusammenzuführen: Das sind so unterschiedliche Gebiete wie die Ethik als Teil der Philosophie, die neue Strömung der positiven Psychologie, die Nachhaltigkeitswissenschaft und aktuelle Ansätze innerhalb der Ökonomie. Wesentliche Elemente daraus nimmt er zusammen und schöpft daraus eine Basis für den innovativen Entwurf eines Bilanzierungssystems einer Ökonomie der Zukunft.

Einer Ökonomie, welche die ökologischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit nicht länger als kaschierendes Feigenblatt der klassischen Ökonomik behandelt, sondern sie zur Basis der Bewertung und Bilanzierung in Firmen und Organisationen macht. Dabei greift er Impulse der vergangenen Jahre auf, welche bereits in diese Richtung weisen: Etwa die Gemeinwohlökonomie und die bereits gängigen Nachhaltigkeitsstandards, - normen-, -siegel und -ratings. Auf dieser Grundlage stellt Rainer Monnet sein neues System der Wertebilanz vor.

Ich wünsche dem Buch aufgeschlossene Leser – und dass es viel Licht der Inspiration für den Aufbau einer Ökonomie der Zukunft bringen möge.

2. Einleitung

Die Welt hat sich seit Februar 2020 grundlegend verändert. Die Krise hat uns wachgerüttelt. Der Virus SARS-CoV-2 löste eine weltweite Pandemiewarnung aus. Die Fragilität unserer Zivilisation und Weltwirtschaft, der Staaten und des Lebens traten schonungslos zu Tage. Zunehmende Panik, Ohnmachtsgefühle und Existenzängste wurden zu Beginn der Pandemie präsenter mit jedem Tag der Einschränkung unserer alltäglichen Gewohnheiten. Die Regierungen haben weltweit mehr oder weniger drastisch Maßnahmen zur Eindämmung des Virus erlassen. Diese schränken unsere Grundrechte und Werte ein. Verfassungsrechtlich gesicherte Werte wie Freiheit, Würde und Autonomie, Versammlungsfreiheit, Religions- und Berufsausübung wurden zugunsten des Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit und der Sicherheit der Bevölkerung durch die eingeleiteten staatlichen Maßnahmen eingeschränkt. Auch in unserem sozialen und kulturellen Leben wurden massive Einschnitte deutlich spürbar. Der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Prof. Hans-Jürgen Papier sagte: „Ich warne vor Tendenzen hin zu einem totalen Überwachungsstaat.“ 1 Vielen Menschen wurde der Zugang zur Arbeit verwehrt und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt – eine soziale wie räumliche „Cocoonisierung“. Welche Auswirkung wird es langfristig auf die Humanität haben?

Was geschieht weiterhin in Pflegeheimen? Aufgrund von Überbelegungen und Versorgungsengpässen in Krankenhäusern hatten in einigen Ländern ältere Menschen bereits das Nachsehen. Die Mäßigung wurde zeitweise außer Kraft gesetzt. Durch Hamsterkäufe waren vielerorts die Regale wie leergefegt. Medizinische Artikel für Pflege, Patienten, Ärzte und Krankenhäuser waren in notwendigem Umfang mitunter nicht verfügbar.

Massive Kursschwankungen bis hin zu dramatischen Abstürzen zu Beginn der Krise waren an den Börsen die Folge einer globalen Verunsicherung. Rezession, drohende Insolvenzen eines Teils der weltweit agierenden Unternehmen sind zu befürchten. Viele mittelständische und vor allem kleine Unternehmen sind an den Rand des finanziellen Abgrundes geraten, oft auch trotz staatlicher Hilfen. Durch die Pandemie kommen wiederholte Unterlassungen von notwendigen Kurskorrekturen unseres Finanz- und Wirtschaftssystems und verdeckte Fehler mit Wucht an die Oberfläche. Die Nachwehen ziehen, trotz staatlicher Schuldenbremse, eine neue Verschuldungswelle nach sich. Hilfsprogramme spülen Geld aus ungedeckter Wert- und Geldschöpfung in die Unternehmen und über Steuererleichterungen in die Bevölkerung. Wird es eine Rückkehr zur Normalität geben oder geraten wir in einen dauerhaften Krisenmodus? Wir geben Hunderte von Milliarden, ja ein Vermögen aus, um wieder das Alte zurückzuholen, das zu großen Teilen schon lange keine Zukunft mehr hatte. Neben einem Wandel im Bewusstsein und Verhalten jedes Einzelnen brauchen wir vor allem ein neues System für die Dokumentation und Buchhaltung unserer Veränderungsfähigkeit. Zukunftsfähigkeit „meets“ Nachhaltigkeit. Mehr-Werte erhalten Eingang und Anklang in Bilanzen.

Mit dem vorliegenden Buch möge eine Erweiterung der Perspektiven zum besseren Verständnis unserer komplexen Weltlage und der drängenden Gegenwartsfragen beitragen. Es geht darum, die Welt zu wandeln und zukunftsfähiger zu machen.

ZUR GENDER-FRAGE

In diesem Buch werden eine geschlechtsspezifische Form bevorzugt beziehungsweise neutrale Formulierungen verwendet. Der Autor ist sich darüber im Klaren, damit sprachlich den anderen Geschlechtern (feminin, maskulin und divers) nicht umfänglich gerecht zu werden und wirbt um Verständnis. Die deutsche Sprache ist aktuell nicht für gendergerechtes Schreiben geschaffen. Drei Genderrollen in einem Buch sinnvoll, optisch und lesbar unter einen Hut zu bringen, kann nur in Kompromissen münden. So wird dies letztendlich keiner der Angesprochenen gerecht werden; zudem würde es die Lesefreude mindern und das Schriftbild beeinträchtigen.

1 https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-grundrechte-freiheit- verfassungsgericht-hans-juergen-papier-1.4864792?reduced=true

3. KURZ UND BÜNDIG

Spiegeln Bilanzen die tatsächlichen Verhältnisse in einem Unternehmen wider? Bilden diese vollständig und wahrheitsgemäß die unternehmerischen Prozesse ab? Für die meisten Mitarbeitenden und Führungskräfte sind Bilanzen langweilig, und es macht keinen Spaß, sich damit zu beschäftigen, geschweige denn, diese zu erstellen. Was fehlt? Bilanzen stellen üblicherweise eher Zahlen und Berichte dar. Die finanzielle Entwicklung der Geschäftsaktivitäten in definierten Zeiträumen wird abgebildet. Doch was ist mit anderen unternehmerischen Belangen? Und wie steht es mit der Zukunft des Unternehmens? Was will ein Unternehmen im nächsten Jahr erreichen? Was können wir in der Bilanz in buchbaren Werten ergänzen? Eigentlich schreibt die Gesetzgebung sogar vor, korrekt, vollständig und wahrheitsgemäß zu bilanzieren. Nur werden Bilanzen bislang vereinfacht und auf rein finanzielle Aspekte und fiskalische Anforderungen reduziert. Was änderte sich, würde korrekt und vollständig bilanziert werden? Vieles, für das bereits in Unternehmen gearbeitet wird, wird sichtbar und bewertet, wertgeschätzt und damit buchbar. Bislang wenig Gesehenes würde offenbar, neben den Potenzialen auch die Risiken und Gefahren für ein Unternehmen.

Die Wertebilanz ist ein neuartiges System zur umfassenden Buchhaltung und Bilanzierung. Mittels erweiterter Methoden wird die herkömmliche Bilanz um soziale, ökologische, nachhaltige und kulturelle Faktoren ergänzt. Und zwar durch reale Buchungen, nicht mittels Reporting. Es ist von besonderer Bedeutung herauszuarbeiten, welche Werte für ein Unternehmen eine Rolle spielen. Hierbei ist erstens zu fragen, welche Werte dies sind; zweitens, ob diese Werte bilanziell wirksam werden und drittens inwiefern sich diese auch in Geldwerten niederschlagen. Wir untersuchen über hundert Werte, die in der westlichen Welt von Belang sind. Interessanterweise haben mehr als zu erwarten, einen erheblichen Hebel bei der Entstehung von Unternehmenswerten. Jedoch werden diese Werte bisher gar nicht in der Bilanz gewürdigt. Das möchten wir ändern, indem wir die Werte mehr achten und ins Bewusstsein der Unternehmen bringen. Es gleicht einer Entdeckungsreise in das Land der Werte. Die Beschäftigung mit einem oder mehreren Werten selbst kann schon eine Wertschöpfung bewirken. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie wir einen Wert neben der Wertentstehung bemessen.

Die Wertemessung dient der erhöhten Übersichtlichkeit von Prozessen und der Entscheidungsfindung im Unternehmen. Nutzbar ist sie ebenfalls bei der Verfolgung und Überprüfung von Wirkungen in der Zukunft, die durch unternehmerische Entscheidungen ausgelöst werden. Damit wird die gewöhnliche Bilanz um wesentliche Gesichtspunkte ergänzt und auf ein höheres Niveau gehoben. Nicht aus den Augen gelassen wird bei aller Systematik, dass Werte und deren Entstehung eine zentrale Bedeutung für jedes Unternehmen haben.

Unternehmen, die die Wertebilanz einsetzen, zeigen offensiv, was sie können und leisten: sozial, kulturell, ökologisch und nachhaltig. Es wird auch untersucht, welche makroökonomischen Beziehungen zur Wertebilanz bestehen. Langfristig wird die Wertebilanz das Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeitenden grundlegend verändern. Die verschiedenen Faktoren erfahren mehr Aufmerksamkeit im Unternehmen. Es bedarf eines initialen Aufwands zum regelmäßigen Arbeiten an den Faktoren der Wertebilanz. Dies wird zu Wertsteigerungen, aber auch zu entsprechenden Korrekturen führen. Eines ist gewiss: Die Wertebilanz wird die ökonomischen Verhältnisse realistischer abbilden und sie mit der unternehmerischen Wirklichkeit in Einklang bringen.

Die makroökonomischen Grundlagen der Wertebilanz versteht nur, wer das große Ganze anzuschauen vermag. Dazu gehört vor allem die Schöpfung von Werten, eben die Wertschöpfung. Es bedarf eines Ruckes und Mutes, sich ins bislang nahezu unbekannte Land der Werte und ihrer Wirkungen zu wagen. So werden Buchhaltung und Bilanzierung lebendig und können Freude bereiten. Warum? Die Erkenntnisse dieser Entdeckungsreise in das Land der Werte werden tatsächlich auch in die Bilanz geschrieben. Am Ende steht eine Wertebilanz, die sich qualitativ sehen lassen kann. Sie wird in Zukunft von den Mitarbeitenden, Kunden, Lieferfirmen, vielleicht sogar von Finanzbeamten und anderen Interessierten gerne gelesen. Begeisterung kommt auf für das Erreichte. Auch dann, wenn durch gemeinsames Hinsehen Neues entdeckt wurde. Durch die Anwendung des Systems der Wertebilanz entstehen gegebenenfalls neue Werte; auf jeden Fall ein Werte-sensibilisiertes Bewusstsein. Fakten und Prozesse, die vorher wenig beachtet und bearbeitet wurden, werden offensichtlich. Dabei hilft auch die Wirkungsbuchhaltung, ein elementarer Bestandteil der Wertebilanz. Sie nimmt die Zukunft ins Visier.

• Wir erweitern neben der finanziellen Transparenz die bestehende Bilanzform um soziale, kulturelle, nachhaltige und ökologische Faktoren und machen diese sichtbar.

• Frühzeitig werden Verbesserungspotenziale für das Unternehmen erkannt.

• Die neue Transparenz sorgt für Klarheit und Effizienz in der Unternehmensführung.

• Der Prozess motiviert und begeistert Mitarbeitende, da sie sich mit dem Unternehmen

verbunden fühlen und mit einbezogen erleben.

• Das macht das Unternehmen für Fachkräfte und neue Mitarbeitende besonders

attraktiv im Wettbewerb um Talente.

4. MOMENTUM UND MOTIVATION

Im 21. Jahrhundert finden wir eine noch nie dagewesene Situation vor. Maßgebliches, das heute versäumt wird zu entscheiden oder vernachlässigt wird, kann von unseren Kindern und Enkelkindern nicht wieder rückgängig gemacht oder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden. Der Klimawandel ist das Menetekel unserer Zukunft. Damit verbunden hat sich ein kollektives Unbehagen ausgebreitet. Fragen stellt vor allem die junge Generation: Wieviel Zeit bleibt uns? Wieviel Ressourcen und Raum werden wir noch zum Leben haben? Schuldige und Verursacher werden gesucht. Menschen neigen zu polarisierenden Reaktionen. Das reicht von panikartiger Stimmung bis hin zur totalen Verweigerung, Meinungen Andersdenkender oder gar Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Bei der Verbreitung von Endzeitstimmung werden gerne die Zeit, die uns noch bleibt, und die Transformationsgeschwindigkeit ins Feld geführt. Wir haben uns in einem tatsächlichen oder auch nur herbeigeredeten Elend gemütlich eingerichtet und die Sackgasse, in der wir zu stecken scheinen, auch noch tapeziert. Die Komfortzone ist manifest. Unternehmen schneiden in der Frage der Vertrauenswürdigkeit laut Umfragen sehr schlecht ab. Aber sie haben auch einen wichtigen Hebel in der Hand, um die Welt zu verbessern und lebenswerter zu gestalten.1 Wie können Unternehmen in einem veränderten und verbesserten Koordinatensystem der Werte erfolgreicher werden? Unternehmerische Entdeckerfreude führt Mitarbeitende, Führungsverantwortliche und Unternehmer zu Wertschöpfungsprozessen. Bestehende Werte werden erkannt, neue geschaffen, weniger Wertvolles verändert. Dazu müssen Unternehmensentwicklungen angestoßen, Transformationsprozesse in Gang gesetzt werden. Mit Methodik, Struktur und Mut. Die Wertebilanz wirft Fragen auf, die derzeit noch latenter Natur sind. Sie fördert ein neues Unternehmensbewusstsein.

Erkenntnisleitende Fragen:

• Wie transparent ist mein Unternehmen, wie stelle ich die notwendige Transparenz her?

• Wird die Bilanz dem Anspruch gerecht, alle wesentlichen Vorgänge im Unternehmen

zu erfassen und zu dokumentieren?

• Wie erweitere ich den Blick und die Erkenntnis für das Unternehmen?

• Sehe ich wirklich alles?

• Was ist das geeignete Instrument, diese Erkenntnisse widerzuspiegeln?

1 https://www.nim.org/sites/default/files/medien/135/dokumente/ 2018_-_trust_in_professions_-_deutsch.pdf

5. WERTE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR EINE WERTEBILANZ

Werte werden als moralische oder ethische Eigenschaften und Qualitäten verstanden. Diese werden innerhalb einer sozialen Gemeinschaft für gut und erstrebenswert erachtet.1 Ein gutes Beispiel für einen hohen und gleichzeitig sehr komplexen Wert ist die Würde des Menschen. Auf ihr baut unser Grundgesetz auf. Der Wertekanon unserer abendländischen Zivilisation umfasst überraschend viele Werte. Diese Werte spielen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Rolle – individuell, familiär, gesellschaftlich, menschheitlich und naturbezogen.2 Sie können idealer oder materialistischer Natur sein. Wir haben uns bewusst entschieden, den positiven Charakter der Werte zu betonen. Wir möchten die Schattenseiten der Werte nicht würdigen und ihnen keine Zeit geben. Ausschließlich den Werten mit Potenzial und positiven Wirkungen wollen wir unsere Beachtung schenken. Mit aller Deutlichkeit bringen wir zum Ausdruck, dass die dargestellten Werte keinerlei parteiliche oder konfessionelle Anbindungen wünschen. Auch fühlen sich die Werte durch Formulierungen wie „westliche Wertegemeinschaft“ eingeengt. Werte sind frei und teils in einem unkonventionellen Sinne miteinander verwandt. Ein Leichtes wird es für die geneigte Leserschaft sein, die jeweiligen Gegenwerte zu benennen, die unsere Welt so unerbittlich im Griff zu haben scheinen. Wir kennen sie zu gut und die Medien verbreiten sie täglich. Seien wir uns bewusst: Mit den Werten haben wir ein Werkzeug der „Götter“ zur freien Verfügung. Wenden wir uns von ihnen ab, indem wir ihnen wenig oder keine Beachtung schenken oder sie missachten, verkehren sie sich und die Schattenseiten zeigen sich.

Wir wollen uns um die Werte kümmern, sie pflegen. Sie verlangen geradezu danach, immer neu belebt zu werden oder andere von ihnen in den Fokus zu nehmen. Einige Werte werden im philosophischen Kontext auch als Tugenden beschrieben. Von den griechischen Philosophen kennen wir die vier Kardinal- oder Primär-Tugenden: Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und Klugheit. Im späteren Verlauf der Philosophiegeschichte kamen die Sekundär-Tugenden Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit und Sauberkeit hinzu. Heute klingen diese Tugenden eher preußisch, langweilig oder überkommen. Im Rahmen der Wertebilanz ist es von besonderer Bedeutung herauszuarbeiten, welche Werte für ein Unternehmen relevant sein werden – unabhängig davon, ob ein Unternehmen im sozialen oder im gewerblichen Bereich angesiedelt ist. Durch die Beschäftigung mit einem oder mehreren Werten können sich Wirkungen für das Unternehmen ergeben, die wertschöpfend an sich sind. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie wir einen Wert bemessen.3 Wir stellen fest, dass wir bei der Betrachtung des Gegensatzes eines Wertes die Auswirkungen sehr viel einfacher verfolgen können als beim Wert selbst. Ein Wert an sich macht sich in anderer Weise bemerkbar, vielleicht auch mit zeitlicher Verzögerung oder indem er Faktoren begünstigt, die materielle Werte erzeugen. Müssen wir lernen, die wertschöpfenden Prozesse aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten? Vielleicht entdecken wir daraufhin besser, wie Werte entstehen? Wir haben daher bekannte Werte näher unter die Lupe genommen. Dabei waren folgende Fragestellungen maßgebend:

• Welche höherstehenden Werte wie Würde, Gerechtigkeit und Freiheit haben eine Bedeutung für ein Unternehmen?

• Welche Werte sind eher individueller Natur oder können vom einzelnen Menschen

umgesetzt werden wie Geduld, Selbstdisziplin, Dankbarkeit?

• Welche Werte spielen im unternehmerischen Kontext eine bedeutende Rolle?

• Welche Werte wirken sich positiv auf die Unternehmensentwicklung aus?

• Aus welchen Unternehmenswerten resultieren direkt und unmittelbar Geldwerte?

Es existieren Wertetypen oder -arten unterschiedlicher Natur. An den Gegensätzen der Werte lässt sich deutlich die Wirksamkeit und Macht der Werte erkennen. Deutlich wird, dass wir intensiv in die Entstehung und die Weiterentwicklung von Werten investieren müssen. Investitionen in gute Werte sind zumeist eher mittelbar an monetären Ergebnissen ablesbar. Wirksamkeit und Entfaltung zeigen sich mit zeitlicher Verzögerung. Höhere Werte korrespondieren mit großen Idealen. Sie sind überpersönlich. Individuell umsetzbare Werte sind klarer und zielgerichtet. Diese lassen sich in Gruppen zusammenfassen. Hohe individuelle Werte, Positivität und Tugenden sind eher nach außen gerichtet.

Wir finden Werte, die im Unternehmenskontext eine bedeutendere Rolle spielen. Investitionen in Unternehmenswerte generieren zumeist mittelbar und zeitverzögert monetäre Werte. Ein Unternehmen, auch eine AG, hat ständig die Aufgabe, seine Assets zu bewerten. Sicher lässt sich Frieden als Wert schwerlich in Euro bestimmen, aber der Aufwand dafür schon. Auch die Wirkungen des Aufwandes, Frieden herzustellen, können sich irgendwann in einer Bilanz niederschlagen, wenn man die Wertebilanz als ganzheitliches System begreift. Es geht nicht darum, den Unternehmern „moralische“ Werte vorzuschreiben, die sie zu erreichen haben. Es zählt einzig, was erreicht wird und Werte erzeugt.

• Wertebilanz ermöglicht eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen und die internen Prozesse.

• Konsolidierung aller Reportingsysteme, Budgetierung und Bilanzsysteme in EINEM System

• Wirkungsfokussierung – Wirkungsbuchhaltung

• Realitätsbezogene Bilanzen

1 Schein, E. H.: Culture: The missing concept in organization studies. Administrative Science Quarterly, 41, 229-240, 1996

2 Schwartz, S. H.; Cieciuch, J.; Vecchione, M.; Davidov, E.; Fischer, R.: Beierlein, C.; Ramos, A.; Verkasalo, M.; Lönnqvist, J.; Demirutku, K.; Dirilen-Gumus, O.; Konty, M.: Refining the Theory of Basic Individual Values [Abstract]. Journal of Personality and Social Psychology, 103 (4), 663-688, 2012

3 Copeland / Koller / Murrin: Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, New York, 2000

6. WERTE UND IHRE ORDNUNG

Nahezu unmöglich ist das Unterfangen, auf wenigen Seiten die maßgeblichen unternehmerischen Werte zu beschreiben. Dies haben andere Autoren in ganzen Büchern dargestellt. Möge dies dem Verfasser nachgesehen werden. Beim Ansatz einer Wertebilanz geht es in erster Linie darum, die Werte in den Kontext und die Beziehung zum Wirtschaften zu setzen. Durch die Beschäftigung mit Werten teilen sich geltende, vielleicht überlebte und zukünftige, anzustrebende Praktiken des unternehmerischen Handelns. Werte 1 orientieren und leiten den Menschen. Das Bild der Achse oder einer Koordinate versinnbildlicht dies. Werte bilden eine ideelle Basis für Sitten und Gebräuche. Sie spielen in einem Staat oder einer Gemeinschaft eine Rolle. Abhängig vom kulturellen Umfeld und zeitlichen Kontext wandelt sich die Priorität von Werten und deren Zusammenwirken. Werte können werden und wachsen im Sinne von Entstehen und Vergehen. Geistig betrachtet, sind Werte Entitäten. Ein Wert steht für sich allein und wächst durch Assoziationen und Konjunktionen mit anderen Werten. Trotz der Ähnlichkeiten mit anderen Werten steht er für sich alleine. Er mag sich nicht in eine Taxonomie mit anderen Werten pressen lassen.2 Werte sind in sich stabil, können in ihrem jeweiligen Umfeld allerdings sehr beweglich sein. Sie sind reicher an Fülle und Bedeutung oder bekleiden einen weniger hohen Rang. Die Würde gehört zur ersten Kategorie, die Motivation zur zweiten. Werte wirken effizient auf das Handeln, wenn sie im Bewusstsein und in der Seele fest verankert sind. Diese Verankerung kann auch mittels Bildern geschehen.

Werte beeinflussen die Entwicklung des Menschen und damit auch eines Unternehmens. Janusgleich lassen uns Werte in Vergangenheit und Zukunft blicken. Welche Werte sind entstanden und haben sich durch erfolgreiches Handeln manifestiert? Welche Werte wollen wir in Zukunft etablieren und uns für diese stark machen? Werte und Bewertung liegen vom Wortursprung nahe beieinander. Werte haben ein eigenes Wesen, einen Begriff und eine ihm innewohnende geistige Kraft. Bewertungen sind menschengemacht oder intelligent maschinenprogrammiert. Die Bewertung gründet auf der menschlichen Urteilsfähigkeit. Von der Beurteilung zur Verurteilung ist es oft nicht weit. Urteilen ist eine menschliche Fähigkeit, die alle unsere Sinne, unser Gefühl und den gesunden Menschenverstand verlangt. Wir unterscheiden im Allgemeinen menschlich persönliche, unternehmerische und gesellschaftliche Werte. Über hundert lassen sich identifizieren.

Werteebenen

Wir möchten diejenigen Werte, die wir als besonders interessant und weiterführend einschätzen, in eine vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich scheinende Ordnung bringen. Hierbei betonen wir, dass es sich um kein starres System handelt, sondern eher um eine Aufteilung und Gliederung. Keinesfalls soll hier der Versuch unternommen werden, die Werte in eine Taxonomie zu zwängen. Es ist eher dem Bedürfnis entsprungen, die Werte in Ebenen zusammenzuführen. Zum besseren Verständnis verwenden wir die Bilder Sonne, Planeten und Erde, und zwar um zum Ausdruck zu bringen, dass diese Ebenen höherer und individueller Natur, also dem Menschen näher liegend sind. Aufgrund dieser Ebenen ergibt sich eine Art bewegliches Werteschema, das wir in verschiedenen Ebenen abbilden wollen:

• Höhere Werte (Sonne)

• Mittlere Werte (Planeten)

• Irdische Werte (Erde)

1 von griech. ax

2 Schumacher, E.F.: Rat den Ratlosen, rororo, 1977