Dr. Daniel 99 – Wer mit dem Feuer spielt

Dr. Daniel –99–

Wer mit dem Feuer spielt

Marie-Francoise

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-674-9

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»Ihr Tod wäre die beste Lösung.«

Dietmar Cornelius sprach die Worte aus, als würde er ganz lapidar vom Wetter sprechen.

»Wie stellst du dir das vor?« gab seine Geliebte Olivia Taschke im selben Ton zurück. Graziös schlug sie ihre langen Beine übereinander und nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, die sie wie ein besonders wertvolles Stück zwischen ihren feingliedrigen Fingern hielt.

Dietmars Gedanken setzten minutenlang aus. Er konnte nur diesen wundervollen Körper vor sich betrachten, der ausschließlich aus Beinen zu bestehen schien. Er fühlte, wie sein Blut allein bei Olivias Anblick zu kochen begann. Reflexartig glitt seine Hand über ihre Beine nach oben und in den Ausschnitt des raffiniert gearbeiteten Cocktailkleides.

»Marie-Christine wird nicht in den Freitod gehen, um dich in den Genuß ihres Erbes kommen zu lassen«, fuhr Olivia ungerührt fort.

Ihre Worte waren für Dietmar wie ein Guß kalten Wassers. Er keuchte noch ein wenig, während er die Hand zurückzog und versuchte, seinen Blick von ihren wohlgeformten Beinen zu nehmen. Diese Frau brachte ihn um den Verstand!

Es kostete ihn erheblich Mühe, sich auf das zu konzentrieren, worüber er mit Olivia sprechen wollte.

»Sie will die Scheidung einreichen«, brachte er endlich hervor.

Gelassen zuckte Olivia die Schultern. »Na und?« Wieder nahm sie einen Zug von der Zigarette. Die Glut wich millimeterweise zurück. Olivia schloß die Augen, während sie den Rauch in ihre Lungen sog und ihn dann durch die Nase und den halb geschlossenen Mund entweichen ließ. Fasziniert sah Dietmar ihr zu. Seiner Meinung nach gab es keine andere Frau, die beim Genuß einer Zigarette so viel Sinnlichkeit ausstrahlte. Am liebsten wäre er jetzt buchstäblich über sie hergefallen… hätte sie genommen – hier… mitten im Wohnzimmer… auf dem zart gemusterten, überaus wertvollen Seidenteppich. Der Gedanke erregte ihn über die Maßen. Wieder glitt seine Hand ihre Beine entlang, verirrte sich an die Innenseiten der Oberschenkel.

Olivia stand auf und trat zum Fenster, dann drehte sie sich um.

»Na und?« wiederholte sie. Mit zwei Schritten war sie bei dem edlen Mahagonitischchen und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Bei einer Scheidung bekommst du die Hälfte.«

Dietmar seufzte tief auf. Er spürte, daß er bei Olivia heute nicht ans Ziel kommen würde. Die unerfüllte Begierde machte ihn wütend, aber er war ja selbst schuld daran. Wieso hatte er ausgerechnet jetzt über Marie-Christine sprechen müssen? Olivia war so willig gewesen, als sie von der Party gekommen waren, doch nun hatte er alles verpatzt.

»Eben nicht«, antwortete er und erhob sich ebenfalls. Von hinten trat er an Olivia heran, schob ihr langes, blondes Haar beseite und küßte ihren Nacken.

»Wir könnten auch später noch darüber sprechen«, raunte er mit begehrlicher Stimme.

Olivia schüttelte den Kopf. »Mir ist die Lust vergangen.« Sie überlegte eine Weile. »Habt ihr bei der Hochzeit einen Ehevertrag geschlossen?«

Dietmar seufzte wieder. »Ja, leider.« Er zuckte die Schultern. »Ich wurde damals überhaupt nicht gefragt. Marie-Christine hat das alles mit ihrem Anwalt ausgehandelt.«

Das war durchaus gelogen. Seine Frau hätte auf den Ehevertrag verzichtet, obwohl ihr Anwalt, der zugleich ihr bester Freund war, ihr dringend dazu geraten hatte. Dietmar selbst hatte sie mit scheinheiligen Worten wie »ich will doch nur dich und nicht dein Geld«, förmlich dazu gedrängt. Damals hatte er nicht ahnen können, daß er einmal Olivia begegnen würde. Er hatte einfach angenommen, mit seinen vielen Liebchen gut auf Marie-Christines Kosten leben zu können. Hätte ja auch prima geklappt, wenn sich das mit Olivia nicht so lange hingezogen hätte. Vor zwei Tagen war Marie-Christine nun hinter sein Verhältnis gekommen und hatte gedroht, die Konsequenzen zu ziehen, wenn er seine Affäre nicht unverzüglich beenden würde.

»Im Falle einer Scheidung bekomme ich nicht einen Pfennig«, fuhr er düster fort.

Olivia ließ sich in einen Sessel fallen und schlug wieder die Beine übereinander.

»Dann mußt du Marie-Christine eben davon überzeugen, daß eine Scheidung unnötig ist«, meinte sie. »Nur als ihr Ehemann kannst du uns beiden weiterhin einen gehobenen Lebensstandard sichern.« Mit einer ausladenden Geste umfaßte sie Grundstück, Villa und Einrichtung. »Ich will das alles schließlich nicht mehr missen.«

Dietmar ging vor ihr in die Hocke und ließ seine Finger über ihre Beine und unter ihr Kleid wandern.

»Als Witwer könnte ich dir noch sehr viel mehr bieten«, erwiderte er mit einem verschlagenen Grinsen. »In ihrem Testament bin ich als Alleinerbe eingesetzt.«

»Sie könnte es ändern«, wandte Olivia ein. »Jetzt, da sie weiß, daß du eine Geliebte hast.«

Dietmar erhob sich mit einem Ruck. »Dann muß sie das Zeitliche segnen, bevor sie es ändern kann.« Ein siegessicheres Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ich weiß auch schon wie es passieren wird.«

*

»Ich verstehe dich nicht, Marie-Christine!«

Guido Hohenwald schüttelte ärgerlich den Kopf. Er war einst mit Marie-Christine zur Schule gegangen, hatte mit ihr seine erste Party besucht und sich mit sechzehn unsterblich in sie verliebt. Aber sie hatte in ihm immer nur den Freund gesehen – ihren besten Freund zwar, jedoch leider nicht mehr.

»Wie kannst du seine vielen Seitensprünge nur dulden?« fuhr Guido fort. »Meine Güte, du bist eine wunderschöne Frau – jung, begehrenswert… warum verschenkst du dich an einen solchen Mistkerl?«

»Bitte, Guido, mäßige dich«, entgegnete Marie-Christine Cornelius. Mit einem tiefen Seufzer strich sie ihr langes, kupferfarbenes Haar zurück. Sie war vorigen Monat dreißig geworden, sah aber zehn Jahre jünger aus… ein sanftes, unschuldiges Mädchen. Niemand hätte vermuten können, daß hinter Marie-Christine ein Milliarden-Vermögen stand.

»Jetzt werde ich die Konsequenzen ziehen«, fügte sie hinzu. Sie seufzte leise. »Bisher… das war doch alles harmlos. Dietmar brauchte diese Bestätigung von anderen Mädchen… und es waren nur Mädchen – unerfahren, naiv… Mädchen, die ihn angehimmelt haben.« Sie schwieg eine Weile. »Ich kann das nicht, weißt du. Ich liebe ihn, aber ich bin nicht der Typ, der ihm zu Füßen liegen kann… der Schmollmündchen zieht und Koseworte wie ›Häschen‹ benutzt. Dietmar ist mein Mann… ein Partner, mit dem ich mein Leben teile.«

Guido hatte größte Mühe, sich zu beherrschen. »Dieser Kerl hat nicht mit dir das Leben geteilt, sondern dein Geld an seine Flittchen verschenkt.«

Gelassen zuckte Marie-Christine die Schultern. »Soll er doch. Ich habe mehr Geld, als ich jemals ausgeben könnte.« Sie drückte beiläufig auf einen Knopf am Telefon.

Fast augenblicklich wurde die Tür geöffnet, ein Butler trat herein und verbeugte sich.

»Sie wünschen, gnädige Frau?«

»Lassen Sie jetzt auftragen, James«, befahl Marie-Christine.

Der Butler verbeugte sich erneut, dann entschwand er lautlos.

»Ich habe keinen Hunger«, knurrte Guido.

Marie-Christine ging kommentarlos über den Einwand hinweg.

Sie hakte sich bei ihrem langjährigen Freund unter und verließ mit ihm die Bibliothek, dann steuerte sie das kleine Eßzimmer an, das mit über fünfzig Quadratmetern fast die Größe von Guidos Appartement hatte. Als Anwalt mit einer florierenden Kanzlei hätte er sich längst eine feudale Villa leisten können, doch er fristete sein langweiliges Junggesellenleben lieber in einem unauffälligen Appartement. Im übrigen hielt er sich ohnehin öfter in seiner Kanzlei als zu Hause auf.

Der ovale Tisch aus massivem, rustikal gebeiztem Eichenholz, an dem mit Leichtigkeit zwanzig Gäste Platz gefunden hätten, war für zwei Personen gedeckt. Drei Dienstmädchen und der Butler James standen bereit, um das Fünf-Gänge-Menü aufzutragen.

Unwillig blickte sich Guido um. »Müssen wir unbedingt hier essen? Hätten wir nicht in der Bibliothek ein paar Happen zu uns nehmen können?«

Marie-Christine zeigte ein leichtes Lächeln. »Wir können auch in den Speisesaal gehen.«

»Um Himmels willen, bloß nicht!« stieß Guido hervor, der den riesigen Saal mit Platz für Hunderte von Personen schon bei festlichen Anlässen verabscheute. Verständnislos schüttelte er den Kopf. »Wie kannst du hier bloß leben?«

Sie zuckte die Schultern. »Ich bin es so gewohnt. In einer kleinen Wohnung würde ich ersticken.« Sie machte eine weit ausladende Geste. »Bei der Scheidung wird der Richter mir jedenfalls glauben, daß Dietmar und ich im gleichen Haushalt getrennt leben können. In dieser Villa könnten wir uns wochenlang aufhalten, ohne uns auch nur ein einziges Mal zu begegnen.«

»Das ist allerdings der einzige Vorteil«, murmelte Guido. Er sah Marie-Christine an. »Du bist bitter geworden.«

Die junge Frau widmete sich angelegentlich ihrer Lachs-Pastete.

»Ich liebe einen Mann, der mich nach Strich und Faden betrügt und auch noch glaubt, ich würde es nicht merken, dabei habe ich nur geschwiegen, um ihn nicht zu verlieren.« Ihre Worte kamen leidenschaftslos, doch Guido kannte sie gut genug, um zu wissen, wie sehr sie litt. Jetzt blickte sie auf. »Er verdient es nicht, aber ich kann nicht aufhören, ihn zu lieben.« Sie schwieg eine Weile, dann stieß sie hervor: »Sie ist die Sünde in Person! Meine Güte, ich möchte nicht wissen, wie viele Männer sie schon in ihr Bett gezogen hat.«

Marie-Christines Kummer tat Guido im Herzen weh. Sein Zorn auf Dietmar stieg ins Unermeßliche.

»Gleich heute werde ich den Schriftsatz diktieren«, versprach er grimmig. »Du kannst dich darauf verlassen, daß die Scheidungsklage noch in dieser Woche bei Gericht eingehen wird.«

Mit einer kaum sichtbaren Geste gab Marie-Christine dem Butler ein Zeichen, daß er ihren Teller abräumen könnte. Sie hatte keinen Appetit mehr.

»Ich möchte, daß du noch wartest«, entgegnete sie ruhig. Fassungslos starrte Guido sie an. »Aber… warum, um Himmels willen?«

Marie-Christine stand auf – ein Zeichen, daß das Dinner beendet war. Normalerweise war sie höflich genug zu warten, bis ihr Gast ebenfalls fertig war, doch heute waren ihre Gedanken woanders.

»Marie-Christine, das ist… oh, Himmel, ich verstehe dich nicht!«

»Vielleicht sollte ich Dietmar noch eine Chance geben«, meinte die junge Frau, blickte für einen Moment nach unten und fügte dann hinzu: »Gerade jetzt.«

Guido wurde stutzig. »Gerade jetzt? Was soll das heißen?«

Marie-Christine wandte sich um. »James, bringen Sie für Herrn Hohenwald einen Cognac in die Bibliothek, für mich ein Soda.«

Der Butler verbeugte sich. »Sehr wohl, gnädige Frau.«

Die Getränke standen bereits auf dem mit edlen Intarsien unterlegten Nußbaumtisch, als Marie-Christine und Guido die Bibliothek betraten. Der junge Anwalt fragte sich wieder einmal, ob James wohl fliegen und durch Wände gehen könne. Mit seinem bleichen Gesicht sah er sowieso einem Gespenst ähnlicher als einem Menschen aus Fleisch und Blut.

»Also, Marie-Christine, warum glaubst du, Dietmar noch eine Chance geben zu müssen?« wollte Guido wissen.

Sie drehte das Glas zwischen den Fingern. »Weil ich sein Kind erwarte.«

*