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Inhalt

 

 

Vorsicht, Schulschiffe!

Die Marx Brothers im Kaufhaus — oder wie man Schiffsproviant auch stauen kann · Luciano Pavarottis Ausbildungsmethode · Die Kunst, eine Yacht aus dem Hafen zu bringen · Kursdreiecke, Rollreffs und andere heimtückische Fallen

Wie Barawitzka Admiral wurde

Wenn die Prüfungskommission ans Ufer schwimmen muß, sind alle durchgefallen · Eine Flautenregatta mit überraschendem Ausgang · Das Österreichische Institut für Navigation · Schenkt dem Prüfer nur tüchtig ein, dann sieht er nichts mehr!

Fast wie der Postdampfer

Wer mag gesunde Vollwertkost? · Willis Kabellänge · Groll und Ärger · Hygienetüchlein und das Bord-WC · Die verdammte Palmeninsel · Nachtgewitter · Barawitzkas Führungskrise

Admiral in Nöten

Der Geheymrat mit Ypsilon · Eine Seeschlacht im Hotel · „Warum gehst du eigentlich segeln?“ · Wenn der Skipper zu gelassen wirkt, kann er auch besoffen sein · Die Dieselmafia · Hexen, gibt’s die? · Verführt die Prüfer, damit sie uns gut bewerten!

Kurs Afrika

Die bürgerliche Methode, eine Frau zu vergessen — und was dabei schiefgehen kann · Gicht an Bord · Der bibelfeste Feuerbill · Turteltauben sind schlechte Wachführer · Lampedusa ist keine Reise wert · Attentat auf den Chefprüfer · Hitziges Bordklima · Die erste der arabischen Nächte

Sahara-Navigation

Das tunesische Amtskamel · Laqbi, der Dattelwein mit Spätzünder · Ein Satnav ohne Nautiker ist nicht viel wert · Was haben Sanddünen und die Riesenseen der Brüllenden Vierziger gemeinsam? · „Sag Escamillo zu mir!“ Die Kreditkarte als Geheimwaffe · Sextourismus ist gefährlich

Golf der Stürme

Wettergeschehen aus der Sicht des Börsenfachmanns · Der kleinste Sandsturm der Welt · Boucha und Berberhochzeit · Der Nordwest schlägt nochmals zu und zerstreut die Flottille in alle Himmelsrichtungen

Lauter Kapitäne — keine Matrosen

Ehre, wem Ehre gebührt · „Rettet die Frauen!“ · Die Deserteure · Das Fähnlein der sieben Aufrechten · Hafenmanöver im Adamskostüm · Eine Party für die ganze Marina · Bis nächstes Jahr in Barbados!

 

Vorsicht, Schulschiffe!

Die Marx Brothers im Kaufhaus — oder wie man Schiffsproviant auch stauen kann · Luciano Pavarottis Ausbildungsmethode · Die Kunst, eine Yacht aus dem Hafen zu bringen · Kursdreiecke, Rollreffs und andere heimtückische Fallen

Ich räumte gerade meinen Seesack in der Achterkajüte aus und versuchte, die sorgfältig für einen mehrwöchigen Segeltörn zusammengelegten Waschestapel so unzerknüllt wie nur möglich in dem Schwalbennest über meiner Koje zu stauen, als ich zufällig folgendes nicht uninteressante Cockpitgespräch durchs offene Seitenluk mithörte:

„Wie sind denn diese Segelprüfer eigentlich so, Laszlo?“ fragte eine Stimme. „Du bist ja mit den meisten schon mal gesegelt. Ich meine, sind das rechte Arschlöcher oder halbwegs vernünftige Burschen? Der eine, der Dicke mit dem schwarzen Bart, der aussieht wie Luciano Pavarotti als Falstaff, der scheint ja noch ganz gemütlich zu sein. Wenn man dem nur genügend auftischt und immer schaut, daß sein Glas gut gefüllt ist, wird der kein Problem sein. Aber der andere, der Blonde mit der Glatze und der Brille, der wie der Revisor von Gogol aussieht, der gefällt mir gar nicht. Der hat so einen sadistischen Zug um die Mundwinkel…“

Ich spitzte die Ohren. Diese herbe Kritik trieb mir aber doch den Pulsschlag leicht in die Höhe. Um die Schönheit ging’s mir weniger, ich hatte ja nie behauptet, ständig mit Robert Redford verwechselt zu werden; aber daß ich eine sadistische Physiognomie hätte … Nein! Das war etwas Neues!

„Hahaha!“ lachte eine andere Stimme, die ich einwandfrei als die Laszlo Rosensteins identifizierte. „Der Vergleich zwischen Pavarotti und Barawitzka gefällt mir! Aber in deiner Einschätzung liegst du ganz schief! Der Barawitzka ist alles andere als ein gemütlicher Kumpel, der ist ein gerissener Heimtücker, ein rechthaberischer Angeber. Und der viel gefährlichere von den beiden. Der Blonde ist der Karl Vettermann, unser ehemaliger Navigator von der Maltafahrt, das ist ein … He! Kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst, du Nilpferd?“

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Irgend jemand polterte mit schrecklichem Getöse an Bord und unterbrach die Charakterbeschreibung, die Laszlo gerade von mir geben wollte. Ich lauschte weiter, denn ich wollte schon wissen, wie andere Leute von mir dachten, aber das Nilpferd ließ mit einem verblüfften Aufschrei etwas Schweres fallen, das mit knirschendem Reißen platzte, und dann kollerte eine Ladung Kartoffeln ins Cockpit; einige sprangen durchs Luk bis zu mir herunter.

Jetzt ging das Gezeter oben erst richtig los!

Ich machte mich seufzend daran, die erdigen Kartoffeln von meinen blütenweißen Unterhosen zu schütteln. Schade, so schnell würde das Gespräch an Deck nicht wieder auf die Psychogramme der Segelscheinprüfer zurückkommen. Außerdem wurde mir hier unten langsam sehr warm. Es war zwar schon Ende Oktober, aber die Sonne brannte an der istrischen Küste noch immer kräftig. Ich stopfte Seestiefel, Schwerwetterzeug und den leeren Seesack in das Schapp unter meiner Matratze, steckte Geld ein und machte, daß ich an die frische Luft kam.

Am Navigationstisch saß unser Hofrat, Dr. Viktor Trauttmannsdorff, inmitten einiger Stapel noch verschnürter Seehandbücher und Kartenrollen und las seelenruhig in einer Illustrierten, als ginge ihn der ganze Wirbel rundum überhaupt nichts an und als warte er nur darauf, daß hier jemand aufräumen kam, damit er endlich die Zeitung ausbreiten und das Kreuzworträtsel lösen könnte. Er schien gar nicht zu der Ausbildungscrew zu gehören, die unsere 48-Fuß-Segelslup zum Auslaufen vorbereiten sollte. Ohne vorhin zufällig meine Charakterschilderung gehört zu haben, hätte ich ihn vielleicht unbehelligt sitzen lassen; so aber fiel mir ein, daß man von mir ja sadistisches Gehabe à la Captain Bligh erwartete.

„Haben Exzellenz vielleicht die Anordnungen des Schiffsführers vergessen?“ fragte ich mit aller mir zur Verfügung stehenden falschen Freundlichkeit.

„Wie?“ Der Hofrat legte die Hand hinter das Ohr, auf dem er schlecht hörte. „Die Schiffsführer gehen essen? Gute Idee! Ich komme mit.“ Er faltete die Illustrierte zusammen.

„Du sollst die Navigationsecke klarmachen!“ brüllte ich ihn an. „Wir wollen in einer Stunde auslaufen. Wie willst du denn Kurse zeichnen in diesem Sauhaufen?“

Er hob eine rügende Augenbraue. „Deshalb braucht man mich ja nicht anzuschreien. Ich höre sehr gut. Aber wenn mir keiner einen konkreten Auftrag gibt, wie soll ich dann ahnen, was man von mir erwartet? Ich habe mich schon über die Diskriminierung gewundert, die mir zuteil wurde. Alle anderen dürfen mithelfen — nur mich läßt man hier vor Langeweile Daumen drehen …“

Ich verzichtete darauf, dem Beamten in Erinnerung zu rufen, daß ihn Laszlo Rosenstein, der Schiffsführer des Tages, schon vor Stunden ersucht hatte, die Navigation auf Vordermann zu bringen. Statt dessen kletterte ich aufs Kajütdach, umging die Kartoffelhalde im Cockpit, riet Willi Poppenwimmer, auch die Knollen in der Kajüte aufzuklauben, gab Laszlo den guten Rat, dem Hofrat besser auf die Finger zu sehen und seine Leute überhaupt ein wenig anzutreiben. Dann turnte ich über die Reling auf den Steg und beobachtete das Treiben auf den anderen drei Yachten. Da ging es ebenfalls zu, als studierten die Clowns vom Zirkus Krone eine neue, besonders witzige Nummer ein.

Ich spazierte über den Kai der Marina Portoroz zur markisenbeschatteten Cafeteria, auf deren Terrasse unser Flottenadmiral B. A. Barawitzka und die anderen Kollegen der Schulschiff-Stammcrew beim kühlen Bier saßen und das hektische Lustspiel an Bord der vier Ausbildungsyachten teils schadenfroh, teils finster verfolgten — wie Bundesligatrainer das erste Auslands spiel ihrer Mannschaft. Manchmal entschlüpften ihnen Flüche, dann wieder schüttelten sie traurig die Köpfe oder ballten die Fäuste grimmig gen Himmel.

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Luciano Pavarotti alias B. A. Barawitzka thronte breit und massiv, in schneeweißem, mit gelben Racingstreifen und sinnlosen Reißverschlüssen, Schlaufen und Ösen verzierten nagelneuen Segeloverall auf seinem viel zu zierlichen Caféhaus stuhl, den Lederschirm seiner Tegetthoffmütze des grellen Lichts wegen tief in die Stirn gezogen. Seine flinken Rabenaugen aber sahen alles, und er notierte sich fortwährend etwas in ein kleines Notizbuch.

Neben ihm saß Simon Rebitschek, den er seiner rauhen Art wegen zum Flaggleutnant berufen hatte, um etwaige Dispute, Händel oder Meutereien nicht mit der eigenen Faust schlichten zu müssen. Simon kaute grimmig an einem erkalteten Zigarillostummel, in der Hüftscheide am Gürtel sein bereits legendär gewordenes, bösartig scharf geschliffenes Segelmesser.

Er war mit der Leistung des Sauhaufens da unten überhaupt nicht zufrieden.

Er war die klare, exakte, alles umfassende Organisation eines Käptn Barawitzka gewöhnt, und die höfliche bis unsichere Art, in der die Prüflinge Nummer eins bis vier versuchten, die ihnen zugeteilte Mannschaft zu leiten, mißfiel ihm außerordentlich.

„Der fällt gleich in den Bach!“ bemerkte er, als ich an den Tisch kam, und zeigte hinüber zum Hafen. „Der geht unter Garantie baden, wenn er noch lange mit einem Fuß am Steg und mit dem anderen an der Relingsleiste balanciert! Hoffentlich hat ihm dann jemand schon das Gemüse abge … Platsch! Na? Hab’ ich’s nicht gesagt? Wie heißt denn der Trottel, der da jetzt versucht, mit Karotten und Kürbissen um die Wette zu schwimmen?“

„Das ist Willi Poppenwimmer“, klärte ich ihn auf.

B. A. machte eine entsprechende Eintragung in sein Notizbuch.

Als Ausbilder und Prüfungsbeisitzer Nummer zwei hatte sich Ingenieur Giselher Westermayer zur Verfügung gestellt. Tiroler nußbraun, sportlich schlank und im eleganten Weiß eines P. & O.-Deckoffiziers auf der Australienroute lehnte er mit verspiegelter Sonnenbrille in einem Sessel und achtete darauf, daß sich niemand auf seine auf dem Nachbarstuhl deponierte goldbetreßte Mütze setzte. Er war der scheinreichste unter uns. Ich spreche natürlich von Segelscheinen. Er hatte davon so viele, wie reisende Geschäftsleute Kreditkarten mit sich führen. Wenn er nicht gerade auf seine Mütze achtete, spielte er mit seinem neuen Digital-PC-Kompaß herum und peilte vorbeischlendernde Mädchen mit zusammengekniffenem Kennerauge an.

Der sehr stille junge Mann neben ihm war unser dritter Ausbilder. Sein Kopf schimmerte frisch rasiert wie der eines buddhistischen Mönchs, und der gelbe Jogginganzug hing wie eine Kutte von seinen schmalen Schultern. Er wurde von allen „Kung Fu“ genannt, weil er nicht wie die anderen seine Kondition mit Hopfen, Malz und Räucherspeck aufbaute, sondern frühmorgens an Deck auf chinesische Art mit Schatten boxte. Ich hatte bei den vorbereitenden Crewtreffen den Eindruck gewonnen, daß er zwar eine Menge vom Segeln und von Navigation verstand, aber die meiste Zeit geistig nicht anwesend war, weil seine Gedanken vermutlich irgendwo in Tibet spazieren gingen.

Neben Simon hockte der vierte Mann der Stammcrew, Janos Gludowatz, ein ehemaliger Jollenkreuzerchampion vom Neusiedlersee. Mit seiner Adlernase, dem dunklen Teint, den gezwirbelten Schnurrbartspitzen und den silbernen Schläfen wirkte er wie ein pensionierter Räuberhauptmann aus den Schluchten des Balkan. An der Rückseite seines Sessels hingen Krücken, derer er sich bedienen mußte, seit ihn ein schwerer Unfall aus seiner aktiven Seglerlaufbahn gerissen hatte. Wie es Barawitzka gelungen war, den alten Adler mit den gelähmten Schwingen trotz seiner Behinderung als Ausbilder auf diesen Seetörn zu locken, wußte ich nicht. An Bord hatte er noch eine Spezialkrücke mit einem weißen Gummistopper, Fangschnur und Teleskopmechanik, die sich einhändig per Knopfdruck den verschiedenen Bootskrängungen anpassen ließ.

„Na, jetzt wird’s mir aber zu bunt!“ stieß Janos hervor. „Der glaubt wohl, er ist daheim auf seinem Bauernhof? Da wirft mir einer auf meinem Boot die Erdäpfel und das Gemüse als Schüttgut einfach ins Achterschapp, als wär’s ein Silo! Da muß ich wohl mal energisch dazwischenhumpeln.“ Er griff nach seinen Krücken und stemmte sich vom Stuhl hoch.

„Bleib sitzen, Janos!“ sagte Barawitzka. „So sehr es dich auch juckt – bitte kein direktes Eingreifen in die Schiffsführung! Wir hatten doch ausgemacht, die jeweiligen Skipperlehrlinge vorerst ganz allein schalten, walten und wursteln zu lassen, falls nicht unmittelbare Gefahr für Mannschaft oder Schiff droht.“

„Born di boga!“ ärgerte sich Janos Gludowatz. „Soll das heißen, ich muß ruhig mit ansehen, wie da in dem Schapp ein stinkender Komposthaufen entsteht? Der nächste füllt dann Zucker und Mehl in den Kettenkasten oder hängt Schinken und Würste als Klubstander an die Saling!“

„Und ich darf wohl jetzt auch nicht hinuntergehen und diesem Unglücksraben in den Hintern treten“, mischte sich Simon erregt ein, „der völlig sinnlos die Dirk loswarf und den Baum an Deck knallen ließ? Barawitzka, deine Erfahrung bei Betriebsseminaren und Managementschulungen in allen Ehren, aber wie sollen diese Landratten segeln lernen, wenn wir ihnen nicht mit scharfer Zunge und einem gelegentlichen Tritt als Denkanstoß zeigen, wo’s langgeht? So ist das in der christlichen Seefahrt seit Jahrhunderten Tradition! Hol’s der Teufel, ich verlier’ die Nerven, wenn ich noch lange untätig zusehen muß, wie diese Pfeifen das totale Chaos anrichten!“

B. A. grinste überlegen. „Wenn du nicht hinschauen kannst, dann geh spazieren! Ich bin mit der Entwicklung recht zufrieden. Unsere Schüler haben offensichtlich schon kapiert, was ich von ihnen erwarte. Aber ihr, meine Herren Ausbilder, habt das anscheinend noch immer nicht. Zu allen meinen Ausführungen bei den Vorbesprechungen habt ihr zwar ja und Amen gesagt, aber ich merke jetzt, daß es mir offensichtlich nicht gelungen ist, euch die Grundidee meiner Ausbildungsmethode zu verkaufen. Ich versuch’s noch mal mit einfachen, kurzen Sätzen, paßt auf: Wir wollen Skipper ausbilden, Schiffsmanager, Kapitäne, die selbständig und verantwortungsbewußt denken, planen, organisieren und entscheiden können. Jetzt haben wir einen bunten Haufen Binnenländer aus allen möglichen Berufen, denen nur eines gemeinsam ist: das Interesse am Seesegeln und der Wunsch, während dieses Törns die praktische Prüfung für den B-Schein abzulegen und als frischgebackene Skipper mit dem Küstenpatent zurückzukommen. Sind wir uns wenigstens darin einig, daß diese Leutchen bis zu den Ohren mit theoretischem Wissen vollgestopft sind und daß einige von ihnen das Handbuch ‚Seemannschaft‘ wahrscheinlich auswendig gelernt haben?“ Er sah sich in der Runde um.

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„Schon möglich“, brummte Simon. „Um so mehr müßte man ihnen die Ohren langziehen.“

„Damit sie sofort wieder das selbständige Denken einstellen und sich darauf verlassen, daß wir ihnen schon die richtigen Anordnungen geben werden? Zum Donnerwetter! Seht ihr das nicht ein? Dieser Haufen besteht wahrscheinlich in der Hauptsache aus Befehlsempfängern und Ehemännern, die es gewöhnt sind, daß jemand anderer für sie denkt.“ Barawitzka schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser hüpften. „Wenn einer Flaggleine und Dirk verwechselt, ist mir das vorerst völlig egal, ich kreide das dem jeweiligen Tagesskipper an. Der soll ja lernen, seine Augen überall zu haben. Und da jeder der Kandidaten einmal als Mannschaft und einmal als Skipper eingeteilt ist, vervielfacht sich der Lerneffekt durch die Fehlschläge. Nehmt euch ein Beispiel an Giselher! Der ist locker und gelassen wie ein gesetzter Champion in Wimbledon und schont seine Nerven.“

„Kein Wunder“, murmelte Simon mit einem Seitenblick auf den fleckenlosen Ingenieur. „Er darf sich ja gar nicht aufregen, weil sich sonst seine Bügelfalten verbiegen.“

„Apropos Kleidung: Meinst du, daß auch Tankausbau und Reinigung aller Treibstoffleitungen zum Lehrprogramm gehören?“ unterbrach ich rasch seinen Vortrag.

„Wieso? Warum?“

„Nun, weil mein Tagesskipper seine Augen überall, nur nicht an Deck hat. Seit Minuten zieht er im Geiste die langbeinige Signorina auf der Nachbarketsch aus und sieht nicht, daß einer seiner Knaben schon den Wasserschlauch in der Hand hat, während der andere den Dieseleinfüllstutzen aufschraubt. Das wird ein prächtiges Gemisch …“

„Herrje!“ schrie Barawitzka erschrocken. „Zu realistisch wollen wir es doch nicht haben. Simon, mach mir den Rosenstein darauf aufmerksam und hol ihn dann her!“ Simon Rebitschek beugte sich über das Terrassengeländer und brüllte durch die hohlen Hände: „Weg mit dem Schlauch, ihr Affen dort! Laszlo zum Rapport hierher!“

B. A. verzog angewidert das Gesicht. „Himmel! Vulgär quer über die ganze Marina zu brüllen, das hätte ich auch gekonnt. Ich erwarte natürlich, daß du hingehst und auf vornehme und leise Art…“ Er seufzte. „Wir hätten vielleicht vorher noch einen Ausbildungstörn für Ausbilder veranstalten sollen. Unsere Flotte fällt schon allein durch ihre so geschmackvoll bunt bemalten Schiffe auf. Ich möchte aber keineswegs, daß wir auch noch als Gebirgsmarine bekannt werden, die nur aus Krakeelern und Schreihälsen besteht. Bemüht euch bitte, wie unerschütterliche Indianerhäuptlinge auch im größten Chaos die Nerven zu behalten und lieber mit Handzeichen oder halblauten Befehlen auszukommen als mit Kasernenhofgebrüll.“

Bunt war unsere Flotte in der Tat. Dem Vercharterer Kettering hatten die stumpfgrauen Aluminiumflanken seiner neuen Flottille so mißfallen, daß er sie der Industrie als Werbefläche anbot. Verschiedene österreichische Brauereien hatten, internationalem Vorbild folgend, einen Sponsorvertrag unterschrieben und die Yachten als schwimmende Litfaßsäulen für diverse Biersorten gestaltet. Daß ich deshalb auf einer braun-goldenen GOLDFASSL segeln sollte, war etwas, an das ich mich erst gewöhnen mußte. Westermayer hatte die schwarzsilberne KLOSTERBOCK gewählt, Janos die rot-weiße HOPFENPERLE und Kung Fu die grün-weiße KAISERPILS.

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Laszlo Rosenstein tauchte neben dem Tisch auf, salutierte spöttisch grinsend mit übertrieben abgewinkelter Hand und schnarrte: „Käptn?“

Barawitzka seufzte tief. „Erstens bin ich auf diesem Törn weder Käptn noch Schiffsführer, sondern Flottenchef, Ausbildungsleiter und später Beisitzer, wenn die Prüfungskommission an Bord kommt. Zweitens ist das gar nicht komisch, wenn du hier eine Parodie auf schneidige Marineoffiziere abziehst, während sich die Leute unter deiner Leitung da drüben aufführen wie die Marx Brothers im Kaufhaus. Du müßtest doch wissen, daß Kartoffeln nicht in die Bilge gehören und daß man den Treibstofftank nicht mit Wasser füllt.“

Laszlo verlor etwas von seiner Überheblichkeit und erklärte, er könne nicht überall gleichzeitig nach dem Rechten sehen. Ihren eigenen Angaben nach wären das alles erfahrene Segler, er verstehe nicht, warum sie sich jetzt anstellten wie die ersten Menschen. „Es ist eben von einem Einzelnen zuviel verlangt“, rief er anklagend, „diese irre lange Ausrüstungsliste Löffelchen für Löffelchen, Schäkel für Schäkel genau zu kontrollieren, ständig tausend Fragen seiner Leute zu beantworten, die wissen wollen, wo sie ihr Zeug verstauen und welche Koje sie belegen sollen, wie das Pumpklo und das Echolot funktionieren, wo man das Radio andreht und ob sie noch schnell mal Ansichtskarten kaufen oder nach Hause telefonieren gehen dürfen. Ich kann schließlich nicht allen sechs dauernd hinterherlaufen und nacharbeiten …“ Er holte Luft und fauchte uns an: „Und ihr sitzt hier auf euren breiten Hintern genüßlich im Schatten beim Bier und laßt mich alleine rackern, statt daß mir einer mit seiner Erfahrung zur Hand geht!“

Barawitzka lachte gut gelaunt auf. „Wer war denn so gierig darauf, ein Küstenpatent zu erwerben? Du! Ein angehender Skipper muß eben in der Lage sein, eine Yacht seefertig zu machen, auch mit einem Haufen linkshändiger Anfänger. Wenn du deine Mitsegler nach dem beurteilst, was sie dir von langjähriger Erfahrung vorflunkern, wirst du noch herbe Überraschungen erleben. Du kannst dir die Crew nicht immer aussuchen. Als Schiffsführer mußt du lernen, deine Pappenheimer nach kurzer Beobachtung ihren tatsächlichen Fähigkeiten entsprechend für die anfallenden Arbeiten einzuteilen — und vor allem mußt du dabei immer die totale Übersicht behalten. Wenn du allerdings meinst, du schaffst es nicht, kannst du gern das Kommando an einen der anderen Prüflinge abgeben.“

Laszlo sah einen Moment drein, als wolle er Barawitzka an den Kragen. Dann rief er: „Das würde dir wohl Spaß machen, du zynischer Teufel! Du Sadist! Aber eher beiß ich mir die Zunge ab und mache alles allein!“ Er drehte auf dem Absatz um und stürmte davon.

„He!“ rief ihm B. A. grinsend nach. „Ich möchte endlich eine ungefähre Auslaufzeit von dir wissen. Sag das bitte auch deinen Skipperkollegen!“

„Und für Sadismus an Bord bin ich zuständig!“ erinnerte ich ihn.

Laszlo drehte sich halb um, machte mit beiden Händen das Zeichen gegen den bösen Blick zu uns herüber, eilte an Bord und versammelte seine Crew, offensichtlich um eine geänderte Vorgangsweise zu besprechen.

Ich hatte mir auf B.A.s Rat ebenfalls ein kleines Notizbuch zugelegt, um die Punktebewertung der Prüfungskandidaten festzuhalten. Das zog ich jetzt hervor und blätterte es zum xten Mal durch, in der Hoffnung, daß sich mir die verschiedenen Namen durch häufige Wiederholung endlich einprägen würden. Ich habe nämlich ein sehr schlechtes Namensgedächtnis. Gesichter merke ich mir recht gut, aber zu meinem großen Kummer fällt mir nie ein, wie der Besitzer einer bestimmten Nase heißt. Besonders bei Bootsmanövern ist das recht lästig, wenn ich rufe: Gustav, fieren!, und ein ganz anderer als der Gemeinte läßt das Fall oder die Schot sausen.

In meinem Notizbuch war für jeden Mitsegler eine Doppelseite reserviert. Der Erste meiner GOLDFASSL-Crew war Wolpertinger, Sepp. Daneben hatte ich mir zum Privatgebrauch notiert: „Motorbootfahrer, der aus Umweltrücksichten zu den Seglern wechseln möchte. Netter Kerl, Speditionsgewerbe. Leider keine besonderen Merkmale, außer daß Kandidatin Strolz anscheinend seine Freundin ist.“

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Dann weiter: „Monika Strolz, schwarzhaariger Wuschelkopf. Angenehmes Äußeres, warme Stimme. Eifrig und lernbegierig. Tendiert dazu, mit Wolpertinger innige Blicke zu tauschen und Händchen zu halten, sowie sie sich unbeobachtet wähnt. Ob es eine gute Idee war, beide zur selben Wache einzuteilen, wird sich herausstellen. Allerdings werden die beiden unbedingt gleichzeitig Freiwache haben wollen, damit sie miteinander schlafen können.“

Laszlo Rosenstein, Textilkaufmann, kannte ich schon von einem früheren Törn her.

Der nächste Kandidat war leicht zu identifizieren: Schubert, Theodor, Reisebüromanager. Sein Kopf war oben glatt und kahl wie eine Billardkugel, und damit man ihn nicht mit Theo Kojak-Savallas verwechselte, trug er einen rötlichen Vollbart, der seine untere Gesichtshälfte verdeckte.

Auch mit Dr. Trauttmannsdorff, Viktor, Hofrat, war ich schon gesegelt, also blätterte ich weiter zu Poppenwimmer, Willi, Krankenpfleger. „Bodybuilder“ lautete meine private Notiz auf seinem Blatt. Willis Schultern waren breiter als Barawitzkas Bauch, seine Bizeps hatten mehr Umfang als meine Oberschenkel, und sein muskulöses Genick hätte jedem Stier zur Ehre gereicht. Es war kein Gramm Fett an ihm, jeder Muskel zeichnete sich wie aus Bronze gegossen unter seiner Haut ab, und damit man das auch gehörig bewundern konnte, rannte er nur in engen Trikothosen und ärmellosen Athletenleibchen herum. Er sah aus, als könnte er selbst die schwerstleibigen Patienten mit nur einer Hand umbetten. Einen prächtigen Hauptdarsteller für Rambo- oder Herkulesfilme hätte er abgegeben, wäre er nur um zwei Köpfe größer gewesen. Denn Willi Poppenwimmer war für seine Schulterbreite und Gorillaarme leider zu kurz geraten: ein abgesägter Herkules, ein Sitzriese. Wenn er in einem Lokal am Tisch saß, wirkte er imposant und hünenhaft und zog alle Blicke auf sich, die neidischen der Männer und die bewundernden der Damenwelt – aber nur, solange er nicht aufstand. Wenn er dann von seinem Sessel hopste, sah es aus, als wäre er hingefallen und versuche nun, auf Knien wegzurutschen. Dazu hatte er ein frommes Engelsgesicht und unschuldig blaue Knopfaugen.

Eingedenk B. A.s Ermahnung machte ich jetzt eine Zusatzeintragung auf Willis Notizbuchseite: „Ist zwar willig und fleißig, hat aber zwei linke Hände und Füße.“

Ich blickte befriedigt auf meine Aufzeichnungen. Das war also die Crew, die mit mir auf der GOLDFASSL nach Tunesien segeln sollte. Für die Crews der anderen Yachten hatte ich ebenfalls Seiten reserviert, aber da fehlten mir größtenteils noch die persönlichen Anmerkungen, die ich im Verlauf des Törns zu sammeln hoffte.

Yacht KLOSTERBOCK: Ausbilder Giselher Westermayer.

B-Schein-Kandidaten:

Casarolli, Max, Taucher, segelte mit mir in der Ägäis.

Hajduk, Georg, Tischler, Bordcasanova und alter Segelkamerad.

Hirsch, Charly, laut eigener Angabe von Beruf „grüner Chaot“ (?).

Al Chalibi, Jussuf, Zeitschriftenhändler.

Babenberger, Alexander, segelte mit mir im Indischen Ozean.

Lautermann, Babsie, wie oben.

Yacht KAISERPILS: Ausbilder Kung Fu.

B-Schein-Kandidaten:

Hufnagel, Felix, Dieselmechaniker, alter Bordgenosse.

Weinmann, Hugo, Abwasserspezialist.

Cleopatra, Oberschwester, blondes Busenwunder, war im Indischen

Ozean auch mit dabei.

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Die drei Grazien von der KAISERPILS

Lorelei, Busenfreundin von Cleo. Sieht auch so aus!

Calypso, die dritte der Spitalsgrazien.

Boltzmann, Berndt, Facharzt, Krankenhaus St. Pölten.

Yacht HOPFENPERLE: Ausbilder Janos Gludowatz.

B-Schein-Kandidaten:

Brösel, Oskar und Karla, Yachtpensionisten.

Lacroix, Wendelin, Vertreter.

Ohnesorg, Eugen, Segler aus Stuttgart.

Schmitz, Uwe, (?).

Jessernig, J., Gastwirt.

Wer zählt die Völker, nennt die Namen? Da fiel mir plötzlich ein, daß ich ein ziemlicher Tepp war.

Wozu hatte Barawitzka eine Polaroidkamera mit? Die würde ich mir ausborgen, jeden aus diesem bunten Haufen knipsen, die Fotos zu Paßbildchen zurechtschneiden und in mein Notizbuch kleben. Das war die Lösung!

Ich blickte zum Hafen hinüber. Die Proviantstapel waren vom Steg verschwunden, und die Yachten sahen zumindest aus der Entfernung seeklar aus. Da kam auch schon Willi Poppenwimmer angewetzt und meldete: „Laszlo meint, er wäre soweit fertig zum Auslaufen. Geht’s jetzt los? Ist das nicht wahnsinnig aufregend?“

Barawitzka erhob sich lachend. „Das wird sich gleich herausstellen. Es gibt Skipper, die können ein simples Ablegemanöver in einen nervenzerfetzenden Alptraum verwandeln. Meine Herren, es ist Zeit, an Bord zu gehen. Zieht eure Gürtel stramm, wappnet euch mit Gleichmut, beißt die Zähne zusammen und laßt uns allen Schrecknissen tapfer ins Auge blicken!“

„Gleichschritt, vorwärts, marsch!“ kommandierte Simon grinsend und schwenkte neben mir auf die Treppe ein.

„Wo wirst du mitsegeln, B. A.?“ fragte Janos, auf seinen Krücken dahinklappernd.

„Ich steige gleich bei Rosenstein ein, Janos-Baci, und schaue mir an, ob er meine Ratschläge beherzigt hat. Wir sehen uns wieder in Umag. Gute Fahrt!“

Laszlo Rosenstein hatte seine gute Laune anscheinend wiedergefunden, denn als wir über die Heckreling kletterten, ließ er den Hofrat Seite pfeifen und Sepp ein blaues Stoffband als Kommodorewimpel an der Backbordsaling setzen.

„Danke, Skipper!“ sagte Barawitzka. „Sie können ablegen lassen.“

B. A., sein Flaggleutnant Rebitschek und ich, wir hockten uns aufs Kajütdach, um die Mannschaft ja nicht bei der Arbeit zu behindern. So durfte uns keiner nachher mit der Ausrede kommen, er hätte diese oder jene Leine nicht bedienen können, weil so ein Klotz von Prüfer darauf gesessen oder gestanden, ihm die Sicht genommen hätte und so weiter.

Laszlo stellte sich hinter das Steuerrad, griff zur Motorschalttafel, startete die Maschine, blickte auf den Kompaß, auf die Cockpitinstrumente, leckte sich die Lippen und rief: „Leinen los!“

„Stopp! Kommando belegt!“ sagte B. A. ruhig, aber bestimmt. „Welche Leinen? Alle auf einmal?“

Laszlo grinste. „Das haben wir alles vorher im Detail besprochen. Jeder weiß, was er zu tun hat.“

„Ausgezeichnet! Aber ich möchte das hören. Im Detail.“

Laszlo drehte ungehalten die Augen nach oben, als wolle er den Himmel zum Zeugen für die Sturheit aller Prüfer anrufen, und ratschte seine Befehle mit jener mitleidigen Ungeduld herunter, wie sie heute junge Leute im Verkehr mit älteren Semestern oft an den Tag legen: „Theo, Achterleine an Backbord auf Slip – Monika, du machst dasselbe an Steuerbord! Heinz, du stehst mir mit einem Prellfender parat! Viktor, den Bootshaken für alle Fälle! Willi, du gehst an die Muringleine und pullst, wenn ich …“

„Kommando belegt! Du willst offensichtlich alle Leinen gleichzeitig lösen und unter Maschine lostuckern. Viel Platz hast du nicht. Was machst du, wenn dich ein Seitenwind erwischt und dich breitseits ins Ankergeschirr dieser Ketsch dort drückt?“

„Es gibt aber keinen Seitenwind. Der herrschende Hauch ist prachtvoll ablandig. Wir könnten sogar unter Segeln ablegen.“

Simon knurrte: „Soll ich hingehen und dem aufsässigen Kandidaten einen Seitenwind blasen, daß er taumelt?“

„Nur mit der Ruhe!“ beschwichtigte ihn Barawitzka. „Laszlo ist der Skipper, er trägt die Verantwortung. Er hat sich für dieses Manöver entschieden, also soll er es auch fahren. Monsier Rosenstein, à vous!“ Großzügig winkte er Laszlo zu und flüsterte dann so leise, daß nur Simon und ich es hören konnten: „Wenn einer von euch eine Hasenpfote hat, soll er sie jetzt drücken. Herrgott, wäre das schön, wenn eine kräftige Bö aus heiterem Himmel diesem Trotzkopf das Manöver vermasseln und ihn das Fürchten lehren würde!“

Laszlo hatte das Manöver aber anscheinend gut vorbereitet. Die Leinen klatschten ins Wasser, Willi zog an der Muringleine, als wolle er sie aus dem Hafengrund reißen, und warf sie dann über Bord. Wir waren mit Schwung unterwegs. Auf den umliegenden Schiffen und auf den Yachten an der anderen Kaiseite erhoben sich die Leute, um besser sehen zu können, wie das in einer Marina so üblich ist, wenn eine Yacht aus- oder einläuft. Denn dabei gibt’s öfter was zu lachen, und besonders die Manöver einer größeren Yacht interessieren jeden.

Mit einem triumphierenden Grinsen schob Laszlo den Gashebel ganz zart auf Schleichfahrt und drehte die Yacht sanft in Richtung Hafenmitte.

Ich hörte Barawitzka ergeben seufzen. Ja, so war das nun mal mit dem Wind. Wenn man ihn brauchte, kam er nie.

Laszlo fuhr allerdings ein wenig übervorsichtig. Wir schwammen — nein, wir trieben — an den Reihen der anderen Yachten vorbei, so sachte ließ er die Propellerwelle drehen, aber er rammte nichts, niemand mußte mit Fendern herbeilaufen, um seine Reling zu schützen, keiner mit Bootshaken nachhelfen. Unser Bug zeigte schon durch die Hafeneinfahrt aufs weite blaue Meer. Die Spannung ließ nach. Rosenstein kommandierte seine Leute herum, trug ihnen auf, die Fender wegzuräumen, an Deck aufzuklaren, verlangte ein Fernglas, die genaue Zeit, einen Kurs und einen Kaugummi. Nur schlug er meiner Meinung nach einen unnötig weiten Bogen zum gegenüberliegenden Ufer. Aber das war seine Sache.

„So weit, so gut“, brummte Barawitzka enttäuscht und zog sein Notizbüchlein. „Dann muß ich ihm wohl einen Pluspunkt geben.“

In diesem Moment bewegte sich das Deck der GOLDFASSL auf so komische Weise unter mir. Es war nur ein ganz zartes Wackeln, das von den meisten an Bord gar nicht registriert wurde. Ich kannte das, es war das erste Anzeichen dafür, daß der Kiel Bodenkontakt hatte, leicht nur, wahrscheinlich in weichem Schlamm. Ich stieß B. A. an und flüsterte ihm zu, mit dem Pluspunkt noch ein wenig zu warten.

„Warum?“

„Weil ich meine, daß wir gleich aufsitzen. Schau dich um, wir sind nicht mehr in der Fahrrinne. Ich weiß nicht, warum Laszlo solch eine ausholende Ehrenrunde durch den Hafen dreht, und das mit einem Viertelknoten Fahrt. Wir sind dabei viel zu weit aufs Flach gekommen.“

„In der Tat!“ B. A. drehte sich um und visierte den Molenkopf an. Wieder bewegte sich das Deck unter uns wie ein schlafender Wal, der im Traum zuckt. Auch B. A. merkte es jetzt und grinste. „Ja, da kommt wieder Freude auf. Jetzt bin ich gespannt, wann die Kerle kapieren, daß sie auf Schiet sitzen!“

Laszlo spähte nun zum Ufer, sah, daß er abgetrieben worden war, gab etwas mehr Gas, drehte am Ruder und widmete seine Aufmerksamkeit wieder den Leinen, die seine Mannen gerade aufschossen. Die Yacht stand allerdings wie angeklebt auf derselben Stelle.

„Hat es eigentlich was zu bedeuten, daß der Tiefenmesser auf Null steht?“ wollte Sepp Wolpertinger plötzlich wissen.

Laszlo blickte kurz auf das Instrument, zuckte zusammen, warf einen raschen Blick zu B. A. hinüber, der damit beschäftigt war, über die Reling zu spucken und der Spucke nachzusehen, und rief dann halblaut: „Spring runter zu Viktor und sag der verdammten Schlafmütze, er soll endlich die Instrumente einschalten! Weder das Echolot noch das Speedometer zeigen etwas an. Alle Zeiger stehen auf Null! So mach doch endlich!“

„Ob das vielleicht der Grund für die von Rosenstein verkündete Windstille ist?“ ätzte Simon.

„So schaltet doch endlich ein …“

„Das war das Hecklicht!“ — „Und das die Salingbeleuchtung“, kamen prompt Rückmeldungen von Deck.

„Aaah! Endlich! Wassertiefe ein Meter, Fahrt null Knoten …“

„Blödsinn! Wir haben über zwei Meter Tiefgang und donnern mit 2000 Touren dahin!“ schrie Laszlo.

„Donnern dahin? Mann, die Spucke überholt uns!“

Die Wellen eines vorbeizischenden Motorboots klatschten gegen die Flanken der GOLDFASSL. Jetzt erzitterte der Rumpf plötzlich unter einigen kurzen, dumpfen Stößen ganz tief unten. Alles taumelte, hielt sich erschrocken irgendwo fest, Laszlo wurde so weiß wie eine neue Genua und griff nach dem Gashebel.

Vollgas!

Der Motor heulte auf. Das Deck begann zu vibrieren. Oben in der Takelage klingelten irgendwelche lockeren Teile. Schwarzer Rauch breitete sich achtern auf dem Wasser aus, stieg in die Höhe. Laszlo blickte sich verzweifelt um. Das Schiff rührte sich nicht. Drüben in der Marina sammelte sich allerhand Seglervolk und starrte herüber. B. A. zog sich die Kapuze seines Overalls über den Kopf, barg das Gesicht in den Händen und seufzte: „Hoffentlich ist bei den Zuschauern keiner von meinem Klub dabei!“

Laszlo trat so wild auf den Fahrthebel, als wäre er das Gaspedal eines Sportwagens. Da hielt es Simon nicht mehr aus, er war mit zwei Sätzen am Steuer, stieß Laszlo weg und nahm das Gas zurück. „Bist du vollkommen verrückt geworden, Fetzenhändler? Willst du die Maschine ruinieren?“

„Komisch!“ rief Theo Schubert von achtern. „Unterm Heck ist das Wasser völlig glatt. Da tut sich überhaupt nix, als wäre der Propeller abgefallen. Sagt, habt ihr eigentlich eingekuppelt?“

Es wurde schlagartig so still, als hielten Mannschaft und Dieselmaschine erschrocken den Atem an. Aller Augen hingen an Simons Hand, die jetzt den Gashebel auf Neutral stellte.

„Klick!“ Mit einem unschuldigen halblauten Schnalzen sprang der Kupplungsknopf in Arbeitsposition. Simon warf Rosenstein einen vernichtenden Blick zu und schob den Hebel nach vorn. „Jetzt gurgelt es kräftig unter dem Heck!“ meldete Theo.

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Kam es mir nur so vor, oder war Laszlo am Steuerrad geschrumpft?

Die GOLDFASSL bockte und rüttelte, das Hafenwasser wurde dick und braun wie Einbrennsuppe, dann nahmen wir endlich Fahrt auf.

Ich blinzelte. Kam es mir nur so vor, oder war Laszlo unter den Blicken von Prüfern und Crew geschrumpft? Vorher hatte er bequem über das große Steuerrad hinweggesehen, jetzt spähte er unten zwischen den Speichen durch. Außerdem schien er um Jahre gealtert zu sein, sein Hemdkragen war ihm plötzlich viel zu weit, und die Mütze begann ihm über die Ohren zu rutschen.

„Es wundert mich, daß er mit dem Schwung überhaupt so weit gekommen ist“, meinte Barawitzka und schrieb in sein Büchlein.

„Der Kandidat hat jedenfalls Phantasie bewiesen“, meinte ich, meiner Rolle als Bordsadist entsprechend. „Er kann ein simples Manöver auch ohne Seitenwind verpatzen. Dafür gebührt ihm ein spezieller Vermerk.“

Der textilhandelnde Schrumpfzwerg mit dem uralten Gesicht steuerte die Yacht verbissen schweigend aus dem Hafen. Wir passierten das Molenfeuer. Laszlo behielt seinen ursprünglichen Kurs bei, die GOLDFASSL glitt, von den 55 Kilowatt ihres Dieselmotors getrieben, durch die Bucht von Piran mit Kurs auf den Leuchtturm von Savudrija, wo wir die Kurve kratzen und nach Süden segeln wollten.

Mich kribbelte es, dem Skipperaspiranten zuzubrüllen, zur Abwechslung einmal seine Leute herumzuhetzen. Schon tat er mir ein bißchen leid, weil die anderen Einfaltspinsel an Bord ihre Schadenfreude so offen zeigten. Das gefiel mir überhaupt nicht. Es war nicht die Art von Teamgeist, wie ich sie von unseren früheren Törns her gewohnt war. Warum war das so? Darüber mußte ich nachdenken und überlegen, was dagegen zu tun war.

Die besten Ideen kommen mir immer bei einem kalten Bierchen, deshalb stand ich auf und kletterte in die Pantry hinunter. Da zupfte mich der Hofrat am Ärmel. Er schüttelte sich nur so vor Lachen, Tränen standen in seinen Augenwinkeln. „Hast du das gesehen, Karl? Ho-ho-ho-ho! Fährt der doch tatsächlich mit ausgekuppelter Maschine los! Ich hab’s natürlich sofort bemerkt, aber nichts gesagt…“

„Natürlich, natürlich“, murmelte ich nachdenklich. Das war ja ein famoser Teamgeist, den Laszlo da mit seiner antiautoritären Schiffsführung geweckt hatte. Ich fand es an der Zeit, ihm eine Lektion in angewandter Führungstechnik zu geben. Ein guter Skipper muß bei aller Freundlichkeit auch mal dreinfahren können wie Conan der Zerstörer. Aber wie sollte ich ihn dazu bringen? Momentan war er nur deprimiert und niedergeschlagen, und zum Dreinfahren braucht man ein gewisses Maß an aggressiver Energie.

Da fiel mein Blick auf Logbuch und Seekarte. Sofort wußte ich, wie ich meinen Tagesskipper aufbauen konnte. Grimm und Groll hatte er bestimmt genug — wenn auch momentan nur auf sich selbst, wegen der Blamage mit der Kupplung. Und wie wird man Groll und Ärger am besten los? Ganz einfach, indem man einen Rangniedrigeren zusammenstaucht. Das ist ein probates Mittel.

Ich schlich an Laszlos Seite wie Mephisto zu Dr. Faustus. Er zuckte vor mir zurück. „Keine Angst“, flüsterte ich. „Ich komme als beratender Freund. Ich werde dir jetzt das Ruder halten, damit du hinuntergehen und nachsehen kannst, wer sich da unten am Kartentisch vor Schadenfreude über dein Manöver schier zerreißt, obwohl er weder Logstand, noch Motorstunden oder Uhrzeit eingetragen hat, vor einer leeren Seekarte sitzt und nicht einmal Kursdreieck, Zirkel und Bleistift bereitgelegt hat.“

Mit Laszlo ging eine überraschende Veränderung vor. Er blähte sich auf wie eine mit Preßluft angeblasene Rettungsinsel. Die Schrumpffalten verschwanden aus seinem Gesicht, es wurde erst glatt und jugendlich, dann dunkelrot. Er überließ mir das Steuerrad und stürmte den Niedergang hinunter, um den saumseligen Hofrat zu zermalmen wie Moses das Goldene Kalb.

„Beim Henker! Was ist denn da unten los?“ fragte Simon. „Das hört sich ja an, als wären sich Rosenstein und sein Navigator plötzlich in die Haare geraten!“

Ich erklärte es ihm und fügte hinzu: „Langsam dämmert mir, wie Barawitzka das mit seiner Lehrmethode durch böse Erfahrung meint. Wenn sich jemand mal die Finger verbrannt hat, dann ist er äußerst aufnahmebereit für gute Ratschläge über den Umgang mit heißen Pfannen. Erinnere dich: Wie hast du auf Laszlo eingeredet, damit er aufhört, die Crew so freundlich wie seine Kunden zu behandeln. Nichts hat es genützt. Jetzt aber … Ha! Hör nur, wie er den Hofrat in der Luft zerreißt.“

Aus dem Niedergang drangen erst zwei erregte Stimmen, dann hörte man nur mehr Rosensteins scharfes Organ. Kurz darauf kam er wieder an Deck, recht befriedigt dreinsehend.

„So!“ sagte er, als er mir das Rad wieder aus der Hand nahm. „Das kann sich Viktor hinter die Ohren schreiben. Stell dir vor, der Kerl hat da unten Kreuzworträtsel gelöst, statt mir den Kompaßkurs nach Umagzu berechnen. Dem hab’ ich aber kräftig Bescheid gestoßen.“

„Brav!“ sagte Simon. „Guter Junge.“

Die Zeit der heiteren Einlagen war aber noch nicht vorbei. Jetzt zeigte uns Viktor Trauttmannsdorff, wie ein schusseliger Navigator arbeitet. Er kam mit dem Handpeilkompaß an Deck und rief: „Kurs auf Kap Savudrija 95°. Wenn ihr den Turm querab habt, neuer Kurs nach Umag 354°!“ Dann fing er an, den Piraner Kirchturm anzupeilen.

„95°?“ fragte Laszlo ungläubig und starrte auf seinen Steuerkompaß.

„Fahr ruhig nach Viktors Anweisung!“ riet ich, und Simon meinte: „Wir werden ja sehen, wie unser Rechenschieber darauf reagiert.“

Laszlo grinste, drehte die GOLDFASSL in einem großen Bogen und ging auf Gegenkurs. „360° geht durch … 20° … 40° … 60° … 95° liegt an!“ Wir dieselten wieder zurück zur Hafeneinfahrt von Portoroz. Alle warfen sich vielsagende Blicke zu.

Viktor war durch die Drehung des Schiffes natürlich sein Peilobjekt davongelaufen. Er sah sich jetzt um. Niemand sagte ein Wort, jeder starrte mit unbewegtem Gesicht geradeaus auf die wieder näherkommende Hafeneinfahrt.

„He! Was treibt ihr?“ schrie der Hofrat. „95° wollen wir fahren, nicht zurück zum Hafen! Seid ihr blind? Kannst du nicht mal einen angegebenen Kurs steuern, Rosenstein? Dann laß jemand anderen ans Steuer!“

Ich löste Laszlo spaßeshalber ab und hielt weiter Kurs.

Der Navigator kratzte sich jetzt am Kopf. „Was soll das? Haben wir was vergessen? Müssen wir noch mal zurück?“

„Überhaupt nicht“, antwortete ich. „Wir fahren nach Savudrija.“

„Aber das liegt doch dort!“ Er deutete übers Heck.

Ich zuckte mit den Achseln. „Ich halte den Kurs, den du uns gegeben hast.“

„Bei allen heulenden Nebeltonnen von St. Malo!“ brüllte jetzt Simon los. „Da platzt einem doch der Kragen, wenn der Navigator nicht mal vom Kursdreieck ablesen kann. Dann gehört er geteert, gefedert, kielgeholt und als Möwenfutter an die Saling geknüpft! Viktor, du kopfloses Huhn, wo ist Süden, wo ist Westen, wo ist Norden und Osten?“

Der Hofrat stellte sich an die Reling, streifte den linken Ärmel zurück und visierte die Sonne über seine Armbanduhr an. Es war zum Weinen! Da hatte der Kerl einen Peilkompaß in der Hand und versuchte sich nach der Pfadfindermethode zu orientieren!

Ein hohler Klageschrei entrang sich unwillkürlich meiner Kehle: „Viktoooooor! Biiiitte! Schalt endlich dein Gehirn ein und gib uns den Kurs, der uns nach Savudrija bringt!“

Mit einem ärgerlichen Seitenblick auf mich kletterte der Hofrat zum Kartentisch hinunter.

Eine Minute später waren wir endlich in der gewünschten Richtung unterwegs. Entweder hatte Viktor seinen Fehler schließlich eingesehen, oder ein guter Kollege hatte stillschweigend eingegriffen und ihm das Kurslineal umgedreht. Leider herrschte noch immer absolute Flaute. Ein leichter Dunst kam auf, und die Silhouette der Burgruine von Piran wurde unscharf. Die 55 Kilowatt unserer „eisernen Genua“ trieben die GOLDFASSL über ein ölglattes Meer. Unsere Bug- und Heckwellen verliefen sich V-förmig im Ungewissen. Ab und zu hob sich das seidene Blau der See wie eine Bettdecke, unter der sich ein Schläfer im Traum umdreht. Dann veränderte sich das monotone Brummen des Motors ein wenig, wenn er sich anstrengen mußte, den Schiffsrumpf die leichte Steigung im Meer hochzuschieben.

B.A. setzte sich nun ins Cockpit, zündete sich eine Zigarre an und schaute Laszlo direkt an. Längere Zeit. Rosenstein grinste erst zuversichtlich, aber nach einer Weile begann er sich unter dem starren Blick unbehaglich zu fühlen. Er rieb sich das Kinn, zupfte an seiner Nase und an seinen Ohrläppchen; er kratzte sich den Hals, rückte seine Seglermütze zurecht, er vermied B.A.s Blick, sah vom Horizont zum Kompaß und zurück und summte ein Liedchen. Schließlich hielt er es nicht länger aus.

„Du siehst mich so erwartungsvoll an, Chef?“

„Kein Wunder, ich möchte doch deine nächsten Anordnungen nicht versäumen.“

„Anordnungen?“ Laszlo zog die Stirn kraus, verdrehte die Augen und blinzelte. Obwohl der Vergleich sehr weit hergeholt war, erinnerte er mich jetzt stark an meinen Computer, wenn der bildschirmblinzelnd seine Speicher durchläuft, um danach lakonisch zu melden: „Kein applizierbares Programm gefunden!“

Auch Rosenstein fand anscheinend kein anwendbares Programm. „Hm, es ist so heiß“, lenkte er ab. „Vielleicht sollte man eine Runde Getränke ausgeben?“

„Prächtig! Ausgezeichnet!“ lachte B.A. auf. „Es ist eine helle Freude für einen Segelausbilder, letztlich feststellen zu müssen, daß er die Perlen seiner Erfahrung völlig sinnlos unter unbelehrbare Landratten gestreut hat. Beim Henker! Gibt es denn nicht ein paar Manöver, die ein ordentlicher Skipper vor Beginn einer längeren Seereise mit seiner Mannschaft üben sollte?“

Laszlo überlegte laut: „Man könnte natürlich probeweise die Schwimmwesten anlegen, die Notsignale überprüfen, ein Mannüber-Bord-Manöver fahren …“

„Man könnte nicht nur, sondern man sollte! Damit aber ein wenig Fröhlichkeit aufkommt, werden wir vorher Rasmus ein Schlückchen opfern und uns selber auch eins gönnen. Der Teufel soll dich holen, Rosenstein! Das hättest du schon längst anordnen sollen. Das trägt dir einen fetten Minuspunkt ein.“

„Oh!“ Simon beugte sichzu mir und flüsterte: „Ich fürchte, da hinter dem Kap kommt ein Hauch auf.“

„Ist doch nicht schlecht. Was fürchtest du daran?“

„Daß der Rosenstein Segel setzen läßt und uns mit seinem vielgerühmten Flautensegeln beeindrucken will. Er ist doch der absolute Champion bei null bis ein Beaufort. Dann dauert es viermal so lange bis Umag!“

„Na, vielleicht merkt er’s nicht, weil er so damit beschäftigt ist, mit einem Auge Kurs zu halten und mit dem anderen seine Leute vorwurfsvoll anzusehen, die sich immer mehr in die Schwimmwestenleinen verstricken wie Laokoon und seine Söhne in die Schlangen aus dem Meer.“

Aber ich hoffte vergebens. Leichtwindsegeln war Laszlos Metier, und das beherrschte er besser als Hafenmanöver. Diesmal gab es keine Panne. Als unsere Stander und Flaggen zum ersten Mal ihre schlaffe „Nasse-Socken“-Haltung aufgaben und Anzeichen von Leben zeigten, kommandierte der Textilhändler ein perfektes Segelsetzmanöver. Was allerdings bei unserer modernen Ausrüstung mit Vor- und Großrollreff ein Kinderspiel und eine Sache von wenigen Augenblicken war. Der Motor verblubberte, das Plätschern der Bugwelle wurde leiser und leiser, der Speedometerzeiger sank herab bis auf zwei Knoten. Dort blieb er stehen.

„C’est la vie voilier!“ philosophierte Simon. „Das ist das Seglerleben!“

„Hört mal!“ rief Willi Poppenwimmer vom Niedergang her. „Da telefonieren zwei Schiffe miteinander. Ist das nicht wahnsinnig aufregend? Ich dreh’s mal lauter, damit ihr zuhören könnt.“

„Stopp!“ fuhr B.A. dazwischen. „Das ist nicht aufregend, das ist ein Verstoß gegen das Funkgeheimnis. Man hört keine Gespräche anderer auf UKW ab, darüber wurde im Kurs oft genug geredet. Hört bitte trotzdem einmal alle her! Ich möchte nicht, daß jeder zur Privatunterhaltung am UKW-Gerät her umspielt, als wär’s eine Wurlitzer-Musikbox. Das Radiotelefon wird nur vom jeweiligen Skipper oder seinem Navigator bedient. Und nach den Bestimmungen der V.O.-Funk!“

Willi steckte seinen Kopf aus der Luke. „Aha! Aber ich glaube, der ruft uns. Wir sind doch die GOLDFASSL, oder?“

„Gut, Willi“, seufzte der Ausbildungsleiter. „Aber dann gedulde dich bitte, bis Viktor sich meldet.“

„Ich werd’s mir merken“, meinte der kleinlaut. „Aber was, wenn Viktor am Klo sitzt?“

„Himmelherrgott!“ B.A. wollte sich schon selber durch den Niedergang stürzen, da erinnerte er sich offenbar an seine eigenen Regeln. Grimmig setzte er sich wieder hin und seinem Gesicht eine erhabene Maske auf. „Skipper, laß dich am Ruder ablösen, saus runter und nimm das Gespräch entgegen!“

Laszlo tat wie geheißen und meldete dann: „Anruf von der HOPFENPERLE: Käptn Gludowatz kommt mit dem neumodischen Rollreffklumpert, wie er sagt, nicht zu Rande und kann die Segel nicht setzen. Ob jemand zu ihm an Bord kommen und den Mist erklären könnte?“