Bedford, Sybille Treibsand

Impressum ePUB

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Übersetzt aus dem Englischen
von Matthias Fienbork

 

© dieser Ausgabe, Piper Verlag GmbH, 2020

© 2005 Sybille Bedford

Titel der englischen Originalausgabe: »Quicksands. A Memoir«

© Hamish Hamilton, 2005

© der deutschsprachigen Ausgabe: SchirmerGraf Verlag, München (2005)

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: FinePic®, München

 

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Zitate

Jedes Ereignis hat Folgen, alles hat eine Vorgeschichte.

Anonym

 

Perspektive – la prospettiva – ist die Abbildung räumlicher Objekte auf einer ebenen Fläche dergestalt, dass die tatsächlichen Beziehungen dieser Objekte untereinander erkennbar werden. Mit dieser Technik lassen sich Bilder schaffen, die so »realistisch« sind wie die Lanzen, Pferde und Kämpfer bei Uccello oder so realistisch wie eine trompe-l’œil-Darstellung.

Anonym

 

Beim Schreiben über die Vergangenheit kam mir der Gedanke, dass es die Erinnerung ist, die für Klarheit sorgt … alles übrige – Tagebücher, Briefe, Notizen – ist Ablagerung …

Anonym

 

Wir glauben zu wissen, wer wir sind und was wir tun sollten, aber unsere unmittelbaren Erfahrungen konditionieren unser Denken … Das Leben ist der Narr der Zeit, insofern es sich von einem Moment zum anderen verändert, es verändert Außen- und Innenwelt, so dass wir nie zwei Momente lang dieselben bleiben.

Aus Shakespeare and Religion, Aldous Huxleys letztem Essay

 

Oh pauvre, oh heureux voyageur sur la terre

Anonym

ERSTER TEIL

Segmente eines Kreises

Erstes Kapitel

Genf: ein neutraler Tag – Wer war ich? Wo bin ich? – Verzögerungen: Ereignisse, unangemessene Ambitionen, Lebenslust – Anstoß und Ermunterung

Ich werde in der Mitte anfangen und hoffe, von dort aus fortzufahren.

Samstag, 1. August. Vormittag. Aus dem Zug rieselte noch etwas Sand, als ich durch die Waggontür ausstieg, die gestern abend auf dem Bahnsteig in Cannes zugeschlagen worden war; ich folgte dem Wagen des gemächlichen Gepäckträgers durch die doppelte Zollkontrolle … Douane Française Douane Suisse … zur Gepäckaufbewahrung in der Bahnhofshalle und ging für ein paar geschenkte Stunden in die weitläufige, helle, reiche Stadt, überall Wasser und Licht, schneehell über sommerlichem Blau. Quai des Saules, Pont du Rhône, Pont de l’Isle, Quai des Bergues: Der Genfer See, breit und offen, und dort – der Jet d’Eau, eleganteste Fontäne, weißer Wasserkomet, der sich in den Himmel schleudert …

Fünfzig Schritte landeinwärts, und alles ist wie verwandelt. Eine ältere, kleinere, in sich ruhende Welt. Die Dächer niedriger, die Fassaden schlichter, verschwunden das gleißende Licht von See und Gebirge. Platanen auf dem Platz, ein wenig Schatten, Grafikhandlungen, Blumenstände, Cafés. Frauen mit Brot gehen vorbei …

Durch gewundene Gassen in die Altstadt … klettere eine Anhöhe hinauf, stehe wieder vor Neuem – Stille, vornehme Straßenzeilen, Verwaltungsgebäude mit privaten Fassaden, Andeutungen von Gärten hinter Mauern … Und immer weiter, höher, stehenbleiben, sich treiben lassen, gehen: konzentriert und ziellos in der Art eines Reisenden, der weder Verpflichtungen noch Aufgaben hat und keine Sehenswürdigkeiten besuchen muß, der sich über unerwartete Entdeckungen freuen kann, aber weiß, dass er in der Stadt nicht übernachten wird …

Aus: Ein Schweizer Tagebuch

 

Nun ja … das war August 1953, doch das Tagebuch wurde nicht an jenem Tag, nicht in jenem Sommer geschrieben, sondern, mit unvermindertem Hochgefühl, im Januar des darauffolgenden Jahres, in einer Mansarde im sechsten Pariser Arrondissement, und noch heute, fünfzig Jahre später, spüre ich diese Stimmung des absichtslosen Entdeckens, die Euphorie dieser Stunden in Genf. Als ich damals aus dem Zug stieg, war eine leise Neugier in mir, ich war allein, ungebunden … Minuten später sorgten Berge, Himmel und Wasser für ein Hochgefühl, das den ganzen Tag anhielt.

Auch während der kurzen, glühend heißen Bahnfahrt am späten Nachmittag, ein letzter, schmerzhaft heller Blick auf Genfer See und Montblanc, vorbei an den Weinbergen, an grausteinernen Schlössern und dunkelgrünen Hängen des Waadtlands, sanften Weiden, vorbei an Obstgärten, Tannen, Kuckucksuhrenhäusern, Dorfkirchen: eine Bilderbuchschweiz. Es hielt an, dieses stille Hochgefühl, begleitete mich auf dem Spaziergang durch die arkadengesäumten Straßen von Bern, das wie eine traumhafte Kinderwelt anmutete. Auch ohne das fünfzig Jahre alte Tagebuch erinnere ich mich, dass dort »nichts hässlich oder groß oder ärmlich oder schick oder neu« war. Das Hochgefühl war noch am Abend da, als ich, abermals in einem sauberen Schnellzug, in Richtung Vierwaldstätter See fuhr, in einer endlosen Dämmerung, es war da während des reichlichen Abendessens in einem billigen, namenlosen Wirtshaus, die Nacht in einem bescheidenen, unscheinbaren Fremdenquartier (von einem Auskunftsbüro im Bahnhof vermittelt); es hielt an, das Hochgefühl, ruhiger, versonnener, die anschließenden Wochen hindurch, den ausklingenden Sommer … An diesem Tag fuhr ich auf einem hohen weißen Raddampfer über den See, um mich in einem kleinen Ausflugsort mit einem befreundeten Menschen zu treffen.

 

Und was wollte ich dort?

Wer war ich, was war ich in diesem Lebensabschnitt? Wo stand ich, und woher kam ich? Anfang Vierzig war ich damals, konnte leben, wo (vielleicht sogar wie) ich wollte. Anders als eine unsagbar große Zahl meiner Mitmenschen hatte ich vier Dekaden unseres fürchterlichen Jahrhunderts körperlich unversehrt überstanden, und ich war mir der Privilegien und Gefährdungen meiner Existenz – zeitweilig – bewusst. Auch der Säulen, die mein Dasein seit Kurzem trugen. Die stärkste war die Tatsache, dass einige Monate zuvor ein Buch von mir erschienen war. Ich war nunmehr eine Schriftstellerin, wie ich mir sagte, sehr oft sagte. Endlich. Dieses Buch war kein erster Versuch. Schreiben: Schon als Kind wollte ich jemand werden, der schreibt, Bücher natürlich. Ich sah darin einen Ruf, eine Berufung, mir (von wem?) erteilt, und sei es noch so unverdient … Meine Grenzen waren beträchtlich: so gut wie keine offizielle Schulbildung, fehlende Leichtigkeit, Gedanken mühelos zu Papier zu bringen – la page vide que sa blancheur défend … (schon früh habe ich Französisch gelesen, es hat mich stark geprägt); eine große natürliche Faulheit … Mach, dass ich Schriftstellerin werde, aber erst später. Also keine hingekritzelten Geschichten, die im Kinderzimmer herumliegen, keine Schulaufsätze (bin kaum zur Schule gegangen); nur ein schuldbewusster Kopf voll ungeschriebener Briefe.

Mit zwanzig – wirklich so spät? – hatte ich mich mit zwei pseudointellektuellen Abhandlungen gequält, einer über Baudelaires Ansicht über »l’infâmie de l’imprimerie«, die Gefahren billiger Massendrucke, der anderen über den Prozess gegen Flauberts Madame Bovary. Ungern denke ich an diese hochgestochenen Jugendergüsse zurück. Und doch … Muß ich diese unreife Auseinandersetzung, wie unbeholfen sie sein mochte, mit Baudelaires Kritik der Halbbildung ganz und gar verwerfen? Soll ich meine Faszination an dem Konflikt zwischen einem bigotten Richter und Emma Bovary – hundert Jahre, bevor Constance Chatterley ihre juristische Abfuhr erhielt – mit einem Schulterzucken abtun?

Als nächstes schrieb ich drei Romane – eine selbstauferlegte Höllenpein: Stunden, Monate, Jahre der Quälerei, seltene Momente von Euphorie, Panik tags darauf. War es gut genug? Taugte es überhaupt etwas? Drei Romane: beendet, getippt, ein zweites Mal getippt (von mir), an die Londoner und New Yorker Verleger geschickt, von Wohlmeinenden (manchmal) gelesen, zarte Hoffnungen weckend. Abgelehnt. Zu Recht. Sie waren nicht gut genug. Ich war am Boden zerstört. Jedes Mal. Derweil musste ich meinen Lebensunterhalt verdienen (ich hatte kein Geld, es stand auch keines zu erwarten, nachdem ich die Quelle mit leichter Hand sabotiert hatte. Aus moralischen Gründen, dachte ich; unverantwortlich, dachte ich später. Doch das ist eine andere Geschichte, auf die ich wohl noch mal zurückkommen muss).

Heute bin ich froh, dass diese Romane nicht das Licht des Drucks erblickten. Während ich an meinem vierten Buch saß, konnte ich sie als das sehen, was sie waren. Woran hatte es gemangelt, einmal abgesehen von den Anfängerfehlern? Ich hatte zuviel gelesen und wusste zuwenig; unter einer überzeugenden gescheiten Oberfläche war ich wohl das, was meine Mutter mich oft nannte: ein Papagei. Mein armseliges Schreiben war epigonal. Entschlossener als andere junge Novizinnen hatte ich mich an eine erste Inspiration geklammert – in meinem Fall ein in jungen Jahren empfangener, grenzenloser Glaube an Aldous Huxley. Seine Art zu schreiben. Dass mich seine Ideen faszinierten, muss ich nicht betonen. Wie so viele meiner Zeitgenossen verzauberte mich seine schiere Intelligenz. Sie machte staunen, sie begeisterte, war uns ein Wegweiser. Leider ahmte ich auch seinen Stil nach. Adverbien am Satzanfang, der ungestüme Rhythmus gegen Ende eines Absatzes … All das. Ich war überzeugt, dass man nicht besser schreiben könne und dass die Leser mit einer dünneren Version durchaus zufrieden wären. Ich sage leider, weil Aldous’ Sprache überhaupt nicht zu mir paßte. Ich folgte dem Meister, allerdings sehr mangelhaft, verwässerte Aldous Huxley, war ein seichter Huxley.

Ich war neunundzwanzig, als Manuskript Nummer drei von Chatto und von Harpers (New York) abgelehnt wurde, weshalb ich, von gelegentlichen journalistischen Arbeiten abgesehen, jahrelang nicht mehr schrieb. Diese und andere lange Lebensphasen, die ich mit Nichtschreiben vergeudete, lasten schwer auf mir, und nun, in den 2000er Jahren, da diese Zeit unwiderruflich vorbei ist, werde ich oft von Bedauern und ungläubigem Staunen erfasst. Ach, was haben Trägheit, Entmutigung und natürlich Ablenkungen nicht alles verhindert … Die Verlockungen, die täglichen Sirenengesänge, denen ich erlag – durch Zufall, oft auch eigene Entscheidung, verbrachte ich die vergeudeten Jahre an schönen oder interessanten Orten: um zu lernen, zu sehen, zu reisen, durch nächtliche Straßen zu gehen, in warmen Meeren zu schwimmen, Freundschaften einzugehen und zu bewahren, auf sommerlich überrankten Terrassen zu essen und Wein zu trinken, das Lied der Laubfrösche und Zikaden zu hören, mich zu verlieben … (oft, all zu oft.)

 

Und natürlich der Krieg, der in einem Teil dieser Jahre stattgefunden hatte.

 

(Hier ist vielleicht der Ort für die Anmerkung am Rande, dass ich 1914 ein kleines Kind war, dem Schrecken und Sinnlosigkeit des Krieges durch eine Mutter vermittelt wurden, die eine lautstarke Gegnerin von militärischer und anderer Gewalt war; dass ich in einem Land geboren wurde, von dem ich am liebsten nichts gewußt hätte – was mir partiell auch gelang … Dass ich in Deutschland geboren wurde und in eine teilweise jüdische Familie. Durch eine Verkettung von Umständen – der frühe Tod meines Vaters, zuvor bereits das Verschwinden meiner Mutter – ging auch ich schon früh fort. Jahre, bevor man voller Sorge an die Braunhemden dachte und die Menschen, die wir kannten, noch in der Welt der Weimarer Republik, von Locarno und Völkerbund lebten. Ich verließ das Land zufällig und kehrte nie wieder zurück. Dieser Weg, den ich beschritt, als noch niemand etwas von der Apokalypse ahnte, ließ mich zu einer Davongekommenen, einer Überlebenden werden.)

Um überlebt zu haben, muss man gelebt haben. Für viele von uns im schrumpfenden Westen waren die Zwanziger und Dreißiger schwere Zeiten, Zeiten der Einschränkung, voller Hoffnung zunächst, dann Arbeitslosigkeit, Inflation hier, Börsenkrach dort, versteckte, bald offene Befürchtungen … (Der Aufstieg des Faschismus vor unserer – damals – italienischen Haustür fiel in meine Jugend; und 1933 kam eine noch schlimmere Diktatur über eine Welt, die nicht hinsehen wollte.) Doch für einige wenige – immer nur einige wenige: Das Los der Menschheit, das Los des Lebens selbst, ob Mensch oder Tier, ist es, unter seinen Möglichkeiten zu leben, immer vom Pech verfolgt, zu töten und getötet zu werden –, für einige wenige waren diese Zwischenkriegsjahre gut, und in manchen Enklaven blühten Talente und Lebenslust. (Denken wir an Frankreich.) Die Bühnen waren wieder geöffnet, und für eine kurze Weile mussten die Spieler, sofern bewahrt vor privaten Tragödien, nicht an das Ende der Spielzeit denken. Das war vor dem Krieg. Im September 1939 ging alles kaputt.

 

Post bellum: Die große Erleichterung, erlöst zu sein von Schrecken und Tod, jahrelang in furchtbarem Ausmaß erlebt, hielt im Sommer 1945 nur wenige Tage. Bald wurde die ganze Realität des unvorstellbaren, unermesslichen, gezielt herbeigeführten Leids bekannt. Und schon wenige Wochen später ereignete sich die nächste Erschütterung. Die Bombe und die möglichen Folgen – würde dieses Ungeheuerliche, das die Menschen einander zufügten, je aufhören? Hat es je aufgehört? Während ich diese Zeilen in London niederschreibe, abermals an einem schönen Sommertag – inzwischen im Jahr 1999 –, dringt der Lärm von Flugzeugen, nicht von Insekten, durch die geöffneten Fenster herein, es ist sieben Uhr abends, Radio Four plappert gerade die Drei-Minuten-Nachrichten – Wieder ein Massengrab entdeckt – Die Absprache zwischen NATO und Russland scheint zu halten – Serben fliehen aus dem Kosovo – Nordirland: Zeit der Märsche – Suche nach Sinn-Fein-Opfern wird fortgesetzt – Bombenattentäter von Brighton nach vierzehn Jahren freigelassen – US-Kongress lehnt Waffengesetz des Weißen Hauses ab – Zur Börse – Cricket …

Für einige von uns, die (oft gegen alle Wahrscheinlichkeit) überlebt haben – viele meiner Freunde waren Juden und/oder politische Flüchtlinge –, hatte es in gewisser Weise (privat, individuell) tatsächlich aufgehört, und irgendwann nahm das Bedürfnis überhand, sich abzuwenden von dem, was passiert war und vielleicht wieder passieren könnte und tatsächlich auch passierte, und zugleich schwand das Gefühl des unverdienten Freispruchs, und die Fähigkeit wuchs wieder, das politische Weltgeschehen hintanzustellen und all jene Ereignisse, die unsere erhofften persönlichen Lebenswege unterbrachen.

 

1947 war ich sechsunddreißig. Da hatten sich die Tore wieder geöffnet. Das Ersehnte, das Vermisste, wurde taghelle Realität: die Rückkehr nach Europa. Das Europa, das so lange in Agonie und Chaos darniederlag, das sich, vielleicht für immer, verloren hatte, existierte noch. Nicht unversehrt, keineswegs, aber sein Herz schlug noch, Frankreich und Italien, les patries de nos cœurs – im Kern erhalten, waren triumphierend sie selbst geblieben. Paris. Chartres. Venedig. Rom … Ein zerstörtes Kirchenschiff, eine zertrümmerte Brücke hier und da machten das Wunder deutlich. Man empfand ein verrücktes Gefühl von Freiheit und Neubeginn. Ich verbrachte den Sommer in der Normandie, in Paris und der Touraine: les amis retrouvés. Herbst und Winter dann, welch Privileg, in Italien. Erst Venedig, später Florenz, in einem Hotel am Lungarno, ungeheizt (Brennholz für das abendliche Feuer kaufte man auf der Straße), dann Capri, dessen großer Magnet, Norman Douglas, ebenfalls kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt war. Die Euphorie, die tägliche Trunkenheit dieses Jahres und eigentlich auch der folgenden zehn Jahre, ist Teil meines Lebens geworden, meiner selbst, nicht bloß eine Erinnerung, mit der man spielt oder die brachliegt. Freude kann einem genauso in die Knochen gehen wie Trauer.

 

Das frühe Nachkriegsitalien war herrlich. Man umarmte die Leute, deren Lebensquell wieder sprudelte; sie alle empfanden die überwältigende Schönheit, die rundherum zu sehen war, sie genossen die Sonne, die süße Luft, die neue Beinaheruhe. Benzin war knapp, die Vespas und ratternden Straßenbahnen waren ein wunderbares Spielzeug, ihr Lärm ein weiteres Zeichen, am Leben zu sein. Ich war da, wo ich sein wollte, für immer natürlich, und deshalb blieb ich. Im übrigen war ich allein, das heißt hin und wieder, wenn ich aus vielfacher Verstrickung (später unschwer als solche erkannt, damals keineswegs) teilweise entkommen war oder gerade zu entkommen versuchte; ich besaß nichts, hatte keine feste Adresse, geschweige denn ein Zuhause.

Ja, ich blieb. Hier wollte ich sein. Zäh, leichtsinnig, vielleicht vernünftig. Weil es der Logik meines Lebens entsprach? Das Hier und Jetzt war gut, verdient oder nicht. Tage der Euphorie, deren Vergänglichkeit mir schmerzhaft bewusst war. Man könnte sagen, meine materielle und moralische Lage war unhaltbar. Seit Langem hatte ich nichts mehr geschrieben, nach eigenem Verständnis war ich nichts. Ich wollte noch immer Schriftstellerin werden und weigerte mich arrogant, irgendwelche anderen Ziele in Betracht zu ziehen. (Wie sehr das einige meiner Freunde verstört und befremdet haben muss.) Und was die Talentfrage anging – die ich nicht beantworten konnte –, so war ich in der Position der Novizin, die mit leeren Händen Einlass begehrt: Über ihre Aufnahme entscheiden höhere Stellen.

Nicht mit völlig leeren Händen. Ich war im Jahr vor meiner Rückkehr nach Europa durch die Mesa von Mexiko gereist, ein Land, das ich gewählt hatte, weil es nicht in die zeitgenössische Politik verwickelt war. Dort, in einer warmen Nacht, auf der Terrasse einer Hacienda, in einem Liegestuhl unter dem subtropischen Himmel, der viel leerer, viel größer ist als derjenige in unserer Hemisphäre, für mich Europäerin fremd und geheimnisvoll, in dieser Nacht, beim Anblick dieses Himmels, ergriffen von einem Gefühl der Vergänglichkeit und Unendlichkeit, war mir die Idee zu einem Buch gekommen. Abstrakt, ekstatisch, beredt, aber sprachlos: eine Erscheinung, klar und komplex, die sich unsichtbar in mir bewegte.

Das Buch, das ich von da an schreiben wollte, sollte von Mexiko handeln, dem ältesten Land der Neuen Welt, dem Mexiko mit seiner furchtbaren Vergangenheit und der paradoxen Gegenwart, dem Land der Azteken und der Conquista, der Inquisition, des Silberrauschs, der Bürgerkriege, des Habsburgerreichs »al altro lado del mar«, jenseits des Ozeans, dem Land des Modernisierers und Diktators Díaz, dem ein neues Monte Carlo vorschwebte, es sollte handeln von Madame Calderón de la Barca, von D. H. Lawrence und Graham Greene, von meinen Erfahrungen, meinen Reiseerlebnissen, der Fremdheit, der Ferne, der endlosen lichthellen Landschaften, der Gewalt, der Absurdität: Allegro und Panik.

Zwischen Idee und Ausführung fällt der Schatten. Zunächst hieß es: aus Mexiko herauskommen (auf die richtige Seite des Ozeans). Ausländer schaffen es nicht immer – ach, diese anglo-amerikanischen Enklaven: das Klima, die niedrigen Lebenskosten, das riesige Angebot an Dienstpersonal (es gab Gerüchte über Leute, die in England nunmehr selbst abwaschen mußten). Für uns – meine Begleiterin war liebenswert, übernatürlich gebildet und eine geborene Nichtreisende – war es eine Frage von Entfernungen und grotesken, oft gefährlichen Verkehrsmitteln. Schließlich die Rückkehr nach Europa. Für mich freudig und traumatisch zugleich. Als mir das Jetzt oder Nie meines Schreibens klar wurde – Grübeleien und Notizen müssen ja zu etwas führen –, gab es noch andere Dinge zu berücksichtigen. Ich hatte überhaupt kein Geld mehr. Das wenige, von dem ich gelebt hatte – durch Übersetzen, Kochen und Sprachunterricht verdient und gespart –, war verbraucht. Keine Familie, die mir ausgeholfen hätte. Vernunft und Ehre geboten mir also, nach einem Weg zu suchen, wie ich meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Doch das hätte bedeutet, Italien zu verlassen, nach England zu gehen. Da war ich also, eine englische Schriftstellerin in spe, die sich – nicht als erste – zu einem Leben im Ausland hingezogen fühlte. Doch damals, die Europäische Union lag noch in weiter Ferne, durften Ausländer in Italien (oder Frankreich) nicht arbeiten, für einen selbstständigen Ausländer war schon die Erteilung eines permesso di soggiorno mühselig; sofern sich die Sache nicht durch douceurs oder Beziehungen regeln ließ, war das System eine unberechenbare Mischung aus bürokratischer Willkür, Laune und Meinungen – das Urteil des Portiers in einem nicht allzu schäbigen Hotel, das Konto im Minus oder Plus, das Renommee des Geschäfts, in dem man ein Kleidungsstück gekauft hatte, das Auftreten des Betreffenden: anständig, ordentlich angezogen, insgesamt signorile (wer sagt, dass England die einzige Klassengesellschaft ist?), ein sympathischer Eindruck war von Vorteil, auch wenn der eine oder andere Ganove durchkam. Und wenn die Aufenthaltserlaubnis früher oder später gewährt wurde, ein lächerliches Stück Papier, das man zusammengefaltet in der Tasche trug, war sie nur drei Monate gültig, die schon halb abgelaufen waren. Bald würde der Quasiaufenthaltsberechtigte das Land wieder verlassen müssen. Ein kleiner Ausflug über die französische Grenze, nach ein paar Tagen wieder zurück: In der Regel genügte das. Dann mussten wieder Formulare ausgefüllt (und Fotos beigefügt) werden. Ein Kinderspiel, wenn man, sagen wir, sich an der ligurischen Küste aufhielt, nicht aber, wenn man gerade eine Villa in der Bucht von Neapel oder auf Capri gemietet hatte. Einige unterwarfen sich dieser Posse von Zeit zu Zeit, andere ließen es darauf ankommen, plötzlich nach den documenti gefragt zu werden. Autofahrer mussten am ehesten mit dem erregten »Deve partire!« eines Gesetzeshüters rechnen: »Sie müssen das Land verlassen!« Ich habe diese Aufforderung einmal gehört, war völlig aufgelöst. Eine Aufenthaltserlaubnis zu besitzen, ordentliche Papiere zu haben war über sehr lange Zeit ein Albtraum für sehr viele Menschen. Ich hatte viel zuviel Angst, als dass ich (wie auch immer getarnt) eine bezahlte Arbeit gesucht hätte.

Ein Dilemma? Eine Ausrede? Wollte ich wirklich einen Job haben (Qualifikationen?) und am Wochenende und nachts schreiben, wie das die Disziplinierten und Asketischen tun? Nein. Heute staune ich über meine Unbekümmertheit – was hatte ich mir denn vorgestellt? Ich hatte keinen Plan. Die Lösung kam unerwartet, unaufgefordert: Allanah Harper, eine Freundin aus der Vorkriegszeit, letztendlich Freundin für mehr als ein halbes Jahrhundert, wollte mich drei Jahre lang finanzieren – »damit du mit deinem Mexiko-Buch vorankommst«. Dieses Geschenk war ein Akt der Großzügigkeit, Zuneigung und des Vertrauens, der nicht vergessen werden sollte, den ich jetzt mit großer Freude bekannt gebe. Allanah war nicht vermögend, und dass sie mir Geld gab, bedeutete für sie eine deutliche finanzielle Einschränkung. Später erzählte sie mir, dass sie einen Dauerauftrag eingerichtet habe, weil sie es nicht fertiggebracht hätte, Quartal für Quartal Geld zu schicken. Dass sie so darüber sprechen konnte, ist ein weiteres Zeichen ihrer Großzügigkeit. Finanzielle Vereinbarungen laufen selten so glatt.

Das war Ende der vierziger Jahre, in einer Zeit einschneidender Devisenvorschriften. Waren es fünf Pfund, die man aus England ausführen durfte, oder zehn Shilling? Die Beschränkungen wurden allmählich gelockert (wir sollten nicht vergessen, dass die Devisenbestimmungen erst 1979 unter Mrs. Thatcher völlig abgeschafft wurden). Die regelmäßigen Schecks zugunsten einer römischen Bank waren gesetzeskonform, weil Allanah, die Gönnerin, damals nicht in Großbritannien wohnhaft, über ausländische Guthaben verfügen durfte.

Und so konnte ich, angeregt durch Martha Gellhorn, die scharfzüngige neue Freundin, und ihren schroffen Kommentar über nichtschreibende Schriftsteller, während eines heißen Sommers auf Ischia endlich mit dem Schreiben anfangen.

Zweites Kapitel

Nachkriegs-Ischia: Kampf um die erste Seite – Wiederbegegnung mit einer Vergangenheit – Die Zwanzigerjahre an einem italienischen See, ein alter Skandal im Kaiserreich – Südfrankreich, Dreißigerjahre: Freundlichkeiten – Flucht aus Ischia

Dieser Anfang war so schwer wie jeder andere davor und danach. Noch heute spüre ich das stickige Zimmer, in dem ich am frühen Nachmittag auf und ab gehe, die Sonne auf dem flachen Dach des Gästepavillons, wie ich der ungeordneten Flut von Wörtern Herr zu werden versuche, mich dem leblosen Stapel Papier nähere, mich dann wieder abwende: die Überraschung, als ich, wie auf Diktat, einen Satz niederschreibe, vermutlich das, was Ernest Hemingway unter dem einen wahren Satz verstand. »Es kommt nur darauf an«, sagt er, »einen wahren Satz zu finden, alles andere ergibt sich dann von selbst.«

Mit einer Geschichte beginnen, einem Arbeitstag, einem Buch … Ich habe nicht den absurden Anspruch, meine Anstrengungen mit denen eines solchen Meisters zu vergleichen, ich erwähne ihn nur, weil das, was er über den Ursprung und den Akt des Schreibens wußte, wichtig ist für jeden, der schreiben will, richtig schreiben, wie Hemingway wohl sagen würde. Ein anderes seiner Rezepte begleitet mich seit Langem – seit ich ein richtiges Arbeitsleben führe, anders als damals: »Ich habe immer gearbeitet, bis ich etwas geschafft hatte, und aufgehört, wenn ich wußte, was als nächstes passieren würde. Das verschaffte mir die Gewissheit, dass ich am nächsten Tag weitermachen konnte.« Es ist fatal, den Brunnen auszuschöpfen … In meinem Fall war zudem zweifelhaft, ob es den Brunnen überhaupt gab. Mir war ein Satz eingefallen, in dem aber nicht Mexiko vorkam, sondern ein Bahnhof in New York. Ich war überrascht, doch der Satz klang richtig, und er gab mir die Möglichkeit weiterzumachen …

Dieser Satz, und der anschließende Dialog, wurde nach jenem Tag im Juli 1949 mit keinem Wort, keinem Komma verändert … nicht am darauffolgenden Morgen, nicht in den Korrekturfahnen, Neuauflagen, Taschenbuchausgaben, nicht von anderen Verlagen: Grand Central Station und die Thermen des Caracalla, so fremd, so scheinbar ohne Bezug zu meinem Thema, stehen unabänderlich auf der ersten Seite.

In jenen Wochen auf Ischia lag das alles noch in weiter Ferne; entscheidend war, dass es mit dem Buch voranging, und zugleich die Entdeckung, dass ich mit einer anderen Stimme als sonst schrieb. In meinem inneren Ohr klang nicht mehr der Tonfall Aldous Huxleys an.

Was hatte sich verändert in diesem langen Zeitraum der Entmutigung, gestützt durch Nichtstun? Andere Gesellschaft, andere Stimmen. Zeit.

Es hatte die Trennung von den beiden Menschen gegeben, denen ich am meisten verdanke, die meine Lehrer waren, moralisch, intellektuell, deren Verhalten und Überzeugungen, so hoffe ich, nach wie vor die Grundlage meines Denkens und Tuns sind. Aldous und seine geliebte Frau Maria hatten Europa im Frühjahr 1937 verlassen. Sine die.

Es war nicht Aldous’ konkrete Anwesenheit, die diesen ungeeigneten Zauber auf meine stilistischen Versuche ausgeübt hatte. Mir blieben seine Bücher. Seine neuen lese ich noch immer. (Er schrieb etwa drei Bücher in zwei Jahren.) Sie standen im Glanz seines Übergangs vom Schriftsteller und Skeptiker zum Prediger und Guru. Dass er von Verzweiflung und Ironie über das Schicksal der Menschheit zu Verzweiflung und praktiziertem Mitleid fand, war mir nicht sonderlich sympathisch. Ich hatte sogar die Vermessenheit, eine halbwegs kritische Besprechung von Grey Eminence zu schreiben, seinem biografischen Roman über den Kapuzinermönch Père Joseph, der zu Richelieus rechter Hand aufstieg und, zum größeren Ruhm Frankreichs, eines der wichtigsten Bindeglieder war »in der langen Kette von Verbrechen und Wahnsinn, die die heutige Welt mit ihrer Vergangenheit verbindet«. (Aldous schrieb mir nach dieser Rezension einen netten, ziemlich traurigen Brief, in dem er von seinen Zweifeln an »einer ganz und gar menschlichen Welt« sprach. Aber er war eben, neben vielem anderen, ein furchtbar netter Mensch.)

Meine eigene Lektüre hatte sich nicht groß verändert; noch immer viel Französisches, Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts, Mallarmé, Rimbaud, Baudelaire, Paul Valéry; gelegentlich Pascal, die Aphoristiker; eher Flaubert als Dickens oder Trollope; jedes Jahr Stendhals Le Rouge et le Noir von Anfang bis Ende und dem unausweichlichen Schock; Colette … Die englischen Schriftsteller, die ich zum Vergnügen las (und um ihnen nachzueifern, wie ich heute vermute), waren Evelyn Waugh, Cyril Connolly, die frühe Ivy Compton-Burnett. Treue Abonnentin des New Statesman.

In jüngster Zeit war ich durch meine neue Freundin Martha mit ihrer wunderbar rauen Stimme einem schnellen, gnadenlos umgangssprachlichen Amerikanisch ausgesetzt. Wir hatten uns in Rom kennengelernt, wo sie die Adoption eines italienischen Kindes in die Wege leitete. Alle lagen Martha sofort zu Füßen: Der klügste, ehrenhafteste und moralischste Mensch, dem man je begegnet war, sagte man sich, und noch dazu brachte sie einen ständig zum Lachen. Hemingway (inzwischen Ex-Ehemann) glaubte, die Jungfrau Maria in ihr gefunden zu haben, und konnte ihr nicht verzeihen, dass sie sich am Ende als – sehr überlegenes – Collegegirl entpuppte. Im Lauf der Jahre machten manche von uns ähnliche Erfahrungen: von ehrfurchtsvollem Respekt zu Desillusionierung zu Verurteilung. Anderen ging es anders. Martha war ein hochkomplexer Mensch. Ich verdanke ihr viel, in mancherlei Hinsicht; und ihre atemberaubend kraftvolle Sprache könnte den entscheidenden Anstoß geliefert haben, der mein Schreiben in Gang setzte.

 

Ischia – die Tatsache und die Umstände meines Aufenthalts dort und bei wem – war eine unangenehme und demütigende Erfahrung, der ich nicht gewachsen war. Auch das hatte mit Martha zu tun. Martha, die unerschrockene Kriegsreporterin, die von Madrid aus über den Spanischen Bürgerkrieg berichtet hatte, vom finnischen Winterfeldzug, vom Vormarsch der Alliierten bis hinauf nach Cassino, die einen Tag nach D-Day – als blinder Passagier – in der Normandie gelandet war. Nun, eines schönen Tages, auf einer ihrer meteorgleichen Fluchten aus Rom (für vierundzwanzig Stunden, »nichts wie weg hier«), schlenderten wir über die Piazza auf Ischia, als Martha plötzlich sagte: »Herrje! Sieh dich nicht um – dort ist die Baronessa, wie sie hier heißt – diese Kraut, die mit Ciano und Franco und all den anderen dick befreundet war … Ich fass es nicht, wie kann sie es wagen, hier aufzukreuzen! Sie muss doch eine der niederträchtigsten Frauen in Europa sein.«

Mein Gott, dachte ich, das ist doch unmöglich! Aber es stimmte tatsächlich.

Ich musste mich nicht umdrehen, sie kam direkt auf uns zu und sprach mich sofort an: »Billi!«

Ich wurde nicht zu Stein, wie ich es mir gewünscht hätte. Sie hatte tatsächlich mich gemeint (Martha hatte sich verzogen), und mit dem Namen, den sie verwendet hatte, wurde ich schon lange nicht mehr angeredet, ein Kindername, den nur noch alte Freunde von damals kannten. Und genau das war sie. Sie war eine Freundin der Familie, Freundin und Vorbild meiner Kindheit und Jugend. Meine Mutter, eine halbe Generation älter als sie, hatte an ihr gehangen. Sie war auf eine trocken-unterkühlte Weise amüsant, völlig von sich eingenommen und außerordentlich gescheit. Damals konnte sie mich um den kleinen Finger wickeln. Ich wusste andeutungsweise, dass sie ein-, zweimal versucht hatte, mit einem unpassenden Burschen durchzubrennen. Bestimmt fünfzehn Jahre hatten wir uns nicht mehr gesehen, und eigentlich wollte ich auch gar nicht wirklich wissen, was sie gemacht hatte. Ich wußte, wo sie gewesen war – auf der falschen Seite. Irgendwann hatte sie geheiratet, einen deutlich älteren Mann, einen deutschen Diplomaten alter Schule, der nach 1933, nach Hitlers Machtantritt, weitergemacht hatte. Mir reichte das. Ich brach jeden Kontakt ab. Nur symbolisch, denn sie war weiterhin an der Botschaft, während wir, meine Mutter und ihr junger italienischer Mann, in Südfrankreich lebten. Dort lebte allerdings auch ihre Mutter, eine liebenswürdige ältere Dame (die in meiner Jugend in schwierigen Situationen überaus freundlich zu mir gewesen war), die ich törichterweise prompt ebenfalls schnitt, eine Bewohnerin des Fischerdorfs, in dem mein Stiefvater einige Jahre zuvor ein Haus für sie hergerichtet hatte.

Nun stand also die Tochter (nicht die Mutter) vor mir. Kühl und hochgewachsen, groß und schlank wie Martha, nur noch größer und schlanker: Sie war wirklich riesengroß. Und ebenfalls blond, mit feinen Gesichtszügen. Sie lächelte freundlich, wenn auch leicht ironisch. »Billi«, sagte sie, »was machst du denn hier?«

Sie musterte mich amüsiert. »Du siehst etwas abgerissen aus«, sagte sie. Wieder dieses spöttische Lächeln. »Kommt vermutlich daher, dass du auf der Seite der Sieger warst.«

Sie selbst war tadellos gekleidet – weiße Seidenbluse, Goldkette, schlicht, aber schwer, perfekt geschnittener Faltenrock, leichte griechische Sandalen –, eine Eleganz, die man mehr mit Italienerinnen als mit Deutschen ihres Standes assoziieren würde.

»Issa …«, sagte ich mit heiserer Stimme.

Sie hieß Isabella, ihr Ehename war Isabella von N., Baronin N. Nie hatte jemand Isa oder Bella zu ihr gesagt; immer nur Issa – kurzes I, scharfes S, das klang härter und smarter. Es passte zu ihr.

»Wir wohnen hier«, sagte sie. »Wir haben ein Haus in der Nähe von Porto. Haben es gerade erst fertiggestellt. Ist wirklich schön. Du musst uns besuchen. Wo wohnst du?«

Ich sagte: »In einer pensione … Ich glaub …«

»Mir willst du’s nicht verraten? Auf dieser Insel? Wie lächerlich!«

Ich wusste tatsächlich nicht, wo Martha übernachten wollte, in der Pensione Bella Vista oder in Mezza Luna, und ging in die Falle, begann zu erklären.

Issa verlor das Interesse. »Was ist mit den alten Freunden? Wo ist Jacko? Sie soll eine schwere Zeit durchgemacht haben … Und Doris? Das war schlimm, sehr schlimm …«

(Jacko war meine Schwester, meine Halbschwester; Doris ein Mädchen, das eine Weile in unserem Leben aufgetaucht war. Die drei – Issa, Jacko, Doris –, etwa zehn Jahre älter als ich, hatten eine kurze jeunesse dorée miteinander verbracht. Ihre Lebensverhältnisse, nicht ungleich, wurden zusehends ungleicher. Ihre Wege gingen auseinander. Wäre das Berlin der Zwanzigerjahre etwas weniger zweifelhaft, etwas weniger untergangsgeweiht gewesen, hätten sie wohl weiterhin dieselben Bälle besucht.)

»Doris, armes Dummerchen … aber wenn man sich zur falschen Zeit mit Kommunisten einläßt … In Paris konnten wir nichts für sie tun.«

Ich ahnte, dass sie gefragt werden wollte, ob sie es versucht habe. Ich schwieg.

In Paris etwas tun hieß: Paris unter deutscher Besatzung, hieß Beziehungen zur Kommandantur, zur Gestapo spielen lassen.

»Billi, Kleines, sei nicht so überheblich – ich weiß genau, was du denkst –, ihr wart keine Realisten, weder du noch deine Mutter. (Die ich innig geliebt habe.)« Ich wusste, dass das stimmte, und es versetzte mir einen weiteren Stich. »Sie konnte sich in unvorstellbare Schwierigkeiten bringen, wusste sich nicht zu schützen. Das wissen Idealisten nie. Für Frauen wie sie ist ein früher Tod gar nicht so schlecht. Überhaupt ist die Geschichte für den einzelnen grausam, also muss man lernen, mit den verfügbaren Mitteln Ausweichmanöver zu unternehmen. Weil ich in einer Zeit, in der man den Mund halten mußte, den Mund hielt, konnte ich ein paar Dinge tun … Dinge, die dir gefallen hätten – ja, in Paris und anderswo. Billi, nur wenige Dinge sind eindeutig schwarz oder weiß …«

»Manche doch«, sagte ich verbissen.

»Ich habe ein paar Juden gerettet.« Und in mein Schweigen hinein: »Und du? Ich hatte zufällig Einfluss und habe ihn genutzt. Dir wäre vermutlich lieber, ich hätte mit den Flüchtlingen in Cafés herumgesessen.«

 

Als ich mich schließlich wieder Martha zuwenden konnte, fand ich sie in einer Bar. Sie hatte einen Martini für mich kaltstellen lassen. »Ich dachte, das würdest du brauchen können.«

Martha hatte aus dem befreiten KZ Dachau berichtet. Für sie waren alle Deutschen verachtenswert, unberührbar. (Mir ging es seinerzeit nicht viel anders.) Nun erwartete ich, eine Abfuhr zu bekommen, weil ich nicht ausgespuckt hatte und weggelaufen war. Insgeheim, tief in meinem Innern, hielt ich mich selbst wegen meiner Herkunft für nicht vertretbar, auch wenn ich mich schon früh von ihr distanziert hatte. (Dass Martha ebenfalls deutscher oder teilweise deutscher Herkunft war, konnten wir uns kaum eingestehen, geschweige denn aussprechen. Ihre Geschichte reichte weiter zurück, da ihr Vater das Kaiserreich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts voller Abscheu verlassen hatte. Martha, die Glückliche, war gebürtige Amerikanerin.)

Ich setzte mich und vergrub den Kopf in den Händen.

»Es stimmt also? Die Kraut-Baronessa kennt dich?«

Ich stöhnte.

»Ich habe euch beobachtet, sie schien entzückt, dich zu sehen, hat aber nicht versucht, dir die Hand zu geben.«

»Und mich auch nicht links und rechts geküßt – sie ist viel zu clever. Sie fand, ich sehe abgerissen aus.«

»Was man von ihr nicht sagen kann. Les signes extérieurs de richesse … Die Garderobe muß ganz schön was gekostet haben.«

Auch Marthas Sachen waren schlicht, makellos, kleidsam. Sie trug meist Konfektionskleidung, und aus Prinzip nichts von der Upper Fifth Avenue.

»Abgesehen von der Kette«, sagte ich. »Die hat sie nichts gekostet. Die hat sie geschenkt bekommen. Vom Generalissimo.«

»Nein! Erzähl, was hat sie gesagt? Wie klang sie?«

»Fröhlich aggressiv.«

»Angriff als beste Verteidigung?«

»Ach, ich glaube nicht, dass sie sich verteidigen musste«, sagte ich. »Es war völlig klar, dass ich eine armselige Kontrahentin war. Ihr hat es einfach Spaß gemacht, unverschämt zu sein. Das kann sie wirklich gut, du hättest sie hören sollen. Ich tat ihr leid, weil ich keinen Erfolg habe, weil ich knapp bei Kasse bin (sie hat das sofort gemerkt). Sie machte einen Witz über meine Mütze, aber das war gutmütig und ehrlich gemeint.«

»Glaub ich sofort«, sagte Martha.

Die Mütze – ich hatte sie abgesetzt – war eine Art Fischermütze, aus blauem Stoff mit einem langen Schirm aus Pappe, lang und schmal wie der Schnabel eines großen Vogels. Ich trug sie etwas schräg, gegen die tief stehende Sonne. Der Schirm war schon etwas lädiert. Mir war klar, dass Martha nicht gern mit mir gesehen werden wollte, wenn ich diese Kopfbedeckung trug.

»Und die ganze Zeit war ich verlegen«, sagte ich. »Nicht weil ich in ihren Augen keine bella figura machte, das fand ich ganz witzig, sondern weil ich sie verurteilte, unausweichlich, gnadenlos … ich verurteilte eine alte Freundin. Jede von uns fühlte sich überlegen. Natürlich sah sie das überhaupt nicht so.«

»Weil sie begriffsstutzig ist?«

»Sie ist nicht begriffsstutzig.«

»Arrogant?«

»Arrogant geworden, vielleicht. Issa war immer gut darin, Fassaden zu errichten. Das musste sie oft.«

»Issa …?«

Wie hätte ich sie sonst anreden sollen? Selbst in meinen Gedanken hieß sie so.

»Ich kenne sie seit meiner Kindheit, als wir in Italien waren – sie war blutjung damals, heute muß sie in den Fünfzigern sein, was man ihr nicht ansieht. Sie und ihre Mutter wohnten im Sommer immer bei uns, bevor wir später nach Frankreich zogen, und lange, sehr lange, bevor sie ihren Botschafter heiratete oder auch nur daran dachte, ihn zu heiraten.«

»Hat sie jetzt von ihm gesprochen?«

»Nicht direkt.«

»Sie soll seine graue Eminenz gewesen sein«, sagte Martha, die mehr über diese ganze Geschichte zu wissen schien als ich. »Nicht dass ich sie je gesehen hätte – damals waren sie wohl die Vertreter Deutschlands in Burgos, während wir in Madrid kämpften. Nicht so grau, wie mir inzwischen klar ist. Sie sieht aus wie eine Frau, auf die die Männer hereinfallen, junge Männer, alte Männer, die Sorte Frau, für die ein Mann alles tut.«

»Ja«, sagte ich. Ich hatte es erlebt, immer wieder. »Aber das war auf privater Ebene.«

»Franco soll ihr aus der Hand gefressen haben.«

»Genau das hat sie mir gerade erzählt.«

»Ach ja?«

»Sie sagte: ›Franco hat uns zugehört, was Hitler überhaupt nicht gefiel.‹«

»Ganz schön starker Tobak!«

»Sie hat dazu beigetragen – was eines Tages als solches gesehen werden wird, glaubt sie –, dass Spanien neutral blieb. Sei auf der Kippe gestanden. Habe aber funktioniert. Sie erzählte mir auch, dass sie am 3. September 1939 bei Ciano war, in Rom, in seinem Büro, dem Privatzimmer hinter seinem Büro, die beiden ganz allein, sie beschwor ihn, er solle seinen Schwiegervater überreden, nicht an der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten. Was meinst du, ob daran etwas wahr ist?«

»Sie soll mit Ciano ja dick befreundet gewesen sein.«

Ich stöhnte wieder. »Wollte sie mir erzählen, dass sie – und ihr Mann, der Botschafter – insgeheim gegen Deutschland gearbeitet haben, gegen den deutschen Sieg? Warum wollten sie sonst den Beitritt Italiens hinauszögern und Spanien aus dem Krieg heraushalten?«

»Als nächstes wird sie dir erzählen, sie sei nie für die Nazis gewesen.«

»Nein. Sie wäre viel zu stolz, das überhaupt zu erwähnen. Übrigens bin ich sicher, dass sie das auch nie war. Nazianhängerin.«

Jetzt stöhnte Martha.

»Anscheinend gibt es noch eine besondere Wendung in ihrer Geschichte«, sagte ich. »Sie wurden zurückgerufen. Wusstest du das? Nach Berlin. 1942, glaube ich. Sie sagte: ›Wir waren nicht die Ratten, die das sinkende Schiff verließen, sondern Ratten, die an Bord geholt wurden, um ertränkt zu werden.‹ Sobald ihr Zug die spanische Grenze passiert hatte, standen sie unter Bewachung, SS-Leute – in Zivil, diskret. Sie wurden noch immer als Exzellenzen behandelt. Sie wusste sofort Bescheid. Anders als er. Ihnen blieben noch ein paar Stunden während der Fahrt durch Vichy-Frankreich. Es gelang ihr, einen SS-Mann zu überreden, ihnen zu helfen – sie gab ihm zu verstehen, wie –, und nachts bei einem kurzen Halt irgendwo konnten sie und ihr Mann den Zug verlassen. Sie trugen Mäntel über ihren Pyjamas. Es gelang ihnen, unterzutauchen, sie schafften es schließlich über die Schweizer Grenze, baten dort um Asyl, das ihnen auch gewährt wurde. Wie sie später erfuhr, wurde der SS-Mann (statt ihrer) bei der Ankunft in Berlin verhaftet und zum Tod verurteilt. ›Er hat mit dem Leben bezahlt‹, sagte sie.«

»Das hat sie dir alles erzählt?«

»Sie sagte, es gebe noch viel mehr – vielleicht könne ich ihre Memoiren schreiben. Sie meinte es ernst. Gott bewahre!«

»Aus dir wird nie eine Journalistin«, sagte Martha streng. »Du musst sie ausquetschen, du musst Fragen stellen.«

»Würdest du das denn?«

»Selbstverständlich. Ist dir nicht klar, dass die Baronessa und ihresgleichen die einzigen sind, die uns schildern können, wie es war, was sie dachten, worüber sie sprachen? Die ganz Großen sind nicht mehr da, die Angeklagten von Nürnberg sind tot oder dort, wo du und ich auf lange Zeit nicht mit ihnen sprechen können. Du musst sie dir noch einmal vorknöpfen.«

»Sie hat mich für morgen zu sich nach Hause zum Mittagessen eingeladen.«

»Und du hast abgelehnt?«

»Sie hat mir gar keine Chance gelassen, ja oder Nein zu sagen, sie sagte nur über die Schulter: ›Viertel nach zwei, halb drei‹, und war verschwunden.«

 

Du kennst Issa gut, nicht wahr? hatte Martha etwas später gefragt. Ja, ich kannte sie gut. Ihre Vorfahren, ihre Geschichte waren Teil dieser Echos aus einer Vergangenheit vor der Zeit ihrer und meiner Eltern, die ins neunzehnte Jahrhundert und noch weiter zurückreichte und von der ich erstmals als Kind gehört hatte, Echos, die in Anekdoten und Andeutungen über Ereignisse und deren Beurteilung widerhallten, denen ich in meiner Jugend und später keine Beachtung geschenkt hatte, bis sie – besitzergreifend, beharrlich, klar – als Material für ein Buch an die Oberfläche stiegen. Ein Vermächtnis (mein erster veröffentlichter Roman) stützte sich auf Indiskretionen von Hauslehrern und Bediensteten, Meinungen von Gouvernanten, Tischgespräche von älteren Mitgliedern einer angeheirateten Stieffamilie, Erzählungen meines Vaters, lebendig und anschaulich; auf das Talent meiner Mutter, private Erlebnisse im Licht literarischer und historischer Interpretation zu schildern.

Zu diesem Bestand an Jugenderinnerungen – nicht immer nur aus zweiter oder dritter Hand – gehörte auch die Baronessa. So wurde sie (mit theatralischem Unterton) auf Ischia genannt, wo sie in den Nachkriegsjahren eine vertraute Erscheinung war: bewundert, ungeliebt, ein wenig gefürchtet. Sie trug tatsächlich den Titel Baronin, und als Gattin eines Ex-Botschafters hatte sie überdies Anspruch auf die Anrede »Exzellenz«. Ihre italienischen Hausangestellten redeten sie auch mit Eccellenza an. (Freundin Martha setzte mir so lange zu, dass ich tatsächlich zu dem Essen ging, zu dem Issa mich eingeladen hatte.)

Issa war noch Fräulein von Hahn und Gast im Haus meiner Mutter, das in jenem Jahr eine gemietete Villa am Gardasee war, und ich ein Kind, angereist aus England (wo ich eine anständige Schulbildung erhalten sollte), um den Sommer in Italien zu verbringen. Bei meiner Ankunft waren Mutter und Tochter Hahn schon da, hatten sich in den beiden schönsten Gästezimmern eingerichtet. Meines war nicht besonders schön. Kinder haben oder hatten eine Begabung dafür, jeden Fait accompli hinzunehmen; was sie nicht daran hindert, Gefühle zu haben. Ich freute mich über die Anwesenheit der beiden. Sie brachten meine Mutter zum Lachen. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, und das Haus war erfüllt von den Gesprächen der drei Frauen. Frau von Hahn war klein, mit einem schmalen Gesicht, das einmal schön gewesen sein musste, nun aber irgendwie eingeschrumpft wirkte. Es sah aus, als habe sich ihr Körper im Bewusstsein einer erforderlichen Zurückhaltung irgendwann klein gemacht, eine physische Reaktion auf das Bedürfnis, möglichst wenig Raum einzunehmen. Dies, und der dazugehörige Anlass, musste in einer Vergangenheit passiert sein, denn nun machte sie den Eindruck eines wachen, gut gelaunten, ja, fröhlichen Menschen, der bereit war, all die guten Dinge zu genießen, die unsere Gesellschaft bereithalten mochte. Sie war etwa zehn Jahre älter als meine Mutter (die zu dieser Zeit Ende Dreißig war) und sah noch älter aus. Ihre Garderobe war unauffällig, dabei weder billig noch unkleidsam. Ihre Tochter sagte Mamuschka zu ihr, und wir wurden aufgefordert, es ihr gleichzutun, was wir auch taten. Wir – das hieß, auch Alessandro, der junge Stiefvater, den meine Mutter ein Jahr zuvor in aller Stille geheiratet hatte, und einige seiner Brüder – er kam aus einer großen Familie –, alles durchweg gut aussehende Männer. Mamuschka vergötterte Issa, war meiner Mutter ergeben und stand offensichtlich unter beider Fuchtel.

Issa, knapp zwanzig, bewegte sich mit lässiger Eleganz und Selbstbeherrschung. Sie war, wie gesagt, groß und langbeinig, hatte einen wohlgeformten Kopf und eine klare, seidige Haut, die nie blass oder erhitzt wirkte. Ihre Gesichtszüge waren fein. Sie sah gut aus – in jeder Hinsicht. An manchen Tagen, bei bestimmtem Licht, wurde sie als schön bezeichnet. Man hätte annehmen können, dass sie für den Geschmack südländischer Männer zu groß, zu kühl, zu nordisch war. Dass dies nicht der Fall war, zeigte sich am Verhalten der Brüder, die sie überragte. Männer umschwärmten sie, selten vergeblich. (Ein Faktor, der eine gefährliche Rolle spielte bei ihrer späteren Entschlossenheit, eine annehmbare Stellung in der konventionellen Oberschicht zu behalten.) Im nahe gelegenen Hotel waren ein paar Bewunderer abgestiegen, die den Hahns aus Deutschland in die Sommerferien nachgereist waren, junge Siegfried-Gestalten, Herr von X und Freiherr von Y, ebenso groß und blond wie Issa. Wenn sie Rivalen waren, so wußten sie sich zu benehmen, formvollendet gegen einander und gegen die italienische Konkurrenz – dafür sorgte Issa. Es lag Spannung in der Luft, aber es gab keine offenen Kämpfe oder Annäherungsversuche. Issas Mutter, zutiefst arglos, betrachtete diesen Trupp als unvermeidliche und durchaus angebrachte Anerkennung für ihre einzigartige Tochter und beobachtete das Treiben mit wohlwollender Toleranz und leichtem Spott. Meine Mutter, viel weniger arglos, ebenso vernarrt in Mamuschka wie in Issa, bemühte sich, beiden loyal zu sein, indem sie die Naivität der einen schützte und die andere vor dem Durchschautwerden bewahrte.

 

Emma von Hahns Vater, Issas Großvater, entstammte einer Hugenottenfamilie. Seine Vorfahren, französische Protestanten, waren auf Einladung Friedrichs des Großen nach Preußen gekommen und dort, wie so viele ihrer fähigen, fleißigen und aufrechten Schicksalsgenossen, zu Wohlstand gelangt. Die frühen Generationen hatten sich als begabte Uhrmacher einen Namen gemacht. Der eigentliche Aufstieg zu Geld und Ansehen kam mit Issas Großvater in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, in den Jahren nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Reichsgründung. Die Gründerjahre.