Claudia Leoni-Scheiber

Der angewandte

Pflegeprozess

Claudia Leoni-Scheiber, DGKS, Universitätslehrgang für lehrendes Krankenpflegepersonal an der Universität Wien, Pflegelehrerin an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule am a. ö. Krankenhaus St. Vinzenz Betriebs GmbH in Zams/Tirol. Seminar- und Vortragstätigkeit.

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Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Lektorat: Barbara Köszegi

Umschlagfoto: creativ collection

Satz und Druck: Facultas AG

Printed in Austria

ISBN 3-85076-664-0 print

ISBN 978-3-99030-899-8 epub

Inhalt

Vorwort

1Pflegeprozess und Pflegedokumentation

1.1Der Pflegeprozess

1.2Die Pflegedokumentation

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

2Qualitätsstandards für die Pflegedokumentation

2.1Gesetzliche Grundlagen

2.2Formale Kriterien

2.3Systematik der Pflegedokumentation

2.4Risiken einer mangelhaften Dokumentation

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

3Pflegeanamnese

3.1Definition

3.2Informationen vor dem persönlichen Erstkontakt

3.3Aufnahme einer professionellen Pflegebeziehung

3.4Information der PatientInnen

3.5Das Anamnesegespräch

3.6Weitere Elemente der Anamnese

3.7Informationsquellen

3.8Informationstypen

3.9Auswahl und Ordnung der Daten

3.10Validierung der Daten

3.11Dokumentation

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

4Diagnostischer Prozess

4.1Definition, Rahmenbedingungen und Vorgehensweise

4.2Modelle des diagnostischen Prozesses

4.3Schwierigkeiten

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

5Pflegediagnosen

5.1Definitionen

5.2Die Notwendigkeit von Pflegediagnosen

5.3Arten von Pflegediagnosen und ihre Schreibformate

5.4Hilfen zur Erstellung und Formulierung von Pflegediagnosen

5.5Freie Formulierung versus Klassifizierung

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

6Pflegeplanung

6.1Vorarbeiten

6.2Pflegeziele

6.3Pflegemaßnahmen

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

7Durchführung der Pflege

7.1Was die Umsetzung der geplanten Maßnahmen beeinflusst

7.2Schriftliche Bestätigung der durchgeführten Handlungen

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

8Evaluation

8.1Definitionen

8.2Der Evaluationsprozess

8.3Dokumentation der Evaluationsergebnisse

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

9Faktoren, die den Pflegeprozess beeinflussen

9.1Pflegeverständnis, Pflegemodell, Leitbild

9.2Erforderliche Qualifikationen des Pflegepersonals

9.3Arbeitsablauforganisation

9.4Aufbauorganisation

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

10Evaluationsinstrument Pflegevisite

10.1Definitionen

10.2Ziele der Pflegevisite

10.3Voraussetzungen

10.4Durchführung

Zusammenfassung

Fragen zur Wissensüberprüfung

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Mein Lehrerinnenalltag in der Gesundheits- und Krankenpflege ist geprägt von Transferschwierigkeiten. Es gelingt kaum, den Pflegeprozess theoretisch und praktisch so zu vermitteln, dass ihn die Auszubildenden am Krankenbett effizient anwenden können. KollegInnen auf den Stationen, im Altenheim oder in der ambulanten Pflege können die SchülerInnen in nur wenigen Fällen unterstützen/korrigieren, weil sie selbst hinsichtlich der Formulierung und Handhabung des Pflegeprozesses oder aufgrund widriger Rahmenbedingungen (z.B. Personalmangel) Probleme haben. Auch das Verständnis der Eigenverantwortung – fachlich weisungsfrei zu handeln und persönlich für diese Handlungen zu haften – hat sich in der Praxis noch nicht flächendeckend etabliert. Zudem wird die prozessorientierte Pflegedokumentation vielerorts als zu aufwändig und übertrieben empfunden.

Deshalb war es mir wichtig, eine theoretisch fundierte und zugleich praktikable Form von Lehr- und Lernunterlage zu schaffen.

Was dürfen Sie konkret von dem vorliegenden Buch erwarten?

Zunächst erläutere ich die beiden zentralen Begriffe Pflegeprozess und Pflegedokumentation, anschließend gebe ich einen Überblick über die Ist-Situation und Komponenten des „Solls“ der Pflegedokumentation. Die weiteren Kapitel gehen detailliert auf die einzelnen Schritte des Pflegeprozesses ein – Pflegeanamnese, (diagnostischer Prozess), Pflegediagnose, Planung, Durchführung und Evaluation. Schließlich gehe ich auf die Faktoren ein, die den Pflegeprozess beeinflussen und zuletzt auf das Evaluationsinstrument Pflegevisite. Einige Themen, wie die Entlassungsplanung und EDV-Dokumentation, werden aus Platzgründen nicht oder nur am Rande besprochen. Jedes Kapitel beginnt mit Lernzielen, die Sie durch das Studium erreichen können, und endet mit einer Zusammenfassung sowie Wissensfragen, anhand derer Sie das Gelesene reflektieren können. Zudem finden Sie eine Vielzahl von Merksätzen und Beispielen aus der Praxis.

Das Buch wendet sich insbesondere an SchülerInnen der Grundausbildung, aber auch an TeilnehmerInnen von Weiter- und Sonderausbildungen wie z.B. für das mittlere Management oder für Intensivpflege. Das Buch soll Sie die gesamte Ausbildungszeit über begleiten. Vor Ort am Krankenbett soll das Buch Formulierungshilfe und Nachschlagewerk sein. Für LehrerInnen ist es die ideale inhaltliche Ergänzung zum Begleitbuch, in dem ich den Pflegeprozess anhand des pädagogischen Modells nach Franz Fischer darlege. Dieses ermöglichte erstmalig einen zufrieden stellenden Transfer des Gelernten in die Praxis.

In diesem Zusammenhang darf ich mich bei all meinen SchülerInnen, SeminarteilnehmerInnen, LehrerkollegInnen und KollegInnen vor Ort für die vielen Rückmeldungen und Diskussionen, von denen ich stark profitiere, bedanken. Ganz besonderer Dank gilt meiner Direktorin Fr. Beate Zangerl und meiner Kollegin Fr. Petra Hohenauer, die das Buchprojekt vorantrieben, mir notwendige Ressourcen zur Verfügung stellten und mich mental unterstützten. Fr. Mag. Schlüter gebührt großer Dank für Ihre Ausdauer, Geduld und die Anregungen, die sie mir vermittelte. Bei Fr. Dr. Hanna Mayer darf ich mich für ihre Ideen bedanken. Abschließend möchte ich meiner Familie, insbesondere meinem Ehemann Klaus für sein Verständnis und den großartigen Rückhalt Danke sagen.

Hinweise zum Gebrauch dieses Buches

Die Lernziele eines jeden Kapitels sind in einer anderen Schrift hervorgehoben.

Merksätze bzw. Kernstoff ist grau unterlegt.

Beispiele

sind ein wenig kleiner gesetzt.

Am Ende jedes Kapitels steht eine Zusammenfassung, die die wichtigsten Lerninhalte eines jeden Kapitels noch einmal kurz umreißt.

Die Fragen zur Wissensüberprüfung dienen der Prüfungsvorbereitung.

1Pflegeprozess und Pflegedokumentation

Lernziele

Nach dem Studium dieses Kapitels sollten Sie …

wissen, was unter dem Begriff Pflegeprozess verstanden wird.

den Sinn und Zweck des Pflegeprozesses erklären können.

einen Einblick in die geschichtliche Entwicklung des Pflegeprozesses erhalten haben.

den Pflegeprozess nach Alfaro verstehen.

die Notwendigkeit einer umfassenden Dokumentation begründen können.

Die beiden zentralen Begriffe im vorliegenden Lehrbuch sind „Pflegeprozess“ und „Pflegedokumentation“. Ohne Dokumentation gibt es keinen Prozess, sie ist die Voraussetzung.

1.1Der Pflegeprozess

Das Wort Prozess geht auf das lateinische „processus“ zurück, das Fortschreiten, Fortgang, Verlauf bedeutet.

Der Pflegeprozess ist eine Hilfestellung zur Strukturierung von Handlungsabläufen in der Pflege, mit ihr werden Pflegeziele und -maßnahmen auf Basis von Pflegediagnosen entwickelt. Es handelt sich dabei keinesfalls um ein punktuelles Vorgehen, sondern um ein stetiges Fortschreiten, einen Verlauf über einen bestimmten, in der Regel längeren Zeitraum. Die Handlungen werden laufend überprüft und ggf. angepasst. Die drei wesentlichsten Merkmale eines Prozesses nach Bevis (1978) sind:

ein Ziel

eine Organisation

Kreativität

Das Hauptziel des Pflegeprozesses ist die kontinuierliche, individualisierte Pflege. Sie muss in ein Bezugssystem eingebettet sein und die Pflegepersonen müssen offen und möglichst kreativ an die „Sache“ herangehen.

Zusammengefasst sind der Sinn und Zweck des Pflegeprozesses:

Die Individualisierung der Pflege

Die Sicherung einer kontinuierlichen Pflege

Die Verbesserung der Organisation der Pflege für die PatientInnen

Die Möglichkeit, die Pflege zu evaluieren, d.h. die Pflegequalität festzustellen

Die Erleichterung der Kommunikation sowohl zwischen den Pflegepersonen als auch zu den Ärzten und Ärztinnen etc., auch hinsichtlich der Dienstübergabe

Die Vertiefung des Pflegeverständnisses

Eine größere Autonomie der Pflegepersonen

Die Steigerung der beruflichen Zufriedenheit

Eine Hilfestellung bei der Aus- und Fortbildung und

Die rechtliche Absicherung

1.1.1Die Vorteile des Pflegeprozesses

Ob die Pflegequalität wirklich durch die Anwendung des Pflegeprozesses beeinflusst wird, hat Audrey Miller, Dozentin für Krankenpflege an der Universität Wales (1988), in Großbritannien untersucht. Sie verglich über zwei Jahre die Pflege auf fünf verrichtungsorientierten Stationen mit jener in Abteilungen, die mit dem Pflegeprozess arbeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass LangzeitpatientInnen (Hospitalisationsdauer länger als ein Monat) in Abteilungen, die mit dem Pflegeprozess arbeiten, zufriedener, weniger inkontinent, weniger stark abhängig, aktiver in der Selbstpflege sind und dass ihre Zufriedenheit und Lebensqualität eindeutig höher ist als bei LangzeitpatientInnen auf anderen Abteilungen. Interessant ist auch, dass die Zahl der Pflegemaßnahmen durch die Anwendung des Pflegeprozesses nicht zugenommen hat, außer dass die Pflegepersonen wesentlich mehr Zeit für Gespräche mit den Patienten und Patientinnen aufgewendet haben. Es sprechen also viele Argumente für die konsequente Einführung des Pflegeprozesses.

Auch Christa Gerber, eine Österreicherin, die in England Pflegewissenschaft studierte und seit zwanzig Jahren im Qualitäts- und Pflegemanagement in der Schweiz tätig ist (1997, S. 24), hat nach der Einführung der Pflegeplanung und -dokumentation in drei verschiedenen Schweizer Gesundheitseinrichtungen eine größere Zufriedenheit der MitarbeiterInnen und der PatientInnen sowie eine verbesserte Pflegequalität festgestellt.

1.1.2Die historische Entwicklung

Pflegepersonen handeln zielorientiert aufgrund eines oder mehrerer Probleme des Patienten bzw. der Patientin, die sie auf Basis der zuvor erhobenen Daten herausgefunden haben. In einem weiteren Schritt evaluieren sie die Auswirkungen ihrer Pflegemaßnahmen und passen sie ggf. an.

Das erste Modell dazu wurde in den fünfziger Jahren in den USA eingeführt. Es umfasste vier Schritte – die Einschätzung des vorliegenden Pflegeproblems, die auch die Pflegediagnose umfasste, sowie die Planung, Umsetzung und Auswertung der Pflegemaßnahmen. (Erst Mundinger und Jauron trennten 1975 die Pflegediagnose von der Einschätzung und legten ein fünfstufiges Vorgehen fest.)

Lydia Hall war die erste, die dieses Vorgehen 1955 beschrieb, 1967 veröffentlichten Yura und Walsh das erste Buch über den Pflegeprozess (vgl. Brobst et al., 1996, S. 75–77). Ihnen zufolge ist der Pflegeprozess eine geordnete, systematische Methode zur Bestimmung des Gesundheitszustandes bzw. von Pflegeproblemen eines Patienten oder einer Patientin. Dieser Prozess dient dazu, optimale Pflegemaßnahmen zu entwickeln und anschließend zu bewerten, inwieweit diese das Wohlbefinden der Betroffenen verbessert bzw. das Pflegeproblem gelöst haben (vgl. Yura/Walsh, 1988 zitiert in Mischo-Kelling, S. 15).

Diese US-amerikanische Idee wurde in den sechziger Jahren von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) aufgenommen. Sie initiierte eine europäische, länderübergreifende Studie, um den Bedarf an Pflege abzuschätzen und die pflegerische Versorgung zu bewerten. Dabei wurde in den Bereichen sozialer und umweltbezogener Bedürfnisse kaum ein Pflegebedarf ermittelt. Auch die Pflegeziele und -maßnahmen richteten sich der Untersuchung zufolge hauptsächlich auf körperliche Bedürfnisse, was beides auch mit dem Medizinverständnis der damaligen Zeit zusammenhängen könnte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse 1987 unter dem Titel People’s Needs for Nursing Care – Menschliche Pflegebedürfnisse (vgl. Mischo-Kelling, S. 13).

Das 1980 von der American Nursing Association (ANA) veröffentlichte „Social Policy Statement“, worin die Krankenpflege als Diagnose und Behandlung menschlicher Reaktionen auf Gesundheitsprobleme beschrieben wird, hat die Bedeutung einer eigenständigen Pflege noch weiter hervorgestrichen. 1987 fand die erste internationale Pflegediagnosenkonferenz in Calgary, Kanada statt. Vier Jahre später (1991) folgte der nächste große Schritt in der Entwicklung des Pflegeprozesses. In die Standards der JCAHO wurde aufgenommen, dass sich die Pflege auf eine Pflegediagnose stützen muss, die von einer professionellen Pflegeperson erhoben wurde. Die JCAHO, Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations, ist eine gemeinsame Zertifizierungskommission der amerikanischen Gesundheitsorganisationen und genießt in den USA enormes Ansehen, weil ihre Prüfungsergebnisse direkte finanzielle Auswirkungen auf die einzelnen Gesundheitseinrichtungen haben (vgl. Gordon, 1994).

Der Pflegeprozess bzw. Aspekte davon wurden in den sechziger und siebziger Jahren vereinzelt auch in der deutschen Fachliteratur beschrieben (vgl. Mischo-Kelling, S. 36). Infolge der WHO-Bestrebungen wird er seit Anfang der achtziger Jahre verstärkt diskutiert, wohl hauptsächlich, weil der Pflegeprozess in das 1985 verabschiedete deutsche Krankenpflegegesetz aufgenommen wurde. Eine weitere wichtige Rolle bei der Verbreitung des Prozessgedankens hatte die Publikation des Buches „Pflegeplanung“ der Schweizerinnen Fiechter und Meier (1993).

1.1.3Modelle des Pflegeprozesses

Das Modell von Fiechter und Meier

Fiechter und Meier definieren Krankenpflege als Problemlösungs- und Beziehungsprozess. Ihrer Ansicht nach ist eine Problemlösung von der Qualität der Beziehung zwischen Pflegeperson und PatientIn abhängig.

Sie stellen den Pflegeprozess als einen Regelkreis dar, der aus sechs Stufen besteht (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Pflegeprozess nach Fiechter/Meier, 1993, S. 30

Das Pflegeforschungsprojekt von Monika Krohwinkel

Auch das erste deutsche Pflegeforschungsprojekt befasste sich mit der umfassenden Umsetzung des Pflegeprozesses sowie mit dem Beitrag der Pflege zur Gesundheitsentwicklung von PatientInnen mit der Diagnose Apoplexie. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit von 1988 bis 1991 gefördert und von Monika Krohwinkel, einer Professorin für Pflegewissenschaften, geleitet (vgl. Krohwinkel, 1993).

Die ForscherInnen kamen u.a. zu dem Schluss, dass

die Erfassung und Berücksichtigung der pflegerischen Bedürfnisse vom Wissen und Können sowie den Werten und der Sichtweise der Pflegenden abhängt,

diese Faktoren mit darüber entscheiden, welche Pflege der Patient bzw. die Patientin erhält,

die Prozessdokumentation eine stützende Funktion im Pflegeprozess hat, sie aber allein den Pflegeprozess nicht verbessern kann und

Pflege als individueller Problemlösungs- und Beziehungsprozess nicht ohne patientInnenorientierte Arbeitsorganisation funktionieren kann.

Das Modell von Alfaro

Ergänzend zum Modell von Fiechter und Meier möchte ich die etwas andere Sichtweise des Pflegeprozesses der amerikanischen Pflegewissenschaftlerin Alfaro vorstellen. Sie stellt den Pflegeprozess eher als Flussdiagramm dar, weil sie die Evaluation, also die Bewertung der Ergebnisse, als zentralen Punkt sieht. Alle Schritte müssen laufend beurteilt werden. Die Ausführung jedes einzelnen Schrittes kann Ursache für das „Versagen“ des Pflegeprozesses sein (siehe 8.2, Evaluation). Explizit merkt sie an, dass die Informationssammlung mit der Diagnose sehr eng in Verbindung steht. Erhält man zu wenig oder nicht zuverlässige, korrekte Informationen, wird auch die Pflegediagnose nicht richtig sein.

Abb. 2: Pflegeprozess nach Alfaro, 1990

Der Pflegeprozess besteht immer aus den Schritten Informationssammlung/Einschätzung, Problem- und Ressourcenformulierung (auch Pflegediagnose), Planung, Umsetzung und Bewertung der Pflege.

Gehen Pflegende ohne Strukturierung durch den Pflegeprozess vor, handeln sie meistens dennoch problemorientiert. Aber aufgrund der fehlenden bewussten Handlungsstruktur sowie der fehlenden Dokumentation gibt es große Einbußen in der Nachvollziehbarkeit, der Individualität, der Kontinuität der Pflege u. v. m.

1.2Die Pflegedokumentation

Für die beiden Diplompädagogen Schnabel und Krämer ist eine umfassende, an den einzelnen Tätigkeiten orientierte Dokumentation pflegerischer Leistung zum einen aus rein beruflichen Gründen notwendig, zum anderen aber auch aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und aus gesellschaftspolitischen Gründen, insbesondere hinsichtlich der Leistungstransparenz. Denn durch eine genaue Dokumentation lässt sich überprüfen, ob nicht unnötige Kosten entstehen, die die Solidargemeinschaft zusätzlich belasten. Die Pflegedokumentation kann als Instrument zur Qualitätssicherung genutzt werden, wobei schon der Prozess des Dokumentierens selbst die pflegerischen Tätigkeiten bewusst macht: Die Pflegeperson reflektiert die vorgesehenen bzw. durchgeführten Handlungen, die angestrebten Ziele u. dgl. Das alleine ist bereits qualitätssichernd (vgl. Nothoff, S. 10).

1.2.1Elemente der Pflegedokumentation

Der österreichische Gesetzgeber hat 1997 die Dokumentation zur Berufspflicht der Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe gemacht (siehe 2.1). Nähere Details bezüglich der Form der Pflegedokumentation werden im GuKG nicht angegeben (vgl. Weiss-Faßbinder et al., 2000, S. 29). Es erscheint jedoch zweckmäßig, praxisorientierte, gesetzeskonforme und an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Formblätter zu verwenden, die die Schritte des Pflegeprozesses (dargestellt im linken Bereich der Abb. 3 nach Alfaro) enthalten. Daraus sollten Notwendigkeit, Umfang, Art, Qualität und Ergebnis der pflegerischen Leistung ersichtlich sein (vgl. Schnabel/Krämer, 2003, S. 14).

Die Notwendigkeit für eine bestimmte pflegerische Leistung ergibt sich aus den Pflegeproblemen und -zielen.

Umfang, Art und Qualität der Leistung sind aus den Pflegemaßnahmen zu erkennen.

Das Ergebnis – der Zustand bzw. die Reaktionen des Patienten oder der Patientin – steht dann im Evaluationsbericht.

Die Pflegeanamnese sollte im Pflegeanamnesebogen und/oder mittels Ersteinschätzungsprotokoll dokumentiert werden.

Die erstellten Pflegediagnosen inklusive Pflegeziele und Pflegemaßnahmen sollten im Pflegeplan stehen.

Die tatsächliche Durchführung der Pflegemaßnahmen wird im Pflegedurchführungsnachweis bestätigt.

Die Evaluation des gesamten Prozesses wird entweder in einer zusätzlichen Rubrik im Pflegeplan oder, was wesentlich häufiger geschieht, im Pflegebericht niedergeschrieben.

Für alle diese Elemente einer Pflegedokumentation sollte es Formblätter geben, da diese die Bearbeitung und das Ausfüllen erleichtern.

Abb. 3: Formblätter zur Pflegedokumentation analog den Schritten des Pflegeprozesses

1.2.2Die Notwendigkeit der Pflegedokumentation

In einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18. 3. 1986 wurde festgehalten, dass jede unsachgemäße Führung der Pflegedokumentation als Pflegefehler bewertet wird (vgl. Payer-Allmer, 1997, S. 30). „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht getan.“ Im Fall einer Anklage liegt die Beweispflicht beim Personal. Die Dokumentation gewinnt auch deshalb immer mehr an Bedeutung, weil die PatientInnen besser informiert und mündiger geworden sind und auch ihre Rechte einfordern.

Da die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Krankenhäusern abnimmt und die Betroffenen zumeist an Institutionen verwiesen werden, die sie weiter betreuen (Hauskrankenpflege, Rehabilitationszentren, Altenpflegeeinrichtungen u. dgl.), muss der lückenlose Informationsfluss zwischen den Einrichtungen gewährleistet sein, um eine hohe Pflegequalität zu ermöglichen. Gerber (1997, S. 29) meint, dass eine sinnvolle Pflegedokumentation fast ein Nebenprodukt der intensiven und kontinuierlichen Arbeit im Pflegealltag ist: Sie ist die Folge eines schrittweisen Umdenkens, Neudenkens und Lernens.

Spiller, ein Pflegedienstleiter aus Berlin (2000, S. 140), zeigte anhand der Analyse von 48 Pflegeberichten, dass diese Dokumentationen inhaltlich erhebliche Schwachstellen aufweisen.

Zegelin, eine deutsche Pflegewissenschaftlerin, die an der Universität Witten/Herdecke lehrt (1997), geht davon aus, dass die Dokumentation der Pflege mehr als ein Nachweis der durchgeführten Maßnahmen ist. Sie stelle ein „Fenster“ der Sprache der Pflege dar. Die Pflegenden müssen sich der Wichtigkeit ihrer Texte bewusst sein, nur so bestehe die Chance, dass ihr Beruf auch von anderen Berufsgruppen, von institutionellen Entscheidungsträgern und von der Gesundheitspolitik wahr- und ernst genommen werde (vgl. Oertle Bürki, 1997).

Pflegende kritisieren häufig das notwendige Dokumentationsausmaß: Sie würden die Zeit lieber mit den PatientInnen verbringen. Dabei nimmt lt. Bamert (2003) die Pflegedokumentation nur ca. 4 % der Zeit in Anspruch, die anderen Verwaltungsarbeiten ca. 2 %. In den USA soll der Zeitaufwand für die Dokumentation bei 25 %, in Frankreich sogar bei 34 % liegen. Brobst et al. (1996, S. 217) nennen sogar Untersuchungen, in denen Krankenschwestern und -pfleger bis zur Hälfte ihrer Dienstzeit mit der Dokumentation verbringen.

Mängel in den Dokumentationen

Flumeri et al. (1997) konnten anhand der Analyse von 44 Dokumentationen aus unterschiedlichen Akutkrankenhäusern der Deutschschweiz nachweisen, dass die Pflegeplanung häufig gar nicht oder nicht vollständig festgehalten wurde. Nur in 49 % der Fälle konnte herausgelesen werden, welche Maßnahmen durchzuführen waren.

Die Überprüfung von 100 Pflegedokumentationen im Rudolfinerhaus in Wien 1986 und 1987 ergab, dass Männer im Vergleich zu Frauen und Jüngere im Vergleich zu Älteren in der Pflegeplanung weniger berücksichtigt wurden. Bei 50 % der Patienten mit einer Verweildauer von über drei Tagen wurden keine Probleme formuliert (vgl. Seidl/Walter, 1988).

Hillewerth (1996) stellte eklatante Unterschiede zwischen den von den Betroffenen geäußerten Problemen und den Eintragungen in der Dokumentation fest.

1.2.3Ziele für die Zukunft

Die Pflegedokumentationen geben den Pflegeprozess häufig nur mangelhaft wider. Heering und Heering haben 1994 in der Schweiz festgestellt, dass die systematische Erhebung einer pflegerischen Anamnese, die Formulierung einer von allen Pflegenden gleich verstandenen Pflegediagnose und deren schriftliche Dokumentation weder in den zur Zeit üblichen „Pflegedokumentationen“ noch im Arbeitsplan in hinreichendem Maß vorgesehen ist. Der mit der medizinischen Dokumentation befasste Teil nimmt in der Regel etwa fünf Sechstel des verfügbaren Platzes ein.

Damit sich ein individuell-ganzheitliches Pflegeverständnis etabliert, bedarf es einerseits einer gezielten Fortbildung. Andererseits muss sich die historisch gewachsene Wahrnehmung von Pflege als nicht (nur) medizinische, sondern vor allem patientInnenorientierte Leistung verändern – und das braucht Zeit.

Der angewandte Pflegeprozess wird über eine ausreichende Pflegedokumentation aufgebaut. Bestimmend für die Qualität der Pflege sind jedoch die Pflegeleistungen, die auf dem Beziehungsprozess aufbauen. Die korrekte Dokumentation alleine genügt dazu nicht.

Zusammenfassung

Der Pflegeprozess mit seinen Schritten

Informationssammlung,

Feststellung von Pflegeproblemen und Ressourcen,

Planung,

Durchführung und

Beurteilung der Pflege.

dient der Strukturierung von Handlungsabläufen in der Pflege. Mit diesem Vorgehen kann eine verbesserte, individuellere und kostantere Pflegequalität erreicht werden.

Die Entwicklung des Pflegeprozesses begann in den fünfziger Jahren in den USA und wurde dank der Initiativen der WHO danach nach Europa gebracht. Erst in den achtziger Jahren wurde der Pflegeprozess im deutschsprachigen Raum vermehrt diskutiert.

Grundlage des Pflegeprozesses ist die schrittweise Dokumentation. Sie ist aus beruflichen Gründen notwendig, aber auch aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen und gesellschaftspolitischen Faktoren.

Mehrere Untersuchungen in der Schweiz, Deutschland und Österreich haben zum Teil erhebliche Mängel in der prozessorientierten Dokumentation aufgezeigt.

Fragen zur Wissensüberprüfung

Wodurch kann der Pflegeprozess von der Pflegedokumentation unterschieden werden?

Welche Vorteile hat die Anwendung des Pflegeprozesses?

Wie entwickelte sich der Pflegeprozess?

Wie charakterisiert Alfaro das systematische Vorgehen in der Pflege?

Warum sollten die Pflegepersonen ihre Arbeit umfassend und tätigkeitsorientiert dokumentieren?

2Qualitätsstandards für die Pflegedokumentation

Lernziele

Nach dem Studium dieses Kapitels sollten Sie …

die gesetzlichen Anforderungen aus dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz sowie dem Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz zur Durchführung des Pflegeprozesses und zur Dokumentation kennen.

wissen, wie die Dokumentation urkundengerecht zu führen ist.

einen Überblick über das Arbeiten mit Formblättern zur Pflegedokumentation erhalten haben.

die Systematik der Pflegedokumentation verstehen und die Konsequenzen einer unsystematischen Vorgehensweise einschätzen können.

2.1Gesetzliche Grundlagen

Gesetzliche Basis für die Durchführung des Pflegeprozesses ist das Berufsrecht der Pflegenden, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG). Die einzelnen Schritte werden konkret im § 14, eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich, aufgeführt:

Erhebung der Pflegeanamnese,

Feststellung der Pflegediagnose,

Planung der Pflege durch Festlegung von Pflegezielen,

Entscheidung über die zu treffenden pflegerischen Maßnahmen,

ihre Durchführung und

die Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen.

Eigenverantwortung bedeutet einerseits, fachlich weisungsfrei zu agieren, also selbst Entscheidungen zu treffen, wobei natürlich organisatorische Anordnungen durch das Pflegemanagement (z.B. Pflegestandards) zu berücksichtigen sind, andererseits bedeutet Eigenverantwortung im rechtlichen Sinn auch, dass man persönlich für seine Handlungen haftet. Wesentlich erscheint es mir zu betonen, dass die Eigenverantwortlichkeit nicht als Recht zu sehen ist, das man in Anspruch nehmen kann oder nicht, sondern dass sie eine Pflicht innerhalb der Berufsausübung ist, die erfüllt werden muss (vgl. Weiss-Faßbinder/Lust, 2000).

Eigenverantwortliche Tätigkeiten wie die Durchführung des Pflegeprozesses und die -dokumentation sind kein verzichtbares Recht, sondern eine unverzichtbare Pflicht der Pflegepersonen.

Die rechtlichen Grundlagen der Pflegedokumentation gehen auch auf das GuKG zurück. In § 5 und § 14 (2) 8., Dokumentation des Pflegeprozesses, ist festgehalten, dass es eine Berufspflicht ist, die durchgeführten gesundheits- und krankenpflegerischen Maßnahmen zu dokumentieren, insbesondere die einzelnen Schritte des Pflegeprozesses.

Gemäß § 84 (3) 6. müssen die Handlungen, die der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen des Pflegeprozesses anordnet, von der Pflegehilfe, die die Handlungen durchführt, bestätigt werden.

Analog zum GuKG geht auch aus dem Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz die Verpflichtung hervor, Krankengeschichten anzulegen, in denen unter anderem die pflegerischen Leistungen beschrieben sind. Die Krankengeschichte muss von der Person geführt werden, die für die erbrachten Leistungen verantwortlich ist – hinsichtlich des medizinischen Prozesses ist das der Arzt oder die Ärztin, hinsichtlich des Pflegeprozesses der gehobene Dienst f. Gesundheits- und Krankenpflege (KAKuG § 10 (1)).

Die gesamte Krankenakte muss in Krankenhäusern mindestens dreißig Jahre aufbewahrt werden (vgl. KAKuG § 10 (1)). Bei freiberuflicher Berufsausübung sind sämtliche Dokumente zehn Jahre zu archivieren (vgl. GuKG § 5 (4)).

Pflegepersonen müssen ihre PatientInnen, die von ihnen benannten Vertrauenspersonen oder den gesetzlichen Vertreter über alle gesetzten gesundheits- und krankenpflegerischen Maßnahmen informieren (vgl. GuKG § 9, Auskunftspflicht). Diese Personen müssen, wenn sie es verlangen, auch Einsicht in die Pflegedokumentation erhalten (vgl. GuKG § 5 (3), vgl. Patientenrechte Artikel 19).

Vorsicht! Sie dürfen patientInnenbezogene Geheimnisse, die Ihnen in Ausübung Ihres Berufes anvertraut oder bekannt geworden sind, nicht in die Krankenakte aufnehmen (vgl. KAKuG § 10 (4)). Hingegen müssen Sie sicherstellen, dass Willensäußerungen des bzw. der Betroffenen festgehalten werden (vgl. Patientenrechte Artikel 21). Der Patient oder die Patientin hat auch das Recht, gegen angemessenen Kostenersatz Kopien der Pflegedokumentation zu erhalten (vgl. Patientenrechte Artikel 22).

2.2Formale Kriterien

Formal wird im Fremdwörterbuch als „die äußere Form betreffend“ definiert. Die formalen Kriterien der Pflegedokumentation stellen die Rahmenbedingungen für eine urkundengerechte Dokumentation dar. Die Pflegedokumentation ist so zu führen, dass für sachkundige Dritte in angemessener Zeit nachvollziehbar ist, wer hier was, wann, warum angeordnet und durchgeführt hat (vgl. Allmer, 1999, S. 11).

Um urkundengerecht zu sein, muss eine Pflegedokumentation folgende Kriterien erfüllen:

Sie muss zeitgerecht erfolgen,

wahrheitsgetreu,

vollständig und

übersichtlich sein,

in lesbarer Schrift und mit

schwer löschbaren Schreibmaterialien wie Faser- oder Kugelschreiber (keine Tinte, kein Bleistift) geschrieben sein,

eine entsprechende Korrektur aufweisen und

alle Einträge müssen unterschrieben sein.

Ob die Unterschrift durch die Pflegeperson mit vollständigem Namen oder beispielsweise mit „Handzeichen“ erfolgen muss (Weiss-Faßbinder et al., 2000, S. 29), regelt das GuKG nicht. Allerdings muss gewährleistet sein, dass sämtliche Einträge (Anordnungen etc.), auch über den Zeitraum der Aufbewahrungsfristen von bis zu 30 Jahren zweifelsfrei einer bestimmten Person zuordenbar sind. Das Handzeichen sollte jeweils aus den ersten beiden Buchstaben des Nachnamens bestehen, da Vornamen keine Urkundengültigkeit haben. Es ist darauf zu achten, dass nicht zwei Personen gleiche Handzeichen innerhalb einer Station verwenden. Die aktuell datierten und geführten Listen der Handzeichen aller PflegemitarbeiterInnen (auch der SchülerInnen, PraktikantInnen etc.), die auch die volle Unterschrift enthalten sollen, müssen archiviert werden.

Zur Korrektur darf kein Tippex®, Korrekturstreifen oder ähnliches Material verwendet werden, es dürfen auch keine Einträge überklebt oder mehrfach durchgestrichen werden. Die zu korrigierenden Wörter oder Sätze müssen mit einem einzigen waagrechten Strich so durchgestrichen werden, dass noch lesbar ist, was darunter stand. Zusätzlich sollten unmittelbar neben der Korrektur ein entsprechendes Korrekturzeichen, das Datum und ein Handzeichen angebracht werden. Diese Vorgaben entsprechen einer ordnungsgemäßen Buchführung, wie sie insbesondere aus dem Handelsgesetzbuch (§§ 189 und 190) hervorgeht (vgl. Nowotny/Zettner, 2003).

2.2.1Die richtige Führung einer Pflegedokumentation

Zeitgerechte Dokumentation bedeutet, unmittelbar nach getaner Arbeit, direkt am Krankenbett und nicht erst später am Schreibtisch die patientInnenbezogenen schriftlichen Aufzeichnungen zu führen. So ist auch eher gewährleistet, dass der bzw. die Betroffene in die Pflege mit einbezogen wird. Haben Sie einmal einen Eintrag vergessen, fallen Ihnen weitere wichtige Details ein o.ä. und Sie möchten diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, dann tun Sie das mittels Nachtrag. Notieren Sie das aktuelle Datum und die Uhrzeit des Nachtragezeitpunktes und geben Sie den Grund für die Verspätung an (z.B.: die Krankenakte war nicht verfügbar, die Dokumentation wurde versehentlich vergessen etc., vgl. Schnabel/Krämer, 2003, S. 319).

Der Nachweis einer zeitgerechten, kontinuierlichen Pflegedokumentation gelingt nicht immer: Nur 56 % von insgesamt 44 untersuchten Pflegeplanungen in unterschiedlichen Akutkrankenhäusern waren datiert, in 26 % der Fälle fehlten die Eintragungen vom Vortag (Flumeri et al., 1997).

Leer gebliebene Zeilen und/oder Spalten sollten mit einem Querstrich entwertet werden, um Nachträge, Hinzufügungen etc. auszuschließen. Verwenden Sie nur standardisierte Abkürzungen und Symbole Ihrer Institution, um Unklarheiten zu vermeiden. Diese sollen in aktuellen Abkürzungslisten aufscheinen und ebenso wie die Handzeichenliste archiviert werden. Die Übersichtlichkeit kann durch Unterstreichungen, Großbuchstaben, die Verwendung unterschiedlicher Farben u. dgl. verbessert werden.

Überprüfen Sie die Vollständigkeit der Daten:

Haben Sie alle für den Einzelfall relevanten Daten und Fakten festgehalten?

Sind Ihre Einträge gültig?

Versteht der Leser oder die Leserin auch das, was Sie gemeint haben?

Haben Sie kontrolliert, ob Ihre im Bericht notierten Beobachtungen mit den geschilderten Erfahrungen des bzw. der Betroffenen übereinstimmen (vgl. Arets et al., 1997)?

Verzichten Sie auf Wertungen jeglicher Art.

2.2.2Formblätter und Handhabungsrichtlinien

Jeder Schritt des Pflegeprozesses muss dokumentiert werden. Dazu eignen sich Formblätter (Anamnesebogen, Pflegeplan, Pflegedurchführungsnachweis und Pflegebericht, siehe auch Kapitel 1). Ergänzend dazu können weitere Formulare, z.B. Transfer- oder Entlassungsberichte, verwendet werden. Wie die einzelnen Formblätter gestaltet werden können bzw. was darin konkret festgehalten werden soll, ist bei den einzelnen Schritten des Pflegeprozesses (Kapitel 3 bis 8) beschrieben. Ganz wesentlich finde ich die einheitliche Vorgehensweise zur Dokumentation innerhalb einer Station oder auch Institution. So muss zum Beispiel klar sein, welche Dokumentationsinhalte wo notiert werden sollen, in welchem Zeitraum sie erfolgen sollen, wie Änderungen im Pflegeplan darzustellen sind, u. dgl. Dazu sind Anwendungs- oder Handhabungsrichtlinien erforderlich, also eine Gebrauchsanweisung für die Pflegedokumentationsformblätter. Mit Hilfe von gut durchdachten Richtlinien, die die gesamte systematische Vorgehensweise (siehe 2.3) enthalten, kann der Zeitaufwand für die Dokumentation bei gleichzeitig erhaltener Nachvollziehbarkeit auf ein Minimum reduziert werden.

In den Handhabungsrichtlinien zur Dokumentation kann z.B. festgehalten werden, dass sämtliche Pflegeprobleme, die über eine Dienstschicht hinausgehen, ausnahmslos im Pflegeplan stehen müssen. Bei jenen, die innerhalb der Schicht gelöst werden können, genügt es, sie kurz im Pflegebericht zusammenzufassen. Das hat auch zur Folge, dass in einer Schicht kein Eintrag in den Pflegebericht gemacht werden muss, wenn weder kurz- noch langfristige Pflegeprobleme entstanden sind, es keine unvorhergesehenen Ereignisse oder Besonderheiten gab, und für diesen Zeitraum auch keine formale Evaluation (siehe Kapitel 8) vorgesehen wurde.

Beispiel

Schläft der Patient X in der Nacht bei sämtlichen Kontrollgängen der Pflegeperson und gibt es auch sonst keine Besonderheiten, muss sie auch nichts in den Pflegebericht eintragen. Dass die Kontrollgänge gemacht wurden, ist aber selbstverständlich im Pflegedurchführungsnachweis anzugeben.

Dieses Vorgehen lehnt sich an die ausnahmeorientierte Dokumentation an (vgl. Schnabel/Krämer, 2003, S. 24). Bei einem solchen Vorgehen müssen aber alle erdenklichen Ausnahmen in den Handhabungsrichtlinien stehen. Alle Pflegepersonen müssen zudem die in den Richtlinien festgeschriebene Systematik einhalten, da es sonst unweigerlich zu Lücken in der Nachvollziehbarkeit kommt.

Die ausnahmeorientierte Dokumentation erspart Zeit, sie muss aber nachvollziehbar sein und birgt bei „schlechter Organisation“ große Gefahren in sich.

In den Handhabungsrichtlinien soll auch stehen, für welchen Bereich und welchen Zeitraum sie gelten, bei Veränderung oder Aktualisierung soll auch eine Versionsnummer angegeben werden, damit die Übersicht nicht verloren geht. Diese Richtlinien müssen ebenso lange wie die Krankenakte selbst aufbewahrt werden, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Sie sollen den Fluss der Dokumentation vereinfachen sowie Missverständnissen gegenüber KollegInnen sowie sachkundigen Dritten zuvorkommen.

Bevor Formblätter zur Pflegedokumentation erarbeitet und eingesetzt werden, sind lt. Notthoff (S. 19) folgende Überlegungen notwendig:

Soll die gesamte Einrichtung eine einheitliche Form der Dokumentation erhalten?

Soll es nur eine Akte pro PatientIn oder eine Trennung von Befunden und anderen Kurven bzw. zusätzlichen Elementen geben?

Wie soll die laufende Akte geordnet werden? Welche Orientierungshilfen soll es dazu geben (Register, Zwischenteiler, Fächer)?

Welche Formblätter sollen verwendet werden – selbst erstellte, hauseigene oder Normformulare diverser Firmen?

Welche Berufsgruppen sind an der PatientInnenbetreuung beteiligt und brauchen ebenso Dokumentationsplatz in der Akte?

Sollen die Formblätter mehr Möglichkeiten zur Freitextgestaltung, mehr Satzbausteine oder Kürzel enthalten?

Wo werden die aktuell benutzten Dokumente aufbewahrt? (Sie sollen jederzeit auffindbar sein.)

Wie soll die Dokumentation archiviert werden?

Bedacht werden muss auch, dass es für jedes neue Formblatt eine Einschulung der MitarbeiterInnen geben muss sowie Probephasen und Offenheit für Änderungen.

2.3Systematik der Pflegedokumentation

Systematisch zu dokumentieren bedeutet, schriftliche Aufzeichnungen planmäßig, gezielt und geordnet zu gliedern und die Inhalte der einzelnen Schritte des Pflegeprozesses in die dafür vorgesehenen Formblätter zeitgerecht und vollständig einzutragen.

Wie das konkret passieren soll, sollte in den Handhabungsrichtlinien für die Dokumentation stehen. Wird die Dokumentation der einzelnen Pflegeprozessschritte in den jeweilig vorgesehenen Formblättern nicht entsprechend durchgeführt, wird die Dokumentation zwangsläufig lückenhaft, weniger nachvollziehbar und die Kontinuität der Pflege nimmt wahrscheinlich ab.

2.3.1Vermeidbare Fehler bei der Pflegedokumentation

Die Systematik von Formblättern wird oft außer Acht gelassen, bei manchen Formblättern ist diese Systematik an sich schon mangelhaft. Eine von mir durchgeführte Analyse von 19 Pflegedokumentationen eines Akutkrankenhauses (Leoni-Scheiber, 2001/2003) hat ergeben:

Aktuelle Pflegeprobleme und durchgeführte Interventionen werden manchmal verspätet und außerdem in den Pflegebericht anstatt in den Pflegeplan bzw. Durchführungsnachweis geschrieben. Der Zeitaufwand für die Dokumentation erhöht sich dadurch beträchtlich, da die Pflegediagnosen und die darauf folgenden Maßnahmen täglich oder sogar mehrmals täglich erneut in den Bericht aufgenommen werden müssen, es sei denn, was aber auch nicht besser ist, es wird darauf vergessen.