Längle, Gawel (Hg.)

Themen der Existenz – Existenz in Themen

Silvia Längle, Barbara Gawel (Hg.)

Themen der Existenz – Existenz in Themen

Ein Lesebuch zur Existenzanalyse

Inhalt

Vorwort

Sinn für Glück

Alfried Längle

Was die Liebe so kompliziert macht und wie sie trotzdem gelingen kann

Christoph Kolbe

„Wissen, dass man nicht weiß“

Der hermeneutische Vorrang der Frage

Helmut Dorra

Aus ganzem Herzen leben

Anton Nindl

(Wie) Sprichst du mit dir?

Anleitung zum inneren Dialog

Karin Steinert

Eine Botschaft des Körpers?

Der innere Dialog bei psychosomatischen Erkrankungen

Renate Bukovski

Existentielles Grounding: Das Seinserleben als Ressource der Person

Markus Angermayr

Emotionen im psychotherapeutischen Verarbeitungsprozess: aktivieren oder managen?

Lilo Tutsch

„Ich hab’s akzeptiert … aber es wird mich ein Leben lang begleiten“

Verarbeitung einer Erfahrung sexualisierter Gewalt im jungen Erwachsenenalter

Astrid Görtz

Bis an die Grenzen meines Perfektionismus

Das Streben perfekt zu sein im frühen Erwachsenenalter

Barbara Gawel

Neuer Job – neue Identität?

Helene Drexler

Rauchen passt nicht in mein Leben

Silvia Längle

Lebensbejahung und Lebensverweigerung im praktischen Alltag

Johannes Rauch

„Heimatlos“

Gedanken zur ambulanten Suchttherapie mit Fallvignette

Elsbeth Kohler

Wie rational ist die Ethik?

Die Bedeutung der integrierten Emotion für ethisch geleitetes Handeln

Christine Wicki-Distelkamp

Lebenssinn als Suizidprophylaxe?

Brigitte Heitger-Giger

Leben mit der Diagnose Krebs

Christina Strempfl

Psychotrauma und Trauer aus phänomenologischer und existenzanalytischer Sicht

Alfried Längle

Hoffnung – die Beziehung zum Leben halten

Alfried Längle

Zu den Autorinnen und Autoren

Quellenverzeichnis

Vorwort

Themen der Existenz – vielleicht werden Sie sich fragen, was damit gemeint ist. Was könnte denn ein Thema der Existenz sein? Vielleicht fragen Sie sich auch: Was ist überhaupt Existenz?

Es mag auch sein, dass Sie sich gleich etwas vorstellen, wenn Sie den Titel lesen. „Existenz“ – da muss es sich um Lebens-Themen handeln. Denn „existentielle Themen“ können nur welche sein, die Gewicht haben …

Nun ist Existenz ein Begriff, der auch im Alltag Verwendung findet: Man spricht beispielsweise vom Existenzminimum oder davon, dass sieben Milliarden Menschen auf der Welt existieren. Das sind völlig zutreffende Verwendungen des Begriffs. Denn Existenz meint tatsächlich einfach „da sein, vorhanden sein“. Was existiert, das gibt es wirklich, das ist da.

Wenn man in der Psychologie von der Existenz des Menschen spricht, dann geht es auch um das Dasein des Menschen. Was heißt es für den Menschen im Besonderen, da zu sein, als Mensch da zu sein? Was ist es, was das Leben des Menschen kennzeichnet? Ganz nüchtern betrachtet besteht es zunächst einmal darin, da zu sein, d. h. in eine Welt geboren zu sein, mit der sich der Mensch auseinandersetzen muss, um überleben zu können. Diese Welt ist natürlich nicht nur eine Welt der Dinge, sondern auch der Beziehungen. Auch dort gilt es, darin zu sein und zu leben. Diese Bedingungen sind für jeden Menschen gleich: Jeder hat sein Leben zu leben inmitten der Welt und der Beziehungen.

Des Menschen Leben ist vielfältig – es geht um noch mehr. Wenn der Mensch wirklich ganz da ist, dann geht es auch um sein Ich, nicht nur um die Welt und um andere. Mit dem Dasein ist auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst verbunden. Man soll sich finden, sich selbst (authentisch) sein. Nicht irgendwer soll da sein, sondern „Ich“, wirklich ich, einer oder eine, die sich nicht fremd ist.

Neben der Einbettung in die Welt, in die Beziehungen und dem Finden des echten Ichs gibt es dann noch eine vierte Struktur, die die Existenz des Menschen kennzeichnet. Die Existenz des Menschen beruht nicht auf sich, begnügt sich nicht mit sich selbst, sondern will fruchtbar werden. Darum besteht in ihr eine Dynamik hin auf ein Werden, auf eine Zukunft. Existieren bedeutet Ausgerichtet-Sein auf größere Zusammenhänge, in denen wir stehen, wie z. B. Familie, Arbeitsplatz, Umwelt, Berufung. In diesem Eingebettet-Sein und Aufgehen in anderem findet sich der Sinn des Lebens.

Dies also sind die großen Themen der Existenz, wie sie die Existenzanalyse beschreibt. Sie ergeben sich allein aus der Frage, was es für den Menschen heißt da zu sein. Und was die damit verbundenen speziellen Anforderungen sind, um wirklich ganz da sein zu können.

In diesem Buch möchten wir die Existenz des Menschen – unser Leben, unser Dasein, unser Atmen, Lieben und Leiden – in Themen auffächern und einzeln betrachten. Manchmal sind es Überlegungen, manchmal praktische Erfahrungen oder methodische Zugänge, womit die Themen erschlossen werden. Wir haben von den vielen möglichen Themen folgende Themengruppen ausgesucht:

Das Streben nach Glück und Liebe, die Offenheit dem Leben und dem Anderen gegenüber, aber auch sich selbst gegenüber, in der Wahrnehmung der Gefühle, des inneren Gesprächs, der Botschaft des Körpers. Dann der Umgang mit verletzten Gefühlen, mit Blockierendem und Unintegriertem, der Orientierungssuche. Mit Themen wie Ethik, Lebenssinn, Endlichkeit der Existenz und Hoffnung.

Wir hoffen, dass die Leserin, der Leser durch dieses Kaleidoskop existentieller Themen inspiriert wird, noch mehr das eigene Dasein zu ergreifen, den Themen, die das Leben stellt, nachzugehen und so das eigene Leben erfüllter, glücklicher und sinnvoller zu machen.

Wien, im Frühjahr 2016

Silvia Längle,
Barbara Gawel